Im Jahre 2013 auf dem Caminho Português (Portugiesischer Weg)


Herkunftspfad: Übersichtsseite meiner Pilgerberichte >> Caminho Português ab Porto/Portugal nach Santiago
Autor: Rudolf Fischer
Meine Netzadresse: Rudolf.Fischer@Esperanto.de

Soweit nicht anders erwähnt, sind die Bilder in diesem Bericht von meiner Frau Hedwig, der ich herzlich dafür danke.

Einleitung

Als Rentner hat man ja bekanntlich noch weniger Zeit als während des Berufslebens. So ging es auch mir in den letzten Jahren, aber die Sehnsucht nach den Jakobswegen blieb bestehen. Was mir noch fehlte, war der Caminho Português, und schon vor über einem Jahr waren die Vorplanungen fertig, da zog sich mein alter Pilgerfreund Hans eine Achillessehnenverletzung zu, und wir bliesen alles ab. Ich wäre gern von Lissabon aus gegangen, aber ich fand niemanden, der mitgehen wollte.

Aber irgendwann konnte sich auch meine Frau wieder dazu durchringen, noch einmal zu pilgern. Jünger wird man schließlich nicht, und ehe wir gar nicht mehr wandern könnten, wollten wir es nochmal probieren. Aber abgespeckt: Nicht mehr von Lissabon aus, "nur" noch von Porto.

Kurz vor Weihnachten 2012 ging es Schlag auf Schlag: Erst meldete sich spontan unsere Pilgerschwester Konni, mit der wir schon zwei Mal unterwegs waren, dass sie gern mitmöchte. Kurz entschlossen buchte ich die Flüge (die waren erheblich teurer als vor ein paar Jahren). Nur zwei Tage später kam ein Anruf: zwei weitere Frauen aus unserer Bekanntschaft wollten sich anschließen, da musste ich doch etwas schlucken. Immerhin kenne auch ich diesen Weg nicht, und die ganze Zeit die Verantwortung für die Gruppe, darunter zwei Neulinge, zu übernehmen, muss man sich überlegen. Aber da bei einem ersten Planungstreffen die allgemeine Begeisterung groß war, sagte ich zu. Ich führte also wieder wie 2006 eine Gruppe von 5 Pilgern an.


Als Handbuch habe ich verwendet:

Joos, Raimund: Portugal Spanien: Jakobsweg Caminho Português
Outdoor-Handbuch, Band 185. 5. Aufl. 2012. 208 S., Preis: 14,90 €, ISBN 978-3-86686-383-5
Conrad-Stein-Verlag
Auf der Seite des Verlags am besten bei der Suche "Portugal" eingeben.
(Es gibt inzwischen unzählige Pilgerhandbücher.)
Inzwischen ist eine 6. Auflage erschienen.

Wertvolle Hinweise zum Caminho Português: Seite und Forum von Raimund Joos

Pilgerweg im Netz:
Man kann den Pilgerweg unter Wikiloc im Internet verfolgen. Er ist als gelber Strich eingezeichnet. Leider ist es mir nicht gelungen, Adressen zu finden, mit denen man gleich eine bestimmte Etappe anwählen kann. Es ist der Verlauf von Lissabon bis Santiago de Compostela, zum Teil noch veraltete Routen. Zum Beispiel fehlt hinter Porto die Küstenvariante. Trotzdem ist Wikiloc sehr nützlich, um den Weg zu verfolgen. Ich konnte im Nachhinein damit manche Unklarheit beseitigen.

Achtung: Zunächst das Bild durch Anklicken eines Symbols oben rechts in der Ecke auf Vollbild vergrößern. Nicht auf das Bild (etwa die gelben Fähnchen) klicken, denn dann verschwindet der gelbe Strich. Statt dessen einfach nur nach Belieben vergrößern und die Positionspfeile betätigen.


Allgemeines


12 Etappen (mit einigen Umwegen): 254,5 km

Wir liefen die Variante ab Porto am Meer entlang über Vila do Conde nach Rates.

Inzwischen soll es in Porto im Stadtteil Senhora da Hora eine Pilgerunterkunft geben. Eine gleichnamige Haltestelle der Metro liegt auf halbem Wege zum/vom Flughafen. Wir hatten nicht die Zeit, Näheres in Erfahrung zu bringen.


Wegeauszeichung und Wege
Es gibt gelbe Pfeile, zuweilen auch Schilder, in Spanien auch Muschelsteine mit Entfernungsangaben. Die Auszeichnung ist in Porto mangelhaft und verwirrend, auch bei den Holzwegen den Strand entlang manchmal lückenhaft, aber überwiegend ausreichend. Ohne das Handbuch wäre ich aber an nicht wenigen Stellen in Verlegenheit geraten. Gut war auch mancher Tipp, blödsinnige Schlenker auszulassen. Ich mache dazu im Bericht einige weitere Vorschläge.

Ganz wichtige Warnung: Besonders in Portugal gibt es üble Geröllpisten und Abschnitte, wo die Römerstraße mit scharfkantigem Kopfsteinpflaster imitiert wurde. Viele Pilger, darunter ich, haben sich binnen weniger Tage die Füße kaputtgelaufen. Mein "Wunderpflaster" (Klebeband Optiplaste®-C) konnte zwar weitgehend Blasen, aber nicht Quetschungen der Fußballen vor den Zehen verhindern. Ich empfehle daher dringend, auf geeignetes Schuhwerk zu achten. Es müssen keine hohen Schuhe sein, aber solche mit Luft- oder Gelkissen. Am besten auf grobem Pflaster vorher ausprobieren: Wenn man nur das Geringste merkt, eignen die Schuhe sich nicht. Mein (Teleskop)Stock war für mich über lange Strecken unverzichtbar, weil er blitzschnell eingesetzt werden konnte, wenn sich durch meine wohl zu dünnen Schuhsohlen wieder ein Steinchen genau in die Quetschstelle des Fußballens bohrte. Leider hatte ich solche Stellen an beiden Füßen ...

Zu wiederholen sind auch meine schon früher geäußerten Warnungen vor den vielen "Mordanschlägen", wie ich die Löcher im Pflaster, die plötzlichen Abbruchkanten usw. in Portugal und Spanien zu nennen pflege. Ich hatte keine Lust, mal wieder zu stürzen, und passte diesmal besser auf. Da wir eher hintereinander als nebeneinander liefen, gab es pausenlos Warnungen nach hinten: "Vorsicht, Loch", "Vorsicht, Kante" usw. Trotzdem stürzte Konni einmal schwer, und auch andere Pilger hatten von Stürzen Verletzungen im Gesicht.

Andere Warnungen galten den Autos vor und hinter uns, die selbst auf engen schmalspurigen Wegen auftauchten und besonders in Portugal recht rücksichtslos fuhren. Der Portugiesische Weg schlängelt sich um die Nationalstraße 550 (N550), an deren Rand man oft entlang musste, und das normalerweise ohne ausreichenden Standstreifen. Ich hatte überhaupt den Eindruck, dass die einsamen Pisten durch die Natur auf diesem Weg Mangelware waren (und wenn es Wald gab, dann in Portugal fast nur Eukalyptus). Es machte sich bemerkbar, dass Nordportugal dicht besiedelt ist, aber ab der spanischen Genze wurde es auch nicht besser. Insgesamt kann der Portugiesische Weg meiner Meinung nach von den Naturschönheiten her mit den anderen bekannten Wegen (Camino Primitivo, nördlicher Mozarabischer Weg, usw.) nicht mithalten. Da aber knallharte Steigungen fehlen und die Herbergen durchweg sehr gut sind, ist er für Anfänger sehr geeignet.

Wetter im Juni
Das Wetter war "wie zu Hause", wie ich mehrfach den Einheimischen gegenüber bemerkte: ungewöhnlich kalt für die Jahreszeit, der Himmel meist bedeckt, zeitweise Regen oder Sprühregen. Nachts zog ich mir meinen Pullover über. Ich hatte bei der Vorbereitung gedacht, dass er eigentlich zu schwer und zu dick sei, aber er war auf dieser Pilgertour unverzichtbar. An Baden im Meer (schauder!) war gar nicht zu denken. Trotzdem konnten wir uns damit trösten, dass das Wetter zum Wandern natürlich sehr geeignet war. Die Sonne, die einem sonst die Kraft absaugt, schien nur selten.

Handbuch
Das oben angegebene Handbuch von Raimund Joos hatte ich gekauft und dann aber nur Kopien mitgenommen, so dass ich immer wenige Seiten dauernd aus der Umhängetasche nehmen musste. Es war nicht ganz einfach, eine zusammenhängende Wegebeschreibung im Handbuch zu verfolgen, denn es gibt in ihm zahlreiche Einschübe für Radfahrer und Hinweise auf Varianten, auf Sehenswürdigkeiten und alternative Unterkünfte. Der "normale" Fußpilger, der nur 1 Nacht bleibt und tagsüber von Herberge zu Herberge unterwegs ist, kann mit touristischen Hinweisen nur wenig anfangen. Statt dessen wären mir mehr Hinweise auf kleine Läden und Bares lieber gewesen, um die Versorgung besser planen zu können.

Eine weitere Kritik gilt der Wegbeschreibung, die manchmal zu wenig eindeutige Wegezeichen verwendete: "man überquert eine Straße", "man kommt zu einem Kreisverkehr", usw. Das führte einige Male zu Fehldeutungen, z.B. wenn man zwar eine Straße überquerte, die aber nicht gemeint war und auch nicht erwähnt wurde. Die Entfernungsangaben schienen im Allgemeinen zuzutreffen, aber hin und wieder zog sich eine Strecke doch verdächtig lange hin: Man kennt ja seine Schrittgeschwindigkeit und kann dann Entfernungen nach der Armbanduhr ziemlich zuverlässig bestimmen. Dass die letzten Kilometer vor dem Ziel immer die längsten sind, ist natürlich klar, aber dann läuft gleichzeitig auch die Uhr qualvoll langsam ;-)

Trotz Aktualisierungen in der 6. Auflage waren einige Angaben aus 2011 natürlich inzwischen überholt. Das lässt sich nicht vermeiden. Auch mein Bericht ist wie eine Momentaufnahme. Schon in einigen Monaten kann manches anders sein.

Insgesamt muss ich aber sagen, dass das Handbuch eine wertvolle und für mich unverzichtbare Hilfe war. Wir haben uns nicht ein einziges Mal verlaufen.

Hunde
Keine Gefahr durch frei laufende Hunde. Alle sind im Zwinger, angekettet oder harmlos. Natürlich greift auch kein Hund eine fünfköpfige Gruppe an, aber auch allein hätte ich keine Schwierigkeiten gehabt.

Trinkwasser, Verpflegung, Finanzen
Ich blieb stur dabei, nur gekauftes Wasser zu trinken, allenfalls abgekochtes für den Kaffee. Wegen der zahlreichen Bares, viele mit Einkaufsmöglichkeit, gab es nur selten Versorgungsschwierigkeiten. Ich führte nicht einmal die übliche 2-Tages-Ration mit, und meine beiden Trinkflaschen waren immer nur zur Hälfte gefüllt, was bei dem kalten Wetter ausreichte.

Ein Menu del dia (in Portugal: diario) kostet auf dem Land etwa 8-9 €. Viele Bares boten ein billigeres "Pilgermenü" an, das aber in Wirklichkeit nur ein Tellergericht war. Überhaupt lernte ich einiges Neue, nämlich darauf zu achten, ob man auch wirklich alles bekam, was draußen als inbegriffen aufgeführt war. Allerdings konnten die Portionen auch so groß sein, dass wir z.B. auf die Suppe des Angebots gern verzichteten. Zu meinem Erstaunen gab es wieder Merluza (Seehecht), hoffentlich war es auch einer (und nicht etwa Ersatzfisch wie Bertorella), dem Geschmack nach jedenfalls ja. Hier machte sich wohl die Nähe der Küste bemerkbar.

Die Übernachtungskosten waren in Portugal entweder freigestellt oder man zahlte 5 €, in Galicien gilt nun ein Einheitspreis von 6 €, also alles noch sehr günstig. Mit 25 € pro Tag kam man im Durchschnitt wieder gut aus, zumal uns auch die Zeit für einen Einkaufsbummel fehlte.

Ausrüstung
Die Ausrüstung (siehe meine Packliste) war wieder ganz nach der üblichen Routine. Unsere alten Isomatten hatten Hedwig und ich nochmal mitgenommen, aber sie kamen nicht zum Einsatz, und wir haben sie am Ende im Kloster Herbón bzw. in der letzten Herberge (Teo) zurückgelassen.

Unterkünfte
Die Übernachtung in Porto hatte ich über www.booking.com vorgebucht. Die Bedingungen (kostenloser Rücktritt bis kurz vorher, keine Anzahlung, nur Angabe der Kreditkartennummer) sind äußerst vorteilhaft. Man kann sich seine Unterkunft per Karte und nach Preisklasse auswählen und bekommt sofort nach der Online-Buchung eine Bestätigung. Kann ich nur empfehlen.
Adresse: Residencial Henrique VIII, Rua Duque de Loulé 168. www.residencialhenriqueviii.com . Preis für ein Doppelzimmer und ein 3-Bett-Zimmer (Doppelbett + Einzelbett), beide Zimmer mit Dusche und Toilette, insgesamt 54,20 €, sagenhaft billig. Das Haus war einfach, aber sauber, recht zentral gelegen.

Nach der ersten Etappe schliefen wir in einem Bugalow für max. 5 Personen (1 Doppelbett + nebenan 1 Doppelstock und 1 Einzelbett, ziemlich eng) nach Hinweis im Handbuch im
Parque de Campismo de Angeiras in Lavra. Auch hier habe ich übers Netz vorbuchen können, wenn auch mit Mühe. Zunächst habe ich über die Seite www.orbitur.pt den Campingplatz Angeira (Lavra) angewählt. Das Angebot an Übernachtungsmöglichkeiten ist etwas verwirrend, weil nicht ganz klar ist, welcher Name welche Art von Übernachtung bezeichnet; man kann nämlich Zelte oder Hütten mieten.

82 € sollte der Bungalow kosten, für fünf Leute preiswert. Man muss die Hälfte im Voraus bezahlen, das ist in Ordnung. Aber die Bezahlmethode (ich hielt meine Kreditkarte bereit) war abenteuerlich. Ich hampelte mich durch einige portugiesischsprachige Seiten und bekundete meine Zahlungswilligkeit. Es wurden zwei mir unbekannte Bezahldienste angeboten. Ich wählte denjenigen aus, der meine Kreditkarte akzeptierte. Auf einmal sollte ich mich allerdings unter Preisgabe vieler persönlicher Daten bei diesem Bezahldienst als Kunde registrieren. Da hatte ich die Nase voll und brach den Vorgang ab. Etwas verschnupft schrieb ich den Campingplatz unter infoangeira@orbitur.pt direkt an, auf Englisch, denn für meine Erklärungen reichte mein Portugiesisch nicht. Ich bat um Angabe eines Kontos und wies darauf hin, dass Überweisungen innerhalb von Euroland heutzutage doch kein Problem (und außerdem kostenlos) sind. Ich erhielt recht bald auf Englisch die erbetene Auskunft und überwies 41 €. Wie gewünscht sandte ich dann eine elektronische Kopie der Überweisungsbestätigung an den Campingplatz. Man spricht auch Englisch. Am Ort bekamen wir überraschend 20% Pilgerrabatt. Näheres im Bericht unten.

Ansonsten konnten wir 9 Herbergen und eine Klosterunterkunft ausprobieren. Eine 10. Herberge, die in Mos, konnte ich besichtigen. Letztere war einfach, aber nicht verkommen, wie im Pilgerforum geschrieben wurde. Die anderen Herbergen waren durchweg sehr, sehr gut, obwohl ein Pilger für manche Einzelheit noch bessere praktische Tipps hätte geben können. In mehreren Herbergen gab es Einmalüberzüge für Kopfkissen und Matratze. Nähere Einzelbeurteilung in dem Bericht zu der jeweiligen Etappe unten.


11. Juni 2013, Dienstag: Flug nach Porto, erster Stempel

Mein Rucksack wiegt mit ein paar Vorräten, aber ohne Wasser 9,4 kg, das ist in Ordnung. Zusammengeschobener Teleskopstock und Isomatte sind inbegriffen. In meiner Umhängestasche ist ein portugiesischer Sprachführer. Bis wir in Porto sind, kann ich einiges auffrischen, was ich vor meinen Brasilienreisen in den 90er Jahren gelernt habe. Bin gespannt, ob die Portugiesen mich verstehen, denn ich war noch nie in Portugal und kenne nur die brasilianische Aussprache. Das europäische Genuschel (z.B. "ßomusch peregrinus-alemaesch" - Wir sind deutsche Pilger) ist mir noch nicht vertraut.

Flug nach Porto

11h15 soll unser Flug mit der AirBerlin starten, aber bald nach der Ankunft am Flughafen kommt die Nachricht, dass sich der Abflug wegen des Streiks französischer Fluglotsen auf 12h00 verschiebt, das fängt ja gut an. Wir sind alle ziemlich aufgeregt. Marianne und Ludmilla, unsere Neulinge, weil da was lang Ersehntes, aber völlig Anderes auf sie zukommt, und wir übrigen, weil es zu fünft doch kompliziert ist, aber 2006 hat es ja auch geklappt. Nach einem Gläschen Sekt geht es durch die Kontrollen, weil das Flugzeug ja evtl. doch früher starten kann, und so ist es dann auch. 11h45 heben wir ab, also kein Problem mit dem Umsteigen in Palma de Mallorca. Dort geht es fast auf die Minute pünktlich weiter. In Porto erwartet uns eine dichte Wolkendecke. Die Luft ist feucht, kurz vorm Nieseln. Wir stellen die Armbanduhren 1 Stunde vor, es ist 15h35.

