Im Jahre 2014 auf dem Camino del Norte (Küstenweg)


Herkunftspfad: Übersichtsseite meiner Pilgerberichte >> Von Avilés nach Santiago
Autor: Rudolf Fischer
Meine Netzadresse: Rudolf.Fischer@Esperanto.de

Ältere Berichte gleicher (Teil)Strecken:
2003: Avilés - Santiago
2006: Sobrado dos Monxes - Arzúa - Santiago
2009: Sobrado dos Monxes - Vilanova - Santiago (Abkürzung, mit der man 1 Tag spart)
Die Bilder in diesem Bericht stammen, soweit nicht anders erwähnt, von Hedwig. Aber auch Marianne hat einige wichtige und interessante beigetragen. Bei beiden bedanke ich mich herzlich.

Einleitung

Es war wie in früheren Jahren: Keine Diskussion, ob wir noch einmal gehen sollten. Alle waren wir vom Portugiesischen Weg 2013 begeistert, und alle wären gern wieder gegangen, aber außer meiner Frau Hedwig und mir konnte nur Marianne wieder mit. 2003 waren Hedwig und ich schon von Villaviciosa, dem Verzweigungspunkt der beiden Äste der Nordwege, aus den Küstenweg bis Santiago gegangen. Nach so langer Zeit war sicher vieles verändert. Jedenfalls war Marianne mit dieser Route einverstanden. Das Gewimmel auf dem Camino Francés musste nicht sein, obwohl sie diesen noch nicht gesehen hat. Für Marianne war es die 2. Pilgerfahrt, für Hedwig die 9. und für mich die 13. Una vez el camino, siempre el camino (Einmal Pilgerweg, immer Pilgerweg).

Die Vorfreude war groß und währte lang, da wir schon Oktober 2013 die Flüge gebucht hatten (siehe die Planung). Ganze Abende verbrachte ich damit, schöne Wegalternativen mit Google Earth und Iberpix ausfindig zu machen. Aus Iberpix stellte ich Ausschnittkarten 1:25.000 und 1:50.000 zusammen, eine sehr wertvolle Hilfe, wie die Praxis bestätigte.

Jetzt sind wir wieder zu Hause, und der Bericht lässt mich in Erinnerungen schwelgen, etwas wie Heimweh nach dem Weg kommt auf. Außenstehende finden es sicher seltsam, aber wer einmal unterwegs war, weiß mir die Sentimentalität nachzufühlen. Es kommt hinzu: Ich bin dieses Jahr 70 geworden und nicht mehr 56 wie seinerzeit, als ich mit dem Pilgern anfing. Schon dieses Jahr kann es das letzte Mal gewesen sein. Vor allem wegen meiner Frau, die - ich darf es berichten - seit 3 Jahren an Morbus Parkinson leidet und ab irgendwann auf meine Hilfe angewiesen sein wird. Spätestens dann werde auch ich zu Hause bleiben.

Die ganze Pilgerfahrt stand also unter der Rahmenbedingung, dass Hedwig noch die körperlichen Strapazen aushielt, aber Belastung bis an die Grenze war genau das, was ihr die Ärzte rieten. Es war also nicht verantwortungslos oder egoistisch von mir, sie erneut zu einer Pilgertour zu ermuntern. Ich wusste aber auch von Anfang an, dass die Planung in diesem Jahr schnell Makulatur sein konnte, und tatsächlich wurde sie besonders in der ersten Hälfte ohne Umschweife über den Haufen geworfen, wie ich noch schildern werde.


Als Handbuch habe ich wie üblich eines von Raimund Joos verwendet:

Raimund Joos & Michael Kasper: Spanien: Jakobsweg Küstenweg
Outdoor-Handbuch, Band 71. 11., überarbeitete Aufl. 2013. 320 S., Preis: 16,90 €, ISBN 978-3-86686-405-4
Conrad-Stein-Verlag
Auf der Seite des Verlags am besten bei der Suche "Küstenweg" eingeben.
(Es gibt inzwischen unzählige Pilgerhandbücher.)
Inzwischen ist eine 12. Auflage erschienen, eine 13. ist für Januar 2015 angekündigt.

Pilgerweg im Netz:
Man kann den Pilgerweg unter Wikiloc im Internet verfolgen. Er ist als gelber Strich eingezeichnet. Man kann sich mit der Suchfunktion auch einzelne Abschnitte anzeigen lassen. Ferner haben diverse Einsender auch Wanderrouten in der Nähe des Camino beschrieben, aber die sind nicht allzu zuverlässig und kaum für Pilger geeignet, die nicht lange herumsuchen können.

Achtung: Zunächst das Bild durch Anklicken eines Symbols oben rechts in der Ecke auf Vollbild vergrößern. Danach einfach nach Belieben vergrößern und die Positionspfeile betätigen.

Unten rechts wird auch das Höhenprofil angezeigt, aber was wirklich super ist: Man kann mit dem Mauszeiger die Entfernungsachse des Höhenprofils entlangfahren, dann werden einem laufend die aktuelle Position auf dem Weg und die dortige Höhe angezeigt.


Allgemeines


18 Etappen (mit einigen Umwegen, aber auch Abkürzungen): 352,3 km (davon 17 Etappen mit ca. 300 km zu Fuß)

Unsere Route und damit die Entfernungen können nicht für eine normale Pilgertour zugrunde gelegt werden, da wir absichtlich einige individuelle Änderungen vornahmen.


Wegeauszeichung und Wege
Die Wegeauszeichnung war durchgehend einwandfrei. Ganz selten musste ich mit dem Handbuch klären, wo es weiterging. Dennoch würde ich mich nicht nur auf die Wegeauszeichnung verlassen, denn es gibt manche Alternative, von der man vorher wissen sollte, ob sie lohnt oder nicht oder ob gar dringend davon abzuraten ist. Schwierigkeiten gibt es allenfalls in den Städten. Da war es mir eine sehr große Hilfe, dass ich noch von 2003 von allen größeren Städten Stadtpläne aufbewahrt hatte. Ansonsten kann ich jedem nur raten, direkt nach der Ankunft in einer Stadt zum Tourismusbüro zu gehen und sich einen Stadtplan geben zu lassen. Besonders bei einer Übernachtung erfährt man so, was man sich noch in der Stadt ansehen sollte. Ansonsten vergewissert man sich, wo es anderntags weitergeht, wie ich das immer zu tun pflege.

Die Wege waren im Vergleich zu 2003 ebenfalls wesentlich verbessert. Trotzdem weist noch mancher Muschelstein in zugewachsene Wege. Da haben wir uns über die Landstraße verdrückt. Von Ribadeo bis Sobrado dos Monxes gibt es praktisch keine Alternativen mehr, und die Pilger laufen jede Etappe im Konvoi. Genauso ging es uns auch.

Gewöhnt hatten wir uns an die in Spanien üblichen "Mordanschläge" auf Fußgänger: die Löcher im Pflaster, die durchgerosteten Kanalgitter, die plötzlichen Abbruchkanten usw. Mit den üblichen gegenseitigen Warnungen ging es diesmal fast ohne Sturz ab. Nur ich musste mir natürlich an einer Stelle doch mal wieder ein blutiges Knie holen, in diesem Jahr das linke ...

Fußpflege
Endlich einmal keine Blasen! Dafür gab es mehrere Ursachen:
- "Doppelsockenmethode": die Füße in "Damensocken", also wie Damenstrümpfe, die nur bis über die Knöchel reichen. Ich wusste gar nicht, dass man sowas kaufen kann, hatte Marianne besorgt. Erst darüber die gewohnten Wandersocken mit Fußbett.
- Zusätzlich habe ich jeden Tag die Füße sorgfältig mit einem Hirschtalgstift eingerieben, besonders die Falte zwischen Zehen und Fußballen.
- Wir liefen anfangs eher kürzere Strecken, danach hatten die Füße eine schützende Hornhaut gebildet, und wir hätten beliebig lange weiterlaufen können. Auch gab es keine so schlimmen Geröllwege wie auf dem Camino Sanabrés ab Zamora oder scharfes Pflaster wie auf dem Caminho Português.
Es kann gut sein, dass die letzte Ursache die entscheidende war.

Wetter im Juni
Hier kann ich wörtlich aus dem Bericht von 2013 übernehmen: "Das Wetter war 'wie zu Hause', wie ich mehrfach den Einheimischen gegenüber bemerkte: ungewöhnlich kalt für die Jahreszeit." Wie ich in der Zeitung verfolgt hatte, litt die Nordküste schon unter einem verregneten Frühling. Wieder war es in Deutschland tatsächlich wärmer als in Asturien und Galicien. Ich hatte mir die langfristige Wettervorhersage genau gemerkt und wusste, dass ab dem 21. Juni Regenwetter angesagt war. Davor gab es gottlob viel Sonne, aber schwimmen im Meer: Pustekuchen! Am Strand pfiff (auch bei Sonne) ein eiskalter Wind, und ich hatte fast ununterbrochen meinen Vliespullover an. Also: Wer den Küstenweg geht, muss Glück haben, um ins Meer zu können; ein warmer Pullover und Regenschutz sind unverzichtbar. Das Wetter war ein Anlass, nach einigen Tagen die Etappenplanung umzuschmeißen ...

Handbuch
Wieder hatte ich von dem o.g. Handbuch nur Kopien mit, diesmal sogar noch ausgeschnitten, wobei alle nicht gewünschten Alternativen und die Hinweise für Radfahrer weggelassen werden konnten. Das war sehr erfolgreich. Außerdem hätte das Originalbuch im Regen arg gelitten.

Hier ist jetzt die Gelegenheit, um die Frage zu beantworten, ob man ruhig auf das Handbuch verzichten kann. Ich meine: nein. Besonders wertvoll waren die Hinweise auf Unterkünfte und Einkaufsmöglichkeiten, ferner die beschriebenen landschaftlich schöneren Nebenstrecken, auf denen es ja keine Wegeauszeichnung mit Pfeilen gibt. Ich habe selbst einige zusätzliche Alternativen ausgekundschaftet, die das Handbuch gut ergänzen.
Es gab nur wenige Einzelheiten, die zu korrigieren wären (z.B. ist die Pilgerherberge in Mondoñedo durchaus mit einer Heizung versehen).

Hunde
Keine Gefahr durch frei laufende Hunde. Alle sind im Zwinger, angekettet oder harmlos. Selbst an dem bekannten Bauernhof vor Sobrado dos Monxes, wo mancher Pilger von einer geifernden Hundemeute umringt wurde, hatten wir Glück: Die Viecher lagen zur Siestazeit am Weg und hatten gerade keine Lust an Randale. Etwas stressiger war ein sehr großer Hund bei der letzten Bar davor, aber er erhielt einen Anpfiff von der Wirtin, und dann war Ruhe.

Trinkwasser, Verpflegung, Finanzen
Auch hier kann ich den Text von 2013 komplett übernehmen: "Ich blieb stur dabei, nur gekauftes Wasser zu trinken, allenfalls abgekochtes für den Kaffee. Wegen der zahlreichen Bares, viele mit Einkaufsmöglichkeit, gab es nur selten Versorgungsschwierigkeiten. Ich führte nicht einmal die übliche 2-Tages-Ration mit, und meine beiden Trinkflaschen waren immer nur zur Hälfte gefüllt, was bei dem kalten Wetter ausreichte."

Ein Pilgermenü oder ein Tagesmenü gab es fast überall. Ich schildere Einzelheiten bei den Etappen. Der Preis war geblieben: zwischen 8 und 10 €, darüber winkten wir ab. Nur eine seltsame neue Erfahrung: Ein Tagesmenü gab es in einigen Orten nachmittags bis 16h00, dann war Schluss, auch abends nichts mehr. Ebenso wie letztes Jahr in Portugal war Merluza (Seehecht) wieder oft im Angebot. Manchmal hatte ich den Verdacht, dass man sich darauf verließ, dass wir Merluza nicht von importiertem Billigfisch aus Asien unterscheiden konnten. Na ja, es schmeckte aber.

Die Übernachtungskosten waren in Galizien auf 6 € erhöht worden. Privatzimmerpreise: pro Kopf von 10 bis 20 €, teils sehr günstig. Man merkt den wirtschaftlichen Druck. Als Pilger waren wir überall willkommen und wurden sehr freundlich, teils sogar herzlich und persönlich behandelt. Wir sind tatsächlich wieder mit 25 € pro Tag ausgekommen (den Flug nicht gerechnet), weil wir öfter als geplant in den Herbergen unterkamen.

Ausrüstung
Die Ausrüstung (siehe meine Packliste) war praktisch unverändert, aber die Isomatten blieben diesmal gleich zu Hause. Ich hatte nur noch eine Matte mit, die eher für den Strand war (117 g, 2,99 €), sie kam nicht zum Einsatz. Lange hatten wir überlegt, ob unsere schweren Regenumhänge nötig seien. Konni war letztes Jahr mit einer Plastikhülle für 1 € ausgekommen. Insgesamt hatten wir aber doch dieses Jahr heftigeren Regen als letztes Jahr und waren am Ende froh, alle drei einen großen Umhang dabeizuhaben.

Unterkünfte, Reservieren und Telefonieren
Die Herbergen werden immer besser, weil es auch neue gibt. Nur in San Xusto fanden wir noch eine der früheren alten Bruchbuden vor, fast ein Nostalgieerlebnis. Kompliment an die älteren Herbergen in Vilalba und Villanova de Lourenzá, die wegen guter Betreuung immer noch bestens waren. Glanzstücke sind die neuen Herbergen in Gontán, Mondoñedo, Miraz und - man höre und staune - im Kloster zu Sobrado dos Monxes. Eine sehr lobenswerte Neuerung, die wir schon 2010 kennengelernt hatten, waren Einmalüberzüge aus Plastik, für Matratze und Kopfkissen. Wegwerfmaterial macht mir zwar ökologisches Unbehagen, aber dass man deshalb nicht im Schlafsack bleiben musste und sich über das ganze Bett räkeln konnte, war schon ein tolles Gefühl.

Einige Privatübernachtungen hatte ich vorgebucht, so das Hotel an der Ría de Foz über booking.com von zu Hause: wiedermal perfekt und preisgünstig. Ich kann booking.com jetzt nach dreimaligem Ausprobieren sehr empfehlen. Dann habe ich schon in der Planung berichtet, dass ich noch von zu Hause telefonisch in der Pension in Santa Marina reserviert hatte. So ersparte ich mir das Rumsuchen nach einem Telefon in Avilés. Tatsächlich gibt es kaum mehr Telefonzellen in Spanien, und ich bekam auch keine Vorbezahlkarte mehr in den Tabakläden. Brauchte ich auch nicht, denn zum ersten Mal hatte ich mein Mobiltelefon mitgenommen, und - o Freude! - die Anrufe in Spanien kosteten nur etwa 20 cent. Da hat sich ja gewaltig was getan. Ich brauchte auch nichts umzustellen, sondern mein Uraltmobiltelefon suchte sich selbst das günstigste lokale Netz. Das alles hatte ich durch eine sehr freundliche und kompetente Beratung in der Telekom-Filiale in Münster erfahren. Man reinigte sogar mein Mobiltelefon und meinte, bei meinen bescheidenen Anforderungen bräuchte ich auch kein neues. Da hat Telekom einen treuen Kunden mehr.

Das Mobiltelefon hat mir diesmal unschätzbare Dienste geleistet, wie ich noch schildern werde. Ich habe mich auch da kulturell erfolgreich angepasst :-)

Mein Spanisch muss auch wohl besser geworden sein, denn erstmalig hatte ich selbst beim Telefonieren keine Probleme. Oder die Gesprächspartner hatten inzwischen gelernt, Ausländer-Einfachspanisch zu sprechen. Jedenfalls war ich sehr stolz auf diese neuen Erfolge.


12. Juni 2014, Donnerstag: Flug nach Asturias, Herberge von Avilés


Auf 3h45 sollte ich den Wecker stellen, da wir 4h50 abgeholt wurden. Um 4h31 bemerkt meine Frau, dass ich den Wecker auf 4h45 gestellt habe. Gottlob waren die Rucksäcke so gut wie fertig gepackt, aber jetzt zählte jede Minute, und man muss ja wirklich bis zuletzt an alles denken, wenn man das Haus für 3 Wochen verlässt. Das fing ja gut an! Aber bei unserer Routine lief alles ohne Übereinandergestolper ab, und fast auf die Minute pünktlich waren wir fertig, allerdings ohne Frühstück.

Mariannes Mann brachte uns mitten in der Nacht per Auto zum Flughafen nach Düsseldorf, was uns ca. 3 Stunden ersparte, wenn wir mit dem Zug gefahren wären. Die Iberia hatte uns den Flug 5 Stunden vorverlegt. Eigentlich unmöglich! Muss man das hinnehmen? Gottlob hatte unsere Reiseagentur dafür kostenlos den Anschlussflug ebenfalls um 5 Stunden früher umgebucht, so dass wir nun schon am frühen Nachmittag in Avilés eintreffen konnten. Das war schon ein großer Vorteil, der uns versöhnte.


Nach 1 Jahr und 1 Tag saßen wir also wieder im Flugzeug, das uns zu einem Jakobsweg brachte. Der Flug nach Madrid und der Weiterflug nach Asturias verliefen ohne Zwischenfälle. 13h20 in Asturias, 14h00 Weiterfahrt mit dem Bus nach Avilés (4 €). Achtung: zur gleichen Zeit fährt ein anderer Bus vom benachbarten Bussteig nach Oviedo.
Auf der Fahrt kreuzte man den Pilgerweg. Es ging im Zickzack über das Fernstraßengewirr, Endstation Busbahnhof. Leider habe ich ihn auf dem Stadtplan übersehen. Man kann sich merken, dass er direkt neben dem RENFE/FEVE-Bahnhof liegt. Wir stießen aber gleich bei der Kreuzung Marcos de Torniello / Av. de Alemania auf den Pilgerweg, der nach Norden auf Salinas zu verlief. Da wusste ich, wo wir waren, es ging einfach die "Marcos de Torniello" geradeaus weiter, auf dem Pilgerweg rückwärts. Gemächlich bei schönem Wetter durch die Innenstadt, wo wir gleich einige Sehenswürdigkeiten (Rathaus, Gigantenbrunnen, Plaza de España) mitnehmen konnten.
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Vor dem Rathaus von Avilés

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Front der Herberge von Avilés

In der Herberge von Avilés

Ich wunderte mich, wie viel ich nach 11 Jahren wiedererkannte, und das sollte mir auf dem ganzen weiteren Weg so gehen. Der Wohnblock, in dem die Herberge untergebracht ist, war nicht mehr gelb, sondern außen rot und innen, vom Hof aus, blau. 15h00 treffen wir ein, 15 Pilger sind schon da, aber es ist massig Platz im großen Schlafsaal (den ich ganz anders in Erinnerung habe). Wir können alle drei unten schlafen. 5 € für die Übernachtung. Neue zusätzliche Duschen in einem Anbau. Einlass ab 16h30 stimmte nicht. Auch die Kritik "etwas feucht" im Handbuch kann ich nicht nachvollziehen. Vielleicht ist es mit den neuen Duschen besser geworden.

Wir verdrücken uns in die Stadt und suchen lange nach einem Supermarkt. Wir finden einen, ziemlich weit weg im Westen der Altstadt ("elárbol" ist jetzt die Schreibweise), wo auch morgen unser Weg eine Kreuzung vorher entlanggeht. Gute zusätzliche Information.


Bewährte Arbeitsteilung

Abends im Hof gemütliches Abendessen und Schlummertrunk. Unter uns dreien spielt sich eine Arbeitsteilung ein, Feminismus hin oder her: Während ich gleich nach der Ankunft wieder losziehe, um zu "schnüffeln" (rauszubekommen, wo man einkaufen kann, wo es ein Pilgermenü gibt, wo morgen der Weg hergeht, usw.), waschen die Frauen die Wäsche und stellen den Einkaufszettel zusammen. Eingekauft wird natürlich zusammen, schon wegen der Schlepperei. Hedwig und Marianne sorgen immer für ein opulentes Frühstück und manche Kleinigkeit unterwegs, und abends wird auch mal gekocht, anstatt essen zu gehen. Ich pilgere nur noch mit Frauen :-)
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Schlummertrunk am Abend

Die ersten Mitpilger

Unter den Pilgern ist die Verständigung mühsam. Da ist z.B. ein Koreaner, mit ihm ein undefinierbarer alter Mann mit Militärmantel, ein italienisches Fähnchen darauf, brabbelt aber irgendein Kauderwelsch, ich tippe auf Balte oder sonstiger Osteuropäer. Die Bettnachbarn, eine Gruppe von 3 Spaniern, kommen mir etwas hochnäsig vor. Jedenfalls suchen sie nicht den üblichen Kontakt, sondern sehen nur zu, dass sie alles haben. In der Nacht höre ich im Dunkeln etwas fallen: Es war die Sonennbrille einer der beiden Frauen, aber als ich die beim Packen morgens finde, sind sie längst weg. Ich lasse die Finger davon, die Sonnenbrile einzupacken, denn wegen übereifrigem Mitsorgen für andere habe ich mir schon mal die Finger verbrannt. Tscha, diesmal hätte es aber klappen können, wie ich Tage später merkte.

Abends treffen noch einige weitere Pilger ein, ohne dass wir deshalb zusammenrücken müssen. Um 22h00 wankt noch ein junger Deutscher herein. Er ist erschöpft und sagt außer einem Gruß kein Wort. Es folgt eine ruhige Nacht.


13. Juni 2014, Freitag: Von Avilés nach Esteban de Pravia, 20,2 km


Und schon ist alles wieder Routine, das Geraschel ab 5h00, dass alles ab 6h00 davonstürzt, als sei man auf der Flucht, und unser gemütliches Aufstehen mit Platz in den Waschräumen und im Schlafsaal, kein Schlangestehen vor der Toilette, weil wir immer unter den Letzten sind.

Aaron aus Oldenburg

Heute ist Freitag, der 13., da sollte man ja lieber in Deckung bleiben ;-) Uns ficht das natürlich nicht an. Gegen 6h00 aufstehen. Der junge Deutsche gegenüber wird ebenfalls munter. Ich stelle uns spontan vor, er sagt: Aaron aus Oldenburg. Beim Frühstück kommen wir ins Gespräch. Er hat ein Praktikum in Madrid hinter sich, hat sich spontan entschlossen, ein Stück Jakobsweg zu gehen und ist etwas kopflos aufgebrochen, hat mit Mühe Avilés als Ausgangsort erreicht. Er hört aufmerksam zu, was ich über die nächsten Etappen sage. Es kommt, wie schon früher öfter, er schließt sich uns vorerst an. Es ist aber abzusehen, dass er uns in ein-zwei Tagen zurücklassen muss, da er sonst mit seiner Zeitplanung nicht hinkommt. Aber meine Abkürzungen und Varianten bis Soto de Luiña sagen ihm sehr zu. Also, abgemacht!

7h50 Morgengebet, und dann um 8h05 los. Heute lege ich den Text meiner Planung lange Zeit nicht aus der Hand, denn ich will die Abkürzung (von ca. 3 km) direkt auf Piedras Blancas zu ausprobieren. Außer meiner Wegbeschreibung (s.u.) habe ich auch noch einen Iberpix-Kartenausschnitt in der Hand. (Um Urheberprobleme zu vermeiden, stelle ich die nicht ins Netz, kann sie aber auf Anforderung elektronisch zusenden.)


Abkürzung von Avilés nach Piedras Blancas

Man verpasst Salinas (man kommt aber sowieso nicht ans Meer) und die Kirche San Martín de Laspra, die ich vor 11 Jahren schon gesehen habe. Haut einen nicht um.

Von der Herberge zum Camino de Gaxín

Von der Herberge links auf dem Stadtring (Av. de Cervantes) weiter, in einem lang gezogenen Rechtsbogen. Rechts liegt ein großer Park. Weiter in die Verlängerung = Doctor Severo Ochoa hinein, am Ende der Plaza de Carbayedo (kleinere Grünanlage, hier in der Nähe ist der Supermarkt "elarból") nicht sofort links ab, sondern eine Kreuzung weiter bis zur nächsten und dort links in die Av. San Augustin.

Jetzt immer geradeaus bis zum Ende an einem Kreisverkehr. Dahinter erhebt sich ein riesiges rotes Gebäude, das Colegio San Fernando. Hier stimmt der 11 Jahre alte Stadtplan wegen Neubauten nicht mehr so ganz. Im Kreisverkehr am rechten Rand geradeaus weiter über die nach rechts abknickende große Straße (Fuero da Avelés?) hinweg in Richtung Colegio. Dort geht nach rechts eine schmale Asphaltstraße ab (wohl die alte Straßenführung), parallel zu der eben überquerten Ausfallstraße, aber etwas höher. Man folgt diesem Rad- und Fußweg einige hundert Meter, dann mündet er, fast wieder an der Ausfallstraße, in eine andere kleine Landstraße, die von der Ausfallstraße nach links (Westen) führt. (Man hätte also auch die Ausfallstraße am Kreisverkehr rechts gehen können, darf dann aber den Abzweig links der kleinen Landstraße nicht verpassen.)

Der weitere Weg bis Piedras Blancas

Die Landstraße ist der Camino de Gaxín, und man ist sofort in einer schönen Landschaft. Hinter einem ragen die Hochhäuser von Avilés auf, das man auf diesem Weg recht schnell verlassen hat. Auf diesem kleinen Sträßchen nun immer geradeaus, der Flecken Gaxín bleibt rechts liegen. Brücke über die Schnellstraße N-632. (Hier endet der Stadtplan.) Immer weiter auf dem Sträßchen nach Westen, zwischen einer Häusergruppe hindurch, eine Landstraße überqueren.

Geradeaus weiter. Erst ist nur links Wald, dann auch rechts. In einer Linkskurve dieser halblinks folgen (nicht rechts abbiegen). Die Straße senkt sich nun in ein markantes Bachtal, an dem ein Bauernhof liegt. Links und rechts erhebt sich Wald. Gleich geht es aus dem Tal wieder hoch, und schon nach 100 m zweigt rechts ein weiteres Sträßchen ab, in das wir nach kurzem Zögern (keinerlei Schilder) einbogen. Das war richtig. Es ging kräftig bergauf. Oben erreichten wir nach einigen hundert Metern den Waldrand. Geradeaus ging es auf einer Piste weiter, die Asphaltstraße machte einen Knick nach rechts, dem wir folgten. Aus dem Wald heraus geht es über offenes Grünland zwischen Höfen auf eine Häusergruppe zu (darin links ein auffälliges langgestrecktes Gebäude). Rechts um die Häuser herum, Rechtsbogen um Gebüsch, und dann dreht der Weg nach Norden, parallel zu dem anderen Ast der Fernstraße N-632 (im Handbuch als gelbe Linie eingezeichnet, mit einem großen Rechtsbogen im Norden). Kurz darauf nicht geradeaus weiter, sondern links abbiegen auf die Fernstraße zu. Es ist ohnehin die Hauptrichtung. Vor der Fernstraße nach rechts und dann ganz nah an ihr entlang, bis von vorne eine andere Landstraße dazukommt und beide Richtungen links die N-632 unterqueren. Dann folgt ein Rechtsbogen auf eine Eisenbahnunterführung zu. Ziemlich eng, man muss aufpassen. An der Unterführung glaubte ich einen gelben Pfeil zu sehen. Dann eine Linkskurve, und man läuft auf die alte N-632 zu, dahinter sieht man schon Piedras Blancas zum Greifen nahe.


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Muschelstein vor Piedras Blancas

Reste einer alten Pilgerwegauszeichnung

Der gelbe Pfeil war wohl keine Fata Morgana, denn jetzt zeigt ein Muschelstein auf einen Wanderweg, der ebenfalls zur alten N-632 führt. Wir folgten ihm natürlich. Auf der alten N-632 führten uns Pfeile und Muschelsteine gleich wieder halbrechts in die Stadt. Man läuft in einem sachten Linksbogen, bis man auf eine größere Straße (Av. de Eysines) trifft, der man nach rechts zur Plaza Europa folgt. Da es keine Wegekennzeichnungen mehr gab, musste ich hier einmal fragen. (Man kann schon vorher halbrechts abbiegen und kommt dann am Ende der Plaza Europa raus. Kürzt nochmal etwas ab, ist aber schwerer zu finden.)