Mit der Metro in die Stadt

Alle Rucksäcke sind gottlob mitgekommen. Am Ausgang verteilt ein Mädchen kostenlose Stadtpläne (eine Reklameaktion der Kaufhauskette El Corte Inglés). Sehr gut, dann brauchen wir nicht zur Touristeninformation. Wir folgen dem Bildsymbol "Metro" und landen vor Automaten in einem Untergeschoss. Hier hilft uns eine uniformierte junge Dame, einzelne Fahrkarten zu ziehen (2,30 €). Mein erster sprachlicher Einsatz, nein, es gibt keine Karten für fünf. Ich habe mir das Metronetz und auch den Stadtplan bei Google-maps angesehen und notiert, dass wir an der Station Trindade aussteigen müssen. Noch leichte Verwirrung, weil wir an einem Automaten vorbeikommen, dem wir unsere Fahrkarten ans Lesefeld halten. Es blinkt gewaltig, aber wir wissen weder, ob das notwendig war (Entwerter?), noch, ob es funktioniert hat. Egal, rein in die Bahn. Da wir an einer Endhaltestelle sind, müssen wir nicht auf die Fahrtrichtung achten. Die Bahn rattert los, mit erstaunlichem Gerumpel und Knirschen der Räder; da sind wir von der Bundesbahn verwöhnt. Etwa 25 Minuten später haben wir einiges von Porto vorbeiziehen sehen (das ist kein Dorf) und steigen in der Station Trindade aus, nördlich vom Stadtzentrum.

Zausel mit vier Frauen im Schlepp

Die Orientierung nach unseren recht einfachen Stadtplänen ist etwas mühsam, aber nachdem wir am Rathaus vorbei den breiten Boulevard Avenida dos Aliados nach Süden zum Bahnhof São Bento gefunden haben, kann nichts mehr schief gehen. Die Leute staunen unsere Gruppe an: Ich habe mir eigens einen buschigen Zauselbart wachsen lassen und habe vier Frauen im Schlepp, alle schwer bepackt und unternehmungslustig. Das fällt selbst in Porto auf, löst manches Schmunzeln aus.


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Im Bahnhof São Bento
Im Bahnhof São Bento ließen wir uns etwas Zeit, die großen Kachelgemälde zu bestaunen. Dann folgten wir einer schmalen Straße an der Nordseite des Bahnhofs, die bald steil nach oben führte und in Treppen endete. Wir merkten, dass Porto auf mehreren Hügeln und Klippen gebaut sein muss, so dass es in der Stadt erheblich rauf und runter geht, nicht nur zum Fluss hin.

Pension Henrique VIII

Oben war der große Platz Praça de Batalha, mit vielen Gaststätten, wo wir abends auch aßen. Am seinem Ende ging links die Rua de Alexandre Herculano ab, und an der nächsten Kreuzung trafen wir schon auf die Rua Duque de Loulé mit der Pension Henrique VIII (links ab, sofort auf der rechten Seite). Die Tür stand einladend offen. Oben empfing uns ein junges Mädchen, das meine Portugiesisch-Brocken lächelnd zur Kenntnis nahm. Alles war in Ordnung. Ich zahlte den vereinbarten Preis und erhielt auf Wunsch eine Quittung. Die beiden Zimmer übertrafen unsere Erwartungen (angesichts des Preises), zwar eng und mit alten Möbeln, aber alles vorhanden, auch ein kleines Duschbad. Unsere drei Pilgerschwestern hatten noch einen kleinen Alkoven dazu, in dem wir uns zum Abschluss des Tages zu einem Schlummertrunk zusammensetzten.


Doch zuvor wollten wir uns noch den Stempel in der Kathedrale holen, die bis 19h00 geöffnet war. Dazu brauchten wir nur der Rua Duque de Loulé zu folgen, die uns linkerhand herrliche Aussichten auf den Fluss und seine Brücken bescherte.
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Blick auf den Douro

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Kathedrale von Porto
Geradeaus über die Schienen der Uferhangbahn hinweg kamen wir direkt zur Kathedrale. Diese steht auf einem Felsen und hat mit den nahen Türmen wohl auch Festungscharakter gehabt. In einem der Türme war eine Informationsstelle untergebracht, in der wir ohne Federlesens unseren Stempel bekamen. Das portugiesische Wort heißt carimbo, keine Ähnlichkeit mit dem spanischen sello.

Schnell noch in die Kathedrale, wo eine Frau als Aufsicht saß. Eventuell hätte auch sie einen Stempel gegeben. Wir hatten Pilgerausweise mitgebracht, und ich kann daher nicht sagen, ob man sie hier bei der Frau in der Kathedrale oder draußen im Turm bekommen hätte.

Wir nutzten die Gelegenheit zu singen. Konni hatte aus verschiedenen Liedern, die wir ihr gegeben hatten, ein tolles Gesangheft (auch mit den spanischen Messtexten) zusammengestellt. Das wurde oft verwendet.


Abendessen und ein heiterer Ausklang des Tages

Von der Kathedrale gingen wir direkt noch einmal in Richtung Praça de Batalha, kauften unterwegs in einem Getränkeladen den Vorrat für den Schlummertrunk und aßen zum Schluss in einer Bar am Platz, die mit Tellergerichten Reklame machte, recht gut und relativ günstig (Gesamtzeche 66 €). Ein junger Mann bediente uns sehr freundlich und schmunzelte ebenfalls über meine Portugiesischversuche. Ich war jedenfalls stolz, dass man mich verstand und ich das Genuschel der Einheimischen auch einigermaßen deuten konnte.

Der Abschluss fand dann im Zimmer von Marianne, Ludmilla und Konni statt. Für endlose Heiterkeit sorgte die Entdeckung, dass mein Taschenkorkenzieher nicht ausreichte, die Rotweinflasche zu öffnen, so dass ich geschlagene 20 Minuten den oberen Teil mit dem Messer herausprorkeln musste. Um so größer der Jubel, als der Reststopfen sich danach einwandfrei ziehen ließ.

Wir waren alle erleichtert, dass alles so gut geklappt hatte, und in froher Erwartung der kommenden Tage. Dass wir uns gut verstehen würden, war schon am ersten Tag deutlich geworden.


12. Juni 2013, Mittwoch: Von Porto nach Lavra, 22,4 km

Bei unserem Aufbruch war der Himmel bedeckt, später gab es sogar etwas Sprühregen, der uns die Regenumhänge rausholen ließ. Dann aber setzte sich die Sonne für den Rest des Tages durch.


Als erste Etappe waren 22,4 km nicht eben wenig. Es kam hinzu, dass die Stadt durch viele Ablenkungsmöglichkeiten kein flottes Ausschreiten zuließ. Wir begannen an der Kathedrale, wo wir am Vortag gelbe Pfeile entdeckt hatten, die eine Treppe hinunterwiesen. Wir hatten sogar einen Pilger gesehen. Ich übersah hier gleich zu Anfang, dass hier der direkte Weg nach Rates begann, während wir ja den neuen Umweg die Küste entlang laufen wollten. Nun, es war kein großer Schaden.
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Beginn an der Kathedrale

Am Flussufer entlang

Nachdem wir den Pfeilen nach durch ein-zwei Gassen eine große Kreuzung erreicht hatten, sah man unten am Ende der Straße das Flussufer, und so gingen wir - Pfeile und Handbuch hin oder her - einfach direkt dorthin, auch wenn wir so die große Metallbrücke nicht aus nächster Nähe bewundern könnten. Danach folgten wir dem Flussufer nach rechts, wobei man ganz schön aufpassen muss, nicht zu nahe am Fluss auf einer Anlegestelle zu landen. Am Ende einer breiten Promenade liefen wir uns fest, weil vor uns das Ufer durch Industrie versperrt war. Ich schaute dann endlich ins Handbuch und sah, dass wir uns an die Straßenbahnlinien halten sollten. Gelbe Pfeile waren nicht zu sehen. Wir passierten ein Museum mit einem Saurier davor und blieben dann rechts bei den Schienen, weil die Straße auf einem Viadukt in den Fluss schwenkte. Später ging es unter der letzten Brücke vor der Küste hindurch. Ein Blick auf die Uhr zeigte, dass wir für diese ersten Kilometer ganz schön lange gebraucht hatten.

Schon am ersten Tag ein Sturz

Die Flusslandschaft ging in eine Mündungslandschaft über. Die im Handbuch genannte Fußgängerbrücke übersahen wir. Da wir uns aber weiterhin links hielten, kamen wir automatisch zu der Promenade zum alten Leuchtturm, der ziemlich verkommen war. Damit war das Meer erreicht. Der Abstieg zu einem Strandweg, der eher hinter der Praia dos Ingleses begann, war nicht ganz einfach zu finden. Wir hatten auch Bedenken, mitten über die (leere) Terrasse der Bar zu stiefeln, aber es war niemand zu sehen. Kurzer Stopp an einer öffentlichen Toilette. Endlich erreichten wir die Festung São Francisco Xavier, die direkt am Strand liegt. Hier musste man das Ufer erklimmen. Ich wollte den halben Höhenmeter zum Eingangsweg der Festung mit einem beherzten Satz und dem Einsatz meines Stockes meistern, hatte aber nicht mit meinem schweren Rucksack gerechnet, der mir zu einer üblen Bauchlandung verhalf. Gottlob nur das rechte Knie aufgeschürft und eine neue Klinke an der Stelle in der Hose, wo sie schon geflickt worden war (nach einem ähnlichen Sturz). Mit etwas weichen Knien weiter.

Hier gab es auch ein paar gelbe Pfeile. Rechts kam die kilometerlange Straße Avenida da Boavista schnurgerade aus Richtung Stadtzentrum. Wir waren der Stadt noch längst nicht entkommen, wie unser Stadtplan zeigte. Grünanlagen, Wasserstellen, Vögel rechts. Jetzt wurde es aber Zeit, endlich Matosinhos zu erreichen, wo wir erst die Hälfte unserer Etappe bewältigt haben würden.

Mittagessen in Matosinhos

Vor einem Touristenbüro in einem Vorort von Matosinhos verschnauften wir, als uns ein Pilger ansprach: Ralf aus Bamberg. Ihn sollten wir noch einige Tage lang wiedersehen, aber er lief schneller als wir und nahm so noch einiges an Sehenswürdigkeiten mit. Wir liefen weiter in Strandnähe und erreichten eine Straße, in der sich Fischrestaurant an Fischrestaurant reihte. Wir wollten möglichst immer mittags essen, damit der Magen nachts nicht so belastet war. Also kehrten wir gegen 12 Uhr in das Sempr' Assar ein, eine Zufallsauswahl. Man konnte sich die Fische aussuchen, die man essen wollte. Die Kilopreise waren enorm (über 50 €). Na, wir wollten es mal riskieren und ausprobieren; die Gelegenheit, in einem (für unsere Begriffe ziemlich vornehmen) Fischrestaurant zu essen, kam so schnell nicht wieder. Es gab als Vorspeise gebackene Sardinen, zum (köstlichen!) Fisch Salat und Kartoffeln, alles reichlich. Brot, Oliven und Butter dazu. Mit Getränken waren es zum Schluss 85 €, das ging ja (für fünf Leute). Wir ließen immer die Gesamtrechnung bringen und legten dann unsere Anteile samt (ca. 10%) Trinkgeld auf den Teller. Das klappte jedes Mal hervorragend, zumal man so auch gleichzeitig nach Bedarf Scheine wechseln konnte. Die Bedienung war jedenfalls auch immer offensichtlich gut zufrieden. - Hier in der Restaurantmeile war man um Kunden verlegen. Wir waren die einzigen, saßen draußen in einem Zelt. Bei den anderen Restaurants rechts und links standen die Kellner müßig in den Türen. Da war die wirtschaftliche Krise zum Greifen.

Über die Flussbrücke

Matosinhos hat einen großen Hafen mit Flussmündung. Hier geht es also nicht geradeaus am Meer weiter, sondern man muss in die Stadt ausweichen, um die große Flussbrücke zu erreichen. An der im Handbuch genannten Abzweigung nach rechts liefen wir wohl vorüber, aber die Markthallen waren gar nicht zu verfehlen. Außerdem bog die Straße automatisch vor dem Flussufer nach rechts ab, und nach einigen hundert Metern sah man die Brücke, zu der man in einem kleinen Linksbogen hoch musste. Die Aussicht auf den Fluss war gewaltig.


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Hinter Matosinhos
Jenseits der Brücke lief man im Prinzip parallel zum Fluss wieder in Richtung Strand zurück. Beim weiteren Weg am Meer entlang durfte man nur nach links, also auf die Küste schauen, wenn man etwas Schönes sehen wollte. Rechts dominierte nämlich fast ununterbrochen eine Bebauungskette und, wo diese mal fehlte, eine Ölraffinerie nach der anderen. Ich konnte mich mit dieser Landschaft nicht so recht anfreunden.

Gefährlichkeit der Holzstege nicht unterschätzen

Der weitere Weg bis Vila do Conde verlief zum großen Teil über Holzstege, die nicht ungefährlich waren: ohne Geländer und zuweilen mit großen Spalten zwischen den Bohlen. Meinen Stock konnte ich nicht aufsetzen, er wäre zu oft hängengeblieben. Wir trafen unvermittelt drei Pilgerinnen aus Schweinfurt, die gerade Rast machten. Sie wollten ebenfalls nach dem Handbuch laufen, aber die Betreffende hatte ihr Exemplar zu Hause vergessen. Ich gab ihnen den Tipp mit dem Campingplatz in Lavra. Bei Perafita kehrten wir noch kurz in einem Strandcafé ein und tranken eine Cola. Immerhin 1,50 €, für Portugal war das teuer. Dann waren wir im wörtlichen Sinne wieder auf dem Holzweg. Einmal war dieser unterbrochen, weil er erneuert wurde, und wir stapften durch den Sand.

Weg zum Campingplatz in Lavra

Als wir eine Häusergruppe erreichten, die laut Handbuch schon zu Lavra gehörte, hieß die erste Bar aber Funtão und nicht Laje Bar, was etwas Unsicherheit auslöste. Aber es war alles in Ordnung, Laje Bar kam nur später. Wir liefen nun eine Straße in geschlossener Bebauung. Kurz nach 17 Uhr sahen wir das erwartete Schild "Campismo" und bogen rechts ab. Es ging danach aber noch über einige Kreuzungen, einmal halblinks, vom Gefühl her weiter als 600 m. Unterwegs kommt man dabei an einem Laden vorbei. Man erreicht am Ende sogar noch eine größere Straße, die von schräg links kommt, und hält sich auf dieser nach rechts, bis nach gut 100 m endlich links erst die Campinggaststätte mit Schwimmbad dahinter und danach der Eingang zum Campingplatz auftauchen. (Etwa 100 m weiter rechts liegt eine zum Essen empfohlene Bar.) Inzwischen hatten sich die drei Schweinfurter Pilgerinnen uns angeschlossen und hofften auf ein Quartier.

Überraschender Pilgerrabbat

Die Dame am Empfang sprach fließend Englisch, akzeptierte aber auch mein Portugiesisch. Es stellte sich heraus, dass sie meine erneute Bestätigung kurz vor der Anreise als weitere Reservierung aufgefasst hatte. Machte aber nichts, da die drei Schweinfurter Damen gern einsprangen :-) Dann wollte sie von mir nur noch 24,60 € statt des erwarteten Restbetrags von 41 € haben: 20% Pilgerrabatt (auf insgesamt 82 €). Na, fein.


Ab zum Bungalow. Dieser war auf Familien abgestimmt. Von der überdachten Terrasse erreichte man eine Küche, hinter dieser rechts ein Zimmer mit Doppelbett, links ein Zimmer mit einem Doppelstockbett und einem Einzelbett für die lieben Kleinen, für Marianne, Ludmilla und Konni ganz schön eng, aber sie bekamen das hin. Auch die einzige Toilette für fünf Leute war kein Problem. Eiserne Regel für den Pilgerweg, dozierte ich: Tür steht offen heißt "nicht besetzt", Tür ist geschlossen heißt "besetzt", denn abschließen ließ sich die Schiebetür (wie so viele Toilettentüren in Portugal und Spanien) nicht.
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Bungalow in Lavra

Die Bungalows alle in Pilgerhand

Im Bungalow hinter uns war ein Pilgerpaar aus Luxemburg untergekommen. Auch Ralf aus Bamberg hat hier geschlafen, erzählte er später: in einem kleinen Bungalow für 10 €. Sonst war nichts los, in den Holzhäuschen anscheinend ausschließlich Pilger. Die Frauen aus Schweinfurt kopierten sich meine Handbuchkopien und waren sehr froh, dass sie nun wieder eine Wegeanleitung hatten. Hedwig suchte beim Einräumen vergebens ihren Personalausweis, bis wir nochmal zum Empfang gingen, wo er sich im Kopierer wiederfand. Da wir noch Vorräte hatten, wurde nur der Schlummertrunk aus dem nicht sehr gut sortierten nahen Laden des Campingplatzes geholt. Marianne stopfte fachfrauisch mein lädiertes Hosenbein. Es sah nachher besser aus als vor dem Sturz. Ansonsten klang diese erste Etappe mit einer fröhlichen Runde auf der Terrasse aus, obwohl es sehr kalt wurde.


13. Juni 2013, Donnerstag: Von Lavra nach Rates, 24,4 km (46,8 km)

6 Uhr stand die erste von uns auf, da hielt es die anderen auch nicht mehr im Bett. Morgenandacht nach einem guten Frühstück. Um 8 Uhr zogen wir los, nicht den Weg zur Abzweigung mit dem Schild "Campismo" zurück, das wäre ein Umweg gewesen, sondern einfach die Straße vor dem Campingplatz in Richtung Strand. Vor dem ersten Holzsteg klebte ich vorbeugend das erste Pflaster auf den linken Fußballen, nachdem dieser angefangen hatte zu brennen.

Etappen mit "Salamitaktik"

Die heutige Etappe war noch länger als die erste, und da hilft es, sich nach der Salamimethode Teilziele zu setzen, etwa Pause nach 5 km in einer Bar und Mittag bei ca. 10 km, wenn das hinkommt. Für diese Planung war ich verantwortlich. Heute kam Vila do Conde nach ca. 11 km als Standort der Mittagspause in Frage.

Der Weg am Meer entlang war heute etwas abwechslungsreicher. Gleich auf dem ersten Kilometer eine lange Holzbrücke über einen Bach, mal etwas Grün in dem ewigen Gelb und Braun vor Hochhäusern.


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Bucht vor São Paio
Kurz danach kamen wir an einen Strand, der sich vor Klippen totlief. Man sollte laut Handbuch "100 m vor Ende des Strandes" einen anfangs versteckten Pfad steil den Abhang hochsteigen. Hm, aber wo war das Ende des Strandes? War da der Strand der letzten kleinen Bucht noch mitgerechnet oder nicht? Das war eine dieser Mehrdeutigkeiten des Handbuchs. Dabei gab es eine ganz einfache eindeutige Markierung, nämlich einen großen Felsen, der mit einem Gesicht bemalt war. Hinter diesem stiegen wir den nächsten Fußpfad hoch, der oben in einen etwas breiteren Weg mündete. Später sahen wir hinter uns Ralf aus Bamberg daherkommen und vor dem Felsen mit dem Gesicht den Abhang erklimmen. Es gab also mehrere Pfade, die alle in den erwähnten Weg mündeten, also keine große Problematik.

Prähistorische Fundstätte bei São Paio

Auf halber Höhe vor den Klippen lag ein einsamer Bauernhof mit einem Gemüsegarten, ein seltener Anblick. Wahrscheinlich wurde er auch nicht mehr bewohnt, aber noch für den Hausgebrauch bewirtschaftet. Dahinter kamen dann die Klippen, mit schönem Aussichtspunkt und etlichen Bildtafeln, die Fundstellen einer prähistorischen Siedlung erklärten. Über allem thronte die Kapelle São Paio (= Pelagius). Wir ließen uns Zeit, alles zu betrachten, während Ralf dazukam und bald wieder davonstiefelte.

Durch Vila Chã

Dann zogen wir an einer Bar vorüber und erreichten danach die Ortschaft Vila Chã, hatten aber noch keinen Bedarf zu einer Einkehr. Hier war das Handbuch wieder nicht so eindeutig. Was heißt: Folgen Sie der Straße, bis diese auf eine Kreuzung trifft? Es gab jede Menge Kreuzungen, und der erwähnte "Platz" war auch nicht als solcher zu identifizieren, geschweige denn das pinkfarbene Haus, denn bunt waren viele Häuser, und was genau ist "pink"? Wir folgten also den spärlichen gelben Pfeilen und waren überrascht, erst "viel später" (so kam es uns vor) auf einmal rechts das im Handbuch erwähnte Café Sandra zu sehen, danach auch das pinkfarbene Haus, und so wusste ich wieder, wo wir laut Handbuchbeschreibung waren.


Kein Gedanke, auf den Strand auszuweichen, denn das Wetter war wie am Vortag. Eine Regenbö hatte uns schon zeitweise die Umhänge überziehen lassen. Also folgten wir der Straße weiter, bis diese direkt vor den Stranddünen eine Rechtskurve macht. Wer hätte gedacht, dass man an dieser Stelle des Portugiesischen Weges schon endgültig vom Meer Abschied nehmen muss? Hedwig wollte gern noch einmal mit den Füßen im Wasser gewesen sein, aber ich vertröstete sie fälschlicherweise auf spätere Gelegenheiten. Auch hier hätte man durch den Sand am Strand entlang bis zur nächsten Ortschaft (Campingplatz) gehen können, aber die Nässe verbot es. Allerdings hatte der Regen aufgehört.
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Abschied vom Meer

Wegauszeichnung in Mindelo

Wir bogen nun ins Landesinnere ab, zogen durch lockere Bebauung und erreichten dann ein schönes Naturschutzgebiet in der Dünenlandschaft. Es war direkt wohltuend, den ewigen Häusern zu entkommen und von Grün und dem Gezwitscher von Vögeln umgeben zu sein. Das Grün umgab uns so dicht, dass Konni, die längste von uns, sich den Kopf an einem im Laub nicht sichtbaren Ast stieß ...

Bald war diese Herrlichkeit wieder vorbei, weil wir Mindelo erreichten. Nachdem man rechts in eine breite Straße abgebogen ist, in Richtung einer Ampelkreuzung, gibt es eine vom Handbuch abweichende Auszeichnung. Ein gelber Pfeil führt schon vor der Kreuzung nach links in eine Seitenstraße, die geradeaus auf die Mauer eines Campingplatzes zuführt. (Evtl. ist es der im Handbuch erwähnte.) Man folgt der Mauer nach rechts und muss am Ende aufpassen, da ein etwas irreführender gelber Pfeil auf einem Lichtmast einen nach halbrechts zu führen scheint. Ludmilla und Konni waren schon in dieser Richtung unterwegs, während ich stoppte, weil mir das völlig falsch vorkam. Links lag der Haupteingang des Campingplatzes und von dort musste man geradeaus weiter, also von meinem jetzigen Standpunkt aus etwas links und gleich wieder rechts, in Richtung der Fernstraße, die von der erwähnten Ampelkreuzung her von rechts kam. So zeigte es mir auch ein Traktorfahrer an, der gerade vorbeifuhr.

Also pfiff ich die anderen zurück, und wir liefen vom Haupteingang aus zu der Fernstraße, der wir dann nach links weiter in Richtung der Ortschaft Azurara folgten. Deren Kirche lag weit sichtbar links vor uns. Die Auszeichnung mit gelben Pfeilen, bis dahin oft sehr dürftig, wurde nun schlagartig besser. Wir durchquerten Azurara und erreichten die Brücke nach Vila do Conde.

Durch den Ortsrand von Vila do Conde

Ein malerischer Anblick: der breite Fluss und das Kloster gegenüber. Leider lief der Pilgerweg gleich hinter der Brücke nach rechts landeinwärts. Von Vila do Conde und seinem Strand sieht man nichts. Einige hundert Meter weiter gelangt man an einen Platz, wo uns das Handbuch im Stich ließ. Die Straße ging am Ufer weiter entlang, rechts war eine Brücke zu sehen. Irgendwie vermutete ich aber, dass es jenseits des Platzes halblinks in eine schmalere Straße weiterging. Auch das Luxemburger Pilgerpaar irrte hier herum, gesellte sich zu uns. Ich ging probeweise in die vermutete Richtung und meinte, etwas weiter den angekündigten Kreisverkehr (mit den S-Bahn-Schienen) zu entdecken. Tatsächlich, kaum hatten wir uns für diesen Weiterweg entschlossen, entdeckten wir auch einen gelben Pfeil.

Mittagessen mit Fragezeichen

Jenseits des großen Kreisverkehrs ging es geradeaus weiter, angeblich auf ein Lagerhaus zu, das aber wohl inzwischen abgerissen war, denn es war nicht zu sehen. Die Pfeile waren aber eindeutig. An der nächsten oder übernächsten Einmündung tauchte rechts eine Bar auf - mit einem Angebot an Tagesgerichten (diaria) für 5 €. Es war gerade Mittag, also nichts wie rein!

Ein freundliches Muttchen bediente uns, servierte große Portionen Fisch und Fleisch mit Pommes, dass wir pumpsatt wurden. Getränke extra. Hatte nicht noch Suppe und sonst noch einiges laut Angebot dazugehört? Ich glaube, wir sind etwas über den Tisch gezogen worden, aber wir waren satt (ich hatte noch Reste der anderen mitvertilgt), und es hatte sehr gut geschmeckt; ich hatte keine Lust zu reklamieren, merkte mir aber, beim nächsten Mal besser aufzupassen und nachzufragen.

Ein ganz öder Abschnitt

Draußen entstand Verwirrung, da Konni in eine andere Richtung wollte als ich. Man sollte sich merken, wo man genau hergekommen ist. Ich setzte mich mit meiner Meinung durch und hatte recht, als in der Ferne nun ein riesiges Gebäude auftauchte: das vermisste Lagerhaus. Sehr eigenartig gebaut: hoch, aber unverhältnismäßig schmal.

Jetzt begannen viele Kilometer, die man nur "weghauen" konnte, von Natur keine Spur. Mir ist das ein Rätsel, denn Google maps zeigt viel Landschaft, sogar mit Wäldern, aber hier geht der Pilgerweg stur über Land- und sogar Nationalstraßen. Es scheint keine durchgehenden Feldwege zu geben. Und wenn man mal durch einen Wald kam, war's ein Eukalyptuswald, den ich nicht liebe. Ab der spanischen Grenze hat man sich mehr Mühe gegeben, und dort gab es wenigstens auch noch Wälder mit Kiefern oder Steineichen.

Am erwähnten Lagerhaus ging es halblinks weiter, schnurgeradeaus, kein einziger Pfeil. Endlich erreichten wir eine belebte Landstraße (M525), auf der hemmungslos gerast wurde. Wir wechselten mehrfach die Straßenseite, um jeweils auf den Banketten laufen zu können, wo das irgendwie möglich war. Aber das Wechseln ist ja auch gefährlich. Ab der Autobahn sollte es 900 m bis zu einem Kreisverkehr in Touginha sein. Wir kamen (immer auf der M525) zu einer Y-Kreuzung. Durch den Stress mit den an uns knapp vorbeirasenden Autos kam es mir so vor, als hätten wir die 900 m schon hinter uns, aber die Kreuzung war nur mit viel Fantasie als Kreisverkehr deutbar. Nun sollte es 1,2 km bis zu einem Bildstock mit Jahreszahl 1726 weitergehen, ab wo der Weg neuerdings anders als im Handbuch ausgezeichnet ist. Kreisverkehr und ein Kreuz wurden erreicht, aber trotz allen Suchens fand sich keine Jahreszahl 1726. Um es kurz zu machen: Ich hatte mich einfach mit den Entfernungen verschätzt. Erst jetzt hatten wir den im Handbuch erwähnten Kreisverkehr erreicht, was uns erst aufging, als wir nach (gefühlt) endlosem Latschen auf der noch engeren Straße dann in Touginhó (Ortsteil Sobreposta) die Kreuzung mit Bildstock (eben kein Kreuz!) mit deutlich sichtbarer Zahl 1726 erreichten. Hier war ich schon ziemlich entnervt.

Vergleich mit der vorher ausgezeichneten Route

Nach der neuen Auszeichnung folgt man der M525 weiter, ein Stück sogar nach Süden und dann eher ostwärts als nordwärts, während Rates, wie ich wusste, auf Nordnordost lag. Man durchquert die Häusergruppen von Espinheira und Graça, bis man nach Junqueira kommt, das auf meiner Straßenkarte eingezeichnet war. Hier mündet die M525 an einer Kreuzung in die N306, die rechts von Süden kommt, und man folgt ihr geradeaus.

Der früher ausgezeichnete (und so auch im Handbuch beschriebene) Weg bog an der Kreuzung mit dem Bildstock von der M525 links in die Rua Central nach Norden ab bis zur N206, der man dann aber sehr lange folgen musste. Ich vermute, dass die N206 vielleicht noch mehr befahren ist als die N306. Außerdem erreicht die neue Route den Pilgerweg, der von Porto aus direkt nach Norden führt, vor der Brücke nach Arcos und führt damit über diese Ortschaft. Einen Nachteil der neuen Route (und wie man ihn vermeiden kann) werde ich im Folgendem schildern.

Totes Schaf im Fluss

Etwas aufgebracht und immer noch von vorbeirasenden Fahrzeugen bedrängt (pausenlose Rufe "Auto von vorn", "Auto von hinten") zogen wir hinter Junqueira erst durch die Ortschaft Barros, dann überquerten wir die Autobahn. Kurz darauf macht die N306 einen Knick nach links, und hier kommt von rechts der direkte Weg von Porto himzu. Schon in der nächsten scharfen Rechtskurve ging es endlich von der gefährlichen Straße geradeaus ab auf die alte (sehenswerte) Brücke von Arcos. Den Ort sahen wir vorher schon lange links von uns auf einer Anhöhe liegen. Neben der Brücke zogen zwei Männer gerade ein totes Schaf aus dem Flüsschen. Das musste man doch gesehen haben ;-) Schon wieder quetschten wir uns an eine Mauer am Wegesrand, weil uns Autos von hinten und vorn behelligten. Wie üblich führte der Pilgerweg an der Ortskirche vorbei. Rechts lag eine Unterkunft (São Miguel - Turismo Rural), wohl die, deren Preise im Handbuch angegeben sind. Neuerdings gibt es ja eine Alternative für 10 €.

Die alte Route hinter Arcos war besser

Wikiloc zeigt, dass die alte Route (also die direkt von Porto) hinter der Kirche von Arcos nach links verlief. Ich empfehle, ihr zu folgen. Kurz darauf halbrechts halten und an der nächsten Y-Verzweigung links (Rua António Bento Marins Junior - Schreibung keine Gewähr). Dann immer geradeaus nach Norden zur N206, links parallel zu der derzeitig ausgezeichneten Strecke. Wenn man die N206 erreicht, geht es rechts ab und ein kleines Stück auf ihr entlang. Dann folgt auf eine scharfe Links- eine ebenso scharfe Rechtskurve, in der man die N206 nach links verlässt, nur ca. 200 m links von der Kreuzung, bei der man nach der derzeitigen Auszeichnung herauskommt. Man ist jetzt auf der Rua da Bica da Serra (M604), und sie führt mit leichten Schlängeln nach Norden auf die Kirche von Rates zu. Ich habe keine Ahnung, warum das geändert worden ist. Der jetzige (unten beschriebene) unsinnige Schlenker vor Rates wird dadurch überflüssig.

Neue Route hinter Arcos

Wir folgten aber der Auszeichnung an der Kirche rechts, machten im Schatten einer Mauer kurze Trinkpause. Der Weg führte jetzt endlich stracks nach Norden, und landschaftlich schön war dieses kurze Stück auch. Erleichtert über den Richtungswechsel entdeckte ich bald vor uns in der Ferne dichtere Bebauung, das musste Rates sein. Kurz darauf erreichten wir eine Industrieansiedlung an der N206. Geradeaus begrüßte uns ein Reklamebogen in Rates, na bitte! Also wurde die N206 überquert und das Ortszentrum angesteuert. Diese letzten Kilometer waren nicht nur wie üblich gefühlt länger, sondern bei dieser Streckenauszeichnung handelte man sich noch einen völlig unnötigen Umweg ein.

Unnötiger Schwenk vor Rates

Mir schwante Übles, als wir nach gut 1 Kilometer kurz vor einer schon sichtbaren Straßenkreuzung urplötzlich auf einen Wiesenweg nach links geführt wurden. Zwei Bauarbeiter, die eine Wand strichen, meinten aber: Doch, das sei richtig. Ich überlegte einen Moment, ob sie uns auf den Arm nahmen. Aber es konnte natürlich sein, dass man parallel zu der Straße ab der Kreuzung lief, also zogen wir weiter. Rechts tauchte nun die Straße auf, die von der Kreuzung kam, außerdem einige Häuser mit Reklame. Wir wollten lieber schon mal einkaufen, entschieden wir und liefen einen rechts abzweigenden Feldweg direkt auf die Häuser zu. Leider war kein Lebensmittelgeschäft darunter. Ich machte aber am Ende dieser von der Landstraße halbrechts abzweigenden Straße eine Ortskirche aus, und daran ging der Pilgerweg garantiert vorbei. Das war richtig, hier kam die frühere Auszeichnung von links dazu. Die gelben Pfeile führten uns nun rechts in den Ortskern und an einem historischen Brunnen gleich wieder nach rechts heraus. Damit liefen wir insgesamt parallel zurück. Die neue Auszeichnung führt also zu einem sinnlosen Schwenk nach links durch den Ortskern, während die Pilgerherberge abseits an der Fernstraße liegt. Auf der früheren Route war dieser Verlauf sinnvoll, aber auf der neuen nicht, es sei denn, man hielte den Besuch der Kirche und des Brunnens für unverzichtbar.


Der direkte Weg zur Herberge

Und so läuft man ohne Umweg auf der neu ausgezeichnten Route zur Pilgerherberge:
Wenn man von der N206 kommt, lässt man sich nicht nach links auf den Wiesenweg ablenken, sondern geht weiter geradeaus bis zu der von mir schon gesichteten Straßenkreuzung. Hier kommt eine Fernstraße von rechts und biegt in den Ort ab. Man folgt ihr über die Kreuzung hinweg geradeaus weiter. Etwas später macht die Fernstraße einen leichten Knick nach halbrechts. (Hier kommt von links das Sträßchen aus Richtung des Brunnens hinzu, also die neue ausgezeichnete Route.) Man bleibt noch 200 m auf der Fernstraße, dann liegt links an ihr die Herberge. Wir wären fast daran vorbeigelaufen.


Die Herberge von Rates

Das war also unsere erste Herberge. Wir traten in einen Durchgang und erreichten einen sonnenerfüllten Hof, voll mit Pilgern (mein Notizbuch vermerkt: 24). Zur Anmeldung geht es rechts eine Treppe hoch. Ein junges Paar begrüßte uns oben freundlich, die Frau freute sich über mein Portugiesisch. Hm, wir waren alle schon älter, kurze Beratung, dann: Ob wir unten schlafen wollten? - Na ja, warum nicht? (Die übrigen Schlafräume waren auf dieser ersten Etage.) So erhielten wir einen großen Schlafraum im Erdgeschoss, ganz für uns allein. Tatsächlich wurden keine weiteren Pilger bei uns eingewiesen, so dass wir es uns alle auf unteren Betten bequem machen konnten. Nebenan war eine Toilette und auf dem Flur vor dem Schlafraum noch ein Waschbecken. Alles ok, nur die Toilettentür war nicht abschließbar, und zwei Mal stürmte ein anderer Pilger, der die "eiserne Regel" (Tür zu heißt "besetzt") nicht kannte, herein, während ich auf der Brille hockte. Es gab weitere Toiletten hinter den Waschräumen für die Wäsche (im Erdgeschoss rechts).

Routine des Pilgeralltags

Da wir auch an den folgenden Tagen immer ziemlich spät eintrafen (zwischen 17 und 18 Uhr), blieb nicht viel Muße, um mit anderen Pilgern zu plaudern oder den Ort zu besichtigen. Duschen, Wäsche waschen, einkaufen, zu Abend essen, dann war es auch schon Zeit, ins Bett zu gehen. Um 22 Uhr lag alles in den Federn, das klappte auf dem Portugiesischen Weg durchweg von allein, ohne Druck. Alle liefen, und daher waren alle abends hundemüde.

Einkaufen unweit der Herberge

Das Problem mit dem Einkaufen löste sich ganz einfach: Gegenüber der Herberge, nur 100 m die Straße hoch, lag rechts ein Laden, der alle Grundnahrungsmittel (wie Wein und Bier :-) hatte. Eine sehr freundliche Frau bediente uns. Nur Brot hatten sie keines. Da meine Füße (noch) in Ordnung waren, lief ich allein zum Bäcker (gegenüber die nächste Querstraße rein, die in eine weitere Querstraße mündet, dann nach 150 m links in einem Café). Ich bekam gutes dunkles Brot.

Abendessen in der Küche

Später konnten wir in der Küche im 1. Stock ausführlich zu Abend essen, wobei Ralf noch dazukam. Auch die Luxemburger sahen wir wieder. Die drei Pilgerinnen aus Schweinfurt müssen wohl noch in Lavra geblieben sein, oder in Arcos, wo es neuerdings eine Privatunterkunft geben soll. Sie sind uns aber nicht mehr begegnet.