Von der Plaza Europa zum regulären Pilgerweg

Rechts erscheint dann die Plaza Europa. Dort rechts abbiegen, über den Platz und geradeaus weiter durch die Calle del Rey Pelayo. Diese führt schnurgerade links am westlichen Altstadtrand vorbei. Doch schon nach gut 100 m geht es vor einem leichten Rechtsknick links ab (Calle del Vallín) bis zu einer T-Kreuzung. Dort rechts (Villar, Camino Caleon del Cura) in einem großen Linksbogen, schon außerhalb der Bebauung, bis zur nächsten T-Kreuzung. Hier kommt der Jakobsweg von rechts und geht links in die Calle de Juan Sin Tierra weiter. Nach wenigen Metern halbrechts abzweigend, steil ansteigend in Richtung La Cruz weiter. Dann wieder nach dem Handbuch.

Zusammenfassende Beurteilung der Abkürzung

Insgesamt hat sich aus meiner Sicht diese Variante gelohnt: landschaftlich schön, leicht zu laufen und kürzer. An den Resten der Wegeauszeichnung sieht man, dass hier früher einmal der Jakobsweg herging. Warum er verlegt wurde, kann man nur raten. Auch die Iberpix-Karte zeigt am Eingang von Piedras Blancas ein Muschelsymbol.

(Ende der Abkürzung von Avilés nach Piedras Blancas)


Bis zu den Höhen vor Soto del Barco

Wenn man sich den weiteren Weg auf der Iberpix-Karte anschaut, sieht man, dass man nur wenig abseits von Fern- und Schnellstraßen durch viel Grün, das einem landschaftliche Einsamkeit vortäuscht, nach Südwesten geführt wird. Die Kennzeichnung ist tadellos. Hinter Piedras Blancas folgt der Stadtteil Cruz. Dann zieht man oberhalb von Vegarrozada weiter, lange durch mehr oder lichte Wälder auf der Höhe, und kommt bergab zum Ortsteil Ventaniella von Santiago del Monte. An einer Kapelle vorbei (es war die in meinem Bericht von 2003 erwähnte Ermita de la Virgen de los Remedios) überquert man die Landstraße CT-1 und kommt an der Kirche vorbei in den Ortsteil La Banda. Hier quert man die N-634, die vom Flughafen kommt, und biegt in die Landstraße AS-318 nach San Juan de la Arena ein. (Es war 2003 hier, wo wir uns wegen dem Ausbau der N-634 so übel in der Baustelle verlaufen hatten.)


Das Weitere kannte ich wieder: Nach ca. 1 1/2 Kilometern auf der AS-318 zweigte eine deutlich gekennzeichnete Piste nach links ab. Wir kamen in ein großes Waldgebiet, das aber zurzeit ratzekahl abgeholzt wurde. Von Norden, vom Meer her zogen Nebel die Hänge hoch.
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Verwüsteter Eukalyptuswald

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Mit Aaron unterwegs
Wir folgten einem Zickzack von provisorischen Kennzeichnungen durch die Verwüstung (hier konnte das Handbuch natürlich nicht helfen), aber wir kamen ohne Probleme bei dem Landsitz heraus, an dem uns 2003 die alten Damen Wasser gegeben hatten. Beim Durchwandern von El Castillo wunderte ich mich über den bestens ausgesuchten Weg durch die schmale Bebaung auf der Höhe des Ría-Ufers mit Blick auf den Festungsturm. Hatte ich so schön nicht in Erinnerung. So erreichten wir die N-632 vor Soto del Barco.

Neue Wegeführung in Soto del Barco

Hier gab es eine neue Wegeführung: Anstatt der N-632 nach rechts zur Brücke zu folgen, wird man geradeaus in die Stadt gelotst und läuft dann nach rechts ca. 2 km, bis man vor der Ría-Brücke herauskommt. Es ist die alte Trasse der N-632. Ein satter Umweg, der wohl wegen der Gefährlichkeit der N-632 eingerichtet wurde. Noch nicht im Handbuch erwähnt! Ich rate auszuprobieren, ob man nicht doch an der N-632 entlanglaufen kann.


Nicht ganz unerwartetes Treffen

Bevor wir auf der linken Seite die Brücke überquerten, machten wir aber noch Mittagspause im Sonnenschein. Ich schnüffele an der Brücke und sehe einen weiteren Pilger ankommen, der mich mit Hallo begrüßt. Es ist Hans aus Dortmund, den ich aus dem Pilgerforum kannte und der vom Flughafen direkt nach hier gelaufen war. Also Pause zu fünft.
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Mittagspause zu fünft

Danach laufen wir gemeinsam über die Brücke und nehmen gleich wieder Abschied von Hans, der heute noch bis Soto de Luiña will. Wir anderen vier unterqueren jedoch die N-632 und ziehen am linken Ría-Ufer nach Esteban de Pravia, unserem heutigen Ziel weiter. Wir sind guten Muts und bei Kräften, auch das Wetter ist freundlicher, weil gegen 12h00 die Sonne herausgekommen ist und den restlichen Nebel vertrieben hat. Angenehm warm.


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Jugendherberge "Bocamar" (Meeresmund)
Gegen 16h45 haben wir den Stadtrand erreicht und schauen nach der Herberge aus. Ich erwarte ein großes Haus mit lärmenden Jugendlichen. Nervös sind wir nicht, denn ich habe zu Hause per Netzpost schriftlich angefragt und gleich anderntags eine Antwort und Zusage bekommen. Allerdings sind wir ja nun zu viert. Rechts liegt die ganze Zeit das schöne Flussdelta, Industriebauten halten sich in Grenzen. Wir passieren den Bahnhof. Links einige Geschäfte und Bares. Die Fahrstraße endet auf einem kleinen Platz, auf dem man im Kreis wenden kann. Links, etwas vorspringend, liegt ein mehrstöckiges rotes Gebäude mit der Aufschrift "Albergue Juvenil".

Jugendherberge "Bocamar" in Esteban de Pravia

Die große Doppeltür ist verschlossen, aber rechts ist noch eine Eingangstür mit Klingel. Ein Mann öffnet, bittet uns freundlich in einen großen Aufenthaltsraum (hinter der Doppeltür) herein und schaut prüfend. Es gibt 4-Bett-Zimmer, da sollen wir noch Aaron mit hineinnehmen. (Er will nicht wegen 1 Jugendlichen ein weiteres Zimmer öffnen, denn ausgebucht war hier wahrscheinlich nicht.) Als wir "kein Problem" sagen, haben wir bei ihm gewonnen.

Oben sind im 1. Stock 2 4-Bett-Zimmer a 2 Doppelstockbetten, etwas eng. Ferner 1 Frühstücksraum und 2 Badezimmer mit je Klo, Dusche und Waschbecken zusammen. Reicht aber für maximal 8 Leute. Später kamen noch ein Ehepaar und eine Pilgerin, die wir schon aus Avilés kannten und bezogen das zweite Zimmer. Man konnte Frühstück für 3 € bestellen, musste aber nicht. Der Herbergsvater bereitete es morgens selbst vor, hatte aber nichts gegen Leute, die im Frühstücksraum saßen und von eigenen Vorräten zehrten. Den Übernachtungspreis habe ich nicht notiert, es waren mindestens 13 € wie im Netz angegeben, eher 14 €, evtl. Zuschlag für Einmalüberzüge. Jedenfalls stiegen die Preise jedes Jahr. Im Vergleich zu anderen Privatunterkünften, die wir gesehen haben, nicht die billigste. Hinter dem Haus Wäscheleinen und ein kleiner Garten, oben eine Terrasse, das war alles angenehm.


Adresse: Albuerge Bocamar http://albuergebocamar.com info@albuergebocamar.com (28 Betten)

Reinfall mit dem Pilgermenü

Mit Mühe konnten wir noch etwas einkaufen, die meisten Geschäfte hatten geschlossen. Abends klapperten wir die benachbarten Kneipen nach einem Pilgermenü ab. Ein junger Mann, nicht der souveränste, bedeutete Aaron, wir sollten uns nur setzen, es gäbe zwar keine Auswahl, aber was für 9 €. Nun ja, der gemischte Salat als 1. Gang war ok, aber der 2. eine Frechheit: Einfach nur Nudeln mit einer Dosentunke aus Ketchup mit Fischbröseln darüber. Da wären nicht einmal meine Kochkünste überfordert worden. Pudding als Nachtisch. Immerhin 2 Flaschen Wein zum Trost. Im Hintergrund versammelten sich die Einheimischen, um das erste Weltmeisterschaftsspiel Spaniens anzuschauen. Während wir durch den Wein recht angeheitert plauderten, schlichen auf einmal alle Spanier wortlos raus. Junge, die mussten sich ja eine furchtbare Packung eingehandelt haben! Tage später lasen wir in der Zeitung, dass es tatsächlich so gewesen war. Sonst bekamen wir vorerst von den Spielen nichts mit. Mir war es recht.

Obwohl unser Fenster auf die Straße hinausging, war es eine ruhige Nacht. Die beiden Frauen hatten die unteren Betten. Mit Hilfe eines Stuhls hatte ich keine Probleme beim Hoch- oder Runterklettern.


14. Juni 2014, Samstag: Von Esteban de Pravia nach Soto de Luiña, 22,9 km (43,1 km)


6h30 standen wir auf, ließen es etwas langsam angehen. Frühstück im Aufenthaltsraum. Die anderen Pilger bekamen ihres vom Haus, die Qualität schmiss einen nicht um, aber für 3 € kann man auch nicht viel erwarten. Bald waren wir die Letzten im Haus. Morgenandacht noch auf dem Zimmer, dann um 8h30 los.

Wenn man schon wegen der Unterkunft über Esteban de Pravia geht, sollte man auch den tollen Wanderweg an der Küste entlang über Cudillero nehmen. Insgesamt 3,3 km Umweg. Nun, die paar Kilometer mehr sind nicht so tragisch, aber die zusätzlichen Höhenmeter (drei satte Steigungen) fallen schon ins Gewicht.


Zum Aussichtspunkt Mirador de Atalaya

In bester Laune und bei relativ gutem Wetter (nur der übliche Nebel über dem Wasser) liefen wir die Fortsetzung der Landstraße am Hafen entlang bis zur äußersten Spitze. Hier gab es für die Mitglieder eines Klubs Sportanlagen mit einem Freibad, aber auch einen kleinen öffentlichen Strand zwischen bizarren Felsen. Dann mussten wir den Geländegang einlegen: Eine sehr steile Treppe die Abbruchwand hoch, und wenn man den Waldrand erreichte und dachte, man sei schon oben, ging es weiter durch den Wald aufwärts, dass selbst mir die Puste ausging. Endlich kamen wir oben an einem Grasplatz, der auf der Karte mit Mirador de Atalaya bezeichnet wird, heraus, immerhin auf 106 m Höhe. Im Hintergrund lag die Kapelle Ermita del Espíritu Santo. Natürlich geschlossen. Deshalb genossen wir lieber die Aussicht.
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Treppe die Steilküste hoch

Neuer Wanderweg am Steilufer entlang

Dann folgte eine kleine Landstraße, die sich auf halber Höhe über Esteban de Pravia hier hochgeschlängelt hatte. Aber schon nach wenigen 100 Metern ging ein neuer Wanderweg - Senda Costera de Muros de Nalón - halbrechts ab. Er ist auf den Iberpix-Karten nicht eingezeichnet. Inzwischen hat Spanien die Wichtigkeit von Wanderwegen entdeckt, und so findet man immer mehr, oft mit EU-Geldern finanziert. Das war genau das, was wir uns gewünscht hatten. (Der Weg ist auch im Handbuch beschrieben.) An einer Brunnenanlage machten wir Rast, um uns von der Strapaze des Aufstiegs zu erholen. Nach ca. 1 km muss man bei einigen Häusern aufpassen, dass man nicht dem Weg weiter folgt, sondern wieder rechts zur Küste abzweigt. Man überquert in der Folge mehrere kleine Stichstraßen, die zu Badebuchten führen. Heute am Samstag war hier einiges los.


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Playa Veneiro

Playa Veneiro: Tipp zum Rasten und Schwimmen

Nach einem bisschen Auf und Ab kamen wir endlich oberhalb der Bucht Playa Veneiro heraus. Links unter uns lag die Straße, die Hedwig und ich 2003 von Muros de Nalón ganz früh morgens gekommen waren. Hier herrschte reger Ausflugsbetrieb, aber alles fuhr zur nächsten Bucht Playa de Aguilar weiter. Wir aber blieben zunächst oberhalb der Playa Veneiro auf zwei Bänken, genossen die herrliche Natur und nahmen ein zweites Frühstück ein. Hier war nur ein Paar mit Kleinkind am Strand, sonst niemand. Ja, wenn man Zeit hat, lohnt hier ein Tagesaufenthalt zum Entspannen, aber der Pilger ist ja kein Tourist, es treibt ihn immer gleich weiter, und fürs Schwimmen war es auch zu frisch.

Playa de Aguilar: Eher für Touristen

Danach ging es lange an der riesigen Playa de Aguilar entlang, niemand nahm von uns Notiz. Dann kam der zweite steile Aufstieg am Ende der Bucht, in Serpentinen hoch, das kannte ich schon. Im Rhythmus richteten wir uns nach Hedwig, der die Aufstiege doch zu schaffen machten und die immer mal wieder stehen bleiben musste. Marianne und sie machten auch eifrig Fotos, und so hatte ich häufig Gelegenheit, entschleunigen zu üben. Das tat auch meinem unruhigen Herzen gut.

Umweg zum Besuch von Cudillero

Es ging nun von der Küste weg, bis El Pito, wo der reguläre Jakobsweg von links dazukommt. Etwas weiter liegt rechts ein Schlosspark, links eine Kirche. 150 m danach geht der reguläre Jakobsweg links ab. Hier dachten wir 2003, es sei eine gefälligere Route nach Cudillero, aber der Jakobsweg berührt diesen Ort ja nicht. Man sollte aber die 2,3 km Umweg (in den 3,3 km Umweg von heute schon enthalten) investieren. - Wir blieben also auf der Straße nach Cudillero. Links von unserer Straße ging es ganz steil in ein grünes Bachtal hinunter; das war schon der Anfang der Schlucht, in der Cudillero liegt. Es dauerte aber noch einige Zeit, bis wir die Bebauungsgrenze erreicht hatten. Von links mündete eine Straße ein: Das war die, die wir 2003 gekommnen waren und die wir auch zum Pilgerweg zurückgegangen waren. Das kann man machen. Ich halte es aber für besser, nicht vom Hafen aus hierhin zurückzukehren, sondern die Straße am Hafen weiter zur verfolgen, bis sie in langgestreckten Serpentinen wieder die Höhe gewinnt und landeinwärts auf den regulären Pilgerweg zuläuft. So beschreibt es auch das Handbuch.


13h40. Wir liefen nun staunend durch die sehr enge Hauptstraße von Cudillero, wobei man jedem Fahrzeug auf den so gut wie nicht vorhandenen Bürgersteig ausweichen muss. Ich hielt Ausschau nach einer Gaststätte mit Tagesmenü, wobei ich schon kalkulierte, dass die teuersten am Marktplatz und Hafen lagen. So war es denn auch. Aber vorher kamen wir an eine nicht allzu gepflegt aussehende Bar Rincón Pixueto rechts. Menü 10 € und beachtliche Auswahl. Wie immer fragte ich zur Vorsicht den Wirt, ob es denn überhaupt was gab, denn Gäste waren nicht zu sehen. Gleich räumte er Stühle für uns zusammen, zeigte uns, wo wir die Rucksäcke abstellen konnten und nahm fix die Bestellung auf. Das lief gut. Für ihn auch, denn kaum hatten wir Platz genommen, als sich der Effekt einstellte, dass die Leute dahin gehen, wo schon welche sind. Auch ich hatte ja gezögert, weil vorher keine Gäste zu sehen waren. Kurz und gut, es wurde in kurzer Zeit voll, aber wir bekamen unser Essen als erste. Insgesamt kann ich diese Bar empfehlen.
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Malerisches Cudillero

Esperanto-Reklame erregt Aufsehen

Auf dieser Pilgertour trug ich fast ununterbrochen ein T-Hemd vom Spanischen Esperanto-Kongress 2010 in Santiago. Die Leute lasen "Esperanto" und "Santiago", und deshalb kam es heute an den Nachbartischen zu einer längeren Diskussion über Esperanto. Einzelheiten konnte ich aber nicht verstehen.

Gestärkt ging es in den Hafen weiter. Aus der Rückschau finde ich es merkwürdig, dass wir uns so viel Zeit ließen, denn Soto de Luiña war weiß Gott noch weit entfernt, und es war Samstag, ein Tag, an dem man mit Wochenendpilgern rechnen muss. Aber gottlob wurde ich nicht nervös, was auch gar nichts geholfen hätte. Den Weg durch den Hafen und die schon erwähnten Serpentinen hoch kannte ich noch nicht. 2003 waren wir ja ein Stück zurückgelaufen.

Nach diesem dritten steilen Aufstieg war Hedwig oben auf der Höhe ziemlich fertig. Sie hatte die linke Schulter herunterhängen, so dass auch der Rucksack schief hing, und schleppte das linke Bein hörbar nach, alles so deutliche Zeichen ihrer Krankheit, wie ich sie noch nicht gesehen hatte. Es ging die CU-3 entlang, scheinbar endlos geradeaus, bis zu einem Kreisverkehr. Kreuzung mit der N-632, und hier muss auch der reguläre Pilgerweg von schräg links hinzukommen. Vorher noch einmal Trinkpause, dann auf der N-632 langsam weiter.

Neue N-632 gesperrt

Wir näherten uns der Bucht mit der Concha de Artedo, aber ein Blick auf die Uhr sagte, dass wir uns einen Besuch dort abschminken konnten. Es sah ohnehin nach Kiesstrand aus. (Wie war das noch mit dem Fuchs und den Trauben?) Erst einmal war die neue N-632 geradeaus gesperrt, und alles wurde auf die alte N-632, die die nächsten 2 Kilometer parallel lief, nach rechts abgeleitet. (Das Handbuch redet von "Zubringer"). Dort wollten wir ohnhin zu Fuß entlang, aber nun hatten wir auch den ganzen Verkehr am Hals. Lebensgefährlich waren für uns vor allem die Motorradgruppen, die sich hier zum Wochenende austobten. Wenn sie uns sahen, war es längst zu spät, noch groß auszuweichen. Wenn wieder hinter oder vor uns etwas herandröhnte, blieb es uns vorbehalten, rechtzeitig auf die andere Straßenseite auszuweichen oder uns in den Graben bzw. an den Hang zu quetschen. Von vorn musste nun auch noch die neue Autobahn kommen. (In dieser Ecke haben sich 2003 viele verlaufen, aber nun wurde sowieso alles ganz anders und direkt über die Nationalstraße geführt.) Wir erreichten das Hotel Marino. Keine Ahnung, wo wir hier 2003 links herauskommen waren, oben geht jetzt die neue N-632 her. Am Hotel muss man auf dem regulären Pilgerweg eigentlich scharf rechts runter. Ich hatte schon zu Hause eine wesentlich bessere Route geplant, die allerdings vorausgesetzt hatte, dass die alte N-632 wegen der beiden anderen Trassen so gut wie leer sei.


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Wahnsinn in Beton

Tipp von mir: Ein besserer und leichterer Weg nach Soto de Luiña

Nach meinem Plan blieben wir auf der alten Nationalstraße. Bald unterquerten wir die neue N-632 und die Autobahn, die hier mit himmelhohen Pfeilern durch die Gegend stelzten. Was soll dieser Wahnsinn? Ich wette schon jetzt, dass Spanien in wenigen Jahrzehnten die notwendigen Unterhaltungskosten nicht mehr aufbringen kann, wenn sie überhaupt mitgeplant wurden. Dann bleibt alles liegen, wird gesperrt und kracht am Ende zusammen. Deutschland hat doch längst die gleichen Probleme, trotz Planung und strengen Vorschriften.

Etwa 1 km weiter kommt in einer Rechtskurve ein Sträßchen von der Concha hoch. Wenn man die Bucht über den Weg, der am Hotel abgeht, besucht hat, ist das hier der einfachste Rückweg. Wir hatten diese Höhenmeter gespart und liefen weiter die alte N-632 entlang abwärts nach Artedo. Auf dem tiefsten Punkt überquerte man mit einer Engstelle der Straße einen Bach. Hier lag links ein renovierter und zu einem Wohnhaus umgebauter Turm, der wohl früher diesen Übergang sperrte. Hinter dem Ort kam links ein neuer Campingplatz - und eine Bar, nichts wie hinein! Die Preise waren ganz schön gepfeffert (Cola 1,80 €). Ein Mann sprach uns auf Spanisch an. Er erzählte, dass er Schotte sei und schon lange hier lebe.
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Feve-Viadukt vor Artedo
Bild: Marianne

Hinter der Bar kam eine langgestreckte leichte Rechtskurve. Die Straße, die hier von rechts einmündet, kommt von Lamuño, das auf der anderen Seite oberhalb der Bucht liegt. Ich schaute aber nach einem kleineren Weg aus, der in einer scharfen Linkskurve rechts abgeht, und als wir ihn erreichten, wies dort auch ein gelber Pfeil hinein. Man stolpert ein kleines Bachtal hoch, bis zu einer T-Kreuzung, wo der reguläre Pilgerweg von rechts kommt, links geht es weiter. Wir durchquerten das Kuhdorf Mumayor (sehr passender Name), bis der Weg nach links unten auf die schon sichtbare alte N-632 führt. Ich hatte aber eine Abkürzung geradeaus im Auge, wo auch der Pilgerweg sich fortsetzt.

Hedwig meuerte etwas, weil sie erschöpft war und weil es auf meinem Weg wieder hoch ging, während die alte Nationalstraße unten so verlockend tief lag. Meine Route ging aber wirklich nur wenige Meter sanft hoch und kürzte eine große Schleife der Landstraße ab. Meine Frau gab nach. An der nächsten Wegekreuzung (rechts ein Haus) wurde es spannend. Der Pilgerweg ging rechts weiter und steigt noch 64 m, bevor man einem Pfad zur alten N-632 hinunter folgt. Ich hatte schon 2003 diesen Umweg und die zusätzlichen Höhenmeter kritisiert. Jetzt hatte ich eine bessere Lösung. Nach vielem Vergleichen mit meiner Iberpix-Karte tippte ich auf einen Hohlweg, der ca. 10 m links versetzt in etwa geradeaus weiterging und - o Freude - sich gleich nach unten senkte. Noch mehr Glück: Er war frisch freigeschnitten, sonst hätten wir Probleme gehabt.


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Knie von San Rodolfo mártir

Wieder ein Sturz - wie jedes Jahr

Die abgesensten Pflanzen bedeckten den Boden, das war etwas tückisch. Nach 100 m rutschte ich in einer verdeckten Rille aus und schlug mal wieder lang hin. Gottlob merkte ich gleich, dass ich weder etwas verstaucht noch gar gebrochen hatte. Allerdings: Die Hose hatte links eine Klinke, und mein Knie blutete aus zwei Wunden, wo ich auf Steinkanten gefallen war. Das wird langsam zur Tradition, jedes Jahr dasselbe. (Auch diesmal hat Marianne den Riss wieder kunstvoll geflickt, aber zu Hause kam die Hose endgültig in die Tonne.) Tatsächlich hatte ich sonst nichts abbekommen und humpelte nicht einmal. Dabei hätte ich mir ohne weiteres die Kniescheibe oder einen anderen Knochen brechen können.

Der weitere Weg führte sanft abfallend bald schräg auf die alte N-632 zu. Wir kamen an einigen Höfen vorbei, wo uns die Leute erstaunt, aber freundlich musterten. Nach Erreichen der Landstraße ging es noch ca. 2 km bis Soto de Luiña. Nach ca. 1 km muss von rechts der Pilgerweg von den Höhen dazugestoßen sein. Zuletzt läuft man auf einem neuen Wiesenweg, bis zum Stadtrand. Wenig weiter liegt die Bar Ecu, wo man den Schlüssel bekommt. Meine Pilgerschwestern ließen sich erschöpft nieder. Es war 19h15, ein ganz schön langer Tag.

Ein Matratzenlager hat auch seine Vorzüge

Die Bar war knackvoll mit Wochenendausflüglern. Ich bekam das Herbergsbuch und musste uns vier eintragen, auch gleich bezahlen. Ich blätterte mal zurück, um zu zählen, wie viele Pilger schon da waren. Ich blätterte und blätterte, mir wurde ganz schwummrig. Das waren ja ganze Völkerstämme, und darunter - knirsch - auch schon Radfahrer! Ich lief nach draußen und wollte die anderen drei zur Herberge schicken, damit sie lieber schon Betten belegten, denn das wurde ja sehr knapp. Da sauste doch glatt die Barbedienstete hinter mir her und drang lautstark auf Vorauszahlung. Sowas Peinliches! Zum Glück stand inzwischen das französische Paar aus Esteban de Pravia bei den anderen und erzählte, dass es nur noch Matratzen gäbe. Na und? Das reichte doch. Mir kam es fast so vor, als seien sie enttäuscht, dass wir nicht zeterten.


Also zurück in die Bar und brav bezahlt. Anschließend zur Herberge. Der große Schlafsaal war rammelvoll, aber links in einem sehr großen Raum lagen erst 6 Leute auf Matratzen, die Radfahrer. Also hatten die uns keine Betten weggenommen. Matratzen sind fast so gut wie untere (!) Betten, nur dass der Raum unterm Bett wegfällt. Das wurde hier mit sehr viel Platz kompensiert, denn man konnte die Matratzen von der Wand weit in den Raum ziehen, ohne jemanden zu behelligen. Damit war zwischen Kopfteil und Wand genug Platz für die Habseligkeiten. Außer uns kam später nur noch eine junge Pilgerin dazu. Irgendwie war unser Schlafsaal damit besser als der volle nebenan, zumal sich auch die Radfahrer ungewohnt gesittet benahmen.
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Schlafsaal in Soto de Luiña

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Herberge von Soto de Luiña
Bild: Marianne

Der Supermarkt schließt um 20h00

Am Rande bekam ich mit, dass einige noch zu dem Supermarkt an der Hauptstraße aufbrachen. Wir ließen sofort alles stehen und liegen und stürzten hinterher. Wir hatten gar nicht damit gerechnet, noch was einkaufen zu können. 20h00 schließt der Supermarkt "elarból", 19h50 huschten wir hinein. Zum Glück konnten wir uns aufteilen und hatten in wenigen Minuten alles zusammen. Beim Hinausgehen mussten wir uns unter der Türrollade her ducken, die halb heruntergelassen war, damit nicht noch weitere Kunden kamen. Das war Minutensache gewesen!

Wenn die Radfahrer nicht dölen, müssen wir's selbst tun

Also beschlossen wir den Tag sehr heiter, gingen gemütlich duschen, die Frauen wuschen noch 2-3 Sachen durch. Dann saßen wir beim Abendessen und danach beim Schlummertrunk im sonst menschenleeren Aufenthaltsraum und schwatzten glücklich, bis wir merkten, dass diesmal wir die "Radfahrer" spielten: Um 22h00 noch nicht im Bett und durch die ganze Herberge schwatzen! Nun, noch hatte sich niemand beschwert, und es war auch erst einige Minuten nach 22h00. Bald lagen wir auf unseren Matratzen und schliefen. Auch Hedwig hatte sich gut erholt, aber eines war schon klar: Mehrmals auf und ab am Tag war ihr nicht zuzumuten, und Etappen über 20 km wohl auch nicht. Da würde ich an der Planung gewaltig was umschmeißen müssen. Gottlob war morgen ohnehin erst einmal eine Kurzetappe angesagt.


15. Juni 2014, Sonntag: Von Soto de Luiña nach Santa Marina, 12,5 km (55,6 km)


Jeden Morgen dasselbe: Alles stürmt um 6h00 davon, nur die Radfahrer und wir bleiben noch liegen. Es geht doch nichts über leere Waschräume und Toiletten und ein gutes Frühstück, dazu eine Bitte um Gottes Segen in einer Morgenandacht. Wie üblich, ziehen wir dann gegen 8h00 davon. Im Ort gibt es einen überraschenden Schlenker links von der Hauptstraße (alte Nationalstraße N-632), er führt aber bald zur Fernstraße zurück. Abschied von Aaron, der muss heute einige Kilometer mehr machen als wir.