14. Juni 2013, Freitag: Von Rates nach Portela de Tamel 27,0 km (73,8 km)

Diese Etappe hatte ich mit 25 km angesetzt und beruhigte meine Pilgergeschwister, dass das ja kaum eine Steigerung gegenüber dem Tag zuvor war. Das würden wir schon schaffen. Nach unserem üblichen guten Frühstück waren wir so ziemlich die letzten in der Herberge. Dennoch ließen wir uns die Zeit, um 7h30 vor der Kapelle oberhalb der Herberge unsere Morgenandacht zu verrichten. Wir waren für diese Pilgerfahrt nicht nur offiziell von der Heimatgemeinde ausgesandt worden, sondern hatten auch manches Gebetsanliegen mit auf den Weg bekommen.


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"Pilgerwarnung"

Diese Etappe ließ sich gut an. Besseres Wetter ohne Regen und mit etwas Sonnenschein und vor allem gleich zu Anfang ein schöner Wiesen- und Waldweg, wie wir ihn schon seit Tagen vermisst hatten. Wir kamen sehr schnell vorwärts, irgendwie waren wir eingelaufen, und alle wollten die ersten 10 km möglichst bald hinter sich bringen. Unterwegs überholte uns das Hospitalero-Paar, mit Tagesrucksäcken. Evtl. waren sie nur 1 Tag und 1 Nacht für die im Handbuch erwähnte Hospitalera Lourdes eingesprungen, sowas hatte ich schon öfter erlebt.

Wir peilten als erstes "Salamiteilziel" nach 7 km eine Bar in Pedra Furada an. Kurz vor 10 Uhr erreichten wir die Nationalstraße und sahen zum ersten Mal große Warnschilder für die Autofahrer, dass hier mit Pilgern auf der Straße zu rechnen sei.


Um 10 Uhr standen wir vor der Abzweigung zur Bar von Pilgerfreund Antonio, aber warum sollten wir dorthin, wenn direkt an der Straße hier eine andere Bar war? Mit vielen Pilgern drin, die wir schon in Rates gesehen hatten und die zum großen Teil gerade aufbrachen. Auch das Hospitalero-Paar saß dort. Die Pilgerschwestern ließen durch mich große Gläser frisch gepressten Orangensaft ordern. Ich selbst blieb bei café com leite, dem "täglichen Brot des Pilgers".
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Bares in Pedra Furada

Umweg über die Pilgerkapelle

Gut gelaunt ging es an der Fernstraße weiter, bis wir zu einem Sägewerk links kamen, wo man den Umweg über eine sehenswerte Kapelle machen konnte (2 km zusätzlich). Keine Frage, wir waren noch bei Kräften, und das wollten wir mitnehmen. Meine Erwartungen waren nicht allzu hoch, denn ich erinnerte mich an den Reinfall mit der Kapelle San Miguel de Breamo auf dem Englischen Weg hinter Pontedeume vor drei Jahren. Damals gab es außer Mühen nichts zu ernten, die Sicht war durch Wald versperrt, und man machte nur nicht gekennzeichnete weite Umwege.


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Kapelle auf 298 m
Aber heute war alles anders. Gleich hinter dem Sägewerk ging rechts die Straße zur Kapelle hoch. Ich hatte mit einer heftigen Steigung gerechnet, doch es ging eher gemächlich, aber stetig hoch, kein Problem. Dann kamen wir zur Mittagsstunde vor der letzten Höhe an, auf der nicht nur die Kapelle (von der Größe her eher eine Kirche) stand, sondern auch eine Mariensäule und breitflächige Sitzgruppen aus Stein. Hier finden wohl regelmäßige Wallfahrten statt. (Auch die Toiletten fanden Anklang ;-) Also die steilen Stufen zur Aussichtsplattform und Kirche hoch. Die Luxemburger saßen schon oben. Sonst kaum jemand da, so dass wir ungestört singen und den Engel des Herrn beten konnten. Die Aussicht von der großen Plattform aus war wirklich einzigartig, das hatte sich gelohnt.

Der Abstieg war ebenso einfach: Zunächst die Stufen wieder hinunter, dann die Straße nach rechts (von der Herkunftsrichtung her links) gleich steil bergab. Es gab auch einige Pfeile, die uns ohne Schwierigkeiten bis Cavalhal führten, wo wir den Pilgerweg wiedertrafen. Barcelos war nun nahe, und wir beschlossen, dort Mittag zu machen. Aber noch waren wir nicht da. Gegen 13h45 nochmal kurze Rast bei der Kapelle Santa Cruz, wo wir aus Notvorräten etwas knabberten (Müsliriegel, Traubenzucker). Langsam machte sich Müdigkeit breit. Wie weit es heute noch sei? Das konnte ich beantworten, aber irgendwas stimmte mit den 25 km nicht, bis mir siedendheiß aufging, dass ich vergessen hatte, die 2 km Umweg mitzurechnen. Also heute 27 km, von denen wir ca. 15 km hinter uns hatten. Die restlichen 2 km bis Barcelos dehnten sich wie sonst die letzten vor dem Etappenziel.


Vor der Brücke von Barcelos liegt der Stadtteil Barcelinhos (Klein-Barcelos). Dort sahen wir links ein Gebäude, vor dem einige Pilger saßen, sicher die Herberge. Wir aber überquerten die wahnsinnig enge Brücke (wenn ein Auto kam, musste man aufpassen, nicht vom Außenspiegel in den Fluss geschmissen zu werden) und stiegen zur Altstadt hoch, irrten (mangels gelben Pfeilen) ein wenig zwischen den Patrizierhäusern und der Kirche Bom Jesus herum, bis wir von dem Platz aus den Weg zur zentralen Einkaufsstraße fanden. Hier wollten wir zu Mittag essen, stießen aber nur auf eine Imbissstube, die im Wesentlichen Bocadillos anbot. Kulinarischer Höhepunkt war Francesinha, sah auf der Reklametafel ganz harmlos aus, aber als Hedwig nach langem Warten endlich das Bestellte bekam, brachen alle in Gelächter aus, einschließlich der Leute von den Nebentischen. Es war ein Riesenklotz von aufeinander gestapelten verschiedenen Fleischsorten, üppig mit Käse überbacken, dazu noch ein Haufen Pommes; das hätte gereicht, drei von uns satt zu machen. Na, ich bekam jedenfalls auch einen Teil ab.
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Blick auf Barcelinhos

Wir sahen einige Pilger, die wir vom Ansehen her kannten, durch die Stadt bummeln, aber niemand von ihnen zog weiter. Wir selbst waren finster entschlossen, noch die restlichen 9,8 km nach Portela de Tamel zu laufen, obwohl es bereits 15h30 war. Denn sonst wäre unser ganzer Zeitplan durcheinandergekommen, und wir wollten nicht den einzigen Rasttag in Santiago opfern.

Lebensmittelladen gesucht

Beim Weiterziehen sahen wir uns nach einem Lebensmittelgeschäft um, fanden aber keines. Ein Tipp im Handbuch wäre nicht schlecht gewesen, statt der vielen touristischen Hinweise, die wir nicht wahrnehmen konnten. Wir kamen dann auf einen Markplatz mit vielen Buden. Evtl. hätte man hier wesentlich besser essen können als vor dem Imbiss. Dann kommt eine Ausfallstraße, man überquert mal wieder eine Autobahn, und etwas später weist ein gelber Pfeil unvermittelt nach rechts. (Das Handbuch überschlägt hier etliche Ab- und Verzweigungen, die es zu 1,5 km zusammenfasst.) Man wird parallel zu größeren Straßen durch den Vorort geführt, denn nach der abrupten Abzweigung nach rechts geht es an der nächsten Kreuzung sofort wieder nach links und dann immer ungefähr in derselben Richtung weiter. An dieser Ecke sahen wir auch einen kleinen Laden, zumindest mit Getränken, durch die geöffnete Tür, sonst nicht gekennzeichnet. Ich hatte aber keine Lust, unseren Endspurt auf Portela de Tamel schon wieder zu bremsen. Wenn man links (nach den genannten 1,5 km) auf einmal das Fußballstadion zum Greifen nahe sieht, setzt die Handbuchbeschreibung wieder ein. Man geht nicht auf das Stadion zu, sondern halbrechts weiter bis zur Kirche von Vila Boa.

Wieder schöne Landschaft

An der Kirche ging es nach links in Richtung Fernstraße, die man aber nicht erreichte, weil man kurz vorher (links war immer noch das riesige Stadion zu erkennen) um eine Weide, auf der langhörnige Stiere grasten, in eine kleine Straße nach rechts abbog, sicher die ehemalige Fernstraße. Der Pilgerweg schlängelt sich ja um die großen Straßen herum, wobei oft Abschnitte der früheren Fernstraße, vor allem durch die Dörfer, benutzt werden.

Es kamen nun wieder schöne Wegabschnitte, die teils schon bergauf führten, bis man die Höhen vor sich sah, wo unser Ziel lag. Rechts erschien eine Kirche, aber das war nicht die richtige. Oben vor uns am Hang einige Häuser, das passte schon eher, aber wo waren die Kirchen von Tamel und Portela de Tamel? Später stellte sich heraus, dass wir in halber Höhe eines tiefen Taleinschnittes, der links von uns lag, schon relativ hoch und damit gemächlicher bis zu dessen Ende liefen. Beide gesuchten Kirchen waren, in verschiedenen Höhen, in dem Taleinschnitt, durch den auch die Fernstraße führte, bis zuletzt versteckt.

Leider kein Schwenk durch Tamel

Als erstes erschienen aber links Kirche und Ortsmitte von Tamel. Ich fürchtete einen unnötigen Umweg wie vor Rates und verzichtete auf den Schlenker an der Kirche vorbei. Später sah ich auf einer Detailkarte in der Herberge, dass man das doch machen sollte. Man steigt dann eben zum Schluss etwas steiler hoch, aber entfernungsmäßig ist es kaum ein Unterschied.

Pustend zogen wir weiter die kleine Asphaltstraße hoch, sahen bis ganz kurz vor dem Ziel die Kirche von Portela de Tamel nicht. Wir erreichten eine etwas größere Straße, die spitzwinklig von rechts kam. Ein Auto hielt neben uns, und eine Frau sagte in gebrochenem Englisch was von "alle in die Herberge". Es war wohl irgendwas freundlich Gemeintes. Nach einer sehr langgezogenen Linkskurve kam endlich die ersehnte Kirche in Sicht. Wir umrundeten die Kirche nach oben und fanden links die Herberge, wo wir sehr freundlich begrüßt wurden. Es war 18h40.


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Herberge in Portela de Tamel
Für mich ist diese Herberge die angenehmste von den 10, die ich gesehen habe. (Das Kloster Herbón lasse ich mal bei dieser Wertung beiseite.) Sehr gut eingerichtet, mit 4 Zimmern, einwandfreie Duschen, viel Platz, ein paar Lebensmittel zu kaufen, ein Getränkeautomat, usw. und auch noch ringsum schönste Landschaft. Der Hospitalero kümmerte sich sofort um uns, ließ uns in einige Zimmer schauen, wo es sich verschiedene Pilgerpaare gemütlich gemacht hatten und jetzt erschreckt aufschauten. Nein, der Herbergsvater entschloss sich, für uns das 4. Zimmer als eigenes aufzuschließen. Insgesamt waren nur 14 Pilger da, alle hatten wir schon gesehen.

Auch das Problem mit der fehlenden Verpflegung ließ sich leicht lösen. Wir wollten zwar nicht wie einige der anderen in das nahe Restaurant, aber: Es gab, wie schon erwähnt, einen Getränkekautomaten (mit Bier, das verbreitete "Superbock"), später fuhr ein Bäckerwagen vor, und außerdem hielt der nette Hospitalero einige einfache Lebensmittel vor (wir kauften Rotwein und Fischkonserven), Butter gab's umsonst aus dem Kühlschrank. Der Verdienst aus den Verkäufen wurde laut Aushang in die Reinigungskosten der Herberge gesteckt, da zahlte man doppelt gern.

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Abendessen

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Konnis Fuß
Wir erholten uns nach der langen Etappe sehr gut. Leider hatten Konni und Marianne sich große Blasen zugezogen, die ich gleich verarztete. Sonst war es ein abwechslungsreicher, schöner Tag, auch von den Wegen her sehr pilgermäßig.


15. Juni 2013, Samstag: Von Portela de Tamel nach Ponte de Lima, 24,3 km (98,1 km)

Heute stiegen wir wie verabredet schon um 6 Uhr aus den Betten, damit wir uns unterwegs mehr Zeit lassen konnten. Sorgen um Platz in der nächsten Herberge gab es nicht, denn die hatte 60 Betten, und gegenüber den vielen hinter uns aus Barcelos hatten wir einen genügenden Vorsprung. Aber wie war noch der Spruch? "Jede Verspätung beginnt mit der Feststellung, dass man noch viel Zeit hat." Also frühstückten wir gemütlich (Brot und Zwieback, Fischkonserve), wuschen ab und packten. Da war es dann doch schon wieder 7h45, bis wir an der benachbarten Kirche zur Morgenandacht zusammenkamen. Naja, wir wollten ja keinen Stress.

Über den kleinen Pass

Um 8 Uhr bei strahlendem Wetter los. Zuerst zur Passstraße und über den nicht sensationellen Pass, ein wenig bergab, und schon konnte man die Straße wieder nach links verlassen. Achtung: Nach einer Rechtskurve geht es unvermittelt scharfrechts ab in den Wald, das hätte ich glatt übersehen. Nun steil runter und quer durch den Ort Aborim an der Kirche vorbei und rechts über Gleise. Hatte ich abends also doch einen Zug gehört, klang wie eine alte Dampflok, wer weiß? Nun ging es durch ländliche Gebiete, viel Wein, aber immer wieder Bebauung.

Der Pilgertyp "Alter Kämpfer"

An einer Bushaltestelle überholte uns ein Pilger. Marke "alter Kämpfer": groß, hager, braun gebrannt, mit kurzem weißen Bart. Pilgernde Männer von diesem Typ sahen wir noch oft, allein oder in Begleitung. Sie sprachen alle nicht viel und mit fast niemandem. Vielleicht wollten sie keinen Kontakt haben, oder es war die Sprachbarriere. Das war aus diesen Deutschen, Niederländern, Engländern, Franzosen und auch Italienern nicht herauszubekommen. Nun waren wir fünf uns auch genug und brauchten keine weiteren Bekanntschaften. Jedenfalls war ich etwas neidisch auf die langen braunen Beine, die uns immer mühelos überholten.

Eine Bademöglichkeit

Nun kamen wir an einen idyllischen Ort. Mittelalterliche Brücke aus großen Feldsteinen, wie schon oft gehabt. Mit Schlitzen dazwischen, um ein Haar hätte ich meinen zweiten Sturz gedreht; aber dahinter ein schönes großes Wasserbecken in praller Sonne. Es lud zum Schwimmen ein, aber darauf waren wir ja gar nicht eingestellt, und außerdem würde das Wasser nach dem Wetter der letzten Tage sicher saukalt sein. Direkt neben diesem Naturfleckchen hatte sich ein Reicher eine Landvilla hingesetzt, mit allen Schikanen, aber trotzdem vielleicht nur am Wochenende bewohnt. Eine hohe Mauer diente auf beiden Seiten als Sichtschutz. Man kann in Portugal deutlicher als in Deutschland erkennen, wie die Gesellschaft wirtschaftlich auseinandertreibt.

Der "Problemzeh" muss verpflastert werden

Ich hatte allerdings aktuell andere Sorgen. Diesmal hatte ich mir geschworen, rechtzeitig die Füße zu versorgen, bevor Blasen kamen. Beide Ballen waren schon vorsorglich verklebt. Jetzt fing der linke Fuß an, trotzdem wehzutun, und außerdem schmerzte der "Problemzeh" (2. Zeh am linken Fuß). Nun, das war ich schon gewohnt. Ich bat die anderen um eine kurze Pause, ließ mich nieder und packte mein Verbandszeug aus, das immer oben im Rucksackaufsatz griffbereit steckt. Ich stellte fest, dass sich wie erwartet vor dem Zeh eine Blase gebildet hatte, stach sie auf, drückte das Wasser raus und verklebte den Zeh wie jedes Mal auf dem Jakobsweg mit Heftpflaster: ein Streifen von vorn nach hinten über den Zeh, ein weiterer um den Zeh, und oben an den Ecken etwas Luft gelassen. Das hält normalerweise bombenfest. Später bildet sich dann eine dicke Schwiele vor dem Zeh.

Rast im Grünen wie in einer Pilgerreklame

Die gelben Pfeile führten uns nun zuverlässig durch Streusiedlungen. Viel Wein und immer wieder kleine rauschende Bäche versöhnten mit der Bebauung. Das Wasser ist hier wirklich der Reichtum des Landes. Gegen 10h45 erreichten wir die Casa Fernanda, wo Pilger unterkommen konnten. Ein großes Schild, eine Frau gebückt im Garten. Sie hörte uns sicher, nahm von uns aber keine Notiz: als Übernachtungskandidaten waren wir zu früh dran. Dann kam wirklich ein schönes Wegestück. Ein bequemer Weg zwischen Weinfeldern und rechts und links malerische Höhen (ohne Wald, aber mit Klippen). Wir rasteten im Grünen, knabberten Vorräte und flaxten, waren richtig gut zufrieden. Pilgerweg pur. Ich lag unter einem Schirm von nur 70 cm hohen Rebstöcken, wo mir im Herbst die Trauben in den Mund gewachsen wären. Das sind die Situationen, von denen man später immer wieder träumt.

Engel des Herrn

Kurz vor Mittag erreichten wir die Kirche von Vitorino de Piães. Ganz schön groß! Wir wären gern hineingegangen, aber sie war abgeschlossen. Ich ging etwas herum und hörte ein paar Frauen drinnen schwatzen, wohl ein Putzkommando, hatte aber keine Lust auf lange Bitten und Erklärungen. Ohne weiter beachtet zu werden, beteten wir den Engel des Herrn. Das Handbuch kündigte etwas weiter eine Bar an, die käme ja gerade recht.