Abkürzung der Serpentine: jetzt zu empfehlen

Dann kommt die mir bekannte Serpentine, die man durch einen steilen Fußpfad, der halbrechts abzweigt, abkürzen kann. Vor 11 Jahren war der Weg ziemlich heftig, jetzt scheint er ausgebaut. Insbesondere von Sumpf oben ist nichts mehr zu merken. Wir kommen an einer Baustelle heraus und müssen drei Mal hinschauen, bis wir die ungewöhnliche Wegeauszeichnung als solche wahrnehmen.

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Pfeilchen, Pfeilchen, wo bist du?

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Verzweigung des Pilgerwegs

Lieber auf der alten Nationalstraße bleiben

Quer über eine große Straßenkreuzung hinweg laufen wir weiter und kommen an die Verzweigung des Pilgerwegs. Der eigentliche geht links ab und führt durch die Berge. Da ich darüber nur Schlimmes und Schlimmstes gelesen hatte, bleiben wir auf der alten N-632 geradeaus. Das hatte ich auch Aaron ans Herz gelegt.

Jetzt ist die alte N-632 wirklich leer, noch dazu an einem Sonntagmorgen. Ich meine mich zu erinnern, dass uns hier irgendwo ein Auto entgegenkam und anhielt. Eine Frau drückte uns eine Reklame für eine Pilgerunterkunft in Cadavedo in die Hand. Ich komme später darauf zurück.


Warum der Küstenweg so schwierig ist

Die Küste ist hier wild zerklüftet, da ein Höhenzug nach dem anderen quer zu unserer Richtung bis ans Meer reicht und vom Meer zernagt als Steilküste endet. Dazwischen haben immer wieder Bäche tiefe Schluchten eingeschnitten, die die Fernstraße in riesigen Schleifen ins Land hinein umgehen muss. Einige gelbe Pfeile geben hier Abkürzungen an, auch das Handbuch weist auf die eine oder andere empfehlend hin. 2003 hatten wir vor Santa Marina mal gewagt, eine solche Abkürzung auszuprobieren. Es ging steil runter und rauf, dazu durch völlig zugewachsene Pfade: Nie wieder, schwor ich damals. Nach dem, was wir heute sahen, waren die Wege immer noch so zugewachsen wie früher. Wir blieben in diesem Jahr also auf der alten N-632 und nahmen alle Kehren in Kauf. Damit konnte Hedwig auch ihre Kräfte schonen. Vor Novellana holten wir Aaron noch einmal ein.


Die Ortschaft Novellana wird von der Straße mit einem Dreiviertelkreis umrundet. Hier lag aber auch eine Bar, die uns nach gut 6 km sehr gelegen kam. Das Dorf ist preisgekrönt, deshalb war der Kaffee wohl so teuer (1,80 €). Wir ließen ihn uns trotzdem schmecken und nahmen danach wieder Abschied von Aaron, diesmal endgültig. Am Ortsende sah man die Häuser von Castañeras zum Greifen nahe vor sich, aber die alte N-632 schwenkt noch weit ins Inland, um das nächste Bachtal zu umgehen. Mittendrin liegt eine Haltestelle der Küsteneisenbahn Feve.
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Abschied von Aaron

Der Straßenbauwahnsinn in Spanien

Die Küsteneisenbahn war der erste Verkehrsweg, der ohne Serpentinen die Bergketten schnitt. Streckenweise saust die Bahn abwechselnd durch Tunnel und über riesige Brücken. Wenn man sich diese himmelhohen Viadukte betrachtet, auf deren Beton schon Moos und Farne siedeln, dann kann man nur hoffen, dass diese Bauwerke laufend kontrolliert werden und nicht eines Tages eine Feve-Bahn mit einer zusammenbrechenden Brücke ins Tal stürzt. Ist das diese berühmte diffuse "Angst" der Deutschen, die überall Unheil lauern sieht? Nun, wenn man an die Leichtsinnigkeit denkt, mit der die Spanier die schon erwähnten "Mordanschläge" hinnehmen, dann kann man schon auf die Idee kommen, dass auch bei den Fevebrücken ein Irgendwann-Unfall schulterzuckend hingenommen wird. Mit den neuen gigantischen Bauten der N-632 und der Autobahn gibt es zwei weitere Verkehrswege, die die Berge rücksichtslos zerschneiden und die Landschaft verschandeln, zugleich weitere Bauwerke, die laufenden Unterhalt erfordern.

Blick auf die Playa del Silencio

In Castañeras gingen wir ein kleines Stück in Richtung Playa del Silencio (Strand der Stille), aber nicht, um dieser Abkürzung auf dem regulären Pilgerweg zu folgen, sondern um die malerische Bucht (wenigstens zum Teil) von oben zu sehen. Dann ging es wieder zurück zur Straße. Eine weitere Serpentine mit dem üblichen "runter zum Bachübergang und anschließend spitzwinklig zurück wieder rauf", dann hatten wir den Ortseingang von Santa Marina, unserem heutigen Ziel, erreicht. Links wies ein Schild auf den örtlichen Bahnhof hin. Wir folgten dem Schlenker des Pilgerwegs rechts durch den Ort, damit wir uns das blaue Haus, an dem der Weg zum Strand vorbeiführt, merken konnten.


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Bar Gayo
Bild: Marianne
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Pension Prada
Bild: Marianne

Bar Gayo und Pension Prada: Pilger willkommen!

12h30 sind wir bei der Bar Gayo, deren Wirtin auch der Besitzer der Pension Prada ist. Ich hatte von Deutschland aus angerufen und für uns drei Betten reserviert. Am Telefon war "ohrenscheinlich" dieselbe nette Wirtin wie vor 11 Jahren. Auch jetzt wurden wir von ihr herzlich empfangen. Es ging hinüber zur Pension Prada, die 100 m weiter die Straße hoch auf der linken Seite liegt. Dort bekamen wir ein Doppelzimmer mit Zustellbett und eigenem Bad für uns alle zusammen 40 €, einschließlich Frühstück. Absolut super.

Wir richteten uns ein und gingen dann zur Bar zurück, denn dort gab es ein Tagesmenü für 8 € mit Fischsuppe als möglichem ersten Gang, das gibt es nur noch selten. Wir aßen uns rundum satt und winkten noch ein paar Touristen herein, die durchs Fenster lugten. Wieder zogen vorhandene Gäste die nächsten nach. Was für ein Unterschied zu diesem Betrug in Esteban de Pravia! Einen Pilgerstempel gab es selbstredend auch.
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Die nette Wirtin

Heftiges "Gehirnstürmen" (Ideensammeln)

Dann folgte das übliche Nachmittagsprogramm. Die Frauen wuschen ausgiebig die Wäsche hinter der Pension. Selbst regengeschützte Wäscheleinen waren vorhanden. Derweil machte ich mir an Hand meiner Unterlagen einen Plan für die nächsten Tage zurecht. Folgende Faktoren waren zu berücksichtigen:
- Das Wetter sollte ab Samstag erheblich schlechter werden.
- Hedwig brauchte möglichst Kurzetappen.
- Wir hatten ohnehin einen Tag zu wenig, um in der zweiten Hälfte der Tour normale Etappen zu laufen.
- Es waren für Sonntag im Hotel Ría do Masma zwei Zimmer reserviert. Das sollte ein Extratag an der Küste werden, was wegen des angekündigten schlechten Wetters witzlos schien.
- Ich wollte möglichst die neue Herberge in Mondoñedo testen und auch die Etappe danach bis zum Pass laufen (wegen der herrlichen Gegend).
Ich fasste einen Beschluss, der mir in früheren Jahren nicht in den Sinn gekommen wäre: Man konnte zwei Tage abkürzen und hatte dann bis Freitag noch gutes Wetter an der Küste. Daraus folgte aber, dass wir zwei Etappen mit dem Zug fahren mussten. Da die nächste Herberge in Cadavedo als nicht sehr verlockend geschildert wird und auch weitab vom Meer liegt, lag es nahe, morgen bis Cadavedo mit dem Zug zu fahren und dann gleich die nächste vorgesehene Etappe bis Luarca zu laufen. Dort hatte ich ohnehin Privatquartier vorgesehen. Unsere tüchtige Wirtin empfahl uns eine Pension "Moderna" im Stadtzentrum von Luarca. Na bitte! Ich hatte nur keine Ahnung, ob ich das Hotelzimmer am Sonntag abbestellen sollte oder ob wir zwei Tage irgendwo verbummeln sollten, um dort doch erst am Sonntag einzutreffen und danach wieder 1 Tag zu wenig zu haben. Nun, die Entscheidung verschob ich erst einmal.

Kein Strandwetter seit Monaten

Später machten wir uns dann auf zum Strand. Es ging an dem erwähnten blauen Haus vorbei, aber nirgendwo gab es ein Schild für nicht Ortskundige. 2003 hatten wir zunächst ganz schön herumsuchen müssen. Der Weg durch die Wiesen war länger, als ich in Erinnerung hatte. Endlich ging es etwas nach unten, und dann kam die Treppe mit über 200 Stufen. Auch hier wie typisch in Spanien: Es wird etwas gebaut, und dann kümmert sich niemand mehr darum. Es gab verfaulte Bretter, fehlendes Geländer, und die letzten Stufen hatte sich inzwischen die See geholt.


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Strand von Santa Marina
Wir hampelten mühsam die Felsen hinunter, bis wir den Kiesgrund erreicht hatten. Fast niemand zu sehen. Ich wollte um die nächste Ecke biegen, um den Sandstrand zu erreichen, aber da scheuchten wir ein turtelndes Paar hoch und drehten gleich wieder diskret ab. An Strandleben war ohnehin nicht zu denken. Obwohl immer wieder die Sonne hervorkam, pfiff ein kalter Wind, so dass wir froh um unsere Pullover waren. Auch hatten wir die falsche Tageszeit erwischt: Eine schnell aufkommende Flut ließ den Kiesstreifen zusammenschmelzen und näherte sich kurz darauf bereits dem Fuß der Treppe. Also gingen wir recht bald zum Aufstieg zurück und ließen nur noch einige Male den herrlichen Ausblick auf uns wirken.

Bahnfahrt genehmigt

Beim Abendessen auf dem Zimmer trug ich Hedwig und Marianne meinen Plan für morgen vor: erst Feve bis Cadavedo, dann bis Luarca laufen. Beide waren sofort einverstanden. (Die insgesamt 27,9 km waren Hedwig und ich 2003 als 1 Etappe gelaufen.) Danach gingen wir noch in die Bar. In den Bergen zogen Regenwolken auf. Ja, war vor 11 Jahren auch so gewesen.

Auf der Suche nach dem Bahnhof

Da ich ein sehr vorsichtiger Mensch bin, ließ ich meine Pilgerschwestern in der Bar zurück und "schnüffelte", wo der Bahnhof lag. Zurück zum Dorfeingang, wo das Schild war. Es wies landeinwärts. Aha, in der Ferne ein rotes Haus, das war wohl der Bahnhof. Ich stiefelte los. Kurz vor dem roten Haus ein Wegweiser zum Bahnhof nach links auf eine Piste. Hä? Aber es gab keinen Zweifel. Ich folgte der Piste zum Waldrand, nichts. Dann in einem Rechtsbogen in den Wald, einen Steilabhang entlang, wobei der Weg auch noch stetig an Höhe verlor. Das musste ich alles wieder zurück. Bis zur nächsten Kurve noch! Dort meinte ich, im Wald voraus etwas blinken zu sehen. Ok, bis dahin noch, dann war aber endgültig Schluss. Etwas weiter stellte ich fest, dass das Blinken von zwei geparkten Autos kam, dann konnte ich auch irgendwelches Bauwerk und Gestänge ausmachen. Das musste der Bahnhof sein. So war es.


Ein Haltepunkt mitten in der Wildnis

Mitten in der Wildnis, gut 2 km von der Ortsstraße entfernt, eine recht moderner Haltepunkt mit - hört, hört - einem aktuellen Fahrplan. Das wäre noch vor 10 Jahren undenkbar gewesen. Ich notierte mir Abfahrtzeiten, Haltestellen und Entfernungen. 9h27 morgen Abfahrt, das passte ja gut. - Man konnte die Gleise nicht weit überschauen, denn links war hinter einer schwindelerregend hohen Betonbrücke ein Tunnel zusehen, und rechts verschwand das Gleis schon nach 50 Metern im nächsten. Der Zug kommt nur zwei Mal am Tag, also war niemand zu sehen. Schulternzuckend machte ich mich auf den Rückweg. Ich wusste jetzt auch, wie viel Zeit wir morgen ansetzen mussten, um den Bahnhof zu erreichen. Ohne meine Vorsicht hätte das zeitlich ganz schön ins Auge gehen können.
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Feve-Haltepunkt Santa Marina

Ausklang des Tages und Bewertung der Unterkunft

Als Schlummertrunk gab es 1 Flasche Rotwein für die Pilgerschwestern und für mich 1 großes Bier, machte zusammen 3,50 €, also spottbillig. Die Saison war wegen des seit Wochen anhaltenden kalten Wetters wohl sehr mies, jedenfalls waren außer uns nur wenige Gäste da. Die Nacht war ruhig und erholsam. Nur eine Mücke und im Bad einige Ameisen beeinträchtigten das ansonsten makellose Bild dieser sehr guten Unterkunft.


16. Juni 2014, Montag: Von Santa Marina nach Luarca, 27,9 km, davon 12,2 km mit der Feve (83,5 km)


Ein ganz anderer Morgen als sonst. Wir konnten ungestört bis 6h30 schlafen, waren zu 8h00 in der Bar verabredet, um das im Preis inbegriffene Frühstück einzunehmen. 1 große Tasse Kaffee, dazu Magdalenas, so viele wir wollten. Wir wollten nicht viele ;-) Also spanisches Frühstück, mehr kann man bei dem Preis auch nicht erwarten.

Abschied

Ein herzbewegender Abschied. Die gute Wirtin drückte uns alle an sich und küsste uns zum Abschied auf die Wangen, da waren wir ganz gerührt. Sowas habe ich in 16 Jahren pilgern nicht erlebt. Natürlich hatte ich ihr gesagt, dass Hedwig und ich schon 2003 hier gewesen waren. "Bis in 11 Jahren also wieder" scherzte ich. Ja, Junge, wer weiß? Sie lachte und deutete es richtig als Signal, dass ich gerne wiederkommen würde.


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Bahnhof von Cadavedo

Fahrt mit der Feve

Ab zur Feve-Haltestelle. Die nahezu 2 km habe ich bei der Entfernungsangabe gar nicht gerechnet. 9h10 waren wir am Bahnhof. Man weiß ja nie, ob die Bahn nicht wie die Busse einfach auch mal früher fährt; mit sowas muss man in Spanien rechnen. 9h27, nichts zu sehen. Gerade als ich anfangen wollte, nervös zu werden, fuhr das Bähnchen mit 10 Minuten Verspätung vor. Es sind einfach nur zwei Triebwagen, die gegenläufig miteinander verbunden sind. Bis Cadavedo (12 Kilometer) 1,60 €, für deutsche Nahverkehrsverhältnisse sehr billig. Ein freundlicher Schaffner verkaufte uns die Fahrkarten (Automaten gab's nicht, weder im Zug noch an der Haltestelle, aber in größeren Bahnhöfen natürlich schon). Er merkte sich, dass wir in Cadavedo aussteigen wollten. Dort war aber ohnehin ein fester Halt vorgesehen.

Was man bei der Feve beachten muss

Insgesamt sind wir drei Mal mit der Feve gefahren. Es war immer etwas anders: Mal wurde die nächste Station angezeigt, mal nicht. Mal musste man einen Halteknopf betätigen, wenn das Ziel durchgesagt wurde. Am besten immer zusätzlich den Schaffner aufmerksam machen. Da nur wenige Leute im Zug saßen, konnte er auf uns persönlich eingehen.

Die Gegend um Cadavedo

Wir fuhren durch Tunnels und über die himmelhohen Betonbrücken, aber um Cadavedo gibt es eine ländliche Hochfläche mit viel Platz für Bauernhöfe, ohne schroffe Berge und Schluchten. Dafür brettern hier auch alte und neue N-632 sowie die Autobahn unter maximalem Flächenverbrauch quer durch die Gegend.

Kurz nach 10h00 beginnen wir vor dem Bahnhof Cadavedo unsere heutige Fußetappe. Ich konnte mich an diesen Ort erinnern. Am Ortseingang hatte mich 2003 ein Kläffer angefallen, dann kam ein Supermarkt. Wir mussten diese Hauptstraße erreichen, aber leider hatte ich keine Iberpix-Karte von dieser Gegend, und so führte ich erst falsch nach rechts. Vor dem Bahnhof nach links wäre richtig gewesen und hätte einiges abgekürzt. Man wäre dann etwa an der Pilgerherberge auf die Hauptstraße (alte N-632) gestoßen.


Wir erreichten eine größere Straße, die ich nicht kannte. Ein Polizist sagte, dass wir links (das war Norden) weiter mussten, und tatsächlich gelangten wir nach 500 m an die gesuchte Fernstraße. Dieses gerade Stück (links, nach Westen) erkannte ich gleich wieder. Am Ortsausgang, wie ich mich auch dunkel erinnerte, lag die Herberge links. Ein kleiner zweistöckiger Bau, dessen Erdgeschoss Einrichtungen der Telefonica einnahmen. Eine Treppe führte links hoch. Hinter dem Haus ein paar Wäscheleinen, sonst sah alles mickrig und wenig einladend aus. Diese Herberge kann man getrost überschlagen, wie wir das 2003 auch gemacht hatten.
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Herberge von Cadavedo

Hinweis auf eine private Herberge

Wir liefen weiter, über die Eisenbahnstrecke und dann rechts ab, in eine schöne ländliche Gegend. Unweit von hier vereinigten sich die alte und die neue N-632. Am Weg stand ein Hinweis auf die private Herberge, für die die Frau im Auto einen Tag vorher Reklame gemacht hatte. Aus dem Pilgertelegraf weiß ich, dass die Unterkunft sehr gut sein soll. Ein Gerücht besagt, dass der Besitzer zugleich die Herberge betreut, und dann wird er nicht gerade dafür sorgen, dass diese ein Schmuckstück ist. Klingt glaubwürdig.

Erst ländlich, dann Fernstraßen

Es ging weiter, erst durch Streusiedlungen, dann lange durch ein wunderbares Waldgebiet, wo es 2003 Schwierigkeiten wegen mangelnder Wegweiser gab. Jetzt waren dort deutliche Pfeile auf Holztafeln. Wir kamen auf die N-632. Ich erwartete einen Schwenker nach rechts durch die Ortschaft Quintana, aber den gab's nicht mehr. Vor uns lag jetzt ein Gewirr von Kreuzungen, da sich alte und neue N-632 wieder trennten und noch die Autobahn parallel verläuft. Wir folgten stur der neuen N-632, denn auch das Handbuch ist hier etwas kryptisch. Jedenfalls gingen wir einfach bis zu einem angekündigten Kreisverkehr und dort links durch eine Unterführung. Hinter dieser erinnerte ich mich, dass wir sofort auf eine Piste nach rechts abzubiegen hatten. Diese geht an einigen Häusern vorbei einige hundert Meter nach unten und stößt am Ende auf die alte N-632. Hier heißt es wieder aufpassen.

Zum Restaurant und Hostal Canero

Ein Pilgerwegzeichen verweist auf eine Treppe, die zu einem Bauernhof steil nach unten führt und offensichtlich eine Linksserpentine der alten N-632 abkürzt. Wer aber Höhenmeter sparen will, läuft nach rechts zur Serpentinenkehre. In dieser zweigt halbrechts eine schmale Straße ab, die schnurgerade zu einer Kirche auf der Höhe wieder ansteigt. (Sonst hätte man von der alten N-632 zu dieser Kirche steil hochsteigen müssen.) An der Kirche muss man sich orientieren, denn die Einmündung des folgenden Wegs (scharf rechts) kann man leicht übersehen. Man läuft danach über einen gerölligen Waldweg steil bergab, um - endlich unten - natürlich wieder auf die alte N-632 zu kommen. Ich munterte meine Pilgerschwestern auf, dass das Mittagessen nicht mehr weit sei, denn jetzt kannte ich alles auswendig: Nach rechts zum Kreisverkehr, wo die alte N-632 endete. Von links unten kam jetzt die N-634 hinzu, der man immerhin bis Baamonde treu bleibt, und führte uns über die Brücke des Flusses Canero durchs Tal dem Restaurant und Hostal Canero entgegen, wo Hedwig und ich auch 2003 zu Mittag gegessen hatten. Damals waren wir aber zu Fuß von San Marina gekommen! Das Hostal nimmt auch gern Pilger auf, man hört nur Gutes.


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Gaumenfreuden in Canedo
12h32. Hm, trotz Mittagszeit im Restaurant tote Hose, wie an der ganzen Küste. Wir betraten zögernd den Gastraum, aber schon erschien ein Mann in mittlerem Alter und winkte uns in den Speisesaal weiter. Wir nahmen natürlich die besten Plätze mit Aussicht auf das Tal in Richtung der Playa de Cueva. Das hatte auch den Vorteil, dass wir vorbeiziehende Pilger beobachten konnten, und tatsächlich kamen 3 oder 4 im Laufe des Essens vorbei. Dem Wirt gegenüber musste ich mich natürlich ein wenig mit Augenzwinkern aufblasen und teilte ihm mit, wir hätten schon 2003 hier gespeist, und ich würde wieder alles im Internet berichten. Mit spanischem Humor ging er auf meine schelmischen Ausführungen ein: Aha, da werde ich wieder schreiben, dass das Essen grässlich gewesen sei, oder? - Ich winkte lachend ab. Dann bekamen wir das beste Tagesmenü der ganzen Tour für 10 €. Allein der gemischte Salat war so reichhaltig, dass Hedwig das im Bild festhalten musste. Fischsuppe, Hühnchen mit Knoblauch, ach, das war ein Schwelgen! Fast wären wir über Nacht hängen geblieben, aber das hätte doch unsere Pläne durcheinandergebracht.

Eine empfehlenswerte Variante über die Playa de Cueva

Frohgelaunt - wir gaben immer, wenn es geschmeckt hatte, jeder 1 € Trinkgeld - liefen wir dann abermals die schönere und leichtere Variante, anstatt mit dem regulären Pilgerweg hier Steilhänge durch Gestrüpp bewältigen zu müssen. Man folgt zunächst noch den Wegweisern des Pilgerwegs, bis dieser etwa 100 m hinter dem Gasthaus nach links im Gebüsch verschwindet. Wir blieben geradeaus, links am Fluss entlang, bis die Playa de Cueva vor uns lag. Links ist die Ortschaft Cueva, nur eine Häusergruppe, aber dazwischen führt der weitere Weg über ein schmales Asphaltsträßchen bergauf zur N-634, die vorher zwei riesige Schleifen gemacht hat. 2003 war ich zu meinem Ärger nicht auf diese Idee gekommen und war von der Bucht zur Gaststätte zurückgelaufen und danach die langen Serpentinen entlang. Nein, das ging dieses Jahr besser.


Ein breiter Kiesstrand, aber zum Wasser hin auch einiges an Sand. Nur war das heute egal, denn wieder pfiff trotz Sonnenschein ein kalter Wind, und so setzten wir uns einfach auf die Steinchen und genossen den Anblick und die Ruhe. Es war ein Dutzend Autos in die Bucht gefahren; die Leute verteilten sich aber derart, dass man sich nicht gegenseitig störte. Ideal für eine mittägliche Rast. Wir jedoch hatten ja schon im Hostal unsere Pause gehabt und zogen bald das erwähnte Sträßchen hoch. Die Steigung war harmlos. Nur musste man auf Autos achten, besonders an den Kurven. Oben auf der N-634 folgte eine Bar, in der wir uns schon wieder eine Cola genehmigten. Wie gesagt, in diesem Jahr wollten wir es ja ruhiger angehen lassen.
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Playa de Cueva
Bild: Marianne

Der Weg vor Luarca

Wir blieben nun stur auf der N-634, wobei man hin und wieder über ein altes Asphaltstück einer ehemaligen Trasse geführt wurde, bis es rechts nach Barcia abging. Wer in der Herberge von Almuña übernachten will, bleibt hier besser auf der Nationalstraße, denn sonst handelt er sich, wie wir 2003, einen satten Umweg ein. Nur wer wie wir Luarca zum Ziel hat, folge zunächst dem ausgeschilderten Pilgerweg über Barcia.

Es geht noch einige Kilometer weiter durch vertreute Siedlungen, wobei man vor Barcellina auf einem kurvenreichen Sträßchen ein Bachtal quert. Dann kommt man auf die VA-1 heraus, die geradeaus nach Luarca geht, während wir 2003 entsetzt entdeckt hatten, dass man zur Herberge von Almuña hier scharf links wieder zur N-634 zurück muss. Aber diesmal wollten wir ja in Luarca übernachten. Unterwegs hatten wir eine Reklame für eine neue (wohl private) Herberge dort gesehen, aber ich hatte ja noch die Empfehlung unserer Wirtin aus Santa Marina in der Tasche. - Also geradeaus, bis links die erwartete Abzweigung (Calle La Barreira) in den Ortsteil Vilar kam. Von dort kommt man auf dem kürzesten Weg in die Altstadt von Luarca hinunter, hatte ich mir gemerkt, aber es gab noch eine Schwierigkeit.

Wie man nach Luarca hineinkommt

Hedwig brauchte wieder eine Pause, die wir in einem kleinen Park des Zentrums von Vilar verbrachten. Dann ging es rechts weiter (Camino de la Pateta). Die Straße machte einen Rechtsbogen vor Luarca, keine Zeichen mehr. Dann kam eine Abzweigung nach links, die von der Richtung her stimmte, aber kein Zeichen. (Warum habe ich hier nicht ins Handbuch geschaut? Da steht's richtig drin: links ab) Ich fragte einen Mann: wir sollten nicht abbiegen, sondern der Straße folgen. (Das scheint wirklich neuerdings die Wegeführung zu sein, völlig unverständlich.) Hm. Während Hedwig und Marianne warteten, lief ich ein Stück weiter und sah vor mir schon wieder die VA-1 auftauchen, die wir ja links nach Vilar verlassen hatten.


Hinweis:
Man kann auch die VA-1 gehen, ohne nach Vilar abzuzweigen. Die VA-1 ist die Straße, die in Luarca in einem großen Bogen um Leuchtturm und Friedhof herum erst dann nach unten in die Stadt geht. Diesen Umweg wollte ich natürlich nicht. Es gibt aber schon vorher, auf der Höhe, wo die Stadt unten vor einem liegt, eine Straße, die auf halber Höhe nach links in Richtung Altstadt zieht (Calle La Carril). Diese könnte man ohne großen Umweg gehen und sich damit den Schwenk durch Vilar ersparen.

Wer aber schon in Vilar war wie wir, der war gut beraten, an der genannten Abzweigung nach links zu gehen, was wir denn auch taten, nachdem ich von der Erkundung zurück war. Später geht in einer scharfen Linkskurve rechts ein schmaler Weg ab, der dann zu den von mir gesuchten Treppen führte. Auf diesen Treppen geht es nun steil hinunter zur Altstadt, das ist der kürzeste Weg.


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Abstieg in Luarca
Bild: Marianne

Zur Pension La Moderna und zum Touristenbüro

Wir folgten den Treppen hinunter. Überall wimmelte es von heruntergekommenen Katzen. Ich wollte zum Touristenbüro, denn ich hatte keine Ahnung, wo die uns empfohlene Pension La Moderna lag. Links abzweigend weitere Stufen, die zum Fluss führten. Wir überquerten die zentrale Brücke. (Dahinter liegt links auf der Ecke ein "elárbol", wo wir später einkaufen würden.) Geradeaus geht es in die Calle Crucero, in der links fast am Ende die Pension La Moderna im 1. Stock eines der Häuser liegt. Das Schild war klein, und so liefen wir vorbei. Am Ende der Straße geht es links zur privaten Pilgerherberge, rechts zum Touristenbüro. Wir wandten uns also nach rechts, und ich ließ die Frauen auf einer Parkbank am nächsten Platz zurück, denn gegenüber lag das Touristenbüro.

Alte Bekannte

Vor mir waren drei Leute, ein Mann und zwei Frauen, am Schalter und ließen sich ausführlich informieren, wo man am besten essen konnte. Obwohl sie mich bemerkten, hatten sie alle Zeit der Welt und fingen immer wieder von vorn an. Mann, ich brauchte eigentlich nur einen Stadtplan. (Ich hatte einiges an Stadtplänen mitgenommen, aber merkwürdigerweise keinen von Luarca dabei.) Irgendwie kamen mir diese Egozentriker bekannt vor, bis mir einfiel: Das waren doch die aus Avilés, wo die eine Frau ihre Sonnenbrille hatte liegen lassen. Ich wandte mich etwas ab, hatte keine Lust, angesprochen zu werden. Endlich zogen sie nach draußen.

Ruckzuck, hatte ich den Stadtplan und hörte erstaunt, dass wir an der Pension vorbeigelaufen waren. Na, machte ja nichts, den Stadtplan brauchte ich sowieso. Draußen erwartete mich gleich zweierlei Ärgernis. Als erstes stieß ich wieder auf die Dreiergruppe, und diesmal wurden sie auf mich aufmerksam und erkannten mich. Ob ich in Avilés ihre Brille gesehen habe, fragte die Frau. Ich nickte. Ob ich sie etwa auch mitgebracht hätte? "Lo siento mucho que no" (Tut mir leid, nein) Ich versuchte, ein schadenfrohes Glitzern in meinen Augen zu verbergen. Da ich also nicht weiter dienlich war, existierte ich ab sofort nicht mehr in ihrer Welt, und sie steckten wieder die Köpfe zusammen, um den Weg zum günstigsten Restaurant zu beraten.

Ein "hilfreicher" Spanier oder was?

Dann sprach mich ein junger Glatzkopf an, der unsere Pilgerrucksäcke gesehen hatte. Ob wir nicht in die Pilgerherberge kommen wollten, es wären noch einige Plätze im Saal frei. Preis irgendwas um 10 € pro Nase. Vielleicht meinte er es ja gut, aber ich reagiere negativ auf Glatzen. Als ich sagte, dass wir in eine Pension wollten, drang er weiter in mich ein. Bekam der Kerl Prozente, oder warum war er so wild darauf, uns in die Herberge zu lotsen? Ich meinte, wenn die Pension voll wäre, könnten wir ja immer noch ... Nein, gestikulierte er, jeden Moment könnten die letzten Betten weggehen, und wir sollten doch diese Chance nicht verpassen, eine prima Unterkunft zu haben. Ich musste schroff werden, um ihn loszuwerden. Was hatte der für ein Interesse an uns? Wir haben es nicht herausgefunden. Später am Abend hätte man ja noch in die Herberge lugen können, aber irgendwie hatte ich einen Block und wollte den Kerl nicht wiedersehen.

Die altmodische Pension La Moderna

Zurück zur Calle Crucero. Auf mein Schellen öffnet eine sehr alte Frau, schaut misstrauisch. Ich spiele den Strahlemann und grüße von unserer Wirtin aus Santa Marina. Sie lässt uns zögernd ein. Sie hat einige Doppelzimmer im Angebot, alles das Gegenteil von "Moderna", aber sauber und viel Platz. Preis 15 € pro Person, auch für Marianne, trotz Einzelbelegung im Zimmer neben dem von Hedwig und mir. Geht doch! Nachdem klar ist, dass wir keine Orgie vorhaben und auch auch sonst nichts Böses planen, fällt sie trotzdem wieder ins Stottern. Ach so, klar, wir zahlen sofort. Jetzt ist sie wirklich erleichtert. Wir bekommen Stempel und die Zimmerschlüssel. Die Dame gibt uns noch den Tipp mit "elárbol", das ist nett, und danach verschwindet sie in ihrem Privatbereich, um nicht wieder aufzutauchen.

Auf dem Flur gibt es eine Toilette mit Waschbecken im Vorraum, außerdem eine Dusche im Raum daneben. Das reicht, zumal außer uns nur der "Italiener" aus Avilés hier zu sein scheint. Wieder kein Andrang! Was ist nur los? Fußballweltmeisterschaft? Schlechtes Wetter? Miese Wirtschaftslage?


Wir haben noch Zeit genug, um einzukaufen und einen sehr langen Rundweg durch die Stadt zu machen. Eine Touristin spricht mich auf Englisch an und fragt nach Restaurants. Da sie einen niederländischen Akzent hat, antworte ich in dieser Sprache. Sie ist bass erstaunt, hat noch nie im Ausland jemanden getroffen, der Niederländisch konnte (und kein Landsmann war). Nach dem tollen Mittagessen begnügen wir uns mit einem Abendessen auf dem Zimmer samt Schlummertrunk. Alles bestens! Ein schöner Tag, wenn ich auch mit Besorgnis registriert hatte, wie schnell Hedwig nach einer Pause wieder ermüdet war.
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Hafen von Luarca

17. Juni 2014, Dienstag: Von Luarca nach Navia, 19,8 km (103,3 km)


Weitere Planung bis Freitag

Die weitere Planung der nächsten Tage war nun soweit gediehen, dass wir morgen von Navia aus wieder zwei Etappen machen würden: die erste mit der Feve nach La Caridad, danach die zweite zu Fuß nach Tapia de Casariego. So konnten wir wieder eine wenig attraktive Herberge (in La Caridad oder in Arboces) überschlagen. Damit würden wir zwei Tage früher in dem Hotel an der Ría de Foz sein, was vielleicht problematisch war. Für den Rest der Tour bis Santiago hätten wir dann mit normalen Etappen genug Zeit und bräuchten nicht noch eine Busetappe einzulegen. Wenn Hedwig denn normale Etappen schaffen würde ... Das war sehr fraglich. Heute stand eine "normale" Etappe von ca. 20 km an, wobei es nur zu Anfang eine heftige Steigung gab. Im weiteren Verlauf wollte ich einen Pass vor Piñera auf der N-634 umgehen, und alle geplanten Umwege vor Navia direkt an der Küste entlang waren gestrichen. So mochte es gehen.


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Abstecher zur Kapelle
6h30 raus, 8h12 abrücken. Die Türen konnten wir einfach zuziehen, unsere Wirtin war nicht zu sehen. Hinter der Calle Crucero folgt halblinks ein Platz, auf den man nach rechts einbiegt, und dann geht es schon halbrechts die Calle La Peña in steilen Serpentinen hoch. Oben kann man 200 m zu der Kapelle St. Rochus und St. Martin gehen, von der man aus einen fastastischen Blick über die Stadt hat. Wer will, kann noch einige hundert Meter weiter zu einer Geländenase, von der aus man auch den westlichen Teil des Hafens mit einem schmalen Sandstrand sieht. Vor der Kapelle hielten wir auch unsere Morgenandacht.

Bis zur N-634

Der folgende, gut ausgezeichnete Pilgerweg führt durch eine malerische ländliche Gegend; er ist sogar mit einem Muschelsymbol auf der Iberpix-Karte gekennzeichnet. Am südlichen Ende des Straßendorfes San Martín folgt auf die Hochebene plötzlich ein Bachtal, in das das Sträßchen in Kurven hinunterführt. Etwas weiter liegt links die Ruine eines Klosters. Hier überholte uns eine andere Pilgerin, hochgewachsen, mit dunkler Haut. Aber außer einem "Hola" sagte sie nichts.

Hinter der Streusiedlung La Mata erreichten wir die N-634. Hier war ich 2003 der Nationalstraße bis Piñera gefolgt, weil ich Bedenken hatte, durch die vor uns liegenden Berge geleitet zu werden. Das war aber unbegründet, wie ich dank guter Karten inzwischen wusste. Rechts lag der Höhenrücken des Monte Faro. Erst dort geht der Pilgerweg steil hinauf und wieder hinunter, wobei er gut 1 km Strecke abkürzt, da sich die Nationalstraße in einem riesigen Linksbogen um den Berg herumzieht. Inzwischen gibt es die Autobahn, so dass der Pilgerweg sicher etwas anders verlief als 2003. In jedem Fall wollte ich Hedwig aber die Steigung ersparen und lieber der N-634 um den Berg herum folgen.

Regulärer Pilgerweg und Abzweig zur N-634

Vorher konnte man aber durchaus parallel zur N-634 (rechts) und zur Autobahn (links) durch die Dörfer auf dem regulären Pilgerweg (übrigens sicher auch die ehemalige Fernstraße vor dem Bau der N-634) bis zu dem Höhenzug des Monte Faro laufen. Das waren höchstens 500 m mehr, aber viel angenehmer als die Nationalstraße entlang. Von der Gegend hatte ich mir eine Iberpix-Karte ausgedruckt, so dass ich immer genau wusste, wo wir waren. Denn die kleinen Bauernwege, die der Pilgerweg benutzte, bildeten ein verwirrendes Netz. An jeder Verzweigung musste man höllisch aufpassen, aber irgendwo war auch immer ein Wegezeichen.

Ein französisches Paar zog an uns vorbei, die hatten wir auch schon gesehen. In dem kleinen Ort Rellón vor dem Höhenzug des Monte Faro hieß es aufpassen. Hier wollte ich den regulären Pilgerweg wieder rechts zur N-634 verlassen, aber möglichst spät. Nach dem Ortsschild war die erste Abzweigung hinter einer Brücke noch zu früh, die zweite schien richtig. Der Pilgerweg ging geradeaus an einer kleinen Kirche vorbei. Wir machten dort Rast, gingen danach ein Stück zur letzten Abzweigung zurück und dann rechts ab, an der nächsten Verzweigung noch einmal links. Wir passierten ein Hotel, dann kam die N-634.


Aufpassen in Piñera

Zuerst ließ es sich auf der Nationalstraße gut an, denn es gab einen breiten Seitenstreifen. In dem Linksbogen um den Berg herum nutzten wir eine alte, durch den Fels gehauene Fahrspur, um dem Verkehr einige hundert Meter lang zu entkommen. Es ging noch 2 km in der Riesenschleife weiter. Rechts zweigte eine Landstraße Richtung Küste ab. Die hätte ich ursprünglich zu einem schönen Umweg laufen wollen, aber dazu reichten Hedwigs Kräfte nicht. Weitere 2 km bis zum Ortseingang von Piñera. Gleich am Anfang rechts lag eine geöffnete Bar, später gab es einen Hinweis auf ein Haus links, wo man den Schlüssel zur Herberge holen konnte. Man sollte sich bei der Bar oder bei dem Haus (Pilgermenü) verpflegen und nicht wie wir auf die Bar Miramar warten. 14h30. Große Enttäuschung, die Bar existierte nicht mehr. Die rostigen Schilder waren noch da.
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Bar am Ortseingang
Bild: Marianne

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Herberge von Piñera
Also gingen wir zur örtlichen Herberge weiter und umrundeten sie rechts. Im Hof lag der "Italiener" auf einer Bank und schlief, fuhr aber hoch, als wir kamen. Er hatte seine Wäsche an einem Becken gewaschen und aufgehängt. Praktisch. Wir aßen aus unseren Vorräten und rückten dann wieder ab, ohne dass ein Gespräch zustande gekommen wäre. Der "Italiener" sah eher aus wie ein Rumäne oder Bulgare, und die kleine italienische Flagge auf seinem Militärmantel besagte vielleicht gar nichts. Nun, wir sahen ihn ohnehin nicht wieder.

Weiterer Weg bis Navia

Wir ignorierten wie 2003 den ersten Muschelstein nach rechts, liefen statt dessen bis zur Abzweigung nach Villaoril und ab da über La Colorada (hier irreführende Muschel links) nach Navia. Mein grober Stadtplan zeigte, dass wir die Feve-Strecke überqueren würden. So war es auch. Dahinter bat ich Marianne und Hedwig, auf mich zu warten, und ging nach links zum Bahnhof. Es waren etwa 400 m. Hier war sogar ein Schalter geöffnet, aber der Angestellte wollte mir keine Fahrkarten für morgen verkaufen. Dann nicht. Ich merkte mir die Zeit, die ich für den Rückweg brauchte.


Zur Pension Cantábrico

Dann zu dritt weiter geradeaus bis zu einem Platz und dann halblinks zum Rathaus. 17h23. Dort lag links das Touristenbüro. Wir wollten aber gleich zur Pension Cantábrico, da auch andere Touristen herumsuchten. Wir gingen rechts am Rathaus die Straße etwas hoch, dann durch eine Gasse nach rechts und kamen auf die Calle Mariano Luiña heraus. Rechts sahen wir an einer Fassade ein großes Schild "Pension Cantábrico". Endlich mal eine Unterkunft, die wirklich gut gekennzeichnet war. (Man kann von dem erwähnten Platz aus auch direkt in diese Straße einbiegen.)
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Rathaus von Navia
Bild: Marianne

Pensión Cantábrico, C/Mariano Luiña, 12, ES-33710 Navia (Asturias), Tel. 615 562 134
pcantabriconavia@hotmail.com www.occidente.com/pensioncantabrico
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Unsere Unterkunft.
Bild: Marianne

Beurteilung von Unterkunft und von der Stadt allgemein

Nicht nur von der Beschilderung her, auch sonst lief in der Pension alles professionell. Ruckzuck, hatten wir ein 3-Bett-Zimmer mit eigenem Bad für 45 €. Sehr gut! Eine Treppe höher war eine Küche. Nach uns kamen noch weitere Gäste, es könnte voll geworden sein. Wir hatten noch Zeit für einen großen Rundgang durch den kleinen Stadtkern und über die Ríapromenade. Navia liegt nicht am Meer, sondern an einer breiten Flussmündung landeinwärts. Die Stadt ist nicht so malerisch wie Luarca oder so nostalgisch bunt wie Cudillero. Aber eine Übernachtung lohnte diesmal schon, denn 2003 waren wir ja nur durchgewandert. Zum Abendessen wurde eingekauft. Die Pizza (oder Empanada) konnte in der Pensionsküche in der Mikrowelle heiß gemacht werden.

Hotelreservierung erfolgreich vorgezogen

Meine besonders gute Laune rührte daher, dass ich mir ein Herz gefasst hatte, um das Hotel an der Ría von Foz anzurufen und zu fragen, ob wir auch schon am Freitag kommen könnten. Zu meiner Überraschung nahm ein Mann meine Bitte sehr freundlich an und meinte: "Kein Problem!" Damit war mein ganzer Alternativplan gerettet, und wir konnten den nächsten Tagen mit Ruhe entgegensehen. Bis Freitag sollte ja noch gutes Wetter sein. Dass die Zimmerumbestellung zum Wochenende "kein Problem" war, zeigte abermals, dass an der Küste momentan touristisch Flaute war.


18. Juni 2014, Mittwoch: Von Navia nach Tapia de Casariego, 23,6 km, einschl. 2,5 km Umweg; davon 12,0 km mit der Feve (126,9 km)


Feve-Fahrt nach La Caridad

Wir konnten heute lange schlafen, denn der Zug fuhr erst kurz vor 10h00. 9h30 waren wir am Bahnhof, und ich kaufte die Fahrkarten. Wieder 1,60 € pro Person. Mit einer Viertelstunde Verspätung lief der Zug auf dem vorderen Gleis ein. Diesmal gab es an den Türen Knöpfe, mit denen man einen gewünschten Halt signalisieren konnte. Leider wurde die nächste Station nicht dauernd angezeigt, aber ich wusste ja, wie viele Stationen es waren. In La Caridad stiegen wir aus und liefen in Richtung Stadt nach Norden, unter der Umgehungsstraße (neue N-634) her. In der Stadt fand ich den Pilgerweg nicht sofort, auch eine US-amerikanische Pilgerin suchte herum. Schließlich kamen wir zum Rathaus (Plaza de España), und ich entdeckte metallene Muscheln, die (verkehrt herum!) ins das Pflaster des Bürgersteigs eingelassen waren. Laut Karte mussten wir auf der alten N-634 sein, die die Stadt durchquert, aber man sah keinen Hinweis.


Eine lohnende Abkürzung

Wir folgten dieser Hauptstraße bis halb um eine große Linkskurve herum, dann erkannte ich die Abzweigung rechts: Gegenüber eine Garage mit rotem Tor, links oben daran eine Muschelkachel. Also überquerten und verließen wir die alte N-634, gingen links an der Garage und an einem weißen Haus vorbei nach unten in ein Bachtal. (Eben um dieses herum macht die alte N-634 eine große Schleife, die man auf dieser verwinkelten Route abkürzt. Das war doch nicht so schlecht, wie ich 2003 gedacht hatte. Karten klären immer alles auf.) Eine kleine Brücke aus großen Steinen, dann ging's wieder hoch, und nach gut einem Kilometer ist man wieder an der N-634. Man überquert sie und läuft in einem Rechtsbogen zur Ortschaft San Pelayo, wo man nach rechts abbiegend wieder die N-634 erreicht. Gegenüber liegt die Ermita de San Pelayo.
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Brückchen hinter La Caridad

Tipp: Bis Porcia an der Steiküste entlang

Hier beginnt der Europawanderweg G.R. E-9, der in einem Bogen an der Steilküste entlang nach Westen führt und erst durch die Ría von Porcia wieder zur N-634 geleitet wird. Gegenüber dem regulären Pilgerweg ein Umweg von ca. 2,5 km, die es aber in sich haben.


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Wegweiser des G.R. E-9
Es gibt einige Wegweiser, aber nicht die meisten. Zusätzlich war der Wanderweg gepunktet auf meiner Iberpix-Karte eingezeichnet, anfangs aber lückenhaft. Ein Schweizer sprach Marianne und Hedwig an. Er war mit seiner Frau und zwei großen Hunden im Wohnwagen hier, war früher einmal alles gelaufen, schwelgte in Erinnerungen und wollte seiner Frau alles zeigen. Er störte mich etwas, so dass ich gleich an der ersten Abzweigung nach links ging (kein Zeichen), weiter geradeaus wäre wohl richtig gewesen. Als der Weg aber auf eine Ortschaft und nicht auf die Küste zulief, nahm ich den nächsten Abzweig nach rechts, auf zwei große Höfe zu. Das war richtig, denn dort kam der E-9 von rechts dazu. Weitere Schilder führten uns zuverlässig in einem Rechtsbogen zur Küste, links lag die Ortschaft Valdepares.

Bald näherten wir uns dem Höhepunkt: dem Cabo Blanco (Weißes Kap), einer Felsnase von über 1 km Länge, auf der in der Antike ein Wehrdorf gestanden hatte. Das Meer hatte die Felsen rechts und links angenagt, so dass diese Nischen nur noch durch einen ausgemeißelten Graben verbunden werden mussten, um für einen Feind vom Land ein schweres Hindernis zu bilden. Es gab sogar zwei solcher Gräben aus Felsspalten. Entlang der ganzen Nordküste hat es solche Wehrdörfer gegeben, erst der Iberokelten, danach der Römer. Sie dienten zum Schutz gegen Seeräuber und sonstige Feinde auf dem Meer.
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Info-Tafel vor dem Cabo Blanca

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Cabo Blanco
Bild: Marianne
Wir erkundeten die lange Felsnase und freuten uns an dem Rundblick auf die zerklüftete Küste und die schwere Brandung, die in dem heftigen Wind überall gegen die Felsen donnerte. Man konnte den letzten Ausläufer am Meer unten nur mit Klettern erreichen, worauf wir gern verzichteten. Auf dem Rückweg kamen uns der Schweizer und seine Frau entgegen.

So erreichten wir an der Küste entlang die Ría von Porcia, ein weites Flusstal mit schönen Sandstränden. Hier gab es auch wieder Bebauung. Der Wanderweg am Rand des grünen Tals landeinwärts war schwer zu finden, ich musste einen Einheimischen fragen. Dann mündete der Weg in ein Sträßchen (die frühere Fernstraße, bevor es die N-634 gab). Erst kurz vor der alten Brücke über den Fluss Porcia kam der reguläre Pilgerweg von links dazu. Hinter der Brücke machten wir eine ausgiebige Mittagspause. Achtung: der erste gelbe Pfeil ab der Brücke weist zu früh nach rechts. Man muss bis zur Straßenkreuzung weiter geradeaus und erst dort halbrechts einen steilen Betonweg hoch.
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Steilküste vor Porcia

Möglicher lohnender Umweg

Zu den Abstechern das Meer entlang, die ich in der Planung erwogen hatte, gehört auch der weitere Verlauf des G.R. E-9 ab Porcia, laut Iberpix-Karte auf weite Strecken direkt am Meer entlang, bis man kurz vor der unten erwähnten Bushaltestelle wieder auf den Pilgerweg stößt, der dann bis Tapia auf dem E-9 verläuft. Leider reichten Zeit und Kräfte dafür nicht, aber an den folgenden Tagen sollten wir noch genug an Nordküste mitbekommen.

Zu erwähnen ist noch, dass hier am Meer ehemalige Goldminen liegen, die anscheinend evtl. wiedereröffnet werden sollen. Jedenfalls waren die kleinen Dörfer voll von Plakaten, die gegen die Zerstörung der Landschaft wetterten, obwohl eine verkürzte Botschaft wie Vacas si, oro no (Kühe ja, Gold nein) sicher nicht jeden gleich überzeugen kann.

Weiterer Weg nach Tapia de Casariego

Ab Porcia läuft man auf schmalen Sträßchen im Prinzip immer geradeaus, lange Zeit parallel zur N-634, durch mehrere kleine Ortschaften. Hier habe ich notiert, dass Hedwig wieder ganz mit den Kräften am Ende war und immer langsamer daherschlurfte. Wir machten dann lieber öfter noch kleine Pausen. Ich befürchtete, dass wir unsere Pilgertour bald abbrechen mussten. Endlich erreichten wir eine Bushaltestelle in San Antonio. Dort geht der Weg weiter nach Nordwesten, während die N-634 nach Südwesten abdreht; sie durchquert Tapia nicht. Erfreulich, dass man direkt auf die Pilgerherberge am Stadtrand zuläuft. Sie liegt direkt an der Steilküste, gerade einige Wäscheleinen haben hinter ihr noch Platz vor dem Abgrund.


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Herberge von Tapia
Ein junges Mädchen empfing uns. Es stellte sich heraus, dass es die Tochter eines polnischen Ehepaars war, die den Schlüssel der Herberge geholt hatte und nun quasi die Hilfshospitalera spielte. (Ich hatte diese Funktion auch schon einige Male gehabt.) Leider sprach sie nur Englisch. Im Pilgerbuch fanden wir einen Eintrag von Aaron vom Vortag. Spende in eine Büchse. Wir blieben übrigens im unteren Raum, obwohl dort auch gegessen wird. Später kam noch der eine oder andere Radfahrer, aber die meisten Betten blieben leer.

Aufpassen in der Bar Oviedo

Stadtbummel zum Einkaufen ("elárbol" oben am Rathausplatz). An einen Strandaufenthalt war bei dem wieder sehr frischen Wind nicht zu denken. Abendessen in der Bar Oviedo. Der Ober kam aus Uruguay und knöpfte uns am Ende 10 € ab, obwohl draußen 9 € gestanden hatte. Nun ja, das Essen war in Ordnung, aber wir konnten uns den Zuschlag nicht erklären. Versehen? Fußballweltmeisterschaft? (Es standen mehrere große Fernseher herum, es war wohl wieder ein Spanienspiel.) Jedenfalls bekam er so kein zusätzliches Trinkgeld, und damit war wieder alles im Lot. Der Wind hatte unsere Wäsche hinter der Herberge gut getrocknet. Wir mussten aber immer befürchten, dass er Teile von der Leine losriss. Aber außer einer Wäscheklammer waren am Ende keine Verluste zu beklagen. Die Nacht verlief sehr ruhig.
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Wäsche im Seewind

19. Juni 2014, Donnerstag: Von Tapia de Casariego nach Ribadeo, 14,6 km einschl. ca. 1 km Umweg (141,5 km)


Weg aus der Stadt

Tapia ist eine schöne Stadt, deren Hafen deutlich getrennt vom Mündungsgebiet des Río de Anguileira liegt. Deshalb sind die beiden benachbarten Sandstrände auch sauber. Trotz der betriebsamen Stadt ist die Natur immer gleich nebenan. Der Pilger erlebt es hautnah. Nach dem Morgengebet neben der Herberge durchquerten wir die Innenstadt, am Rathaus vorbei zur Hauptstraße, die am Ría-Ufer nach Süden in Richtung N-634 abdrehte. Dabei kommt man an den Stadtstränden entlang und hat bald zur Rechten den Fluss liegen, der normalerweise nicht mehr als ein Rinnsal ist. Da man schon ahnt, dass man am gegenüberliegenden Hochufer praktisch wieder zurückläuft, ist man in Versuchung, den Weg über dieses Rinnsal abzukürzen, da Treppen durchaus vorhanden sind. Aber man täusche sich nicht! Das Wasser ist breiter, als es von oben aussieht, und die Tiefe kann man nur ahnen. Unten in der Flussschleife liegt eine Sportanlage. Man könnte schon vor dieser direkt auf eine Holzbrücke zulaufen, die über den Fluss führt, um dann einen Weg vom Strand zur Straße hochzusteigen. Auch diese Abkürzung ist nur bei Ebbe zu empfehlen.

Unbedingt dem Fernwanderweg folgen

Auf der Iberpix-Karte sieht man, wo der Pilgerweg hergeht, aber schon 2003 sind wir dem Tipp des Handbuchs gefolgt, hier weiter den G.R. E-9 zu laufen. Der Pilgerweg führt hinter Tapia zuerst über den Fluss, dann rechts ab und in etwa parallel zur N-634 weiter. Der Wanderweg ist viel schöner, und die jetzige Auflage des Handbuch setzt mit einem weiteren Schlenker auch noch auf den E-9 einen drauf. Denn auch dieser geht nur zum Teil direkt an der Steilküste entlang, und das ist doch der Sinn dieses Umwegs. Doch der Reihe nach.

Hinter einigen Häusern, von denen eines ein Schild "Santiago de Compostela 229 km" trug, bogen wir (noch vor der Flussbrücke!) nach rechts zur Sportanlage unten ab, liefen vor dieser her zu der erwähnten Holzbrücke und stiegen zu einer Landstraße hoch, die einen scharfen Linksbogen vor einem neuen Siedlungsgebiet an der Küste beschreibt.


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Kleiner, abgelegener Strand
Bild: Marianne
Ein Stück hinter einem Campingplatz kommt rechts ein Abzweig, der deutlich als Wanderweg E-9 markiert ist. Er läuft wieder einmal auf die Reste einer kleinen keltischen Küstenbefestigung (castro) zu. Die Überraschung ist aber eine kleine Bucht mit Sandstrand, die sich urplötzlich zur Rechten auftut. Es ist eine Seitenbucht der Playa de la Paloma, sogar mit Duschen (funktionieren die?). Rechts die schroffen Felsen, davor der felsige Strand, links dichtes Grün entlang des einmündenden Baches, dazu von der Morgensonne beschienen: ein Paradies. Wir nahmen alles gemächlich in uns auf und dankten für dieses Erlebnis, auch wenn es zum Pausemachen noch zu früh war.