Kein Restaurant, aber ein Laden

Nun, ein Schild wies uns 100 m weiter sogar zu einem Restaurant nach rechts, wo man gleich Pilger hocken sah. Nichts wie hin! Oha, und da war auch noch ein kleiner Laden, der allerdings gerade geschlossen werden sollte. Die Öffnungszeiten sind in Spanien und Portugal ja Glücksache, aber hier wurde samstags um 12h30 dichtgemacht. Das "Restaurant" war ebenfalls ein Griff ins Wasser: Eine einzige Bedienstete stand hinter der Theke und musste auch noch den Laden mit versorgen, in den sie zwischendurch sauste, wenn Kunden hineingegangen waren. Einzig aus der Küche schaute noch eine alte Frau zum Helfen. Nun, da gab es nur Butterbrote (tostadas mistas), die gleichzeitig mit Käse und Schinken belegt waren, wenigstens nicht die kulturnivellierenden Sandwiches, die man in allen Flugzeugen bekommt. Das musste reichen. Es saßen hier einige Pilger, darunter Finnen (auf dieser Tour waren unglaublich viele Länder und Sprachen vertreten), und dauernd kamen andere hinzu und fragten nach Speisesaal und Menükarte. Alle mussten sich dann mit den Broten und etwas zu trinken begnügen, aber ich habe schon schlimmer gelitten. Meine Pilgerschwestern besorgten sich noch Obst und Joghurt aus dem Laden, bevor da endgültig die Tür zuging. Inzwischen hatten uns also in Barcelos gestartete Schnellläufer eingeholt. Na, egal.

Als nächste Prüfung stand der Pass Portela da Facha auf unserem Marschplan, immerhin mit 190 m laut Handbuch nur 5 m niedriger als Portela de Tamel. Also sagte ich meinen Pilgerschwestern, sie möchten den Geländegang einlegen. Kinn nach vorn geschoben und - durch Speis und Trank gestärkt - entschlossen los.


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Auf dem Marsch
Erst einmal die folgende Straße steil hoch, naja, wie zur Kapelle am Vortag, wirklich machbar, dann schon wieder ebener. Danach rechts 30 m Asphalt steil hoch, aber gleich wieder nach links, nur schwach steigend. Also, "steil und steinig" (Handbuch) sah für meine Begriffe anders aus. Dann erreichten wir laut Ortsschild Portela. "Wo ist denn jetzt der Pass?" fragte Ludmilla. Ich konsultierte nochmal das Handbuch. "Äh, hier" antwortete ich dann, selbst etwas verwirrt, "Portela liegt oben drauf, heißt mit vollem Namen Portela da Facha." Wir brachen in etwas erleichtertes Gelächter aus. Das war ja gegen den Aufstieg zur Portela de Tamel gar nichts gewesen. Der Unterschied ist der, dass man hier vorher nicht so weit heruntergekommen war wie in Barcelos.

Hinter dem Ort ging es abrupt links, dann zunächst sehr steil und steinig durch Wald, dann wieder durch Weinfelder bergab. Rechts lag eine Unterkunftsmölichkeit, die private Pension von Lina und Han, informierte das Handbuch. Später sahen wir einen Bildstock mit Sankt Jakob aus Kacheln geformt, sehr schön.
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St. Jakob als Kachelbild

In Campo Novo rasteten wir gegen 15 Uhr noch kurz in einer Bar, die auch einen kleinen Laden hatte. Ein nettes junges Mädchen verkaufte uns gern Wasser und etwas Obst. Von der weiteren Strecke ist kaum etwas Besonderes zu vermerken: eben, viele kleine Dörfer, viel Wein; immer parallel zur N203. Mein Notizbuch vermerkt, dass es leider oft über grobes Kopfsteinpflaster ging, was meinen Füßen nicht guttat. Im weiteren Verlauf des Weges passierten wir eine fast ununterbrochene Bebauung, in der in Abständen nur neue Ortsschilder auftauchten. Endlich erreichten wir hinter Barros vor praktisch geschlossener Bebauung eine alte Brücke und glaubten uns schon am Ziel, aber es ging links zu einer Kapelle (Capela Nossa Senhora Das Neves) und an dieser vorbei noch sehr lange an dem Flüsschen weiter, das keineswegs schon die Lima war. Dann erst schimmerte ein größerer Fluss links durch die Büsche, und noch später erreichten wir die Uferpromenade, bis sich (16h30) der Blick auf eine moderne Brücke und auf eine viel weiter entfernte alte Brücke auftat. Es waren wieder die "langen letzten Kilometer".


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Vor der Herberge
Als wir die Stadt erreichten, wimmelte diese von Wochenendtouristen, die uns entsprechend angafften. Wir wussten, wie der Weg weiterging: natürlich über die alte Brücke, ein Gang, den man genießen musste. Hinter der Brücke kam eine Kapelle, und das nächste Gebäude rechts gehörte schon zur Herberge, was wir aber nicht wussten. Wir liefen geradeaus und schauten nach der Herberge aus, bis uns rechts jemand aus einem Fenster zuwinkte: Wir standen schon vor dem Eingang. Gleich rein in die Rezeption. Vor uns standen nur wenige Pilger, weil die Herberge erst um 17 Uhr geöffnet hatte, und nun war es 17h40. Fast alle waren früher als wir dagewesen, hatten es sich irgendwo gemütlich gemacht und kamen nun teilweise später in die Herberge als wir.

Auch Fußgänger zahlten nun 5 € (im Handbuch steht noch 3 €). Es gab strikt der Reihe nach zugeteilte Betten. Ich hatte etwa die Nummer 13. Vor mir war ein niederländisches Paar gewesen, mit dem wir auch schon gesprochen hatten; die lagen nun links von mir. Es gab wohl drei Schlafräume, aber nur zwei wurden aufgeschlossen, ganz nach Bedarf. Ausschließlich Betten zur ebener Erde, niemand musste also "oben" schlafen. Das war gut. Weniger gut war, dass nur den ersten 10 Betten Wandschränke zugeordnet waren. Ich musste alles auf den Boden legen. Zum Glück landete ich in einer Ecke des Durchgangs zur Terrasse, hatte an der Wand also viel Platz. Stühle und Regale gab es nicht. Meine vier Begleiterinnen lagen rechts von der Terrassentür nebeneinander und hatten hinter sich Balken, an denen sie Sachen aufhängen konnten. Da sie genau eine Reihe einnahmen, hatten sie so ihren eigenen Bereich. Das war per Zufall sehr glücklich hingekommen. Von 18 Betten blieb das letzte an der Tür frei. Der zweite Schlafsaal muss ähnlich belegt gewesen sein. Da auch Radfahrer aufgenommen wurden, war die Herberge abends ganz schön voll.
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Schlafraum

Rudelduschen mit Bauchtanz

Zum Duschen gab es eine unangenehme Überraschung. Dass man sich im Vorraum vor den Klos der letzten Hülle entledigen musste, war ich schon fast gewohnt (in Rates war der Toilettenbereich aber abgetrennt). Hier kam noch hinzu, dass es in dem eigentlichen Duschraum dahinter 2 Brausen links und 2 Brausen rechts und sonst keinerlei Nischen oder Trennwände gab, also ideal für begeisterte Rudelduscher; ich finde das nicht so prickelnd. Bei den Frauen nebenan war's genauso, erzählten sie nachher. Und feste Duschköpfe und nicht regelbare Wassertemperatur, alles Minuspunkte. Andernorts kam noch hinzu: Wenn man den festen Strahl auf den Rücken bekommen wollte, musste man sich nach hinten schieben, kam dann mit seinem Allerwertesten unweigerlich an den Mischerhebel und stellte das Wasser ab. Die deshalb notwendigen Verrenkungen hätten sicher einen Spitzen-Loriot-Sketsch ergeben. So muss der Bauchtanz erfunden worden sein.

Heute wurde das Vergnügen noch dadurch abgekürzt, dass der Wasserstrahl nach wenigen Minuten auf einmal so heiß wurde, dass ich mich verbrühte und auf der Flucht beinahe in den nächsten Mitduschaspiranten rannte: ausgerechnet einer von diesen kontaktablockenden Mitpilgern. Ich murmelte was von "Sauheiß! Hält ja keiner aus!" (es war laut Herbergsbuch in Portela de Tamel ein Deutscher) und floh aus dem Duschraum. Diesmal war ich an dem wie gewöhnlich vor den Toiletten entstehenden kleinen See auf dem Fußboden mitschuldig. (Furchtbare Rutschgefahr für diejenigen, die sich nur arglos erleichtern wollen.) Man sollte mich bei der Planung der Duschen der nächsten Pilgerherberge hinzuziehen. Die von Rates oder die von Portela de Tamel könnte da Vorbild sein.

Pilgermenü um die Ecke

Aber noch hatte ich mein Pulver als Führer der Gruppe nicht verschossen. Während die Frauen sich an die Wäsche machten, zog ich los, ein Abendessen zu erkunden. Die Niederländer neben mir hatten einem Italiener mehr gesten- als wortreich beschrieben, wie man (viel zu weit weg) in der Stadt ein tolles Menü für 9 € bekam. Nur kurz draußen geschnüffelt: Da liegt doch nur 2-3 Häuser weiter rechts eine Bar und bietet ein Pilgermenü für 8,50 € an. Jawohl, das gäbe es auch abends und wann immer wir wollten (ich weiß schließlich, was man vorher fragen muss). Ich ließ gleich reservieren und rannte zu meinen Pilgerschwestern zurück. Alle freuten sich, da wir heute bislang nichts Vernünftiges zwischen die Zähne bekommen hatten. Insgesamt war der Entschluss richtig, wir haben gut und reichlich gegessen. Aber wieder kam nicht von selbst alles, was draußen angeschlagen war. Suppe erst auf Nachfrage und als "2. Gang", naja. Es war Gemüsesuppe, sie schmeckte nicht schlecht. Auch draußen saßen Gäste, die Menü bestellt hatten. Denen erging es wie uns, wie ich beobachtete. Aber wieder hatte ich (satt wie ich war) keine Lust, Theater zu machen. Zum allerletzten Mal, das schwor ich mir wieder.


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Blick von der Terrasse
In der Pilgerherberge zurück, erkundigte ich mich bei der Dame am Empfang nach Abendmessen: Heute am Samstag zu spät, um noch rechtzeitig zur Schließenszeit wieder da zu sein. Morgen früh um 7 Uhr in der Stadt zu früh und in der Kapelle um 9 Uhr zu spät. Schade! Allgemeiner Beschluss: Wir machen dafür heute Abend eine ausführlichere Andacht. Das taten wir dann auch, und zwar in dem wunderschönen, beschatteten Garten der Herberge, eine hundertjährige Palme als Hintergrundkulisse. Bei warmen Wetter hätte man auch dort zwischen den Büschen auf dem Rasen schlafen können. Von oben vor dem Schlafraum, von der Terrasse, auf der unsere Wäsche flatterte, gab es eine Feuertreppe direkt hinunter.

Hedwig und ich gingen abends noch über die (ja sehr lange) Brücke spazieren. Leider sahen wir nur die Häuserfront von der anscheinend sehr schönen Altstadt. Hierhin möchte ich mal als Tourist wiederkommen. Ein Volksfest am Fluss raubte uns dann bis ca. 2 Uhr morgens die Nachtruhe. Ich versuchte mitten in der Nacht, im Halbdunkel meine Ohrenstöpsel aus meinem Toilettenbeutel zu fischen. Der ist nachts immer griffbereit ist, hängt gewöhnlich an einem Bettpfosten, aber ich fand die Stöpsel nicht. Dann nahm ich den Beutel mit auf einen Gang zum Klo, mit meiner neuen Stirnleuchte, die Hedwig mir zu Weihnachten geschenkt hatte. Äußerst praktisch! Auch in hellem Licht und nach Ausleeren des Beutels waren keine Ohrenstöpsel zu finden. Musste ich zu Hause vergessen haben. Früher hätte ich vor Ärger nicht schlafen können; in dieser Nacht war ich die Gelassenheit selbst, wachte zwar immer wieder auf, aber schlief auch immer wieder ein.


16. Juni 2013, Sonntag: Von Ponte de Lima nach Rubiães, 17,3 km (115,4 km)

Auf diese Etappe konnte man gespannt sein, sie würde einiges an Erlebnissen bringen. Der Sonntag begann mit strahlendem Sonnenschein, tat seinem Namen alle Ehre. Wir kamen recht früh los, noch vor 8 Uhr, obwohl wir erst zur Kapelle zurückgingen, um dort unsere Morgenandacht zu halten. Wir hatten eine Kurzetappe vor uns, aber mit der höchsten Steigung des Weges. Das würden wir trotz verpflasterter Füße schaffen, da war ich mir sicher.


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Durch schöne Natur
Zunächst machte der Pilgerweg einen Rechtsbogen um den Bebauungskomplex, zu dem die Herberge gehörte, bis wir wieder am Fluss herauskamen. Rechts von uns lag die Kapelle. Warum konnte man nicht von dort einfach den Fluss entlang hierhingehen? Einer von diesen unbegreiflichen Zusatzschlenkern auf diesem Weg. Dafür wurde man auf den nächsten Kilometern aber gleich mit einem wunderschönen Fußweg, teils über große Steinplatten (kein Problem für die Füße) belohnt. Übrigens tauchte gleich am Anfang rechts ein Schild auf: Frühstück ab 6 Uhr. Vor dem Haus rechts im Wald stand ein Mann und wartete auf Kundschaft. Aber wir hatten wie immer schon in der Herberge gefrühstückt, wenn auch etwas karg, da wir ja nicht zum Einkaufen gekommen waren.

Der erste Höhepunkt des Tages kam nach gut 1,5 km gegen 8h30, als wir die Autobahn erreichten. "Halt!" gebot ich, "Wir haben eine angenehme Pflicht zu erfüllen." Die anderen schauten einen Moment erstaunt, dann begriffen sie: Unsere beiden Neulinge Ludmilla und Marianne hatten mit uns die 100-km-Marke erreicht und bekamen deshalb die "Pilgertaufe". Ich kramte zwei Muscheln mit Kordeln aus meinem Rucksackaufsatz. Die hatte ich heimlich in Portela de Tamel zum Amüsement des Herbergsvaters, dem ich den Zweck erklärte, erworben. Ich verlieh als "Dienstältester" beiden also feierlich das Recht, die Pilgermuschel zu tragen und anderen gegenüber den offiziellen Pilgergruß "Ultreia" zu verwenden. Halb war es eine Posse, halb rührte es uns dennoch an; es war ja auch ein äußeres Zeichen, dass wir alle zusammengehörten. Erhobenen Hauptes ging es dann weiter.
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100 Kilometer geschafft

Wie ich zwei Ohrenstöpsel schnorrte

Ca. 3 km weiter erreichten wir an einem Flüsschen die Bar Palacio das Trutas (Forellenpalast) mit einer etwas merkwürdigen Bedienung. Besitzerin schien eine Frau zu sein, die nach Brasilianerin aussah, während eine andere Frau ihr vorsichtige Tipps gab, was zu tun sei, z.B. ob man wohl "Orangensaft natur" hatte und tatsächlich auch herzustellen bereit war; am Ende dann die Rechnung: meine Zeit, war rechnen schwierig! Wir sahen hier mehrere Pilger, z.B. stiefelten zwei spanische Mädchen vorbei, die wir schon kannten usw. Auf einmal kam auch noch Ralf aus Bamberg daher. Er war von Barcelos aus mit dem Bus nach Braga gefahren, was auch das Handbuch empfiehlt. Jetzt hatte er uns schon wieder eingeholt. Er habe in Ponte de Lima gleich am Ortseingang übernachtet, erzählte er. Ich erinnerte mich an eine Reklametafel, evtl. war es die Jugendherberge (Albergue juvenil). Ich berichtete von meinem Missgeschick, die Ohrenstöpsel vergessen zu haben. Da kramte er zwei raus und schenkte sie mir. Das war aber nett. Leider haben wir ihn danach nicht mehr wiedergesehen, sonst hätte ich sie ihm zurückgeben können, denn Tage später fand ich meine eigenen Ohrenstöpsel doch noch: sie waren fälschlicherweise im Verbandszeugbeutel, wohl in letzter Minute zu hastig eingepackt. Das ist die Folge, wenn man nicht dafür sorgt, dass alles, auch das kleinste Ding, im Gepäck genau seinen festen Platz hat (und behält).

Achtung: neue Brücke

Hinter der Bar folgte ein weniger schönes Wegstück an der Autobahn entlang. Auf einmal ging es steil nach unten zu einer ganz neuen Brücke über einen Bach. Hier vermerkt das Handbuch noch eine Notbrücke in Form eines breiten Eisenträgers. Dieser ist auch noch da, muss aber nicht mehr benutzt werden. Auch Radfahrer können die neue Brücke, die natürlich auch ein Geländer hat, ohne Schwierigkeiten passieren.


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Am Franzosenkreuz
Langsam kamen nun Steigungen. 11h45 erreichten wir den Brunnen Fonte das Três Bicas ("Quelle der drei Wasserstrahlen"). Ab da ging es in schöner Landschaft einige Abschnitte steil aufwärts. Die vom Handbuch angekündigte "sandige Piste" kam wieder mal später als erwartet. Sie war nicht zu verkennen, sehr breit, kein Sandpfad. Noch einmal ging es steil hoch, wie durch ein Bachbett, mit großen Steinen, aber trotzdem für meine Füße angenehmer als die verflixten Kopfsteinpflasterwege. Dann hatten wir das Cruz dos Franceses (Franzosenkreuz) erreicht und ließen uns zu einer Pause nieder. Hier holten wir auch den "Engel des Herrn" nach, es war inzwischen schon 13 Uhr. Wie das Cruz de Hierro auf dem Rabanalpass war auch dieses Kreuz samt Umgebung durch allen möglichen Krimskrams verschandelt. Ich frage mich, ob die Leute kein Gespür dafür haben, dass sowas Barbarei ist. Karnevalsflitter an einem Ort, an dem viele Menschen gewaltsam ums Leben kamen!

Ein zu empfehlender kleiner Umweg

Nun war es nicht mehr weit bis zum höchsten Punkt. Auf der nächsten Schotterpiste geht der Pilgerweg direkt dahinter sehr steil durch grobes Gestein nach oben. Konni und ich probierten das aus, die anderen liefen rechts auf der Piste weiter und bogen danach in den nächsten Waldweg nach links ab, der ebenfalls nach oben führte. Ich kann zu diesem kleinen Umweg von 200-300 m raten, denn der direkte Aufstieg, wie Konni und ich ihn liefen, ist sehr schwer und unnötig. Oben links kommt man an eine Aussichtsterrasse (mit Holzgeländer), von wo aus man noch einmal zurückschauen kann. Diese Terrasse ist auch von dem Waldweg aus (ca. 100 m nach links) zu erreichen, wo beide Alternativen wieder zusammentreffen. Gleich darauf (13h35) war der höchste Punkt erreicht, wir hatten die Portela Grande geschafft, ohne uns völlig zu verausgaben.