An den Hängen der formlosen Befestigungsruine ging es dann durch immer dichter werdendes Gestrüpp einen so schmalen Fußpfad entlang, dass ich, der in solchen Fällen mit der Handbuchkopie in der Hand vorausschnüffelt, schon unsicher wurde, ob wir uns nicht verlaufen hatten. Nun, die ersten Pilger hier waren wir nicht, denn Marianne fand eine kleine Pilgermuschel mit der Aufschrift "Berlin". (Na, juchzt jetzt ein Leser aus Berlin auf, weil er seine Muschel bei mir anfordern kann? Wir haben sie nämlich mitgenommen.)
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Gestrüpp wie 2003

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Nichtwege-Zeichen
Endlich kamen wir nach mehreren hundert Metern an einer Piste heraus und folgten dieser parallel zur Küste. Dann kam der Zusatztipp des Handbuchs, hier auch den E-9 zu verlassen und einer Piste rechts zum Meer zu folgen. Die Angabe "nach 700 m" nützt wenig, denn wer hat solche Entfernungen im Gefühl? Wir bogen bei der ersten Gelegenheit nach rechts ab, wo etwas weiter eine windzerzauste Kiefer ein deutliches Merkzeichen bot. Tatsächlich sollte man sich merken: Hier ist es noch zu früh! ;-)

Wie die Abzweigung nun wirklich aussieht (man braucht eindeutige Kennmerkmale), kann ich nicht sagen, da wir eben an dieser Kiefer schon abbogen und tatsächlich die Steilküste erreichten. Aber kein Wunder, dass von den folgenden im Handbuch beschriebenen Merkmalen nichts zu sehen war. Nun, wir stolperten, teils auf Pfaden, teils querbeet, immer direkt an der Steilküste entlang und hatten so auch die schönsten Aussichten. Ein Einschnitt zwang uns schließlich nach links landeinwärts, wobei wir auf eine Piste stießen, die als Rechtskurve (in Richtung Meer gesehen) hier hochführte. Ich sah sofort, dass das der im Handbuch beschriebene Weg war, und so gingen wir rechts abbiegend an der Steilküste weiter. Atemberaubende Bilder belohnten uns, die Brandung donnerte gegen die Felsen, und wir sahen schon hier eine "Kathedrale", zwei durchspülte Löcher in einem vorspringenden Felsen, die hinter Ribadeo einem Küstenabschnitt den Namen gegeben haben. Die Löcher sehen nämlich wie Fenster einer Kathedrale aus.
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Eine "Kathedrale"
Bild: Marianne

Wieder auf dem G.R. E-9

Schließlich erreichten wir das Hochufer an der breiten Playa de Serantes. In einem großen Bogen ging es landeinwärts zu einer kleinen Landstraße. Damit endete der im Handbuch beschriebene Zusatzschlenker, den ich sehr empfehlen kann, denn hier kam der E-9 von links, und man folge ihm nach rechts weiter.


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Pause an einer Waschanlage
Es kostet sehr viel Zeit und Kraft, sich unmittelbar an der Steilküste entlang zu bewegen, und daher war es kein Wunder, dass Hedwig wieder sehr müde wurde und wir nach einem Rastplatz ausschauten. Der kam unterhalb zweier großer Gutshöfe (Serantes, Ortsteil La Penela) in Form einer schön wiederaufgebauten Waschstelle, wo wir Mittagspause machten. Die Frauen verschwanden bei der Gelegenheit im Gebüsch, wo Marianne ihren Geldgürtel verlor. Gottlob bemerkte sie es noch während unseres Aufenthalts und fand ihn auch ohne Mühe wieder.

Abstecher zu einem Schwimmvergnügen

An der nächsten T-Kreuzung der Landstraßen kommt auch der reguläre Pilgerweg von links hinzu. Es geht wieder in Richtung Küste, und man gelangt ins Dorf Villamil. Hier stießen wir auf zwei österreichische Pilgerinnen, mit denen wir ein paar Worte wechselten; wir sahen sie aber nicht wieder. Hinter diesem Ort sollte man nicht dem E-9 rechtsab folgen, weil das ein unnützer Schlenker ist, sondern auf der Landstraße bleiben. Dito danach in einer scharfen Rechtskurve, nicht eine verlockende "Abkürzung" geradeaus, sondern der Straße folgend nach Santa Gadea hinein. Im Ort macht die Landstraße einen scharfen Linksknick. Wer Zeit für einen Strandaufenthalt hat, dem empfehle ich, hier einen Abstecher nach rechts zur Playa de Santa Gadea (in meinem Bericht von 2003: Playa de Ribeirin) zu machen. 2003 war Hedwig hier im Meer.

Alter Pilgerweg nach Süden

Der E-9 folgt dem Linksknick auf die Kapelle (Ermita) San Lorenzo zu, wo man die Straße nach halbrechts verlässt. (Der Pilgerweg geht anscheinend geradeaus weiter und geht dann nach Süden auf Castropol zu, also gar nicht über die Sundbrücke, sondern eine ganz andere Route: In Vegadeo überquert man die Ría de Eo und dann auf der N-640 den Fluss Eo selbst. Etwas weiter zweigt die LU-132 rechts ab, der man dann schnurstracks nach Westen über Trabada nach Vilanova de Lourenzá folgt. Ich habe einen rudimentären Bericht über diese Variante von Pilgerfreund R.W.)


Zurück zur Abzweigung an der Kirche San Lorenzo. Man läuft über Holzstege durch ein Naturschutzgebiet, Sümpfe des Arroyo de Penarronda, dessen Mündungsgebiet in den riesigen Sandstrand Playa de Penarronda ausläuft. Hier machten wir wieder Pause, denn Hedwigs Kräfte ließen heute nicht mehr viel zu. Trotz des frischen Windes tummelte sich eine Schulklasse in der Brandung. Weiter ging es, zunächst die Zufahrtstraße hoch, dann rechts an einer Bar vorbei. Noch einmal nahe an der Steilküste entlang, dann im Linksbogen landeinwärts auf Villadún zu, wo wir auf eine Kreuzung stießen. Links liegt der Ort.
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Playa de Penarronda

Erst eine Abkürzung, dann doch noch ein Umweg

Ich verstehe nicht, warum das Handbuch nicht empfiehlt, hier rechts abzubiegen und dem E-9 weiter die Küste entlang zu folgen. 2003 haben wir das gemacht und besonders am Steilufer der Ría schöne Ausblicke auf den Sund und auf Ribadeo gehabt. Der Umweg soll 3 km betragen, bei dieser Kurzetappe nicht weit. Allerdings waren wir dafür 2003 auch nicht dem kräfte- und zeitraubenden Umweg an der Steilküste entlang gefolgt.

Dieses Jahr gab es jedenfalls keine Diskussion, mit Rücksicht auf Hedwig, denn so hatten wir es auch verabredet. Also liefen wir geradeaus den direkten Weg auf die N-634 vor Ribadeo zu. Dabei gab es ein ähnliches Problem wie schon früher am Tag: "1,4 km geradeaus", wie das Handbuch sagt, reicht nicht zur Orientierung. Es sollte dann links ab durch einen Kreisverkehr und unter der Autobahn her gehen. Dummerweise gibt es das zwei Mal hintereinander, und so nahmen wir die erste Gelegenheit wahr, leider zu früh. Erst als wir hinter der Autobahn nicht den angekündigten zweiten Kreisverkehr erreichten, merkten wir den Fehler. Zurück kam nicht in Frage, statt dessen führte ich uns in einem großen Rechtsbogen durch Figueras, bis wir an der Autobahn auf den Fußweg nach links zur Sundbrücke stießen.


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Sundbrücke nach Galicien
Vor der Brücke kam ein Rastplatz mit Toilettenanlage. Gebaut und danach nicht nicht mehr betreut. Ein Blick hinein ließ einen grausen, sowas habe ich nur einmal in der Slowakei an der Autobahn gesehen: Zerstörung und Schlimmeres. Deshalb die vielen "Hinterlassenschaften" auf dem Rasen ringsum. "Erleichtert" machten wir uns auf den Weiterweg. Jenseits der Straße zog ein Pilger rechts auf die Brücke, wir blieben auf einem schmalen Fußsteig links. Es ging sehr sehr hoch über den Sund und auch sehr lange, Bilder geben das gar nicht wieder. Dann kam uns auch noch eine voluminiöse Dame entgegen, an der ich mich mit meinem Rucksack mühsam vorbeiquetschen musste. Sie nahm es gelassen hin, was sollte man auch machen?

Galicien, da sind wir wieder!

In Galicien angekommen, dachten wir daran, dass jetzt die Muscheln mit den Strahlen und nicht mehr mit dem Fuß die Richtung anzeigten. Wir konnten die Brücke am Ende problemlos nach unten verlassen, sie auf einer Straße unterqueren und dann (kein Wegezeichen!) nach rechts zum Sundufer laufen. Dort nach links, etwas weiter weg, als ich in Erinnerung hatte, lag die Herberge, die sogar auf der Iberpix-Karte eingezeichnet ist. An ihrer exklusiven Bauart (oben mit Aussichtsplattform zum Sund hin) ist sie leicht zu erkennen.


Die Herberge ist mit 12 Betten viel zu klein. Es waren schon einige junge Pilger da. Der Schlafsaal ist gut eingeteilt. Hinter den zwei Türen steht jeweils rechts, links und geradeaus 1 Doppelstock. Hm, in der rechten Hälfte schienen alle Betten belegt, in der linken auch einige. Aber so viele Pilger waren gar nicht da. Sie hatten wieder einmal ihre Sachen einfach auf die Betten verteilt. Da unter den Anwesenden keine Spanier waren, war die Verständigung mühsam. Was ich wollte, wurde erst verstanden, nachdem eine Slowakin ihre Deutschkenntnisse einsetzte. Sie hatten alle rechts Betten, bis auf einen bulligen Typen, der links untergebracht war. Also fingen wir an, uns links einzurichten, als eine kleine, sehr alte Französin erschien, der ein zweites Bett links bei uns gehörte. Na, die passte ja zu uns, also kein Problem.
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Herberge von Ribadeo

In der Herberge von Ribadeo

Die Französin war uns gleich sympathisch. Sie sprach uns unbefangen auf Französisch an: Nein, wir alten Leute könnten doch nicht oben schlafen. - Marianne und ich versicherten, dass uns das nichts ausmachte. Fast nichts, ich probierte den Aufstieg mit einem Stuhl: ging ohne Schwierigkeiten. (Dieser Test hat nicht in jeder Herberge zu einem positiven Ergebnis geführt, da die oberen Betten bzw. die Stühle recht unterschiedlich hoch sein konnten.)

Im Nachhinein gratulierten wir uns, dass wir wegen des gesparten Umwegs schon 14h30 in der Herberge waren, denn nach uns lief diese bis 15h30 schon voll. Es kamen auch noch einige alte Leute. Da ging die Französin in die rechte Saalhälfte und schimpfte die jungen Pilger aus, dass sie sich alle untere Betten genommen hätten und die Alten oben schlafen ließen. Die jungen Leute gaben doch glatt nach und bezogen obere Betten. Hätte ich nicht erwartet. Wie 2003 ließen sich im Vorraum Fahrradfahrer nieder. Viele Pilger gehen auch wohl gleich zu der neuen 7,7 km weiter gelegenen Herberge von Vilela weiter, aber Ribadeo und der Sund lohnen einen Aufenthalt.


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Wäsche hinter der Herberge
Während Hedwig und Marianne sich um die Wäsche kümmerten, ging ich wie üblich schnüffeln,und das war ein langer Weg, denn die Innenstadt liegt ca. 2 km entfernt. Als erstes ging ich um 16 Uhr in die Touristeninformation, um nach einem Bus zum "Strand der Kathedralen" zu fragen; ich hatte eine Reklame in der Herberge gesehen. Vor mir war ein Engländer, dem man den Leihwagen gestohlen hatte. Er sagte mir seufzend, dass es schon blöd sei, wenn man kein Wort der Landessprache kennt.

Feve-Bahnhof, Supermarkt und Pilgermenü

Ich bekam den neusten Stadtplan (der bemerkenswert unpraktisch war). Die Busse fuhren erst ab Juli. Also wieder mit der Feve, und - o weia - der Bahnhof liegt weit im Westen. Ich lief nach Stadtplan dorthin. Wieder gab es im Bahnhof einen Schalter, aber keine Fahrkarten im Vorverkauf. Etwas müde wieder zur Herberge (so wusste ich auch den Weg und die benötigte Zeit.). Insgesamt bin ich so sicher 6 km zusätzlich gelaufen. Zu unserer allgemeinen Freude hatten wir alle drei immer noch keine Blasen oder sonstige Fußprobleme.

Gleichzeitig sich beim Schnüffeln gemerkt:
Einkaufen: Supermarkt Gadis in der nahen Av. Rosalia de Castro. Menü 8 € (wenig Auswahl) in der Bar Oviedo, die an der Herberge Reklame machte. "Nur 50 m." Spanische! Es waren eher 500m. (Av. Calvo Sotelo, auf dem Weg von der Herberge in die Innenstadt, parallel zur Av. Rosalia de Castro) Ansonsten waren wir mit dem Essen zufrieden: Linsensuppe, Platte mit gebratenen Fischen bzw. Hühnchen mit Knoblauch. (Ich selbst nehme nie Hühnchen, denn es gibt beliebig zerschnittene Fleisch- und Kochenteile, kein sauberes Zerlegen, wie wir das gewohnt sind. Wegen der Fuddelei, die man dann mit den Knochenstückchen hat, verzichte ich normalerweise.) - Die Nacht war wieder ruhig. Morgens lag eine Matratze bei den Radfahrern. Hat doch jemand wegen der Schnarcher den Schlafsaal geräumt?

20. Juni 2014, Freitag: Von Ribadeo nach Anguieira, 20,0 km, davon 8,0 km mit der Feve (161,5 km)

Planung für die Etappe bis zur Ría von Foz

Nach unseren Erfahrungen der letzten Tage war mir klar, dass der Weg von Ribadeo bis zur Ría von Foz für uns nicht in einem Tag zu Fuß zu schaffen war. Wenn man einfach auf der Straße die Küste entlangwandern will, ohne sich Zeit zu lassen, die Naturschönheiten zu bewundern, könnte es gehen; man kann sogar an der Herberge beginnen und einfach dem Sund-, später dem Meeresufer folgen. Dabei handelt man sich schwer zu schätzende zusätzliche Kilometer ein: Aus 23 km Luftlinie werden dann durchaus ca. 40 km (Küstenstraße plus Schlenker an der Abbruchkante entlang). Das hätte ich auch in meinen besten Tagen nicht geschafft. - Also wollten wir etwa die Hälfte, nämlich bis zum berühmten "Strand der Kathedralen" (Praia das Catedrais) mit dem Zug fahren, da wie schon geschrieben die Touristenbusse nur ab Juli fahren. Daraus folgte zweierlei: Zum einen konnten wir an diesem Morgen noch die Innenstadt von Ribadeo besichtigen, weil der Zug erst um 11h08 fuhr, zum andern war damit der halbe Tag weg, und selbst für die Hälfte des Weges blieb dann leider relativ wenig Zeit.


Durch die Innenstadt von Ribadeo

Heute war der letzte Tag mit einer Kurzetappe. Würden wir danach abbrechen müssen? Auf jeden Fall verteilten wir einen Teil von Hedwigs Gepäck auf die Rucksäcke von Marianne und mir. Nun, wir konnten trotzdem zufrieden sein, denn das Wetter hielt sich wie in den vergangenen Tagen. Also genossen wir die Innenstadt von Ribadeo, wobei ich noch Folgendes nachtragen kann. Bei meiner Schnüffeltour gestern war ich auch auf ein Café gestoßen, das ein attraktives Tagesmenü anbot. Aber, eine neue Erfahrung: Es war wirklich ein Tagesmenü, denn es wurde nur bis 16 Uhr serviert. Und abends war das Café geschlossen. Dieses Geschäftsgebahren verstehe, wer will.
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Zwei Riesen und zwei Zwerge
Bild: Marianne

Anfahrt über Esteiro

Rechtzeitig machten wir uns zu dem langen Weg zum Bahnhof auf. Da ich eine Iberpix-Karte der Gegend hatte, wusste ich, dass der günstigste Zielbahnhof Esteiro war. Heute gab es auch Fahrkarten, aber dann wartete alles; der Zug hatte gut 10 Minuten Verspätung. Für einen Ausstiegswunsch diente wieder ein grüner Knopf, dann hielt der Zug mitten in der Pampa. Wir mussten erst einen Halbkreis nach Süden laufen, um eine benachbarte Brücke über die Bahnlinie zu erreichen, aber dann ging es einfach geradeaus auf die Küstenstraße zu, die wir in wenigen Minuten erreichten. Es herrschte einigermaßen Ausflugsbetrieb. Bald kam rechts ein Parkplatz, und von dem aus lief alles zu dem Küstenabschnitt mit den "Kathedralen".


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"Kathedralen"? Na ja ...

"Kathedralen" bei Flut nicht so spektakulär

Ehrlich gesagt: Nachdem wir etwa 1 km am Abbruchrand entlanggeschlendert waren, fragte ich mich, wo denn die berühmten Felslöcher (die "Kathedralenfenster") seien? Nun, es war wohl so, dass wir leider zum Fluthöchststand eingetroffen waren, und da war das Meiste überspült. Sonst konnte man auf Treppen zum Sandstrand hinunter und hätte viel mehr gesehen.

Es lag wohl auch daran, dass ich von den spektakulären Anblicken des Vortags schon etwas verwöhnt war. Jedenfalls folgten wir der mit einer Mauer gesicherten ausgebauten Strandpromenade, klapperten dann über Holzstege durch ein Naturschutzgebiet auf vorspringende Felsen, und dort machten wir auch Mittag, angesichts der wunderbaren Naturkulisse ringsherum.
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Aussicht bei der Mittagspause

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Ein Strand nach dem anderen
Der weitere Weg erstaunte uns etwas: Zwar musste man zunächst noch zwischen zwei Buchten durch die eine oder andere Ortschaft, aber danach hatte man bis zu unserem Zielort eine durchgehende gepflasterte Strandpromenade, von der es immer wieder zu Sandstränden hinunterging. An Baden war aber nicht zu denken, denn es wurde zunehmend diesiger, und ab 15 Uhr zogen Wolken auf. Kurz vor dem Ziel ging es durch dichte Bebauung. Wegen des Wetters ließ ich den letzten Strandschlenker aus und blieb auf der kleinen Landstraße CP-0610, die direkt nach Anguieira führte.

Bar und irreführendes Schild

Kurz vor dem Ortsrand prasselte der Regen los, dass wir zum ersten Mal froh waren, schwere Regenumhänge dabei zu haben. Bei unseren Trainingsläufen hatten wir das gegenseitige Überziehen schon geübt ;-) Wir flüchteten am Ortsanfang auf die überdachte Terrasse eines geschlossenen Straßencafés. Gegenüber lag die Bar "Moby Dick", die auch Essen anbot. Eine Asiatin kam zu uns herüber und begrüßte uns freundlich. Es war eine Koreanerin, die Ehefrau des Barbesitzers, hier vor Jahren hängengeblieben. Sie war auch schon gepilgert und behauptete, dass es von hier einen Camino del Mar nach Vilanova de Lourenzá gäbe. Auf meinen skeptischen Blick hin gab sie zu, dass er nicht ausgezeichnet sei und die Nationalstraße N-634 entlangführe. Nein, danke!

Da an dieser Kreuzung ein Schild "Gardis" war, fragte ich nicht nach einem Supermarkt. Das war ein Fehler. Es stellte sich später heraus, dass es in dem ganzen Ort nirgendwo eine Einkaufsmöglichkeit gab, und zu essen auch nur in zwei Bares, die beide keinen anziehenden Eindruck machten. Und der Supermarkt Gardis lag 3 km weiter im Ortsteil Merille von San Cosme, an der N-634, für Autofahrer ja kein Problem, für Fußgänger undiskutabel.


Der seit Wochen angekündigte Regen hatte also eingesetzt, für unsere Planung einen halben Tag zu früh. Bald zogen wir bei nachlassendem Regen weiter zu unserem Hotel. Ich hatte mir einen Riesenkomplex vorgestellt, in dem es von Gästen wimmelte, so dass man uns verschwitzte Pilger vielleicht diskret durch den Lieferanteneingang hineinbugsierte. Die Realität war deshalb zunächst sehr ernüchternd: Ein achteckiger kleiner Bau, von dichtem Gebüsch umgeben, alles verrammelt, kein Mensch zu sehen, und um das Haus herum rudimentäre, sehr vernachlässigte Grünanlagen: ich dachte im ersten Schrecken, man habe gerade pleite gemacht. Unvorstellbar wäre das in Spanien nicht gewesen, aber wir hatten - dank booking.com - ja wenigstens nicht im Voraus bezahlt. Schließlich lasen wir dann doch ein Hinweisschild, dass man bei geschlossenem Empfang eine Telefonnummer anrufen solle. Ja, wer jetzt kein Mobiltelefon dabei hatte! Wir hatten seit Tagen keine Telefonzelle mehr gesehen und hätten zu der geöffneten Bar zurücklaufen müssen. Nun, immerhin hatte ich mit jemandem vom Hotel schon nett telefoniert, und auch diesmal ging es ruckzuck: Ach, wir seien schon eingetroffen? (Es war gegen 16 Uhr, und ich hatte unsere Ankunft bis 18 Uhr angegeben.) Wir möchten uns einige Minuten gedulden, er käme sofort.
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Hotel Ría do Masma

Überraschend gutes Preis-Leistungs-Verhältnis

16h30 fährt ein Auto vor. Der Hotelbesitzer Jesus ist es selbst. Später erfahren wir, dass er eine Bar im 3 km entfernten Merille betreibt und das Hotel aus der Ferne betreut. Ganz persönlich, sein Motto ist: "Mi hotel, su casa" (Mein Hotel, Ihr Zuhause), und so praktiziert er es auch. Wir kommen in den Empfang des Erdgeschosses. Im Gegensatz zu draußen alles neuwertig und gepflegt. Ein kreisrunder Flur, von dem die Zimmer abgehen. Er reißt drei Türen für uns auf, alles Doppelzimmer. Halt, wehre ich ab, mit einer meiner "señoras" bin ich ja verheiratet, da genügen zwei Zimmer. Auch gut, stimmt er fröhlich zu. Pro Nase bezahlen wir 20 €, auch bei Einzelbelegung im Doppelzimmer. (Das ist in Spanien weit verbreitet. In Deutschland gibt es oft nicht einmal einen Preisnachlass für 1 Person.) Und was erhielt man hierfür: Ein großes Zimmer und ein ebenso großes Badezimmer, in dem man hätten fangen spielen können. Aber nicht genug: Frühstück ist ja noch im Preis inbegriffen, und - mi hotel, su casa - ein einfaches Abendessen für Leute, die den guten Jesus ausnutzen, praktisch auch noch: Ein Drittel des Obergeschosses nahm der Aufenthalts- und Essraum ein, mit wohlgefülltem Kühlschrank, Tischen mit abgedeckten Kuchen, Müsli, Marmeladen usw., alle Küchengeräte bis hin zur Kaffeemaschine ebenfalls vorhanden. Auf das alles könne man ungeniert zugreifen, sagte Jesus, morgens brächte er frisches Brot. Ich wurde richtig verlegen; wie wollte der denn noch bei unseren 20 € Gewinn machen? Jedenfalls bezahlten wir erst einmal für die Zimmer und bekamen eine ordnungsgemäße Quittung. Fürs Abendessen hatten wir aber auch noch Vorräte mit, so dass nur der Schlummertrunk ergänzt werden musste, und für den legten wir anderntags diskret einen Schein unter die Zimmerschlüssel in der Empfangsecke. Unterm Dach gab es übrigens noch weitere einfachere Zimmer. Ein im wahrsten Sinne des Wortes merk-würdiges Hotel!


Hotel Ría do Masma, Estrada Casiano Moreno, n-o 7, Anguieira, ES-27790 San Cosme de Barreiros (Lugo)
Tel. und Fax 982 124 085, Mobil 615 092 115, Netzauftritt des Hotels, info@cafebarmoderno.org

Ein unerreichbarer Supermarkt

Am Spätnachmittag machten wir uns noch auf die (vergebliche) Suche nach dem Gardis-Supermarkt, tranken zunächst in der erwähnten Bar (die andere blieb geschlossen) einen Kaffee und liefen dann in die Richtung, die das Gardis-Schild gewiesen hatte. Die ganze Gegend war von mehrstöckigen Gebäuden geprägt, die in Gruppen in die karge Küstengegend gepflanzt worden waren. Vielfach gab es jetzt noch rege Bautätigkeit. Nach 1 km, an einem Wegekreuz, kam von rechts ein Sträßchen hinzu, direkt von unserem Hotel. Wir merkten uns das für morgen früh, denn unsere jetzige Straße war auch die richtige für unseren morgigen Weitermarsch nach Süden. Anguieira ist ein Ortsteil der Streusiedlung San Cosme. Nach weiteren 500 m schlossen wir richtig, dass der Supermarkt wahrscheinlich erst dort lag, und kehrten um. Es blieb der Trost, dass wir eine Routineaufgabe, nämlich den Beginn des Weges am anderen Tag zu erkunden, erfüllt hatten.


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Beim Schlummertrunk
Leider ließ das Wetter keinen Strandbesuch zu. Dabei liegt Anguieira auf einer sandigen Landzunge zwischen Meer und der Ría, überall mit breiten Stränden. Davon bekamen wir nur von weitem etwas zu sehen. Da wir aber auch müde waren und den morgigen Marsch in die Berge fürchteten, zogen wir uns bald ins Hotel zurück, wo wir noch ganz zufrieden zusammensaßen. Wir beobachteten noch die Ankunft einiger weniger weiterer Gäste, aber wie überall an der Nordwestküste, schien auch hier zurzeit touristisch tote Hose zu sein.

21. Juni 2014, Samstag: Von Anguieira nach San Xusto, 15,2 km (176,7 km)


Wieder eine Planänderung

Heute galt es! Es ging nun unwiderruflich in die Berge, die Etappen mussten wieder länger werden, und happige Steigungen waren nicht zu vermeiden. Wenn Hedwig, die bislang fast jeden Tag schwächer geworden war, das nicht durchhielt, mussten wir abbrechen. Man kann sich vorstellen, dass mein Morgengebet besonders konzentriert ausfiel. Ich wollte mich aber in alles schicken. Bislang hatte ich immer erfahren, dass eine vordergründige Enttäuschung im Nachhinein doch einigen Sinn bekam, wenn sie sich nicht sogar als glückliche Wende herausstellte. Ich hatte noch eine gute Idee gehabt: Warum sollten wir bis Vilanova de Lourenzá laufen (20,3 km) und morgen nur knapp 9 km haben, wenn sich das besser aufteilen ließ, indem wir schon 5,1 km vor Vilanova in San Xusto blieben? Nun ja, ich hatte diese unwichtige Herberge ganz aus dem Auge verloren, denn wer will schon den halben Tag mitten auf dem Land rumhängen? Wir diesmal, weil wir es unterwegs so langsam angehen lassen wollten, dass wir eben den ganzen Tag bis dahin brauchen würden. Bettenknappheit brauchte man bei den herrschenden Verhältnissen kaum zu fürchten. Wir fassten Mut.

Entschlossene Vorbereitungen

Ich nahm wieder beide Schlafsäcke, und Hedwigs Vorräteanteil verteilten Marianne und ich unter uns wie gestern. Das half auch schon was. Zudem kündigte Hedwig an, die Füße besser abrollen zu lassen, so wie sie das in der Gymnastik gelernt hatte. Gottlob waren unsere Füßsohlen ja heil und gesund. (Man erinnere sich: Prinzip der Doppelsocken und außerdem jeden Morgen zuverlässig mit Hirschtalg eingerieben.) Wir begrüßten Jesus, der Brot und Magdalenas brachte und frühstückten sehr gut. Der liebe Gott signalisierte durch Sonnenschein, dass auch er heute mitspielen würde. Jesus verschwand wieder, nachdem er uns eingeschärft hatte, wegen der anderen Gäste, die natürlich noch schliefen, leise die Türen hinter uns zuzuziehen. Wir packten also, deponierten die Zimmerschlüssel samt Auslagenersatz auf dem Pult der Empfangsecke und verließen leise das Hotel.

In San Cosme, Ortsteil Merille

Meine Iperpix-Karte reichte aus, um den Weg nach Süden zu finden. Es ging zunächst wie gestern ausgekundschaftet vor dem Hotel parallel zum Sund bis zu dem erwähnten Wegekreuz, dann wieder zwischen mehrstöckigen Häusern hindurch aufs Land, wobei man immer derselben kleinen Landstraße CP-0601 folgte. Nur einmal stockten wir, nach ca. 4 km an einer T-Kreuzung: rechts oder links? Dann sah ich quer vor uns die Eisenbahnlinie, die wir überqueren mussten, und das ging nur, wenn wir hier einen Links-Rechts-Schlenker machten. Das war richtig. 1 km weiter kamen wir in den zentralen Ortsteil Merille von San Cosme und erreichten die Fernstraße N-634. Das Glück war uns heute hold: Jenseits der Straße sah ich Wegweiser, darunter einen nach Insua. Da mussten wir hin. Rechts lag weiter die Straße hoch der Gadis-Supermarkt. Da mussten wir auch hin ;-)


Auf halbem Weg zu Gadis kam eine Bar "Moderno". Mir fiel ein, wie ich im Hotel eine Reklame dafür gesehen hatte. Sollte das die Bar von Jesus sein? Wir lugten hinein, und da stand er da hinter der Theke und freute sich riesig, als er uns erkannte. Also noch ein Abschiedsbild, wofür er einen Barbesucher verdonnerte. Ja, wir sollten hier die N-634 auf dem Camino del Mar weiter, nur 7 km bis Vilanova. (Laut Michelin-Seite sind es 13 km, Spanier und Entfernungen!) Aber die Fernstraße kam sowieso nicht in Frage, auch wenn wir bis 326 m hoch mussten und insgesamt gut 5 km mehr auf uns nahmen. Nachdem wir uns von ihm verabschiedet und im Gadis unsere Vorräte ergänzt hatten, ging es also jenseits der Straße in Richtung Insua los. 8 km von hier bis Vilamartín Grande, wo wir auf den Pilgerweg stoßen wollten.
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Abschied von Jesus

Netzauftritt der Bar "Moderno", Estrada Xeral, n-o 70, Merille, ES-27790 San Cosme de Barreiros (Lugo)
Tel. und Fax 982 124 085, Mobil 615 092 115

Schlimmste Steigung bis zur Autobahn

Anfangs erschrak ich doch, denn es ging von der N-634 in Merille sofort sehr steil hoch. Man kann zunächst den Schildern zu einem Aussichtspunkt (mirador) folgen, zu dem es erst vor Insua links abgeht. Mehrfach mussten wir verschnaufen, aber Hedwig hielt sich wacker. Die Autobahn stand nicht auf meiner Iberpix-Karte, aber über den weiteren Straßenverlauf gab es keinen Zweifel. Von 50 auf 200 m hoch, aber das steilste Stück hat man mit Erreichen der Autobahn geschafft. Danach steigt die Straße zwar weiterhin stetig, aber langsamer. Hinter einer langgestreckten Linkskurve tauchte links ein hässliches Industrieareal mitten im Wald auf, es musste eine Art Müllkippe sein. Dahinter ging es auch zu dem Aussichtspunkt Pena Bor (334 m) links ab, wir aber blieben auf der CP-0608.


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280 m Höhe erreicht
Bild: Marianne
Bei ca. 280 m Ortsschild Insua. Jetzt hatten wir bald die Höhe geschafft, denn Vilamartín Grande, der höchste Punkt der heutigen Etappe, liegt auf 336 m. Pause in einer Rechtskurve, wo parallel ein Stück alte Straße liegen geblieben war, sieht man in Spanien öfter. Danach ging es weiter mäßig höher. Bei 300 m erschienen rechts einige Bauernhäuser, das war Insua. Ich hatte mir gemerkt, dass man danach aufpassen muss, weil dahinter eine neue, kürzere Landstraße CP-6103 halblinks abzweigt, die außerdem einiges an Höhenmetern spart, weil sie am Hang bleibt. Tatsächlich ist das jetzt die Hauptrichtung, und die alte Fortsetzung der Straße sieht wie eine schmale Abzweigung nach halbrechts aus. (Theoretisch kann man laut Karte hier sogar eine Abkürzung nach San Xusto nehmen, aber die ist so verwinkelt und geht rauf und runter, dass man davon die Füße lassen sollte.)

Pilgerweg leicht zu finden

Frohgemut und erstaunlich fit erreichten wir die erwartete Kreuzung mit der LU-133 und überquerten den Kreisverkehr, geradeaus ging es jetzt ohne weitere Höhenmeter nach Vilamartín Grande. Ca. 12h30 kommt eine Kreuzung in Sicht. Schilder weisen nach rechts, aber ich muss noch gar nicht entziffern können, dass da "Gondán" draufsteht, denn vor uns wechselt gerade eine kleine Gruppe von Pilgern über die Straße. Gefolgt von einer größeren Gruppe. Sind wir in eine "Welle" geraten?


Wir brauchen mal einen Plausch, biegen ebenfalls rechts ab und folgen der letzten Gruppe. Es sind vier deutsche Frauen mit einem Mann als Führer. (Hm, wo hatte ich das schon mal erlebt? Ach so, das waren wir ja selbst, letztes Jahr in Portugal :-) Sie kommen von Irún (meine Zeit!), haben 4-5 Wochen und sind deshalb sehr durchtrainiert. Ich bewundere die Nerven des Führers, der keine feste Etappenplanung hat. Man läuft, solange man kann, und sucht sich dann was. Das wäre nichts für mich bei meinem Sicherheitsbedürfnis. Heute müssen sie bis Mondoñedo, evtl. noch weiter. An der Herberge von Gondán machen sie Pause, so dass wir sie wieder einholen. Ich spreche mit dem Führer, der Niederländer ist. Bald müssen sie weiter. - Die Herberge scheint wie üblich geschlossen zu sein. Nun, wir wollen ja ohnehin bis San Xusto.
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Herberge von Gondán
Bild: Marianne

Überflüssiger Schlenker hinter Gondán

Weitere Pilger holen uns ein, es ist heute wirklich was los. Viele kommen von der Herberge von Vilela, die es 2003 noch nicht gab und die ich daher nicht kenne. Hinter Gondán gibt es eine unvermutete Abzweigung nach rechts. Später biegt man wieder links ab und muss nach einer langen geraden Gefällstrecke nochmal um einen Bauernhof nach links, um auf eine kleine Landstraße zu stoßen. Ich wettete, dass es dieselbe war, die wir hinter Gondán verlassen hatten. Die Karte gibt mir recht. Besser also den oben erwähnten Abzweig nach rechts ignorieren. (Das Handbuch erwähnt den Schlenker auch nicht.) Es kommen wieder Wolken und bringen Regen mit. Uns kann heute nichts mehr erschüttern. Hedwig läuft wie früher, es ist das reinste Wunder. Wir werden die Etappe heute mühelos schaffen, wir müssen nicht abbrechen!


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Herberge von San Xusto
Wir erreichen eine Häusergruppe. Die Iberix-Karte sagt "Pedrido", aber es muss San Xusto sein. Die Benennung der Ortschaften in Spanien ist eine eigene Wissenschaft. Mal steht auf der Karte die Flurbezeichnung, mal das Kirchspiel, oder gleich der Name der ganzen Streusiedlung als Samtgemeinde. Wir laufen gerade mit einigen Pilgern parallel. Die Herberge ist nicht zu verkennen. Ein großes gelbes Haus, die ehemalige Dorfschule. Jetzt dient das Erdgeschoss als Gemeindesaal und das Obergeschoss als Pilgerherberge, ein sehr häufiges Modell einer Umnutzung. Ich fasse an die Türklinke, scheint abgeschlossen zu sein. Also weiter zu der Bar, die die Herberge betreut.

Keine Betreuung der Herberge

Zwei-drei Männer hängen wegen dem Regen drinnen herum und trinken aus Langeweile, sicher Rentner. Sie lachen, als ich um den Schlüssel bitte. Die Herberge sei offen, sagt die Wirtin, die Tür klemme nur. Übernachtungsgebühr? Sollten wir in die Spendenbox tun. - Na, hier schien ja alles Selbstbedienung zu sein. Draußen steht ein nagelneuer Bau mit Restaurant-Reklameschild. Irgendwas mit "Gourmet". Abendessen? Die Wirtin windet sich. Eigentlich nicht, aber vielleicht doch, wir sollten mal sehen. Merkwürdig!

Eine Bruchbude wie in alten Zeiten

Wir reißen die Tür der Herberge auf und inspizieren die Zimmer. Junge, wie in alten Pilgerzeiten, als die Herbergen fast alle nicht betreut wurden: Alles ist dreckig, kaputt oder beides. Eine Steckdose war herausgerissen, ist wieder hereingedrückt und mit einer Slipeinlage überklebt. Aber am Ende staunen wir doch: das warme Wasser funktioniert! (Das gab's früher nicht ;-) Wenn man so eine alte Herberge erlebt, merkt man, dass man inzwischen an ein höheres Niveau gewöhnt ist. Wir konnten aber auch zurückschalten. Die Herberge hatte auch Vorteile, z.B. 4 Zimmer, 3 davon mit 4 Stockbetten (also 2 unten, 2 oben) und 1 Zimmer sogar mit nur 1 Stockbett (2 Personen). Also hatten wir unser Zimmer für uns, das 2-Bett-Zimmer nahm ein baskisches älteres Paar, das gleich die Toilettenpapierrolle "sicherstellte". Auch das kenne ich von früher. Sonst zogen noch einige Pilger vorbei, aber niemand blieb mehr.

Eine augenscheinliche Fehlinvestition

Abends zur Bar. Außer der alten Wirtin gibt es eine junge, die ziemlich verhärmt aussieht. Sie hat wohl das Kommando über das Essen, denn erst stellt die alte Wirtin uns Tellergerichte in Aussicht, nach etwas Zanken im Hintergrund muss sie das zurücknehmen. Es gibt nur Bocadillos oder Ensalada mixta. Wir nehmen alle drei den Salat, der sehr ordentlich ist. Da es auch zu trinken gibt, leiden wir keine Not und feiern die Leistung von Hedwig heute. Warum wird das "Gourmet-Restaurant" nicht geöffnet? Ein Blick auf den rauschenden Regen draußen: tote Hose im Tourismus, und dieses winzige Kaff hat absolut gar nichts zu bieten. Wie soll sich da die teure Investition bezahlt machen? (Ich würde wenigstens Mittagsmenüs für vorbeiziehende Pilger anbieten.)

Haarsträubende "Übersetzungen"

Deutschland spielt gegen Ghana. Auch tote Hose. Zur Halbzeit bei 0:0 trollen wir uns lieber in die Federn. Nachts stören einige Mücken. - Nachzutragen ist noch: In dieser wie auch in anderen Herbergen kleben vielsprachige Hinweistexte an der Wand. Neben der spanischen Originalversion ist die englische Übersetzung noch verständlich, aber die übrigen (Deutsch, Französisch, ...) sind offensichtlich mit einem Internet-Übersetzungsprogramm erstellt und nicht überarbeitet worden. Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll: Aus "albergues y refugios" ist im Deutschen "Schutz und Schutz" geworden. Dabei wimmelt es in Spanien von Deutschmuttersprachlern, etwa unter den Pilgern, die gern bereit wären, solche Texte kostenlos zu übersetzen. Manchmal regen mich die Schlampigkeit und Wurschtigkeit der ansonsten ja netten Spanier (siehe Jesus!) auf.


22. Juni 2014, Sonntag: Von San Xusto nach Mondoñedo, 13,9 km (190,6 km)


6h30 ging der Wecker wie üblich. Ein Blick nach draußen: bedeckt, aber kein Regen, der übliche Nebel über den Hängen. Nach dem Frühstück und der Morgenandacht zogen wir 8h06 los. Heute lag ja wieder eine Kurzetappe an, das sollten wir schaffen. Hinter der zweiten Häusergruppe schwenkt die Landstraße nach rechts, und hier biegen wohl viele Pilger zu früh ab, wie man dem Handbuch entnehmen kann. Richtig ist, erst ganz durch die Kurve zu gehen, und dann kommt man an einen großen Wegweiser. Ein Muschelstein sagt: noch 172 km bis Santiago. Hier bogen wir also links in ein Sträßchen ein, das nach und nach immer steiler auf die Höhe vor uns zuführte und (einmal halblinks) dann durch den Wald noch weiter nach oben ging, immerhin von etwa 90 m bis 227 m hoch, wie die Iberpix-Karte angibt.
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Abzeig hinter San Xusto

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Ortseingang Vilanova
Es ist ein einsamer Waldweg, der aber schnurgerade auf Vilanova zuführt. (Man hätte auch im Tal bleiben und den ganzen Höhenzug nach links umrunden können, aber das wäre doch viel weiter gewesen.) Mir fiel ein, dass es auch wegen dieser happigen Steigung gestern eine gute Idee gewesen war, in San Xusto zu bleiben, denn ich weiß nicht, ob Hedwig noch gegen Ende der Etappe so eine Anstrengung weggesteckt hätte. So gab es außer ein paar Mal verschnaufen keine Schwierigkeiten. Jenseits der Höhe sahen wir die Stadt unten und davor ein großes Sportstadion, das man rechts umlaufen musste, wie ich mich erinnerte. Zum Schluss führte ein kurzes, steiles und glitschiges Stückchen Betonpiste auf die N-634 hinunter. Am Stadteingang rechts von der Schnellstraße eine mittelalterliche Brücke.

Hedwig war so gut drauf, dass sie die Klosterkirche besichtigen wollte. Ich ging gar nicht erst mit und verfolgte nur, wie sie vergeblich an allen Klinken rappelte. Zum Ausgleich mussten wir einen Abstecher zur Herberge machen, die Marianne doch sehen sollte. Diesmal wollten wir ja nicht übernachten, aber für einen Toilettengang war sie auch noch gut. Ich ließ es mir derweil draußen in der Morgensonne wohlergehen. Eine junge Pilgerin verließ die Herberge, sonst waren wohl alle längst weg, sicher mit Ziel Gontán, denn die paar Kilometer bis Mondoñedo waren sicher allen zu popelig.
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Herberge von Vilanova

Spektakuläre Kornspeicher

Unweit der Herberge geht es ganz steil hoch. Danach kommen Waldwege bis Arroxo. Ich erinnerte mich, 2003 ja noch keinen Führer gehabt zu haben, nur eine Skizze, die vor aggressiven Hunden in diesem Ort warnte. 2014 kein Hundeschwanz zu sehen. Nun die Landstraße (alte N-634) entlang, bis zu einer Häusergruppe (A Voltiña) im Tal, wo wir vor einer Kirche links auf Bänken Pause machten. Das lief heute wie geschmiert. In der nächsten Kurve ging es schon wieder ins Grüne, und im Prinzip bleibt man oberhalb der N-634/634a. An San Pedro konnte ich mich erinnern, weil wir 2003 dort an einem Brunnen mit Steinbänken Rast gemacht hatten. Dann kamen die zum großen Teil verfallenen Örtchen O Reguengo und San Paio, die man gesehen haben muss. Besonders die Kornspeicher (horreios), die kreuz und quer über den Weg gebaut sind und sicher bald wegen Einsturzgefahr abgerissen werden müssen. Hinter O Reguengo glaubt man schon, die N-634 zu erreichen, aber dann geht es plötzlich wieder einen Waldweg links ab, um San Paio nicht auszulassen. Von dort führt der Weg aber endgültig auf die N-634a (= alte N-634), bis Mondoñedo zu.

Der Weg nach Mondoñedo hinein

Den kurzen Rechtsschlenker durch den Vorort San Lázaro kann man sich ersparen und auf der Fernstraße bleiben, bis man in einem Kreisverkehr links abbiegt. Hier sahen wir ein junges Pilgerpaar, das etwas unschlüssig der Fernstraße folgte. Auf der linken Seite liegt ein großes Sportgelände, an dem man rechts vorbeiläuft. Achtung: Danach splittet sich die Straße auf: die Hauptrichtung macht einen Linksbogen, während der Pilger den rechten Abzweig praktisch geradeaus in die Stadt hochgeht. Man ist jetzt schon zwischen den Häusern der Innenstadt, folgt einer Rechtskurve und kommt danach am Hauptplatz mit der Kathedrale raus. Geradeaus gehen und am Ende des Platzes rechts hoch in die Rúa de Progreso. Links kommt dann das Touristenbüro, in dem ich mir einen Stadtplan besorgte. Weiter die "Progreso" hoch, dann liegt rechts der Rathausplatz. Das Rathaus liegt rechts an seinem Ende, und dort ist auch die Polizei, bei der man sich anmelden muss.

Wie man die Herberge findet

12h45 waren wir schon dort und wurden von der Polizei sehr freundlich empfangen. Schlüssel zur Herberge gegen Quittung. Ich wusste nur nicht, ob jeder Pilger einen Schlüssel bekam und ob man die Herberge tagsüber abschließen musste. Zur Herberge: Zurück über den Rathausplatz, die "Progreso" links liegen lassen, geradeaus in die "Lance Santar", dann rechts in die "Pacheco", (Keine Gewähr für die Schreibweise der Namen) die an einem Frauenkloster vorbei in einer Rechtskurve in die "Leiras Pulpeiro" übergeht. Links liegt dann ein kleiner Platz. Man geht ihn hoch und weiter rechts an einer Kirche vorbei. Dann liegt die gut renovierte Pilgerherberge, die man von unten nicht sehen kann, am Ende des Kirchplatzes. (2003 waren wir noch in einem Bauernhaus außerhalb des Stadtzentrums untergekommen.)


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Herberge von Mondoñedo
Etwas vorher (ich meine, in der "Pacheco") waren wir an einem kleinen Laden vorbeigekommen, der selbst am Sonntag noch geöffnet hatte. Aber nicht mehr lange, wir mussten uns mit dem Einkaufen beeilen (ich glaube, bis 14 Uhr). - Die Herberge ist vom Raum her sehr großzügig angelegt. Keine Ahnung, warum das Handbuch schreibt, es fehle eine Heizung. Überall waren Plattenheizkörper. Im 1. und 2. Stock ist je ein Schlafsaal mit 12 Betten. Die Schlafsäle lassen sich zum Treppenhaus hin noch durch eine Glasschiebetür abtrennen.

Gemischte Pilgergesellschaft

Wir waren die ersten Eingetroffenen. Als nächstes kam eine spanische Familie (Frau, Tochter, Mann), die in den 2. Stock zogen. Um 14 Uhr erschien ein arrogantes Paar von Sonntagspilgern, schnauzte mich wegen Informationen an, verzog sich dann aber auch nach oben. Es kamen noch einige weitere Pilger, ein deutsch-französisches Paar von Vilela und eine junge Engländerin, die sich um die 6 € Übernachtungsgebühr herumdrückte. Sie ging nämlich nicht zur Polizei (deshalb meine Zweifel, ob die Herberge nicht abgeschlossen werden musste), wo man gegen 6 € auch die Einmalüberzüge für Matratze und Kopfkissen bekam. Eigentlich sollte mir das auch egal sein, ich wollte hier nicht den Preußen spielen.

Aufgedrängte Gastfreundschaft

Später kam noch eine nervige Besucherin, ca. 40 Jahre, die 3 km entfernt wohnte und dort den Aussteiger machte. Sie war offensichtlich caminosüchtig, war selbst wohl mehrmals gepilgert und hatte dann einen verfallen Bauernhof in dem herrlichen Tal hinter Mondoñedo (siehe unsere morgige Etappe) gekauft und hergerichtet. Jetzt war sie einsam und lud alle Pilger gegen Spende zu sich ein. Mir gefällt sowas nicht. Man ist dann Gast, muss sich einordnen und weiß am Ende nicht, welche Spende angebracht ist. Ich ging ihr lieber aus dem Weg.

Es gefällt uns alles immer besser

Wir verbrachten nach den üblichen Ritualen noch einen geruhsamen Restsonntag in der schönen Stadt und waren rundum zufrieden. Auch vor der hammerharten Steigung morgen hatten wir keine Angst mehr, und ich war glücklich, dass wir zum einen die neue Herberge kennenlernten und zum anderen die landschaftlich tolle Strecke morgen nicht überschlagen mussten. An der Kathedrale stand angeschlagen, dass abends eine Messe in der Santiagokirche sei, die wir natürlich nicht verpasst haben. Ich hatte für so vieles zu danken. Auf dem Weg zurück zur Herberge gab's ein paar Tropfen Regen. - Nachts war es angenehm frisch, aber nicht zu kalt. Wir schliefen alle sehr gut.


23. Juni 2014, Montag: Von Mondoñedo nach Gontán, 16,5 km (207,1 km)


Neuer Weg aus Mondoñedo heraus

Um 8h00 wollte die Polizei den Schlüssel wiederhaben, 7h56 standen die Deutschen vor der Tür. Wieder war der Diensthabende äußerst freundlich. Morgenandacht an der Kathedrale. Dann ging es zu dem Aufstieg, wo es 2003 Verwirrung gegeben hatte. Hm, ich fand die Stelle gar nicht wieder. Wir folgten einem Sträßchen zwischen Häusern hinaus, hier irgendwo links war es gewesen. Dann, schon im Grünen, eine Spitzkehre steil nach links oben bis zu einer Rechtskurve mit einigen Gebäuden. Hier, meinte ich, mussten wir 2003 herausgekommen sein. Die Karte bringt im Nachhinein auch keine letzte Klarheit, aber es muss 2003 einen abkürzenden steileren Fußsteig bis zu diesen Häusern gegeben haben. Was soll's? Das Wetter war wieder ideal: Bedeckt mit etwas Sonne zwischendurch, frischer Wind, kein Regen.

Auf halber Höhe durch ein unberührtes Tal

Nun kam der lange Weg durch das schöne Tal. Rechts oben lag unsichtbar immer die N-634 und noch weiter links, ebenso unsichtbar, die neue Autobahn. Dieses Tal hatte man verschont. Die Iberpix-Karte versagt merkwürdigerweise hier völlig, denn sie zeigt dieses über fast 10 km sich auf halber Höhe herumschlängelnde Sträßchen nicht an. Zwischendurch gibt es auch schon die eine oder andere Steigung, wenn ein Bachtal gekreuzt wird, aber insgesamt steckten wir das alle mühelos weg.


Nach ca. 4 km kamen wir an dem Bauernhof vorbei, wo ein Schild alle Pilger zu der gestrigen Besucherin einludt. Aber wir hatten keinen Grund, hier bei einem überflüssigen zweiten Frühstück unnötige Zeit zu verlieren. - Es dauerte einige Zeit, bis ein verwitterter Stein Pacio ankündigte, nur eine der vielen, oft halb verfallenen Häusergruppen. Dann kamen wir 11h50 zu einem Friedhof mit Kirchlein (laut Karte muss es San Vicente de Trigás sein), an den ich mich erinnerte. Wie 2003 wurde hier Pause gemacht, wobei die sehr schmalen Sitzbänke vor der Kapelle nur Platz für unsere halben Hinterbacken bot. Hier war eine regelrechte Kreuzung, eine Straße lief hoch zu der Ortschaft San Vicente. Drei Pilger zogen während unserer Pause vorbei.
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Pilgeranlaufstelle

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Alter Festungsturm
Ausgeruht ging es weiter, bis das Talende in Sicht kam. Rechts lag die Ortschaft Lousada, und es ging nervigerweise noch ziemlich bergab zu einem wuchtigen Festungsturm, der hier den Talausgang sperrte. So furchtbar alt war er nicht, evtl. aus der Franzosenzeit, aber leer und mit offenen Fensterhöhlen. Dahinter ging nun ein Weg rechts herum, so dass man noch sah, dass hier wirklich einmal eine komplette Festung gestanden hatte. Man ging unter einem längst zusammengebrochenen Tor hindurch, das früher auch diesen Aufstieg blockiert hatte.

Orientierung nach dem Aufstieg

Wir hatten uns psychisch darauf eingestellt, dass es nun heftig und lange nach oben gehen würde, und so war es denn auch (laut Karte von ca. 400 m auf 531 m). Da wir öfter verschnauften, wurden wir hier von sieben Pilgern überholt, die wohl schon von Vilanova kommen mussten, denn wir kannten niemanden. Spanier, Franzosen, Italiener, sogar Dänen, aber keine Deutschen. In früheren Jahren hätte mich jetzt die Panik ergriffen, und ich wäre davongestürmt, um noch ein Bett zu bekommen, aber jetzt blieb ich gelassen bei meinen Pilgerschwestern.

Oben auf der Höhe (es war nicht die Alto de Xesta an der N-634) war alles anders, als ich es in Erinnerung hatte. Die Kapelle (wohl San Martiño de Galgao) sahen wir hinter großen Straßenbrücken hervorlugen, die hier die N-634 mit der neuen Autobahn verbanden, und der Pilgerweg machte laut provisorisch angebrachten Tafeln einen Zickzack-Schwenk durch die Landschaft, dass ich völlig die Orientierung verlor. Das lag daran, dass wir nicht an der N-634 herausgekommen waren, die erst einmal durch diesen Schwenk erreicht werden musste. Hinter der Ortschaft Xesta blieb man lange rechts von der N-634. Erst kurz vor Gontán lässt der Weg die Fernstraße links liegen, und man kommt von Norden nach Gontán rein, trifft im Ort auf eine Landstraße und ist kurz darauf an der Pilgerherberge angekommen, die am Dorfplatz rechter Hand liegt. Links liegen zwei Bares. Schon 13h30 trafen wir ein.


Die Herberge soll eine umgebaute Dorfschule sein, da haben sie aber tolle Arbeit geleistet. Allein die raffinierte Aufteilung des Schlafsaales: 12 Doppelstock (24 Betten), aufgeteilt durch dünne Zwischenwände in Quernischen zu 2x 4 Doppelstockbetten in der Mitte, aber nur je 2 vorn und hinten. Als wir kamen, waren schon zwei Betten belegt, aber zu meiner Freude waren die vier hinten noch frei, so dass wir da unser Reich für uns hatten (das 4. Bett wurde nicht belegt). Dort standen auch noch Bänke, und Haken saßen in der Wand. Auch hatten wir die "Zugriffshoheit" auf Fenster, insgesamt der reinste Luxus. Ein freundlicher Herbergsvater nahm unsere Anmeldungen entgegen. 2003 gab es diese Herberge noch nicht. Wir übernachteten damals auf dem nackten Betonboden der Sporthalle von Abadín, unzumutbar.
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Herberge von Gontán

Kein echtes Pilgerleben ohne andere Mitpilger

Im Gegensatz zu unserer Tour an der Küste entlang begann hier das echte Pilgerleben, d.h. wir bekamen nun auch Kontakt zu anderen Pilgern, mit denen wir parallel liefen. Denn bei den nächsten Etappen gab es praktisch keine Übernachtungsalternativen. Wir mussten nicht mehr fürchten, mit dem Bus fahren zu müssen, denn Hedwig hatte auch diesen Tag wieder gut weggesteckt. Irgendwie hatte sie Reserven mobilisiert, so dass sie wieder fast so gut lief wie früher. Jetzt begann wirklich ein sorgenfreies Pilgerleben, wie wir uns das gewünscht hatten. Insgesamt waren wir in Gontán etwa 15, darunter eine Gruppe von drei alten Französinnen, zwei junge Spanierinnen, die spanische Familie (siehe die Abbildung), ein dickerer junger Spanier aus Valladolid, dem sich zwei US-Amerikaner (Vater und Sohn) angeschlossen hatten. Das dänische Paar (der Mann sprach fließend Deutsch), das wir unterwegs in den nächsten Tagen mehrfach trafen, übernachtete nicht in Herbergen.

Einkaufen und Essen

Ich ging zum Schnüffeln bis Abadín (steiler Aufstieg), denn erst dort gab es Läden, deren Öffnungszeiten ich mir merkte. Zu essen gab es in der nächsten Bar "A Feira" unweit der Herberge, wo sich die meisten Mitpilger am Nachmittag in die Sonne setzten. Einkaufen in Abadín ab 16h30. Hier hatte die Bar Niza zwar ein Menu del día, aber auch nur bis 16 Uhr, wie in Ribadeo. Abendessen für 9 € in der Bar "A Feira": Kartoffelsuppe mit Fleisch, Merluza. Prima. Der Wirt brachte erst eine englischsprachige Karte, dann, als ich sagte, wir seien keine Engländer, eine deutsche. Wir brauchten gar keine, denn was nützt einem eine völlig ungenaue Übersetzung der verschiedenen galicischen Gerichte (immer nur "Fleisch mit Soße"), deren Namen eben unübersetzbar sind. Wenn ich Zorza haben will, muss ich auch Zorza bestellen, und das konnte ich auch von der spanischen Tafel, auf der die Gerichte aufgelistet waren, ablesen. - Abends regnete es wieder.