Der steile Abstieg, teils über Felsen, war wieder landschaftlich schön und kräftemäßig durchaus machbar. Auch die Füße litten nicht. Einmal geht es noch ein kleines Stück zu einem Wegekreuz hoch, auch mussten wir den einen oder anderen schmalen Bach mit einem beherzten Schritt überwinden, alles kein Problem. Dann erreichten wir wieder Ortschaften und gingen unter einem grünen Dach aus Weinpflanzen durch Hohlwege (um 14 Uhr).


14h15, bei Águalonga. Ich bin der Letzte. Vor mir schrille Schreie, und Marianne bringt sich mit Bocksprüngen vor irgendwas in Sicherheit. Schreit sie "Schlange"? Sollte sich hier einer meiner lang gehegten Wünsche erfüllen, mal einmal beim Pilgern eine lebende Schlange zu sehen? Dem Geschrei nach lebt sie noch (die Schlange, nicht Marianne, die natürlich auch). Ich renne nach vorn, und dann sehe ich sie selbst: ein beeindruckend großes Exemplar, ca. 1 m lang und erstaunlich dick. Sie hat auf der Straße gelegen und wollte wohl Wärme tanken, dachte, dass heute alle Pilger vorüber seien, als wir Nachzügler beinahe über sie stolpern. Marianne hatte sie für einen Ast gehalten, da sie ausgestreckt dalag und sich nicht bewegte, perfekt getarnt. Auf einmal, als Marianne fast auf sie trat, rollt sich der Ast zusammen und faucht. Da hätte ich auch geschrien.

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Schlange im Hohlweg

Die Schlange hat Glück: Wir sind naturbegeistert und lassen sie in Ruhe, schlagen sie nicht gleich tot, wie das den Einheimischen nachgesagt wird. Wegen der steilen Wände des Hohlweges kann sie nicht sofort entkommen, schlängelt sich am Rand entlang, versucht, sich hochzuziehen, fällt zurück. Endlich hat sie eine Stelle erreicht, wo die Wand etwas stufig ist, und mit einem letzten Fauchen zieht sie sich hoch und verschwindet in der graubraunen Vegetation. Aber nicht, ohne vorher fotografiert zu werden.

War es eine Eidechsennatter?

Ich habe inzwischen im Internet recherchiert. Nach dem Aussehen und dem Verhalten muss es eine Eidechsennatter gewesen sein, durchaus giftig (eine "Trugnatter"), aber für Menschen ungefährlich, da nur die erfasste Beute innen im Maul Gift aus den Zähnen eingeträufelt bekommt. Hohle Giftzähne, mit denen Schlangen Gift spritzen, hat sie nicht. Unfälle mit Eidechsennattern sind nicht bekannt. - Das war ein tolles Erlebnis, auf das ich Jahre gewartet hatte. Aber nur Hans, der mir auf unseren früheren Pilgerwegen meistens vorauslief, hat hin und wieder mal kurz eine Schlange gesehen. Bis ich dann heran war, war sie längst weg.

Ab jetzt wurde jeder Ast auf dem Wege beäugt, und besonders die von Eukalyptusbäumen sahen wirklich einer Schlange sehr ähnlich. Doch sollten wir kein weiteres Reptil auf unserer diesjährigen Pilgerfahrt entdecken.

Das letzte Stück bis zur Herberge

Wir liefen nun auf eine Nationalstraße zu, vor uns die Pension O Repouso do Peregrino ("Die Ruhestätte des Pilgers"), bogen dann nach rechts und verließen kurz darauf die Straße wieder. Dann erschien links unten eine Kirche, um die es von Leuten wimmelte. Offensichtlich ein Pfarrfest, und neben dem Pfarrer stand auch noch jemand im Bischofsornat. Man schaute zu uns hoch. Halb erwartete ich lebhaftes Herbeiwinken, aber wir waren ja nicht in Spanien. Also zogen wir weiter, und kurz darauf (15h13) lag links die Herberge, dahinter verlief die Nationalstraße.

Unangenehme Überraschung

Ich hatte mir um Betten keine Sorgen gemacht. Sicher liefen die anderen, die uns ja längst voraus waren, keine Kurzetappe, um dann hier den halben Tag in der Einsamkeit zu versauern. Um so größer war die Überraschung, als ich die zwei Schlafräume (einen großen und einen kleineren) inspizierte: alles recht voll. Nur in dem größeren schienen noch zwei untere Betten frei zu sein, obere allerdings noch jede Menge. Tja, die anderen Pilger hatten auch nicht mehr bis Valença gewollt, das wären heute 32,6 km gewesen, und so mancher Fuß brauchte sicher wie unsere etwas Erholung.

Nun ist es nicht das Angenehmste, über Fremden zu liegen, besonders wenn der Fremde zum anderen Geschlecht gehört, weil man zwangsweise den Raum vor dem Doppelstock gemeinsam nutzen muss. Es half nichts. Ich führte meine Gruppe herein. Marianne und Ludmilla nahmen sich zwei obere Betten in einer Ecke. Es stellte sich dann zum Glück heraus, dass darunter die beiden jungen Spanierinnen schliefen, die momentan nicht da waren. Ich nahm dann den Block mit zwei Doppelstockbetten in der Zimmermitte, als sich herausstellte, dass das zweite der unteren Betten auch noch belegt war. Nun ja. Also war es noch das Beste, dass Hedwig und ich die beiden oberen Betten nebeneinander nahmen, so dass für Konni das einzige noch freie untere übrig blieb. "Der fremde Kerl" (O-Ton Konni), der dann nachts neben sie zu liegen kam, stellte sich als älterer, sehr höflicher Franzose heraus, der war auch kein Problem. Ein weiteres Paar Franzosen, das wir schon länger kannten, hatte, wie es gute Sitte ist, Betten übereinander genommen. Die beiden waren nicht verheiratet, sondern nur zusammen unterwegs, während die Ehepartner zu Hause geblieben waren. Ich sprach mit der Frau erst Spanisch, bis sie anmerkte, dass ihr Kamerad kein Spanisch, aber Englisch verstand, so dass ich dann die Sprache wechselte. Sie war ein richtiger Caminojunkie und einmal sogar von zu Hause in der Bretagne nach Santiago gelaufen.

Inzwischen waren noch weitere Pilger gekommen und hatten obere Restbetten belegt. Darunter zwei junge Portugiesen, die wir das erste Mal in Rates gesehen hatten. Am Ende konnten wir mit unseren Betten noch gut zufrieden sein.

Trainingslager zur Pilgertaufe

Es fiel mir auf, dass sich die Art und Weise der Unterbringung Stufe für Stufe so entwickelt hatte, als seien wir in einem Trainingslager: Erst im Privatquartier, das Ehepaar von den anderen getrennt. Dann auf dem Campingplatz schon unter einem Dach, aber immer noch in getrennten Zimmern. Dann in den ersten Herbergen alle zusammen, aber in einem Zimmer für sich und erst jetzt unsere Gruppe verstreut zwischen anderen Pilgern und zum Teil erstmalig in oberen Betten. Gehörte wohl auch zur "Pilgertaufe" ;-)


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Herberge in Rubiães
Diese Herberge hatte einige Vorzüge. Die Duschen waren ok, Einzelkabinen mit Vorhang. Die Eisengestelle der Betten hatten oben an der Seite eine bügelförmige Stange, die nicht nur verhinderte, dass man rausfiel, sondern auch beim Hochziehen sehr wichtig war, da man da beide Hände einsetzen konnte. Außerdem konnte ich meinen Beutel mit den Nachtsachen an dieser Stange festknoten. In anderen Herbergen gab's nur einfache Holzgestelle ohne Seitenschutz, mit den entsprechenden Nachteilen. Sehr großer Aufenthaltsraum, im Korridor ein Gestell, um die Schuhe abzustellen. Übernachtung gegen eine Spende, 5 € waren üblich.

Besuch im Restaurant Bom Retiro

Draußen zogen Wolken auf. Da hatten wir heute Glück gehabt. Während die anderen sich um die Wäsche kümmerten, wurde ich zum "Schnüffeln" losgeschickt. Von der Nationalstraße aus sah man unten hinter einer langgezogenen Linkskurve einige Gebäude, unter denen ich das im Handbuch vermerkte Restaurant Bom Retiro ("guter Rückzug") vermutete. Tatsächlich kann man von oben das Haus an dem grünen Reklameschild erkennen. Ich lief ca. 500 m die Nationalstraße hinunter, nicht ohne mehrfach die Seite zu wechseln, je nachdem, wo ein breiterer Seitenstreifen oder sonstige Ausweichmöglichkeit war. Auf halbem Wege, vor einigen geparkten LKWs, ging der Pilgerweg von der Straße in den Talgrund hinunter. Musste ich mir für morgen merken. Bald hatte ich das Restaurant erreicht und sprach einen jungen Mann mit den üblichen Fragen an: Was gibt es hier? Wann gibt es das? usw. Er zeigte mir eine beeindruckende Karte, vor allem mit Tellergerichten, bei denen einiges inklusive war. 18 Uhr wäre in Ordnung, ich reservierte gleich 5 Plätze.

Meine Pilgerschwestern waren von meinen Schnüffelkünsten wieder angetan, und Punkt 18 Uhr waren wir (bei strömendem Regen) am Restaurant. Diesmal war alles reell, es wurde ohne Rückfrage geliefert, was im Tellergericht inbegriffen war. Wir hatten übrigens gut daran getan, früh zu reservieren, denn ab 19 Uhr war die ganze Herberge im Speisesaal und musste zum Teil lange auf das Essen warten. Ich war froh, als wir auf dem Rückweg die gefährliche Nationalstraße hinter uns hatten. Nachts fuhr ich wegen Krämpfen im linken Bein hoch, die ich bekam, sobald ich dieses anzog. Durch vorsichtiges Trainieren legte sich das. Einmal ging ich unter Einsatz der Kopflampe zur Toilette, das klappte sehr gut.


17. Juni 2013, Montag: Von Rubiães nach Tui, 21,3 km (136,7 km)

5h30 wachte ich endgültig auf, viele waren schon am Packen. Ich ging schon mal zum Waschen. Wie immer morgens allein im Waschraum. Die übrigen Männer putzten sich wohl nach dem Frühstück die Zähne, aber das Frühstück nahmen die meisten ja erst unterwegs ein. 6 Uhr stand dann auch unsere Gruppe auf. Wie bei früheren Pilgertouren profitierten wir davon, dass die "Knistertüten" schon davongehastet waren und deshalb mehr Platz im Schlafraum war.

"Nix da, es geht weiter!"

Karges Frühstück, da wir ja wieder nicht zum Einkaufen gekommen waren. Im Restaurant Bom Retiro hatten wir aber Wasser und etwas Obst bekommen können. Nun, Hauptsache, wir bekamen immer unseren Kaffee. Schon 7h35 "geordnetes Abrücken" (ich spielte immer den Feldwebel, zum Gaudi meiner Pilgerschwestern). Ludmilla hatte schon in der zweiten Nacht von einem luxuriösen Buffet geträumt, da sei ich dazugekommen und habe gesagt: "Nix da, es geht weiter!" - Dieser Spruch wurde mir noch manches Mal unter die Nase gerieben, obwohl ich doch gar nichts für Ludmillas Träume kann :-) Die Morgenandacht wurde auf die nächste Kapelle verschoben, aber da keine kam, nahmen wir später einfach eine Bushaltestelle an der Nationalstraße.


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Unförmige Gestalten
Beim Heraustreten aus der Herberge begrüßte uns Regen, also gleich wieder zurück. Marianne, Hedwig und ich zogen unsere unförmigen Regenumhänge an. Konni hatte nur eine dünne Regenhaut und Ludmilla nur eine Abdeckung für den Rucksack sowie einen Schirm. In diesem Jahr erlebten wir nur mäßigen Regen, keinen Stark- oder Dauerregen, und da reichte die leichte Ausrüstung der beiden. Mir passierte, was ich schon lange befürchtet hatte: ein Windstoß wehte meinen Umhang an einen Maschendraht, und ratsch, hatte ich eine Klinke in meinem Umhang, ehe ich reagieren konnte.

Wieder scharfkantiges Kopfsteinpflaster

Wie schon am Vortag bemerkt, mussten wir zunächst in Richtung des Restaurants, dann links ab in die Talniederung, ein sehr schöner grüner Weg, zwar wieder bepflastert, aber man konnte auf einen dünnen Grünstreifen ausweichen. Marianne hatte jetzt zunehmend Probleme mit ihren Füßen und nahm Schmerztabletten. Das gab Anlass zur Sorge. Denn leider gab es heute wieder viel scharfkantiges Kopfsteinpflaster, das auch meinen Füßen heftig zusetzte. Wo es eben ging, versuchte ich, auf den Wegesrand oder Grasbüschel auszuweichen, Asphalt war weiterhin kein Problem.

Über den Pass von Porta Aberta

Wieder einmal kamen wir im Talgrund über eine Römerbrücke. Das war wohl der niedrigste Punkt heute, denn ab da mussten wir einer kleinen Höhe Porta Aberta entgegen, aber es ging nur gemächlich höher. Zunächst trafen wir auf die Nationalstraße. Dort saßen einige Pilger vor einem Laden, den auch das Handbuch erwähnt (1 km war mir zu weit von der Herberge entfernt). Die nächsten Kilometer bis São Bento da Porta Aberta (mit Bar und Laden) habe ich gar nicht in Erinnerung, die Steigung muss also minimal gewesen sein. Wir machten offensichtlich keine Pause, obwohl die 5-km-Marke erreicht wurde, weil das Wetter uns frisch hielt und niemand eine Rast brauchte.

Zwei überflüssige Schlenker

Erst in Gontomil gab's wieder etwas zu notieren. Hinter dem Ort führt ein gelber Pfeil links einen steilen Abhang hinunter, während man 200 m voraus einen weiteren Pfeil sieht, der halbrechts nach oben verweist. Die Lösung dieses Rätsels konnte nur sein, dass der Weg innerhalb dieser 200 m von links unten schon wieder auf die Straße vor uns führte. Was sollte dieser blödsinnige Schlenker? Wir verzichteten also, ebenso auf den nächsten Abzweig nach rechts oben, vor dem das Handbuch auch bei Regenwetter warnte, denn auch von diesem Schlenker stößt man wenige 100 m weiter bei der nächsten Kreuzung wieder auf dieselbe kleine Straße, die wir nun einfach geradeaus weiterliefen.


Bei der nächsten Häusergruppe ging es an erwähnten Kreuzung links ab auf eine weitere kleine Asphaltstraße, die durch die Streusiedlung Pereira immer noch bergab führte. Dann gab es (kurz nach 10 Uhr) eine überraschende Abzweigung nach rechts, ein wunderschöner Steinplattenweg an einem Bach entlang, auf die nächste Ortschaft Fontoura zu. Dieser Abzweig ist im Handbuch gar nicht erwähnt.

In Fontoura lagen nebeneinander eine Bar und eine Cantinho de peregrinos, letztere war aber geschlossen. Also in die Bar, 5x café com leite. "Es gibt wieder was zu feiern," sagte ich, "hier haben wir 'Bergfest'", d.h. die Hälfte unserer diesjährigen Pilgertour erreicht. Das hatte ich vorher ausgerechnet. Dabei hatten wir erst 5 von 12 Übernachtungen hinter uns, was zeigt, dass die Etappen der zweiten Hälfte etwas kürzer ausfallen würden. Rechnerisch fehlten übrigens noch 5 km an der Hälfte, aber es gab laut Handbuch vor Valença keine Bar mehr.

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Schöner Weg nach Fontoura

Restaurant Maritone 2 zu empfehlen

Gegen 10h30 zogen wir mit frischen Kräften weiter und liefen zügig, kamen nach 5 km an einer überschwemmten Stelle vorbei, die man aber ohne Schwierigkeiten auf einem Pfad nach links durchs Gebüsch umlaufen konnte. Hier war rechnerisch die Hälfte unserer Tour. Kurz vor Mittag gab es ein Hallo: Rechts im Grünen rastete das französische Pilgerpaar, das uns wie alte Bekannte begrüßte. Gegen 12h45 erreichten wir die Nationalstraße. Hier sollte es laut Handbuch was zu essen geben. Tatsächlich lag gegenüber ein Restaurant mit dem merkwürdigen Namen Maritone 2, in dem wir ein sehr gutes Menü bekamen. Es wurde alles gebracht, ohne Rückfrage, samt Kaffee nach dem Nachtisch! Der Kellner wollte mir noch erklären, warum wir zwei überzählige Bier bezahlen mussten, aber da konnte ich gleich mit "Ist doch klar, alles in Ordnung" abwinken. Dieses Restaurant kann man sehr empfehlen.


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Blick hinüber auf Tui
Bis Valença gibt es dann nichts mehr zu berichten. Der Jakobsweg führt (wenn man nicht zur Herberge will) mitten durch die Stadt bis zu einem Kreisverkehr. Hier ging es im Prinzip geradeaus weiter, aber wie ich richtig vermutete, verpasste man dann die sehenswerte Altstadt. Ich schlug meinen Pilgerschwestern also einen entsprechenden Schlenker vor, wir hatten ja Zeit genug. Dazu musste man am Kreisverkehr halblinks weiter, ein Schild wies in Richtung Zentrum. Hier mischte sich ein Mann ein und wollte uns auf den Jakobsweg zurückscheuchen. In früheren Berichten hatte ich diese unwillkommenen "Helfer" Poraqui genannt, weil sie immer "Por aqui!" ("Hier entlang!") rufen. Wir konnten ihn abschütteln und liefen bis zur Festungsmauer, die die Altstadt umgibt. Links zum ersten Tor hinein und dann einmal der Länge nach hindurch, mit vielen schönen Ausblicken auf die Anlagen und vor allem auf das gegenüberliegende Ufer des Miño (ein alter Freund, vertraut von Lugo am Camino Primitivo, von Portomarin am Camino Francés und von Ourense am Mozarabischen Weg), der die Grenze nach Spanien bildet, die große Brücke darüber und die Stadt Tui, unser heutiges Ziel, mit der Altstadt auf einer Anhöhe rechts in der Ferne.

Überschreiten der Zeitgrenze

Mit etwas Mühe fanden wir gegen 15h30 den Weg hinter einer Kirche wieder aus Valença heraus. Dieser Schlenker hatte sich jedenfalls gelohnt. Auch der Weg über die gigantische Brücke war ein Erlebnis. Wir vergaßen nicht, die Uhren eine Stunde weiterzustellen (also auf 16h30), als wir das andere Ufer und damit Spanien erreichten.