24. Juni 2014, Dienstag: Von Gontán nach Vilalba, 19,4 km (226,5 km)


Relativ reizlose Etappen

Die nächsten beiden Etappen sind im Vergleich mit denen davor und dahinter relativ reizlos, weil sich der Pilgerweg nicht nur wie schon vor Jahren um die N-634 schlängelt, sondern nun auch noch um die neue Autobahn A-8. Mit Recht hatte ich geplant, diese Strecken vielleicht mit dem Bus zu überbrücken, wenn die Zeit knapp wurde. Aber durch unsere Bahnfahrten an der Küste war das nicht mehr nötig, und Hedwig lief diese "normal" langen Etappen zu unserer Freude ohne Probleme, nur mit zeitweiligen Rückenschmerzen.

Irrtum im Handbuch

Wie üblich brachen wir nach einem guten Frühstück (fast als Letzte, nur noch ein Fahrradfahrer da) gegen 8 Uhr auf, Morgenandacht an der nahen Kirche. Laut Handbuch kommt nach 2 km der Fluss Arnelo, aber das stimmt nicht. Auf der Iberpix-Karte steht "Rego de Abadín" (in Wikiloc "Anllo"), eine unauffällige Holzbrücke führt hinüber. 8h51 machte Hedwig dort ein Foto. Erst einige Kilometer weiter, nachdem wir bereits die Autobahn überquert hatten, kommt der Rio Arnela. Etwas später unterquert man die Autobahn wieder und erreicht Castromaior. An die Brücke kann ich mich nicht erinnern.


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Brücke über den Fluss Batán
Danach führt der Weg lange geradeaus nach Südwesten, geht wieder unter der Autobahn hindurch und erreicht die N-634. Hier gab es Hinweise auf eine Bar Barrio 100 m auf der N-634 nach links. Wir verzichteten und kreuzten die N-634 ohne Aufenthalt, denn bald kam die sehenswerte alte Brücke über den Rego do Bantán, die wir gegen 11 Uhr erreichten. Hier gab es auch wuchtige steinerne Tische und Bänke, wo wir Pause machten. Es kamen einige Pilger vorbei, die wir schon kannten, darunter die drei alten Französinnen.

Eine halbe Stunde später ging es durch eine schöne Waldlandschaft weiter, und nach einiger Zeit ahnte man rechts die sich nähernde N-634. Aber bis man sie an Kirche und Friedhof von Goiriz erreichte, dauerte es doch etwas. Das letzte Stück lief man in Sichtweite parallel. Kurz vor 13 Uhr kamen wir an, Zeit zur Mittagspause. Dieselbe Idee hatten einige der uns bekannten Pilger auch. Es gab Mauern und Bänke unweit der Kirche, auf denen sich alle niederließen. Ich schnüffelte noch bei der Bar Helvetia, aber das Menü für 12 € war mir zu teuer.
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In Goiriz
Bild: Marianne

Nicht zu früh links abbiegen

Hinter Goiriz blieb man einige hundert Meter auf der Fernstraße und lief nicht mehr rechts über die Wiesen, wo Hedwig 2003 so übel gestürzt war. Die restlichen lumpigen 3,2 km heute waren ein Klacks. Man muss etwas aufpassen, denn die Beschreibung im Handbuch, wo man nach links abbiegen soll, ist nicht ganz klar, weil schon vorher eine ähnliche Kreuzung kommt. Aber die Wegekennzeichnungen sind eindeutig. Am Ende läuft man ein Stück alte Nationalstraße auf Vilalba zu.


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Herberge in Vilalba
13h30 waren wir schon an der Herberge, die etwa 2 km vor dem Stadtzentrum liegt (jedenfalls deutlich mehr als 1 km, wie das Handbuch schreibt). Ein freundlicher Mann der Wegewacht empfing uns, stempelte die Ausweise und gab die obligaten Einmalüberzüge aus. Oben gab es zwei Schlafräume, laut Schildern nach Geschlechtern getrennt. Ich lugte in den Frauenschlafsaal: Wie ich es mir gedacht hatte, war hier auch schon ein Mann unter den Angekommenen. Wir bezogen also ungeniert zusammen eine Ecke. Wenig später kamen noch mehr gemischte Paare und Gruppen, und bald wussten alle, dass niemand auf Geschlechtertrennung Wert legte und dass es auch nicht kontrolliert wurde.

Menüsuche in Vilalba

Die Herberge gab es schon 2003, aber sie ist prima in Schuss, alle Einrichtungen (sogar eine große Unterstellmöglichkeit für Fahrräder) sauber und funktionierend. Hier hatten wir uns ganz schnell erholt. Bald ging es ab in die Stadt. Einige Pilger saßen in dem benachbarten Restaurant, aber das Handbuch gibt den Preis für ein Menü mit 11 € an. Dann sind es inzwischen sicher 12 €, unakzeptabel. Im Stadtzentrum waren sicher einige Bares. - Ja, von wegen! Wir fanden nur Cafés, und das eigentliche Zentrum war erstaunlich klein. Jedenfalls warfen wir einen Blick auf den Festungsturm, der zum Parador daneben gehört. In der Stadt liefen auch die Dänen und die Französinnen herum, suchten wohl Privatquartiere.

Vilalba ist anscheinend im Niedergang. Hier treffen einige Straßen zusammen, aber jetzt gehen N-634 und Autobahn weiträumig an der Stadt vorbei, die nicht mehr von dem hier Halt machenden Fernverkehr profitieren kann. Das war wohl auch die Erklärung für unsere vergebliche Suche. Hier wie in Baamonde sahen wir Plakate, die gegen eine Verlegung des Pilgerwegs protestierten. Da möchte man ja mal Einzelheiten wissen. Die werden ja wohl nicht die Route über Miraz abklemmen, das wäre eine Schande!

Etwas beleidigt wegen unserer vergeblichen Suche wollten wir uns schon wieder auf den Rückweg machen (und dabei beim Gadis am Ortseingang einkaufen), als wir gegen 16h30 in einer Seitenstraße doch noch auf ein kleines Restaurant stießen, in dem wenigstens Tellergerichte angeboten wurden. Wir waren die einzigen Gäste im Speisesaal und wurden sehr zuvorkommend bedient. Ganz billig war es auch nicht, aber die Auswahl war gut und das Essen sehr lecker. Einzelheiten habe ich mir nicht notiert, aber wir waren zufrieden. Auf dem Rückweg konnten wir bei Gadis einkaufen.

Abendliche Pilgeratmosphäre

Abends saßen wir in der Küche und genossen Obst und Getränke. Es herrschte fröhliches Treiben, denn die anderen, von denen wir viele von Gontán kannten, bereiteten gemeinsam etwas zu, das wie amerikanischer Burger auf Papierservietten aussah. Dabei war auch ein österreichisches Ehepaar, das von Graz aus den ganzen Weg gelaufen war. Der junge Spanier aus Valladolid lief inzwischen mit den beiden Texanern (Vater und Sohn) zusammen und brachte sein rudimentäres Englisch an. Jedenfalls alles nette Leute, die auch uns langsam als dazugehörig mitrechneten. - Nachts hatte ich zum ersten (und einzigen) Mal leichte Wadenkrämpfe. Ich nahm dann am Morgen eine Magnesiumtablette mehr. Ansonsten wieder eine ruhige Nacht, in der wir alle auf unteren Betten schlafen konnten.


25. Juni 2014, Mittwoch: Von Vilalba nach Baamonde, 22,0 km (248,5 km)


Weg aus Vilalba heraus

Es frühstücken heute auch andere Pilger in aller Ruhe. Baamonde ist für die meisten wohl das nächste Ziel, nur Langläufer gehen noch bis Miraz. Morgenandacht in der Herberge. An dem großen Kreisverkehr verzichteten wir auf den großzügigen Fußgängerüberweg rechts, sondern gingen einfach links am Straßenrand in Richtung Innenstadt. Der Verkehr hielt sich sehr in Grenzen, keine Gefahr. In der Innenstadt beschreibt das Handbuch einen kleinen Rechtsschlenker um den Festungsturm herum. Wir gingen aber einfach geradeaus weiter und ließen den Turm rechts liegen. Die Straße bog kurz darauf nach rechts und traf auf die im Handbuch beschriebene Route. (Völlig falsch liegt hier Wikiloc, das einen riesigen Bogen nach Nordwesten und dann nach Süden als den Verlauf des Pilgerwegs anzeigt.) Hinter Häusern ist man schon im Grünen und kommt als nächstes zu einem Fluss, an dem man schöne Parkwege angelegt hat. Hier liegt auch eine alte Mühle. Ich erinnerte mich, wo es weiterging: Nicht am Fluss entlang, sondern jenseits der Brücke geradeaus hoch, das Wegezeichen sieht man nicht sofort.

Einzige Steigung des Tages

Später unter der Autobahn durch. Hinter einer mittelalterlichen Brücke stößt man auf eine Zeile verlassener Häuser, die malerisch überwachsen sind. Nun folgt die einzige Steigung des Tages zwischen Bauernhäusern hindurch, dann über die Autobahn hinweg zum Dorf Alba (10h30), wo ein ähnlicher Friedhof wie in Goiriz ist. Weiterer, wenig ansprechender Weg zwischen Autobahn M8 (rechts) und N-634 (links), bis man wieder auf die Nationalstraße kommt (11,9 km, etwa Hälfte der Etappe). Der Pilgerweg macht noch einen kleinen Linksschlenker, aber man sah schon an der Abzweigung, dass er 300 m weiter an der N-634 wieder herauskam. Da das Handbuch von schlammigen Wegen spricht, verzichteten wird und kamen ungefähr gleichzeitig mit dem dänischen Ehepaar an einer Bar an, wo viele unserer Mitpilger saßen und uns mit Willkommengeschrei begrüßten. Denn es war jetzt offensichtlich, dass wir dieselben Etappen liefen wie sie, und zwar zu Fuß, ohne Buseinsatz.

Flusslandschaft

Da wir genügend Vorräte mit uns hatten, setzten wir uns abseits der Bar auf einige Baumstämme und machten Mittag. Gegenüber der Bar lag ein "Klub" aus früherer Fernstraßenherrlichkeit. Es gab einiges an Witzen, die "señoritas" nach dem Weg zu fragen und dergleichen. Tatsächlich ging der Pilgerweg gegenüber der Bar rechts ab von der N-634 weiter, bald wieder unter der Autobahn hindurch. Es folgte eine Flusslandschaft, in der wir zwei Mal einen Storch sahen, und einmal glaubte ich sogar, einen Pirol zu hören. Erneut gab es eine mittelalterliche Flussbrücke mit historischem Pflaster davor. Später unterquert (das Handbuch schreibt falsch "überquert") man erneut die Autobahn, kreuzt die N-634 und bleibt jetzt links von ihr. Sehr lange geht es durch Streusiedlungen, die schon an Vorstädte erinnern, aber Baamonde ist noch weit. Man hätte den Pilgerweg so weiterführen können, aber dann wäre man etwas zu weit nach Osten geraten. Deshalb wird man doch wieder nach Westen über die N-634 hinweg und unter der Autobahn her geführt. Die N-634 wechselt ebenso auf die andere Seite der Autobahn, und deshalb stößt man als nächstes wieder auf sie, bleibt nun aber auf ihr.


Vor Baamonde macht der Pilgerweg noch einen überflüssigen Linksschlenker um die Kreuzung der Ost-West-Autobahn A6 mit der N-634 herum, den wir uns ersparten, denn Hedwig hatte wieder etwas Rückenschmerzen. Wir liefen einfach durch die aufwendige Kreuzung (keine Probleme) und dann auf der Hauptstraße nach Baamonde hinein. Etwa 15 Uhr trafen wir an der Pilgerherberge, die rechts an der Straße liegt, ein.
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Herberge in Baamonde
Bild: Marianne

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Schlafsaal in Baamonde
Bild: Marianne
Drinnen empfing uns ein junges Mädchen, die Hospitalera. Wir könnten sogar in einem der zwei 4-Betten-Zimmer für Behinderte im Erdgeschoss unterkommen, aber nach einem Blick in diese fensterlosen Höhlen (aus denen uns die damalige Hospitalera "Conchi" 2003 vertrieben hatte) verzichteten wir und stiegen die Treppe zum oberen Schlafsaal hoch. Hier hatten es sich schon viele gemütlich gemacht, die wir kannten. Der Saal endet nach vorn zur Straße hin in einer offenen licht- und lufterfüllten Balustrade, das war etwas für uns. Es kamen noch etliche Radfahrer, aber in unserer Ecke hatten wir weiterhin Platz. Zwei spanische Mädchen, die wir auch schon seit Gontán kannten, zogen unten in eine der Höhlen und meinten, das große Los gezogen zu haben. Nun ja, immerhin gehörte ein eigenes Badezimmer dazu.

Einkaufen und essen in Baamonde

Später kam noch eine ältere Refugiohelferin (sicher nicht "Conchi"), die mir sagte, wo man einkaufen konnte (um die Kreuzungsecke links lag ein Supermarkt Onda). Menü im Restaurant Galicia für 10 €, aber draußen kein Hinweis.


Wie Vilalba leidet auch Baamonde an den neuen Autobahnen. Dann sollten aber die der Pilgerherberge benachbarten Bares wenigstens ein Menüangebot haben und aushängen, aber da lief nichts. Also kauften wir ein, belegten schon am Nachmittag die Küche (und den einzigen Topf), und Hedwig und Marianne kochten einen Bohneneintopf, den wir uns schmecken ließen.
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Abendessen

Merkwürdiger Zufall

Mein Esperanto-Hemd erregte wieder Aufsehen, denn uns gegenüber im Schlafsaal traf Alex aus Leipzig ein, der sich seit Tagen Gedanken machte, wie man wohl Esperanto lernen könne. Und nun saß ihm auf einmal in der Herberge ein Fachmann gegenüber. Auch die beiden Texaner und ihr spanischer Mitpilger wurden aufmerksam.

Authentische Pilgeratmosphäre

Abends im Speisesaal hatten mehrere Tische Essen übrig behalten und verteilten es an neu Hinzugekommene, vorbildliches Pilgerverhalten. Diese Herberge blieb uns in sehr angenehmer Erinnerung. Die alten Französinnen notierten sich die Busabfahrtzeiten, weil sie wohl die lange Etappe nach Sobrado fürchteten. Auch ich schrieb mir für alle Fälle eine Taxitelefonnummer auf.


26. Juni 2014, Donnerstag: Von Baamonde nach Miraz, 15,1 km (263,6 km)


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Noch 100 Kilometer
6h19 bin ich aufgestanden. Einige Pilger waren trotzdem schon weg, wie machten die das bloß und warum? Die Radfahrer schliefen weiter. Wir kamen gegen 8 Uhr los, Morgenandacht an der Kirche. Tschüss, N-634! Sie hat uns von Canero bis hierher begleitet. Es ging links an der Nationalstraße N VI entlang nach Westen. Hatte gar nicht in Erinnerung, dass das solange dauert, links liegt die Bahnstrecke nach Lugo. Als wir endlich 8h50 die Fernstraße nach links über eine Brücke verlassen können, weist ein Muschelstein darauf hin, dass es ab hier 100 km bis Santiago sind. (100-km-Pilger müssen also ab Baamonde laufen; nicht ab Vilalba, wie ich im Pilgerforum gelesen hatte.) Ich habe das auch an Hand meines Berichts von 2003, der genaue Streckenangaben macht, kontrolliert: es kommt hin. Merkwürdig, dass das Handbuch sich darüber ausschweigt.

Jetzt begann eine wunderbare Etappe, ab der Kirche San Alberte mitten im Grün. Ein Fußweg, später eine Piste mit alter Pflasterung durch einsamen Wald, rechts und links dicke Begrenzungssteine, was darauf hindeutet, dass hier Vieh getrieben wurde. Hedwig fühlte sich gut, das Wetter war ideal (bedeckt, kein Regen), keine Blasen: Wir konnten jeden Schritt durch Gottes schöne Natur genießen. "Ich will nicht nach Santiago!" sagten Marianne und ich aus Spaß immer wieder. Das hieß: "Ich will nicht ankommen, so dass dieses Pilgern, wie man es sich erträumt, kein Ende findet."
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Pilgerweg vom Feinsten

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Unsere Dreiergruppe
Endlich kamen wir 9h45 aus dem Wald in die größere Streusiedlung Bondencel, wo wir in einer Bushaltestelle nach kanpp zwei Stunden eine kurze Pause einlegten. Da kamen etliche unserer Mitpilger, die vorher wohl in Baamonde in einer Bar gefrühstückt hatten, vorbei. Einer fotografierte unsere Gruppe, die ja nur selten gemeinsam auf einem Bild zu sehen sein konnte.

Privates Refugio ohne Zukunft

Der Hinweis auf ein privates Refugio in Eirexe lockte uns nicht. Mir ist nicht klar, wer dort übernachten soll. Baamonde ist aus mehreren Gründen kaum verzichtbar, und hier, nach knapp 6 km, werden höchstens Langläufer von Vilalba unterkommen wollen. - Nach ca. 8 km kamen wir durch das Örtchen Raposeira. Das erkannte ich wieder, weil Hedwig und ich dort 2003 in einem Festpavillon auf der Gemeindewiese Mittag gemacht hatten. Wir waren damals wegen meiner Darmgrippe später dran als heute. Wieder ging es durch eine schöne Waldlandschaft.


Gegen 11 Uhr kamen wir vor Carballedo an einen Abzweig zu einem Café Witericus. Die Entfernung war auf den Meter genau angegeben (unter 200 m). Hier soll laut Handbuch evtl. auch ein Refugio entstehen, aber dafür gelten meine skeptischen Argumente wie für das in Eirexe. Ansonsten war dieses Café perfekt eingerichtet und auf Pilger spezialisiert. Marianne bekam endlich wieder frisch gepressten Orangensaft. Die freundliche Wirtin stellte sich für ein Konterfei. Ich kann dieses Café sehr empfehlen.
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Café Witericus

Lebensmittelladen in Lagüa

Wenig weiter kamen wir in einem Naturschutzgebiet an den Rastplatz vor Seixón, der 2003 völlig verwahrlost war. Hier strahlte alles in neuem Glanz, und so machten wir Mittag. Hinter Seixón in Lagüa (Laguna) kam eine mir wohlbekannte Abzweigung nach links: Auf der Ecke liegt der einzige Lebensmittelladen weit und breit. Die Tür war verschlossen, und laut Öffnungszeiten waren wir etwas zu spät, aber auf unsere Stimmen hin schloss der Besitzer auf. Wir versorgten uns mit Vorräten, insbesondere einer Empanada als Abendessen, denn wir wussten nur, dass es in Miraz keine Einkaufsmöglichkeit gibt.


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Flamenco beim Warten
2 km weiter gelangten wir an das Rittergut des Grafen von Miraz (keine bissigen Hunde mehr) und waren gegen 13h40 an der Herberge. Vor der benachbarten Bar und hier saßen alte und neue Mitpilger, denn die Herberge wurde nicht vor 14 Uhr geöffnet. Nun, Mutter und Tochter von der spanischen Familie sowie der junge Mann aus Valladolid warfen ein Magnetofonband an und begannen einen Flamenco, angefeuert von den übrigen, darunter ein italienisches Ehepaar, von denen der Mann auch ein paar Brocken Deutsch konnte. Besonderen Spaß hatten die beiden Texaner, der spanische Familienvater klatschte im Takt zum Tanz. So hatten wir einiges an Kurzweil.

Neue provisorische Unterkunft

Die Amerikaner und ihr spanischer Freund (evtl. noch einige) hatten keine Lust zu warten und zogen zur nächsten Unterkunft weiter, die etwa 10 km entfernt in Roxica sein sollte. Mir wäre das zu riskant gewesen.


Strenge Sitten, viel Platz

Endlich fuhren die Refugiobetreuer vor. Wir stellten uns in der Reihenfolge des Eintreffens auf, die spanische Familie war immer als erstes morgens weg und abends am Ziel. Die drei "englischen" Betreuer waren in Wirklichkeit ein Schotte, ein Australier und eine Irin; ehemalige Pilger, schon recht betagt, keiner konnte Spanisch. Die Irin war ganz klar Lehrerin oder sowas gewesen, denn wir mussten die umständliche Anmeldeprozedur samt Vorführungen und Belehrungen ergeben über uns ergehen lassen, aber so schlimm wie Conchi 2003 in Baamonde war sie nicht. 8 € inklusive Zwangsfrühstück. Wir konnten wieder eine Ecke für uns in dem einzigen Schlafsaal belegen, was wollten wir mehr? Wir waren insgesamt: 2 Österreicher, 2 Italiener, 3 Spanier (alle uns schon bekannt), 1 junges englisches Pärchen, 1 Franzose und 1 Chinesin. Also mit uns zusammen 14 Leute bei 26 Betten, kein Problem. (Zum ersten Mal sah ich dieses Jahr Chinesen auf dem Pilgerweg. Koreaner und Japaner gab es ja schon länger.)


Seit drei Monaten unterwegs

Abends saßen wir auf der Terrasse zum Garten. Ich fragte die Österreicherin, was sie denn empfände, so kurz vor Santiago, nachdem sie seit drei Monaten (von Graz aus) unterwegs war? Nun, sie sagte ganz ehrlich, dass sie das Pilgern langsam leid sei. Konnte ich gut verstehen. irgendwann möchte man doch wieder die vertraute Umgebung zu Hause genießen. Ansonsten war sie wie ich auch schon auf allen bekannten Strecken unterwegs gewesen.


Später gesellten sich im Haus die Betreuer zu uns. Es stellte sich heraus, dass der Schotte in Münster stationiert gewesen war und in unserem Nachbarort gewohnt hatte. Auch er sprach mich wegen Esperanto an und stellte die üblichen Fragen: Gibt's da Originalliteratur? usw. Beim Abschied meinte er noch, dass er sich selten so lange mit Pilgergästen unterhalten habe wie mit uns. Alle drei (die strenge Irin hat das Foto gemacht) waren wirklich recht sympathisch und leisteten vollen Einsatz: Am anderen Morgen fuhren sie schon um 5h30 wieder vor, um das Frühstück vorzubereiten. Hiermit einen herzlichen Dank an die englische Pilgergesellschaft, die in Miraz vorzügliche Arbeit leistet.
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Mit den Herbergsbetreuern

27. Juni 2014, Freitag: Von Miraz nach Sobrado dos Monxes, 25,7 km (289,3 km)


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Frühstück in Miraz
Bild: Marianne
Morgens gemeinsames Frühstück, das war mal was Neues. Es war für alles reichlich gesorgt, nur fehlte mir Aufschnitt, da ich Marmelade nicht so gern esse, aber dafür hatte ich Käse aus unseren Vorräten mit. So nahmen wir noch einmal Abschied von den Betreuern, die anschließend mit Putzen und Saubermachen die Hauptarbeit des Tages vor sich hatten.

Im Garten steht eine Gedenkstele für die verstorbene Pilgerin Jane Spittal und dem Spruch "Die Wege haben kein Ende, unsere Schritte schon" in einigen Sprachen. Dort hielten wir unsere Morgenandacht. Nur der Franzose und die Chinesin waren noch in der Herberge, als wir diese verließen.
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Gedenkstelle in Miraz

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Heide und Felsen
Wieder ideales Wetter zum Wandern, und die schönste Etappe zwischen der Küste und Santiago. Heide und Felsen, von anfangs 450 m leicht ansteigend. Die Iberpix-Karte, auf der sich haarklein der Weg verfolgen lässt (es gibt sogar Muschelsymbole entlang seinem Verlauf) zeigt auch Symbole für Höhlen und für Bergwerke an. Was hier wohl gefördert wurde? Marianne und ich nahmen wieder unsere Juchzer "Ich will nicht nach Santiago!" auf. Heute war die längste Etappe unserer Tour, aber ohne schlimme Steigungen, und Hedwig hielt ausgezeichnet mit.

Jetzt geht's endlich über die Höhen

Schließlich kamen wir bei dem 1-Haus-Dorf A Braña heraus (579 m). Heute ging es durchaus auch mal wieder einiges hinunter, meist, um ein Bachtal zu queren, das muss man schlucken. Eine schmale Landstraße nahm uns auf, schnurgerade nach Süden, bis sie in die LU-2102 einmündete, die von schräg rechts von der Serra da Cova da Serpe (Bergkette der Schlangenhöhle?, sehr fantasievoll) kam. Ich hatte bislang immer gedacht, dass man diese Bergkette durch den Pass nach Sobrado überwinden müsse, aber das häusliche Kartenstudium zeigt etwas anderes: In Wirklichkeit überwindet man diesen Höhenzug schon viel früher.


Mitten in einer fast baumlosen Hochebene biegt man plötzlich rechtwinklig nach rechts ab (Alto da Mámoa, 622 m). Eine Piste führt einen rechts an einem großen Landgut vorbei, bis man auf die LU-2119 stößt, die direkt auf die Serra da Cova da Serpe zuläuft. Ihr höchster Punkt (836 m) mit Sendemasten liegt schon nördlich, d.h. zurück. Tatsächlich umrundet die kleine Landstraße, der man (fast) bis zum späteren Pass folgt, die südliche Spitze des Bergkamms auf etwa 600 m Höhe - und stößt auf einen zweiten Höhenzug, die Montes Corno do Boi (Rinderhornberge). Diese etwas nach Westen versetzte Bergkette überwindet der bekannte Pass an deren Ende.
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Montes Corno do Boi

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Pilgerbar in Roxica
Vorher aber geht die LU-2119 an der Südspitze der Serra da Cova da Serpe über einen kleinen Bach und erreicht die Häusergruppe A Roxica (620 m). Hier hat Doña Elena neben ihren Hof ein kleines Gebäude gesetzt, das die Pilger zur Rast einlädt. Auf unser Klopfen (ca. 11h30) kam Elena aus dem Haupthaus und schloss auf. Marianne bekam wieder ihren frisch gepressten Orangensaft, Hedwig und ich ließen es bei Cola bewenden. Ja, Luis, die beiden US-Amerikaner (Rusty und sein Vater) sowie sieben andere Pilger hätten hier die letzte Nacht verbracht, erzählte Elena. Nach kurzer Erholung dankten wir und zogen weiter.

Vor dem Dorf A Cabana wird die Landstraße durch die Montes Corno do Boi nach Süden abgelenkt. Misstrauisch äugte ich auf eine Piste, die halbrechts noch steiler als die Straße kletterte. Wir folgten ihr, und das war richtig, denn sie kürzt eine Kurve ab; nach 300 m ist man schon wieder auf der LU-2119. An A Travesa de Ledro vorbei kommt man auf 700 m (also fast schon auf die Höhe des Passes) und erreicht auf dem höchsten Punkt eine Bar, die zum Dorf A Marcela gehört und an die ich mich von 2003 gut erinnerte. Ein kalbsgroßer Hund, der frei herumlief, fand unseren Anmarsch (ca. 12h20) nicht so toll und grollte. Wir flüchteten beinahe in die Kneipe.
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In der Bar von Doña Celia

In der Bar von Doña Celia

Doña Celia, die hier für die Pilger noch Kaffee von Hand aufgießt, ist inzwischen hoch in die 70, erzählt sie, als ich erwähne, dass Hedwig und ich schon vor 11 Jahren ihre Gastfreundschaft genossen haben. Inzwischen ist die Bar etwas heruntergekommen, mit viel Schimmel in den Ecken. In dem aggressiven, feuchten Klima müsste man dauernd die Wände trocknen, neu verputzen und streichen. Dazu hat sie sicher kein Geld. Der Hund draußen sei harmlos, versichert sie natürlich, ihrer ist es ja nicht. Ich weiß nicht so recht, draußen lauert er auf uns, aber wir sind ja zu dritt und mit Stöcken gut ausgerüstet.

Ein letzter Schlenker vor dem Pass

Die beiden Pilgeranlaufstellen in Roxica und Marcela liegen ideal, um sich auf dieser Etappe vor und nach Steigungen mit Kohlenhydraten zu versorgen. Bald machten wir einen Ausfall nach draußen, der Hund wich, wollte noch einmal hinter uns her, besann sich dann aber. Jetzt geht es steil ca. 70 m in ein Bachtal hinunter. Hinter der Brücke, in einer Linkskurve, zweigt der Pilgerweg auf eine Piste nach rechts ab. (Die im Handbuch genannte Bushaltestelle konnte ich nicht entdecken.) Man ist jetzt schon kurz vor der Passstraße, kann hier aber noch einen abkürzenden Schlenker nach rechts machen, um etwas später auf sie zu stoßen.