Hier gab es ein Problem: Von drei möglichen Straßen war wohl scharf rechts die wahrscheinlich richtige, aber es gab keinen Pfeil und keinen Hinweis im Handbuch. Also liefen wir auf Verdacht in Richtung Innenstadt. An einer folgenden Kreuzung zeigt ein Pfeil nach rechts. Es ist ein Schlenker zum Flussufer zurück, das einen schönen Blick auf Valença und die Brücke bieten sollte. Nun, wir hatten heute genug gesehen, und es regnete auch schon wieder. Also ließen wir den Schlenker aus und liefen direkt auf die Altstadt zu. Als wir ihren Rand erreichten, zeigte auch gleich ein gelber Pfeil eine steile Straße nach rechts hoch, wir hatten die normale Route (die vom Flussufer irgendwo von rechts dazukommt) wieder erreicht. Ohne Probleme stiegen wir zur Kathedrale hoch, wo schon Pilger herumliefen und uns zeigten, dass man sie links umrunden muss, um etwas weiter unten rechts zur Herberge zu kommen.
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Spanische Grenze vor Tui

Erst einmal schauen, bevor man bezahlt

Ein freundlicher Herbergsvater saß im Empfang, wollte gleich 6 € kassieren. Ich fühlte mich sprachlich etwas befreit, weil ich wieder Spanisch sprechen konnte. Wer wusste, wie eng es oben im Schlafsaal war? Das wollte ich mir erst ansehen. Falls so voll wie in Rubiães, dann würden wir uns lieber nach einem Privatquartier umsehen. Der Herbergsvater war einverstanden, und ich ging innen eine Treppe hoch zum Schlafsaal B, wo wir unterkommen sollten. Ein Riesenraum mit viel Platz um die Doppelstockbetten, und außer einer Vierergruppe niemand darin. Da lief ich gleich zurück und gab meinen Pilgerschwestern grünes Licht.

Wir zahlten also, und der Herbergsvater führte uns selbst in die Herberge. An der Treppe gab es aber einen Anpfiff, als wir das Regal mit den Straßenschuhen unbeachtet ließen und die Treppe hochstapften. Zurück und erst Schuhe ausziehen! Ok, ich hatte die Schilder übersehen, ausnahmsweise sogar mit einer deutschen Fassung des Hinweises.

Sprachliche Beobachtung: Deutsch in Portugal

Ich schiebe hier eine sprachliche Beobachtung ein. Raimund Joos schreibt zu Recht, dass in Portugal alles auf Englisch eingestellt ist. Zusätzliche deutsche Beschriftungen hatte ich bisher nur in Portela de Tamel gesehen. Dabei war mir in Ponte de Lima eine äußerst interessante Statistik in die Hände gefallen: 2012 hatten in der dortigen Herberge rund 1.490 Portugiesen übernachtet, an zweiter Stelle - Deutsche und zwar 1.390! Dann erst in weitem Abstand ca. 750 Spanier; danach Franzosen, Italiener, Niederländer unter "ferner liefen", Briten und US-Amerikaner nur ein paar Handvoll. Deutsch müsste also einen ganz anderen Stellenwert haben. Dass das nicht so ist, liegt natürlich an unseren europäischen Bildungssystemen, die Englisch privilegieren, und auch daran, dass wir Deutschen unsere Muttersprache niemandem zumuten mögen: spricht uns einer in gebrochenem Deutsch an, antworten wir gleich in gebrochenem Englisch. Ähnlich verhielten sich viele Portugiesen, die ich erst darauf hinweisen musste, dass ich durchaus Portugiesisch mit ihnen sprechen wolle (sonst konnte ich doch nicht weiterlernen) ... In Spanien sind die Verhältnisse etwas anders, schon weil Spanisch selbst Weltsprache ist.

Sogar Afrikaans unter den Sprachen der Pilger

Zurück zur Herberge von Tui. Groß, modern, bestens eingerichtet. Die Holzbetten hatten zumindest teilweise oben einen Metallbügel. In unserem Schlafraum waren außer uns nur zwei Paare, die eine mir unverständliche Sprache sprachen. Ich hatte mich bei meinen sprachlichen Vermutungen (leider unterhielten sie sich immer nur leise) schon über Dänisch, Schweizerdeutsch zu Ungarisch verstiegen, als ich sie einfach ansprach und fragte: Es waren Südafrikaner und sie verwendeten Afrikaans! Ich wiederhole: Sagenhaft, wie viele Nationen und wie viele Sprachen man auf diesem Weg traf! Ich schaltete dann auf Niederländisch um, was sie nach eigenem Bekunden verstanden, aber nur mit Mühe. Eigentlich hatte ich schon Texte in Afrikaans gelesen und kannte auch einiges von der Sprache, aber von dem alltäglichen Plausch unserer Pilgerfreunde verstand ich nur selten mal ein Wort.


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Herberge von Tui
Der Herbergsvater hatte uns ermahnt, dass höchstens vier von uns (alle über 60) unten schlafen sollten, Konni als jüngste aber oben. Ich war auch bereit, das Bett über Hedwig zu nehmen, aber als ich mich einmal probeweise hochhievte, merkte ich, dass das nicht so gut wie in Rubiães klappte. War auch Quatsch, es waren Betten genug da. Die Südafrikaner hatten trotzdem brav zwei Doppelstockbetten bezogen, die Männer schliefen oben. So hielten sie es auch in anderen Herbergen, wie ich später beobachtete. Da sich aber kein weiterer Pilger zu uns gesellte (der Herbergsvater schickte wohl alles in Schlafsaal A und reservierte B für Gruppen), gab es keine Probleme. Auch Konni zog nach unten.

Einkaufsmöglichkeit in Tui

Zwei Straßen unterhalb der Herberge konnte man gut einkaufen. Marianne versorgte sich mit weiteren Schmerzmitteln. So konnte es eigentlich nicht weitergehen. Auch meine Füße waren langsam in einem besorgniserregenden Zustand. Ich löste die Pflaster ab: kleine Blasen am linken Fuß links und hinter der Ferse. Hacken in Ordnung, aber gereizt. Ballen stark gequetscht. Problemzeh mit neuer übler Blase. Ich verarztete mir und nachher auch den Pilgerschwestern die Füße. Im Waschbereich war wieder Rudelduschen angesagt. Schon wegen meiner frischen Pflaster verzichtete ich. Heute hatten wir ohnehin kaum geschwitzt.

Abendbrot vom feinsten

Abends bereiteten die Pilgerschwestern aus dem Einkauf ein luxuriöses Essen: Brot, Tomaten, Apfelschnitze, Melonenstücke, Käse ... Herz, was willst du mehr? Außerdem packten wir verschmitzt kleine Butterbehälter aus. Die hatte es mittags zu einer Vorspeise gegeben; wir hatten sie aber ruckzuck in unseren Taschen verschwinden lassen. Noch jetzt lachten wir über diese spontane gemeinsame Reaktion und brauchten an den Folgetagen nur "Butter" zu sagen, um den Dauerwitz wieder abzurufen und die anderen zum Lachen zu bringen.

Die Wäsche bekamen wir bei dem feuchten Wetter auf mitgebrachten Leinen im Schlafsaal nicht ganz trocken. Anderntags flatterte wieder manches gute Stück zum Trocknen hinten auf dem Rucksack.


18. Juni 2013, Dienstag: Von Tui nach O Porriño, 16,1 km (152,8 km)

Landschaftlich die mit Abstand mieseste Etappe, denn heute rangen gleich zwei Autobahnen und die Nationalstraße 550 um unsere Gunst, und muss der Pilgerweg wirklich mitten durch ein riesiges Industriegebiet südlich von O Porriño führen? Meine Galicienkarte (1:150.000) sagt nein: Es führt die Asphaltstraße PO-342 (die man ohnehin 1,5 km lang läuft) westlich von der AP-9 (E-1) durch die Ortschaft Bouzón zum Schluss im leichten Rechtsbogen nach O Porriño rein, zum Großteil durch Wald, wobei vor und hinter Bouzón die Autobahn unter- bzw. überquert wird. Umweg höchstens 1 km. Historischer Pilgerweg hin oder her, damit ist man ja sonst auch nicht so kleinlich.


Hinweis von 2020:
Inzwischen ist eine schönere Variante dieser Etappe neu ausgezeichnet und führt zwischen PO-342 und der N-550 immer in der Nähe des Flusses Louro entlang bis nach O Porri&ntilede;o rein. Ist sogar auf den Iberpix-Karten eingezeichnet.


Vermessene Gedanken

Pünktlich kurz vor 8 Uhr halten wir unsere Morgenandacht vor der Kathedrale. Schönstes Wetter. Alle anderen Pilger sind schon davongestoben, denn in normaler Etappenentfernung liegt die Herberge von Mos, mit nur 16 Betten. Außerdem soll sie nach neusten Berichten verschimmelt sein. Ich liebäugelte damit, in Mos zu entscheiden, ob wir nicht noch 9,8 km weiter bis Redondela gehen könnten, aber in Anbetracht unserer lädierten Füße war das eher unwahrscheinlich. Nun, sollte uns der liebe Gott das Problem unterwegs lösen, es würde uns dann schon was einfallen.


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Brücke hinter Tui
So getrost nahmen wir den Weg durch die Stadt auf, erst sehr schön, sogar durch einen Tunnel, dann über Treppen und an Kirchen vorbei. Später am Ende der Ortsstraße erreichten wir eine Brücke, hinter dieser noch ihr mittelalterlichen Gegenstück, gut erhalten. Wir ließen die Brücke aber rechts liegen und kamen nach einiger Zeit wieder in eine kleine Ortschaft (A Pióna), die man nicht einmal in Google earth findet. Dort stießen wir auf eine seltsame Pilgergruppe, im Prinzip "Vatern treibt seine widerwillige Familie (Mutter? und Tochter) vor sich her". Nun sind nicht alle Pilger und "Pilger", die man trifft, Herbergsbettenkonkurrenz. Dieser schicksalsschwere Satz sollte heute noch eine große Rolle spielen. Jedenfalls ließen wir diese Dreiergruppe mühelos hinter uns zurück.

Jetzt ging's endgültig los, nämlich mit den Autobahnen und Schnellstraßen. Wir überquerten das Autobahndreieck nördlich von Tui und kamen auf eine ehemalige Fernstraße (PO-342), breit und mit Fahrradweg rechts daneben, ohnehin wegen der Autobahnen rechts und links kaum befahren. Kurz nachdem man die Autobahn unterquert hat, verlässt man die PO-342 nach rechts und überquert die Autobahn gleich wieder.

Gegen 9h30 hatten wir die erwähnte "historische Stelle" erreicht, nämlich das Gedenkkreuz für einen hier verstorbenen Pilger.

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Gedenkkreuz für einen Pilger

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Die Fieberbrücke
Dahinter lag die ebenfalls nach diesem Ereignis genannte "Fieberbrücke", heute eine einfache Holzbrücke. Aber Vorsicht: glitschig und mit einzelnen bereits durchgefaulten Planken. (In Deutschland wäre sowas gesperrt.) Inzwischen rückten die Pilger, die in der Stadt gefrühstückt hatten, in hellen Scharen an, und ich machte, dass ich mit meiner Gruppe weiterkam. Wir waren ca. 100 m von der Brücke weg, als wir einen lauten Schrei hörten und uns umdrehten. Einer der älteren, langbeinigen Pilger war auf der Brücke gestürzt, ob ausgeglitten oder durchgebrochen, und blieb liegen. Da sich sofort einige um ihn kümmerten, mussten wir nicht weiter eingreifen und zogen weiter. (Die Pilgerschwestern trafen den Verunglückten später in Santiago mit einem Gipsbein wieder.)

Ein teures Restaurant

10h00 passierten wie die im Handbuch erwähnte alte Brücke vor Orbellne. Etwas weiter kehren wir in ein Restaurant ein, das 30 m rechts abseits liegt. Recht vornehm. Der Gastwirt ließ uns die Rucksäcke in einem Nebenzimmer abstellen. Preislich langte er zu: "Orange natur" 2,25 €, Cola 1,90 €, Kaffee 1,50 €. Aber der Schaden hielt sich ja in Grenzen; zur Vorsicht nahmen wir aber nichts zu essen. Später kurzer Halt an einem Rastplatz, dann erreichten wir eine ausgedehnte Industriezone, die sich bis O Porriño hinzieht.Scheußlich!


Darunter ist eine schnurgerade Strecke von 2,6 km Länge, die wir wie in Trance "weghauten", wobei ich gottlob rechts auf dem Seitenstreifen durchs Gras laufen konnte. Am Ende erreicht man eine Bahnlinie, läuft links an ihr entlang und, wenn man denkt, es geht nicht weiter, kommt eine riesige, fast futuristische Fußgängerbrücke, die die Bahnlinie überquert (meiner Erinnerung nach gleichzeitig auch die östliche Autobahn). Danach geht es zur N550 und an dieser links entlang noch ein weites Stück bis zum eigentlichen Stadtrand von O Porriño. (Statt dessen kann man parallel links einen schönen Weg am Louro entlanglaufen und kommt praktisch neben der Jugendherberge in der Stadt heraus.)
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Geradeaus bis zum Horizont

Es geht links ab in den Ort, kurz darauf aber schon wieder halbrechts, wobei das Handbuch, wenn ich es richtig verstanden habe, aber "geradeaus" empfiehlt. Wie dem auch sei, halbrechts liegt auch eine Bar mit Menüangebot. Es ist inzwischen 12 Uhr, das passt. Es gibt ein Pilgermenü zu 6 €, das aber nur aus einem Gang besteht. Wir nehmen lieber das "richtige" zu 8 €: Fabada (galicische Bohnensuppe), Fleisch, ensalada mixta (completa, d.h. mit Ei, Oliven und Thunfisch), Nachtisch, Kaffee. Getränke extra. Beim Bezahlen verrechnet der Wirt sich drei Mal, die Verwirrung könnte nicht größer sein. Am Ende glaubt er, wir hätten ihm 20 Cent Trinkgeld gegeben, dabei waren es wie üblich ca. 10% der Zeche.

Wie eine "Rochade" funktioniert

Aber inzwischen sind wir selbst ziemlich durcheinander, denn Ludmilla, die zum Fenster hin saß, hat die ganze Zeit in Minutenabständen gemurmelt: "Noch ein Pilger, da zwei weitere, da kommen wieder welche ..." Auch der erwähnte Vater trieb seine Familie vorbei. Die Betten in Mos konnten wir vergessen. Ich dachte an den "Rochade"-Trick: Man sichert sich ein Bett in einer Herberge, läuft dann aber noch zum nächsten Ziel, wo es keine Unterkunft gibt, fährt mit dem Bus zurück und anderntags mit dem Bus wieder hin, da man dieses Ziel ja bereits zu Fuß erreicht hat. So kann man eine kurze und eine überlange Etappe in zwei leichter bewältigbare einteilen. Hatte ich auf dem Camino primitivo vor Oviedo schon zwei Mal gemacht. Ich fragte den Wirt, ob es in Mos eine Bushaltestelle gäbe; er verneinte. (Ich nahm das aber nicht als letzte Weisheit, denn die Spanier geben mehr Auskunft, als sie wissen, und der Wirt war garantiert noch nie mit dem Bus gefahren, schon gar nicht nach Mos.)

Ein Alternativplan

In die Überlegungen platzte Marianne mit dem Hinweis, sie könne ohnehin wegen ihrer Füße nicht mehr weiter, auch nicht nach Mos (ca. 6 km). Da wir verabredet hatten, dass solche Meldungen diskussionslos hingenommen werden sollten, konnte ich damit eine vorläufige Entscheidung treffen: "Wir versuchen, hier in der Herberge Plätze zu bekommen. Wenn das nicht geht, Privatquartier. Auf jeden Fall übernachten wir hier in der Stadt." Alle stimmten zu, etwas gedrückt, dass wir unser Ziel Mos heute nicht erreichen würden.

Über Pilger mit Tagesrucksäcken

Nach dem Essen machten wir uns zur Herberge auf, folgten den gelben Pfeilen ohne Schwierigkeiten durch die Stadt zum Rathaus und zum zentralen Kreisverkehr dahinter. Ich merkte auf einmal, dass meine Pilgerschwestern mit anderen Pilgerinnen redeten, offenbar Deutsche. Ich winkte unwillig weiter, wollte die Betten sichern. "Die sind aus Coesfeld!" teilte Konni mit. (Coesfeld liegt bei uns zu Hause um die Ecke.) "Ein ganzer Bus voll. Die gehören auch zu denen, die wir beim Essen schon gesehen haben." Ach so, die Panik war also unbegründet gewesen. "Nicht jeder Pilger, den du triffst, ist auch ein Herbergsbettenkonkurrent." Ludmilla hatte bei ihren Ansagen während des Essens nicht gesagt oder übersehen, dass die vorbeiziehenden Pilger alle nur Tagesrucksäcke trugen. Nun, eigentlich war es jetzt egal, denn wegen Mariannes Füßen konnten wir sowieso nicht weiter.


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Herberge von O Porriño
Am Kreisverkehr links (ich merkte mir eine Bäckerei), über die Bahngleise, Flussbrücke, und dahinter ein Klotz von Herberge auf der linken Seite. Wir gingen gleich zum Empfang, ein junges Mädchen. Betten? Ja, kein Problem! Uff, mir fiel ein Stein vom Herzen. Oben ein Blick in den Schlafsaal: fast leer, nur ganz hinten zwei Betten belegt. Wir schliefen mal wieder alle unten (sofern nicht noch Massen kamen - sie kamen aber nicht).

18. Juni 2013, Dienstag: "Rochade" von O Porriño nach Mos, 5,6 km (158,4 km)

Erneuter Kriegsrat, nachdem wir uns eingerichtet hatten. Ergebnis: Konni und ich machen heute noch die "Rochade" und laufen nach Mos weiter, erkunden aber vorher die Busverbindung nach Redondela. Dazu wurde ich zum Schnüffeln ins Rathaus geschickt.

Gruppe mit Pastor

Dabei kam mir die Coesfelder Pilgergruppe samt Pastor entgegen. Sie wollten sich einen Stempel in der Herberge abholen. Sie liefen seit Porto jeden Tag wie wir, im lockeren Verband, nur eben, dass das schwere Gepäck transportiert wurde. Die meisten waren gut trainiert, überholten uns in den Folgetagen mehrfach ohne Mühe.