Dösende Hundemeute

Die Karte verzeichnet eine Häusergruppe Corteporcos (Schweinehof). Der Ort machte lange in Pilgerberichten Furore, denn hier lauerte eine Hundemeute, die gern einzelne Pilger umstellte und verbellte, bis sie von den Bauersleuten "erlöst" wurden. Auch uns war es 2003 so gegangen. Nun, dieselben Hunde konnten es in diesem Jahr kaum sein. Ob wir nun Glück hatten oder ob die Meute inzwischen friedlich geworden war oder einfach nur Siesta hielt, jedenfalls konnten wir diesmal ohne Belästigung passieren: es lag zwar mehr als ein halbes Dutzend Hunde auf und neben der Straße, aber alles döste nur vor sich hin. Kurz darauf ging es im Linksbogen in einen schönen Hohlweg, dann den klaren Zeichen folgend nach oben und im spitzen Winkel auf die Passstraße LU-934 (690 m), die von Friol kommt.

Über den Pass

Hier hatte man links der Straße eine "Pilgerautobahn" angelegt, einen breiten Seitenstreifen. Es ging noch ca. 1 km geradeaus, bevor der eigentliche Pass kam (ca. 710 m). Links musste der Pilgerweg von Friol (Querspange vom Camino Primitivo) einmünden, aber nichts und niemand zu sehen. Es könnte sein, dass er neuerdings durch einen Zaun versperrt ist. Man kann ja auch vorher einen Linksschwenk auf Mesón zu machen. 2009 habe ich diesen ausprobiert, evtl. ist diese Variante jetzt vorgeschrieben.

Eine letzte Steigung

Am eigentlichen Pass hörte die Pilgerautobahn urplötzlich auf, wohl, weil man aus dem Verwaltungsbezirk Lugo in den von A Coruña überwechselt; die LU-934 wird zur AC-934. Man hat jetzt immer noch ca. 10 km vor sich, und die ziehen sich hin. Als nächstes senkt sich die Straße auf das Tal des Flüsschens Mandeo zu, um nach der Brücke dann recht steil anzuziehen. Hier machten sich Ermüdungserscheinungen bemerkbar, wir hatten ja auch gar nicht richtig zu Mittag gegessen. Andererseits war Zeit genug, denn ins Kloster wird man ja ohnehin nicht vor 16h30 eingelassen. Also machten wir in einer überdachten Bushaltestelle vor Méson ausgiebige Mittagspause aus unseren Vorräten, bevor wir mit frischen Kräften weiterzogen.


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Monte dos Castros
In Mesón kam dann der Abzweig, der einen parallel zur Landstraße AC-934 laufen lässt. Man ist immer noch über 600 m hoch; links liegt der Monte dos Castros (Burgenberg), eine Anhöhe von 681 m, mit tollen Klippen und sehenswerten Felsformationen. Auch gibt es eine schöne Aussicht über das flachere Land nach Westen. Allein dafür lohnt schon diese Variante, die ohnehin höchstens nur 200 m länger ist als die Straße. Am Ende kommt man an die kleine Kreuzung, wo ich in früheren Jahren Orientierungsprobleme hatte. Nun, geht man vorzeitig nach links, kommt man lediglich zu früh auf die AC-934. In diesem Jahr waren überall klare Wegekennzeichnungen; man bleibt einfach geradeaus, bis der Weg wieder in die Landstraße mündet.

Ein "aufsässiger" Pilger

Der Rest war Routine. An dem schönen (gestauten) Natursee entlang und endlich halblinks von der Straße abbiegend zum Kloster (ca. 500 m hoch gelegen). Dort trafen wir gegen 16h40 ein, konnten also direkt zur Anmeldung. Ich war 2003 (Küstenweg), 2006 (Camino Primitivo) und 2009 (dito) hiergewesen. 2003 war die Unterkunft noch hinnehmbar, 2006 nicht mehr (wir wichen in ein Privatquartier aus), 2009 etwas besser. Jedenfalls sagte ich den beiden Patres am Empfang, dass ich erst einmal die Betten sehen möchte. Der eine echauffierte sich fürchterlich darüber; dabei mache ich das bei Herbergen im Zweifelsfall und bei Privatquartieren immer genauso. Ich deutete an, dass ich nicht das erste Mal hier sei und der Schlafsaal früher horrible gewesen sei. Das stopfte dem Meckerer den Mund, und er führte mich in den Innenhof.

Unterkunft im Kloster jetzt tadellos

Tatsächlich hat sich die Unterkunft in Sobrado dos Monxes völlig zum Besseren geändert. Der alte Schlafsaal dient nur noch als Aufenthaltsraum. Den Kreuzgang weiter hoch liegen mehrere neu eingerichtete Schlafsäle mit je 13 Betten (davon 6 Doppelstock). Für uns wurde ein neuer Raum aufgeschlossen, so dass wir 3 Betten am Fenster beziehen konnten, zwei untere und das Einzelbett. Noch etwas weiter völlig renovierte Waschräume und Toiletten, die früher nur aus Trümmer, Unrat und Schimmel bestanden. Also ging ich zum Empfang zurück, wo Hedwig und Marianne gewartet hatten, und erklärte, alles prima, wir Alten bräuchten eben untere Betten. - Das sei doch selbstverständlich, lenkte man jetzt ein. Natürlich habe man nichts anderes für uns geplant. Naja.

6 € kostet die Übernachtung, auf Wunsch plus 1 € für Einmalüberzüge, ich zahlte sofort dafür nach, das war in Ordnung. So richteten wir uns zufrieden ein. In den vorderen Schlafräumen waren schon unsere Freunde untergekommen, auch Luis und seine Amerikaner. Die Mönche packten immer eine Gruppe in ein eigenes Zimmer, das war nett; denn anderswo wurde erst ein weiteres Zimmer aufgeschlossen, wenn das aktuelle vollgestopft war, um Putzkosten zu sparen. Weniger schön war, dass bis zum Abend auch noch viele Fahrradfahrer auf die Schlafsäle verteilt wurden. Zu uns kamen allein vier. Da wäre es besser gewesen, die Pilger und die Radfahrer zu trennen, wegen der bekannt verschiedenen Tagesabläufe. Ich sprach aber einfach die Radfahrer an und sagte, ich würde ca. 6h30 am Morgen das Licht anmachen, sie hatten nichts dagegen.

Einkaufen, Vesper und Feier

In Sobrado gibt es auch neuerdings eine private Pilgerunterkunft. Ob diese aber mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis des Klosters und überhaupt mit dessen Atmosphäre mithalten kann, ist ungewiss. Wir gingen einkaufen. Der nächste Supermarkt hatte bis 21 Uhr geöffnet. Wir besuchten auch die Vesper, es waren noch knapp ein Dutzend Mönche, die meisten alt bis uralt, da. Danach stand das Abendessen an. Menüs bekommt man neuerdings einfach in der Bar Lobeiro neben dem Kloster, 9 € ok. Es war rappelvoll mit Pilgern; ja, so könnte es überall sein, auch in Vilalba und Baamonde, wo man sich nicht anstrengt. Luis und unsere beiden Freunde aus den USA waren auch da und wollten mehr über Esperanto wissen. Alex aus Leipzig hatte ihnen davon vorgeschwärmt. Im Laufe des Abends fing es an, übel zu regnen. Sobrado ist einfach ein Regenloch, weil es am Rand der höheren Berge liegt. Ansonsten ruhige und kalte Nacht wie in Miraz, keine Probleme mit den Radfahrern. Jedenfalls hatten wir glücklich gefeiert, dass wir diese längste Etappe wie nichts weggesteckt hatten. Das reinste Wunder, dass Hedwig jetzt wieder lief wie früher. Dass wir jetzt alle 2 Stunden eine Pause brauchten, lag eben daran, dass wir inzwischen älter geworden waren. Das galt auch für mich.


28. Juni 2014, Samstag: Von Sobrado dos Monxes nach Arzúa, 22,3 km (311,6 km)


Den Abend vorher hatte es schon in Strömen geregnet. Die Wasserspeier im Klosterinnenhof zeigten mal, was sie konnten: sie spien Wasser, dass es wie ein Vorhang an allen Hofseiten herunterrauschte. Nachts blieb das Rauschen, und morgens nach dem Frühstück war es keinen Deut besser. Wir waren wegen der Radfahrer ein wenig länger liegen geblieben, ein wenig auch wegen der Hoffnung, es werde sich aufklaren. Aber nichts. 8h10 Morgenandacht im Zimmer, die Radler sind schon weg. Ein Blick nach draußen: es pladdert ununterbrochen weiter. Hedwig zweifelt einen Moment, dass wir überhaupt laufen können, aber da wir alle unsere schweren großen Regenumhänge mitgenommen haben (Gottseilob!), geht es. Zu Hause hatte ich geschwankt, ob man sich diese Last nicht sparen könnte. Nein, Leute, auf dem Küstenweg lieber nicht.
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Regen wie ein Wasserfall

Ein Weg wie durchs Bachbett

Wir stapften also durch das Wasserr überfluteter Wege los, binnen Minuten waren meine Füße nass. Damit hatte ich aber gerechnet, das war absolut nicht neu. Wir liefen zunächst die Landstraße AC-934 weiter und überschlugen den Rechtsschwenk hinter dem Sobrado. Dann kommt eine Rechtskurve, in der der Pilgerweg die Straße verlässt und geradeaus weiterführt. 2009 hatte ich das ausprobiert, und es war im Vergleich zur Landstraße sogar eine Abkürzung, sicher ein ganz alter Weg, bevor es die AC-934 gab. Durch zwei kleine Ortschaften (A Pontepedra und Vilarchao) ging es im Zickzack um Pfützen herum. Da kam uns eine asiatische Pilgerin entgegen, die wir im Kloster gesehen hatte; sie gab offenbar auf. Warum, merkten wir bald: Hinter den genannten Siedlungen ging es in steilen Hohlwegen nach oben. Wegen des strömenden Regens kam uns hier das Wasser in tiefen ausgewaschenen Rinnen, die wir immer wieder überqueren mussten, entgegengeschossen. Es war, als kletterten wir in einem Bachbett bergauf. Gottlob stürzte keiner von uns.

Empfehlung für den Weg bis Corredoiras

Endlich trafen wir an ein paar Häusern vorbei wieder auf die AC-934. Man muss sich gleich nach 100 m wieder entscheiden, ob man den Pilgerweg parallel rechts läuft oder nicht. Man kann ruhig dem Pilgerweg folgen, wie ich das 2009 auch getan hatte, aber bei diesem Regenwetter war mein Bedarf an bachbettartigen Wegen gedeckt, und wir blieben auf der Landstraße. Gut 1 km vor Corredoiras kommt auch der Pilgerweg dazu, er macht ca. 300 m Umweg.

Bar in Corredoiras

Wie in früheren Jahren trafen sich in der Bar an der Kreuzung von Corredoiras sämtliche Pilger wieder. Immerhin hat man hier schon 8 km hinter sich und darf zur Belohnung einen Kaffee trinken. Für uns war die Etappe in diesem Jahr eine der längsten, aber nach unseren gestrigen Erfahrungen hatten wir keine Bange davor. Niemand von uns hatte Blasen. Nur mein rechter Fuß tat nachts beim Aufstehen vorne weh, und im Spann war er unter der Sohle etwas geschwollen. Der Schmerz war aber auszuhalten und trat nur sporadisch auf. Anzumerken ist noch, dass die Bar gute Toiletten hat.

Wegeverlauf durch Boimorto

Mit der spanischen Familie, mit den Italienern, mit Luis und den US-Amerikanern, brachen wir im Konvoi auf und liefen unter Scherzen und Plaudern nach Boimorto. Luis und seine Freunde bettelten einer Frau Blumen ab, streuten die Blütenblätter aber später auf den Weg. Ich weiß nicht genau, was der Schabernack sollte. Jedenfalls waren alle guter Dinge, und auch der heftige Regen war einem feinen Nieseln gewichen. Schon früher hatte ich mit Sobrado auch das schlechte Wetter hinter mir gelassen. In Boimorto blieben die Italiener zurück, weil die Frau einen Ohrring verloren hatte. Wir waren die ersten, die am Ende von Boimorto rechts abbogen (in Richtung der Abkürzung nach Santa Irene, die ich 2009 gelaufen war, CP-0603), aber nach wenigen Metern schon wieder links (CP-0602), sagte jedenfalls das Handbuch. Hier war kein Wegezeichen zu sehen.


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Zwei unserer Mitpilger
Wir folgten der Straße etwas zögernd, fragten uns auch, wie die anderen das finden sollten. Aber nach etwa 1 km stand da ein Muschelstein, und etwas später kamen auch Luis und seine Freunde und überholten uns. In Sendelle saßen sie dann in einer Bar, die auch wir ansteuerten. Rustys Vater, der in Sandalen lief, hatte Probleme und ließ sich von mir einen Fuß verarzten. Die Amerikaner waren voll des Lobes über das Leben unter den Pilgern und sahen den American way of life sehr kritisch, was ich hier aber nicht weiter beleuchten will.

Pause in Sendelle

Meine Pilgerschwestern und ich machten noch eine etwas längere Pause an der Kirche und bedienten uns aus unseren Vorräten, was man in einer Bar ja nicht machen kann. Es erschienen noch einige weitere Pilger, die wir nicht kannten. Es war ja Samstag, Wochenendpilgerzeit. Um Betten in Arzúa machte ich mir aber keine Kopfschmerzen. Es gibt genug Privatquartiere, wenn die Herbergen nicht ausreichen.

Empfehlung zur Route vor Arzúa

Auf dem weiteren Weg waren wir allein und stießen kurz vor Arzúa wieder auf die AC-234 (die ab Corredoiras die AC-934 abgelöst hatte). Der Pilgerweg ging gleich gegenüber weiter. Ich kannte diese Abzweigung. 2003 hatte mir ein Pilger erzählt, man solle die Finger davon lassen, man käme auf den Weg von Ribadiso heraus. Inzwischen hat mein Kartenstudium das als Missverständnis aufgeklärt. Tatsächlich stößt man nach einiger Zeit auf eine Häusergruppe namens Ribadiso, es ist aber nicht das Ribadiso des Camino Francés vor Arzúa. Insgesamt macht der Pilgerweg keinen Umweg und ist landschaftlich sicher angenehmer als die AC-234. Aber man handelt sich einige Höhenmeter mehr ein, da es zunächst etwas bergab und am Ende steil nach Arzúa hinaufgeht, sogar 20 m höher als die Hauptstraße, zu der man also wieder hinunter muss. Wem diese geringe Höhendifferenz (ca. 30 m mehr) nichts ausmacht, sollte dem Pilgerweg folgen. Achtung: In Arzúa stur geradeaus bleiben (an den Sportstätten rechts vorbei), dann kommt man an der Verzweigung an der Hauptstraße in Arzúa heraus, wo der Pilgerweg halblinks von der Hauptstraße abzweigt und nach 150 m zur öffentlichen Herberge führt. Genau so liefen wir auch.

Wir landen durch Zufall in der Herberge

Um Marianne die Herberge zu zeigen, gingen wir erst einmal dorthin, und ich prophezeite ihr, dass wir dort Getümmel antreffen würden. Hm, an der Herberge alles ruhig, wir lugten zum Eingang hinein. Da saß eine Hospitalera (es war eine andere als die früherer Jahre) und sagte: "Wie viele seid ihr? Drei? Ich habe nebenan noch vier Betten." Das gab's doch gar nicht! Nach 15 Uhr, und in der Hauptherberge von Arzúa waren noch freie Betten? 2009 hatten hier um 12h30 über 50 Leute vor der Tür gesessen.


Wir schauten in den Nebenraum. Begrüßungsgejohle empfing uns: Luis und die Amerikaner, die beiden spanischen Mädchen aus Baamonde ... Es waren noch zwei obere Betten frei, die Hedwig und ich in Beschlag nahmen, Marianne bekam ein Bett darunter. Wären wir die Landstraße gelaufen, hätte ich gleich am Ortseingang Privatquartiere genommen; so hatte es sich gefügt, dass wir sogar noch in der Herberge unterkamen, in der ich schon drei Mal gewesen war: 2002, 2003 und 2005 (1998 und 2000 statt dessen im 2 km entfernten Ribadiso). Das letzte Bett in unserem Schlafsaal belegte ein junger Inder.
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Hof der Herberge in Arzúa

Essen, Messe, einkaufen

Essen am Nachmittag: Tellergerichte an der Bar am Kirchplatz, routiniert servieren sie den ganzen Tag über, Preis-Leistungs-Verhältnis in Ordnung. 20 Uhr Vorabendmesse in der Kirche. Danach (!) einkaufen an der Hauptstraße, denn anderntags war ja Sonntag. Mein rechter Fuß schmerzte schlimm. Ich behandelte ihn mit Voltaren, das half. Ich versuchte dann noch, in Pedrouzo ein Privatquartier anzurufen und zu reservieren. Endlich nahm jemand ab, erzählte aber etwas davon, dass dies nicht der richtige Apparat sei. Was daran falsch war, verstand ich nicht und legte auf. Später riefen sie zurück, aber ich nahm gar nicht mehr ab.


29. Juni 2014, Sonntag: Von Arzúa nach Pedrouzo, 19,5 km (331,1 km)


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Mit den andern unterwegs
An diesem Morgen schmerzte mein rechter Fuß noch schlimmer als an den Tagen zuvor. Ich musste langsam laufen. Wie immer waren wir fast als Letzte aufgebrochen, aber nachdem wir gefrühstückt und an der Kirche Morgenandacht gehalten hatten. Die anderen gingen erst in eine Bar, was länger dauerte, und überholten uns nach einiger Zeit. Wir sahen sie dann heute nicht wieder, da sie meinen Tipp beherzigen wollten, lieber gleich bis Monte do Gozo zu laufen. Für uns kam das natürlich nicht in Frage; wir waren froh, normale Etappen zu schaffen.

Vor Calle kam links eine Bar, an die ich mich nicht erinnerte. Evtl. war sie neu, dem Zustand nach konnte das stimmen. Dafür fehlte mir eine andere Bar, die ich rechts von der Straße erwartete. Seltsam. Wir machten Kaffe- und Toilettenpause. Dabei nahm ich mir meinen rechten Fuß vor und rieb ihn zum zweiten Mal an diesem Tag kräftig ein. Das Wunder geschah: der Schmerz ging weg und kam nicht wieder. Die Schwellung blieb noch einige Tage, auch zu Hause noch, verging dann aber auch. Ich vermutete, dass ich mir den Fuß schon Pfingsten verletzt hatte, als ich die letzte Stufe einer Treppe verfehlte und mich heftig vertrat. Durch das Pilgern waren die Schmerzen hinzugekommen.
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Neue Bar vor Calle

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Furt in Calle
In Calle selbst lag eine weitere, mir vertraute Bar an der Abzweigung des Pilgerwegs im Ort, diesmal kehrten wir dort nicht ein. An der berühmten Furt gab es das traditionelle Foto. Der Horrero über den Weg war verschwunden, wohl wegen Baufälligkeit abgerissen.

In Boavista blühten die Hortensiensträucher. Ich bat Hedwig, für ein Bild zu posieren, das ich 2003 an der gleichen Stelle mit ihr gemacht hatte. So ganz hatte ich den Aufbau doch nicht richtig in Erinnerung, wie der Vergleich (siehe Übersichtsseite) zeigt. - Mittagspause auf dem Rastplatz vor der Höhe von Empalme. Das Wetter war wieder sehr gut. In Rúa schauten wir nach dem Haus, das wir in allen Stadien des Aufbaus gesehen hatten; jetzt war es fertig und sehr ansprechend geworden.
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Deja vu in Boavista

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Herberge von Pedrouzo
Bei nun strahlendem Sonnenschein trafen wir 14h30 in Pedrouzo ein. Das Wunder vom Vortag wiederholte sich: Wir wollten Marianne die Herberge zeigen, und dort war absolut nichts los. Wie geht das denn? Ich habe hier Fotos gemacht, dass die Pilger in einer Schlange bis auf die Straße hoch standen. Woran lag es, dass zurzeit auf dem Camino Francés tote Hose war? Wochenlang schlechtes Wetter? Fußballweltmeisterschaft? Mir blieb das ein Rätsel.

Unterkunft und Essen in Pedrouzo

Die gelangweilte Herbergsmutter hatte nichts dagegen, dass ich mir zunächst die Betten anschaute. Alles war gegenüber früheren Jahren renoviert worden. Mehrere Schlafsäle mit 8-Betten-Nischen (4 Doppelstock). Ich suchte 2 Doppelstock für uns am Fenster aus, ging zurück zur Anmeldung, und wir trugen uns ein. Nr. 24-26, wie gesagt, nicht zu fassen! Nach der üblichen Routine bummelten wir über die Hauptstraße hin und zurück. Menüs waren teuer geworden, an Wein gab es nur 1 Glas dazu. In einer Cafeteria, die gleichzeitig eine Bäckerei war, gab es auch am Sonntag Brot zu kaufen. Menü für 9 € (jederzeit servierbar) in einer Cafeteria der Kette Che, da gab's noch 1 Flasche Wein dazu. Ich habe fast immer Merluza oder Fischsuppe bestellt. Hoffentlich habe ich auch wirklich Merluza und keinen asiatischen Ersatzfisch (Pengasius oder Schlimmeres) bekommen.

Wen die Götter vernichten wollen, dem erfüllen sie all seine Wünsche

Diesen Tag war ich fast gelangweilt den Pilgerweg gelaufen, diese Etappe das achte Mal. Der liebe Gott sah meine "Not" und dachte wohl: "Der Langeweile kann abgeholfen werden." Nachts um 3 Uhr war es dann soweit.


30. Juni 2014, Montag: Von Pedrouzo nach Santiago de Compostela, 21,2 km mit Taxi bzw. Krankenwagen (352,3 km)


Mit Blaulicht nach Santiago

Nachts um 3 Uhr wurde ich von Brustschmerzen geweckt. Sowas habe ich öfter, aber diesmal war es etwas anders. Ich ging zum Wassertrinken in den Waschraum, der Druck auf der Brust ließ nicht nach. Ich weckte Hedwig. Ein weiterer Pilger fand uns im Waschraum und alarmierte weitere. Man stand um mich herum. Ein Chinese maß meinen Puls, der war in Ordnung. Man beschloss, den Krankenwagen zu bestellen. Ich Idiot wehrte mich nicht, hatte irgendwie einen Block und ließ mich von der Sorge der anderen anstecken. Immerhin dauerte der Druck schon eine Stunde, was unüblich war.

Kurz und gut, ehe ich mich es versah, legte ich mit Blaulicht die letzte Etappe zurück. Das war doch mal was Neues! Verdacht auf Herzinfarkt, aber die Symptome stimmten doch gar nicht alle. Kein Ausstrahlschmerz in den linken Arm, keine Todesfurcht, haha, die Ärzte lachten, als ich das auf Brockenspanisch stammelte. - Ich hatte darauf bestanden, dass Hedwig mich nicht begleitete, sondern bei Marianne zurückblieb, weil die sich doch gar nicht auskannte. Später erzählten sie mir, dass sie sich ein Taxi genommen hatten, obwohl ich gesagt hatte: "Ihr kommt einfach morgen zu Fuß wie vorgesehen."

Klinikknast: bei Wasser und Brot, ja denkste!

Inzwischen wurde ich in der Klinik perfekt organisiert malträtiert, durfte mich sechs Stunden nicht bewegen, bekam kein Wasser. Ich protestierte in drei Sprachen. Der Pfleger meinte gemütlich "Kein Wasser. Vielleicht hier schneiden ..." und fuhr mit dem Finger über meine Rippen. Ausgerechnet kein Wasser, wo meine Schmerzen letzten Endes auf Wassermangel zurückzuführen waren! Ich überlegte, wie ich notfalls mit Gewalt im Klinikhemd aus diesem Bau entkommen könnte. Um 6 Uhr waren meine Blutwerte alle in Ordnung, um 12 Uhr wurde nochmal gestochen, und man versprach mir das Ergebnis um 13 Uhr. Hedwig erschien plötzlich, überzeugte sich davon, dass es mir gut ging, und fuhr auf meine dringende Bitte zu unserer Stammbar "La Campana" zurück. Inzwischen hatte ich in sechs Meter Entfernung auf dem Gang (ich lag in einer offenen Ambulanz) eine Toilettentür entdeckt und plante einen Ausfall. Der Pfleger merkte das und ließ mich auf einmal gehen. Um 13 Uhr (ich sage ja, sie waren perfekt organisiert) kamen die Ergebnisse, alles bestens, Herzinfarkt ausgeschlossen. Der Oberarzt ließ mich alles nochmal auf Englisch erklären und übersetzte für den Abteilungschef. Im Gegensatz zu den Untersuchungsärzten glaubten sie meiner Erklärung und lauschten interessiert. (Die Schmerzen kommen von zu viel Magensäure, die - besonders im Liegen - die Speiseröhre angreift: "Reflux". Daher die Schmerzen. Einfach langsam Wasser trinken und sitzen oder rumlaufen.) Dann erklärten sie mich für gesund.

Keine sofortige Bezahlung bei Versicherungsnachweis

Ich fragte, ob ich in der Verwaltung für meinen Aufenthalt zu zahlen hätte. Nein, nach Abmachung zwischen Spanien und Deutschland müssen Pilger (evtl. Touristen allgemein) nichts am Ort bezahlen, nur ihre Versicherungsangaben zurücklassen. Ich habe eine ADAC-Auslandskrankenversicherung, das ging in Ordnung. (Zu Hause gab es etwas Schreiberei, aber dann wurde die Rechnung aus Santiago vom ADAC bezahlt.)

Also auf dem Caminho Português rein

Kaum waren die Ärzte weg, zog ich mich blitzschnell an, warf den Rucksack auf den Rücken und suchte den Ausgang in Freie. Draußen überquerte ich einen Parkplatz, erreichte eine Straße - und kannte sie: Hier waren wir letztes Jahr auf dem portugiesischen Weg in die Stadt gelaufen. Schlappe 3 km bis zur Kathedrale. Gegen 15 Uhr kam ich in der Bar "La Campana" zur Tür herein und konnte Doña Josefina in die Arme schließen. Minuten später waren auch Hedwig und Marianne da. Puh, ich empfand eine Mischung von Erleichterung und Verlegenheit. Ich hätte mich von den anderen Pilgern nicht verrückt machen sollen und äh, ja, lieber Gott, das war eine lehrreiche Abwechslung zu der bisherigen Routine, in Santiago einzutreffen. Die 7 Stunden im Klinikknast, sogar ohne Wasser und Brot, waren wohl Buße genug. Aber, wie der Mensch so ist, kaum hat man's überstanden, ist es vergessen.


1. Juli 2014, Dienstag: Aufenthalt in Santiago


Hinweis: Die Tipps für Santiago von 2013 gelten unverändert.

Das Wetter war so schlecht, dass der geplante Ausflug nach Finisterre ins Wasser fiel. Wir gingen in die Pilgermesse, abends war deutsche Führung um die Kathedrale. Besuch des Pilgermuseums. In der Rúa San Pedro war von der Betreuungsstelle für niederländische Pilger nur noch ein Schild geblieben, sonst alles ausgeräumt. In der Casa Manolo alles unverändert. Jede Menge Pilger wiedergetroffen.


2. Juli 2014, Mittwoch: Aufenthalt in Santiago


Morgens deutsche Pilgermesse in einer Seitenkapelle der Kathedrale. Sehr bewegend. Ich durfte den Ministranten spielen. Buchen unserer Plätze im Flugzeug mit Hilfe einer jungen Dame im Internetcafé, weil ich mich zu blöd anstellte. Mittag im Tarará, unverändert gut, nur machte der Wirt einen bekümmerten Eindruck. Abends zu unserer Freude die Studentenkapelle "La Tuna", weil es mal nicht regnete.


3. Juli 2014, Donnerstag: Rückflug nach Düsseldorf


Der Rückflug verlief reibungslos. Auch die 5 Stunden Aufenthalt im Flughafen von Madrid gingen vorbei. Start in Madrid im Hagelsturm (in Barcelona mussten die Startbahnen mit dem Schneeschieber geräumt werden, lasen wir später in der Zeitung). Aber es ging alles gut. "Ich will nach Santiago ..."


Letzte Änderungen: 12.05.2019