Zentrale Bushaltestellen in O Porriño

Im Rathaus erklärte mit eine etwas distinguierte Dame in fließenderem Spanisch, als mir lieb war, dass sie keine Busfahrpläne hätten, dass es aber wohl eine Haltestelle in Mos gäbe und dass die Busse hier in der Stadt "oben" hielten. "Oben" hieß "zwei Straßen oberhalb des Rathauses", und tatsächlich fand ich ohne Mühe zwei zentrale Bushaltestellen, gleichsam ein Minibusbahnhof, mit großen Tafeln, Linien und Zeitplänen. Super! Die direkte Verbindung nach Redondela, an der Mos lag, war allerdings nur eine Nebenstrecke, sonst fuhr alles über Vigo. Hatte mir die Dame im Rathaus auch schon gesagt. Es gab fast nur einen Bus morgens hin und einen abends zurück, das passte aber zu meinen Plänen. Leider enthielt die Streckenbeschreibung nur die berührten Städte, nicht alle Haltestellen, aber da Mos an der N550 liegt, wettete ich, dass es dort eine Haltestelle gab. Ich kenne die spanischen Verkehrsverhältnisse. Auf Wunsch hält der Landbus an jeder Milchkanne, auch wenn da gar keine offzielle Haltestelle ist.

Auf nach Mos!

Mit diesen freudigen Nachrichten kehrte ich in die Herberge zurück, und noch vor 16 Uhr machten Konni und ich uns auf die Socken, mit Tagesrucksäcken natürlich, wir sind ja nicht fanatisch. Ich war auf die Herberge von Mos sehr gespannt (verschimmelt? voll?). Die ersten Kilometer waren wieder ätzend, immer an der N550 entlang nach Norden. Auch ein kurzer Schlenker über eine Seitenstraße rechts brachte nichts. (Man sollte auf jeden Fall links an der N550 bleiben. Es gibt einen schmalen Seitenstreifen.)

Ein Weg mit Scheuklappenmodus

Hinter einer Linkskurve geht es an einem Sägewerk links endlich ab. Wir folgten den gelben Pfeilen ohne Schwierigkeiten durch lockere Bebauung, an einer Fabrik vorbei, wo es nach Teebeuteln roch, und weiter parallel zur N550. Google earth zeigt, wie nahe man wieder an endlosen Industriegebieten und an der Westautobahn vorbeiläuft, aber man merkt es nicht so sehr. Man läuft, bzw. wird geführt, als ob man Scheuklappen gegenüber Fernstraßen und Industriegeländen hätte. Die im Handbuch genannten Entfernungen schienen mir zurückgelegt, aber von einer Herberge war weit und breit nichts zu sehen, auch kein Ort. Ein paar Jugendliche holten uns ein, mit Tagesrucksäcken. Sie gehörten zu einem Trupp portugiesischer Pfadfinder, die wir bis kurz vor Santiago noch immer wiedersahen.

Herberge von Mos

Von links schlängelte sich eine Landstraße zu uns herunter, deren weiterem Verlauf wir geradeaus folgten. Endlich kam eine Kirche in Sicht, das musste Mos sein. Die Landstraße geht vor der Kirche her nach rechts unten, sicher zur Nationalstraße. Ich wettete wieder, dass dort unten dann die Haltestelle von Mos war. Die gelben Pfeile führten uns aber links an der Kirche entlang. Wenige 100 m weiter saßen wieder Coesfelder Frauen in einem Gartencafé. Dann links die Herberge, rechts die zugehörige Bar. Die Herberge ist geschlossen, niemand da! Jetzt bin ich platt.

Von der Bar gegenüber spricht uns eine alte Frau an, freut sich, dass ich Spanisch kann. Sie habe immer so Verständigungsschwierigkeiten mit den Ausländern, klagt sie, bietet uns an, die Herberge aufzuschließen, obwohl wir gleich sagen, dass wir hier nicht übernachten wollen. Die Herberge ist klein, etwas staubig, aber insgesamt hinnehmbar. Von Schimmel nichts zu sehen, aber so genau habe ich auch nicht in den Waschteil geschaut. Ich frage nach einer Bushaltestelle unten an der N550. "Ja, die gibt's," sagt die Frau, "aber wann ein Bus fährt, das weiß ich nicht." "Aber ich!" meinte ich, sie lachte. Konni und ich ließen uns erst einmal draußen vor der Bar nieder und tranken eine Cola.

Zur Abwechslung mal US-Amerikanerinnen

Dann kamen drei junge Pilgerinnen und holten den Schlüssel zur Herberge. Ich wechselte ein paar Worte mit ihnen auf Englisch. "Amerikanerinnen" tuschelte uns die Wirtin zu, "wohnen in Santiago und geben Englischkurse." (Ich war nicht sicher, ob sie wirklich "wohnen" gesagt hatte oder "wohnt", so dass das nur für die Wortführerin galt.) Na, jetzt war die Herberge also geöffnet. Ja, wenn man das mit der Bushaltestelle gewusst hätte, hätten einige von uns laufen können, die anderen mit dem Bus ... Nein, es war besser so.

Begegnungen auf dem Rückweg

Jetzt allerdings noch mehr als zwei Stunden, bis unten der Bus vorfährt. Konni schaute mich an, ich schaute sie an. "Ich weiß, was du denkst," sagte sie, "du willst zu Fuß zurück. Ich übrigens auch." Wir lachten und machten uns auf den Heimweg. Der fiel mir doch schwer, denn wir kamen so heute auf 27,3 km, und dazu die blöde Strecke zwei Mal (oben bei der Entfernung aber nur 1x berechnet). Unterwegs kamen uns noch jede Menge Pfadfinder, dann auch einer der Begleiter entgegen, aber keiner machte große Augen, dass wir umgekehrt liefen. Am Stadtrand dann noch vier hübsche Mädchen, von denen die eine hinter mir herruft. "Entschuldigung," fängt sie auf Englisch an, während ich sie schon auf Spanisch mit "Hast du eine Frage?" unterbreche. Sie stutzt, lacht, sagt dann: "Da versucht man, Englisch zu reden, und dann können die Leute die Sprachen." Fremdsprachen, meinte sie wohl. Ob Mos voll sei? - Nein, kein Problem, jede Menge Betten. - Die Mädchen machten einen erschöpften Eindruck, kamen evtl. von Valença. Meine Antwort freute sie, sie winkten und liefen weiter. Eine kleine Aufmunterung für mich zwischendurch :-)

Abendessen und Nachtruhe

Endlich waren wir an der Herberge zurück, was die anderen sehr erstaunte, denn sie hatten erst gegen 20 Uhr mit uns gerechnet. Hedwig hatte auf meine Bitte in der erwähnten Bäckerei größere Mengen Empanada erstanden, die als Abendessen dienten, der Rest morgen als Frühstück. Wir wollten morgens also mit dem Bus, Konni und ich nach Mos, die anderen bis Redondela, wo sie auf Konni und mich an der Herberge warten sollten, um dann gemeinsam nach Pontevedra zu laufen.

Schon 21h30 liegt im Schlafsaal alles in den Betten, außer uns nur noch eine farbige Südfranzösin mit Afrofrisur und ein Pilger, der abends dauernd auf die Toilette rennt. Genau ihn sollten wir noch im Kloster Herbón wiedersehen.

Ich wache mehrfach auf, mache mir Sorgen wegen Marianne. Was ist, wenn sie abbrechen muss? Außerdem tun mir selbst die Füße weh. Von der Autobahn, die hinter der Herberge verläuft, hört man erstaunlicherweise nichts.


19. Juni 2013, Mittwoch: Von Mos nach Pontevedra, 27,3 km (185,7 km)

5h30 raus. Eines musste man unserer Gruppe lassen: alle waren äußerst diszipliniert und hielten sich an den verabredeten Zeitplan. Niemand musste angetrieben werden. Sonst waren wir immer im Hellen aufgestanden, jetzt war es noch dunkel. Nach etwas Gewusel im Schlafsaal trafen wir uns im Aufenthaltsraum zum Frühstück. Marianne antwortete auf unsere Frage, wie es ihren Füßen ging: Heute war mit Laufen gar nichts zu machen. Also musste sie im Bus gleich bis Pontevedra fahren. Da wir schon zu Hause verabredet hatten, dass niemals jemand allein gelassen wurde, gab es nur eine kurze Diskussion, wer ebenfalls fahren würde. Am Ende wollten sowohl Ludmilla als auch Hedwig bei ihr bleiben. Also würden Konni und ich nur zu zweit laufen, wie schon gestern nach Mos, heute aber eine ungleich längere Strecke.

Zur Fernbushaltestelle

Punkt 6h50 aus der Herberge. Ich führte die Gruppe ohne Probleme zu der Bushaltestelle oberhalb des Rathauses. Hoffentlich standen wir in der richtigen Richtung, denn kurz darauf kam ein Bus der Firma Monbus, hielt gegenüber und fuhr weiter. Man weiß ja nie, ob man sich auf die Himmelsrichtung verlassen kann. Es war 7h20, langsam wurde ich nervös, aber nur wenige Minuten später kam unser Bus doch. Wie immer war der Fahrer sehr hilfsbereit. Ich bestellte zwei Karten für Mos (1,35 €), er zuckte nicht mit der Wimper. Es gab also wirklich eine Haltestelle, und er kannte sie. Dann drei Mal nach Pontevedra (3,35 €). Die Preise (pro Person) sind gestiegen, aber immer noch sehr günstig im Vergleich zu denen zu Hause.

Haltestelle in Mos

Etwas später stellte sich heraus, dass ihm die genaue Haltestelle doch nicht so geläufig war. Einmal machte er Miene, zu früh an den Straßenrand zu fahren, aber die paar Einheimischen sagten ihm sofort, dass es noch weiter sei. Minuten später sah ich die richtige Haltestelle selbst: genau wie vermutet, mündete hier von links die kleine Landstraße ein, und oben lag die Kirche von Mos, an der der Jakobsweg vorbeigeht. Also verabschiedeten Konni und ich uns von den anderen und liefen gegen 7h50 die Landstraße zur Kirche hoch.

Anpassen des Tempos

Oben kamen wir bald an der Herberge vorbei, aus der Stimmen zu hören waren. Da war also noch nicht alles unterwegs. Dann kam eine heftige Steigung, die wir aber mühelos bewältigten. Allerdings musste ich Konni gleich zu Anfang bitten, etwas langsamer zu gehen, da sie mir mit ihren längeren Beinen mühelos hätte davonlaufen können. Was viele Zweiergruppen auf dem Pilgerweg auseinanderbringt, bei uns war es kein Problem: Konni passte sich sofort an und behielt das auch den ganzen Tag bei, ohne dass ich sie erinnern musste. Das hat mich sehr gefreut. Ich brauchte auch eine psychische Aufmunterung, denn beide Fußballen schmerzten wieder. Zum Glück ging es heute fast nur über Asphalt. Das Wetter war wieder super: bedeckt, aber kein Regen, zwischendurch Wolken und Sonne.

Das falsche Padrón

Wir liefen zügig, so dass mir Einzelheiten kaum im Gedächtnis geblieben sind. An den überwucherten Rastplatz im Wald hinter Galleiro kann ich mich erinnern. Dann ging es steiler bergab, und vor uns lag im Sonnenschein eine schöne Bucht mit einer Stadt. Padrón sagte das Handbuch, also die berühmte Stadt, in der der Leichnam des heiligen Jakobus angelandet war, dachte ich. Da würden wir bald ein Stadtzentrum erreichen und die erste Pause machen, was nach 5,6 km ja passend war. Mir kam nur komisch vor, dass wir keineswegs auf die an der Bucht liegende Stadt zuliefen, sondern eher weiter parallel im Landesinneren blieben. Erst später rekonstruierte ich, dass es Vigo war, das wir links gesehen hatten, nicht Padrón. Sträflicherweise war ich mit der ersten Bar in lockerer Bebauung noch nicht zufrieden, ich wollte bis zum Stadtzentrum. Wir liefen und liefen. Anstatt dass ein Stadtzentrum in Sicht kam, nahm die Bebauung sogar schon wieder ab, und die Bucht links kam kein Stück näher.

Erst nach 2,7 km (die mir länger vorkamen) erreichten wir in O Quinteiro wieder die N550. Jetzt ging mir auf, dass mit "Padrón" die Streusiedlung, durch die wir gekommen waren, gemeint war, und keineswegs das berühmte Padrón, das weit hinter Pontevedra liegt. Zum Trost musste jetzt eine Bar kommen, denn an den Nationalstraßen liegen sie dicht an dicht, aber unsere Geduld wurde nochmal einige 100 m auf die Probe gestellt, bis wir plötzlich an ein Ortsschild Redondela kamen. He, wir hatten gut 9 km weg und schon unser zweites Ziel der üblichen Salamitaktik erreicht! Es war 10h10, gut gelaufen.

Empfehlenswertes zweites Frühstück

Wir verließen die Nationalstraße nach rechts und betraten geschlossene Bebauung. Gleich um die erste Ecke kam eine Bar mit einem Frühstückssonderangebot: Milchkaffee, 2 Röstschnitten (tostadas) und 1 Glas frischer Orangensaft für zusammen 2,80 €. Da waren Konni und ich uns ohne Worte gleich einig :-) Der Wirt war sehr eifrig, denn wir waren die einzigen Gäste. Alles reell, keine Tricks. So angenehm erfrischt und ausgeruht konnten wir uns der übrigen Stadt widmen. In dieser fallen zwei riesige Eisenbahnviadukte aus dem 19. Jahrhundert auf. Der Jakobsweg führt direkt an der Herberge, die in einem schönen Turm untergebracht ist, vorbei. Keine Pilger (mehr) zu sehen.

Der freundliche Bäcker

Etwas weiter am Rand der Altstadt haben wir Mühe, die Hauptstraße zu überqueren. Dann fährt auch noch ein Bäckerwagen vor und versperrt die Sicht. Ein junger Mann steigt aus, sieht uns, kommt auf uns zu und schenkt uns ein Stangenbrot. Nur weil wir Pilger sind! Sagenhaft! Eigentlich sind wir ja verkleidete Reiche und brauchen kein Almosen, aber diese Freundlichkeit, auch eine Form der Anerkennung, hat mich verblüfft. Wir bedanken uns sehr. Jenseits der Straße macht Konni noch ein Bild, wie ich das Brot dankbar in den Händen halte. Genau in dem Moment kommt der junge Bäcker vom Brotverteilen zurück und sieht uns das Foto machen. Er strahlt übers ganze Gesicht, und wir winken nochmal dankbar. Abends haben wir Pilgergeschwister das Brot in seinem Andenken geteilt, denn natürlich musste ich es erst einmal in den Rucksack stopfen. Wir hatten ja gerade erst ein zweites Frühstück gehabt.

Über die Höhe von Lomba

Danach kam wieder ein zur Fernstraße paralleler Weg, mit störenden Autos im Nacken, wie so oft bei diesen Nebenwegen, sicher war es die alte Landstraße. Später querten wir bei der Bar Jumboli die N550. Ich schaute zufällig zurück: Da lag die Bucht von Redondela unten zum Greifen nahe, aber der Pilgerweg berührt sie leider nicht; fast hätten wir gar nicht bemerkt, dass sich die Bucht von Vigo noch weit hinter Redondela herzieht. Nun folgte die zweite Steigung des Tages (Höhe von Lomba), auch ganz schön heftig, so dass ich etwas erschöpft auf eine Bank sank, als rechts eine Raststelle in Sicht kam. Wir hatten aber auch schon fast die Hälfte unserer heutigen Etappe geschafft. Etwas getrunken und gegessen (im Wesentlichen Traubenzucker und Müsliriegel), dann ging es mit frischen Kräften weiter, und es waren nur noch wenige Höhenmeter zu überwinden.

Etwas später kamen wir an einer beeindruckenden Ruine vorbei, die früher als Poststation und Pilgerunterkunft gedient hatte. Wäre sehr verdienstvoll, die wieder aufzubauen. Allerdings gibt es ringsherum nichts außer üppig wuchernder Vegetation. Es ging nun wieder bergab, wobei hin und wieder Sicht auf die Bucht von Vigo war, bis wir vor Arcade die Nationalstraße erreichten und ihr in den Ort folgten. Es gibt hier eine private Unterkunft, die von mehreren Pilgern, die dort übernachtet hatten, sehr gelobt wurde. Ich meine auch, es gab Hinweisschilder auf sie am Weg.


Private Herberge in Arcade: José Luis, O Lar de Pepa. Tel. 649 494 905.
ein 4-Bett-Zimmer, drei 2-Bett-Zimmer, 2013: 10 € p.P.
Arcade-Soutomaior. www.olardepepa.com info@olardepepa.com
Leider ist es mir bislang nicht gelungen herauszufinden, wo die Herberge liegt. Es muss wohl ganz nah am Pilgerweg sein.

Ein böser Sturz

Unsere Route wand sich links von dichterer Bebauung an der weit auseinandergezogenen Stadt entlang, dann ging es abrupt nach rechts auf die N550 zu. Ich traute diesem Schwenk nicht recht und kontrollierte Handbuch und Wegezeichen. Doch, es stimmte. Beim Überqueren der gefährlichen breiten Fernstraße geriet Konni mit einem Fuß zwischen Asphaltkante und Bordstein und fiel vornehinüber auf den Bürgersteig. Ich war starr vor Schrecken, als ich hörte, wie sie mit dem Gesicht aufschlug, sprang hin und wollte ihr aufhelfen, wobei ich fast ihre Brille zertreten hätte. Die hatte allerdings ohnehin arg gelitten: das Gestell war rechts völlig verbogen, Glas zersplittert. Glück im Unglück: Es war nur die Fensterglasseite, während das linke echte Brillenglas unversehrt war.


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Ein böser Sturz
Konni richtete sich selbst auf, Blut lief ihr die rechte Wange herunter, auf der Stirn über dem rechten Augen eine Beule und ebenfalls blutige Kratzer. Ich tupfte ihr die Wange ab: Gottlob kein klaffender Riss, sonst hätte das genäht werden müssen. Es war ein etwas tieferer Kratzer, evtl. von dem gesplitterten Brillenglas, aber die Blutung hörte nach ein paar Minuten auf. Ich verpflasterte die Wunden, und Konni nahm gleich Arnikakügelchen, um die Schwellung in Grenzen zu halten. Das tat sie danach weiter jede Stunde, und tatsächlich half das sehr überzeugend. Konni bog sich die Brille zurecht, aber so ganz passte es nicht; die übrigen Tage wurde die Brille auch durch ein Pflaster in einer tauglicheren Position gehalten. Sah ziemlich heftig aus.

Nachdem wir den Schock überwunden hatten, gingen wir mit wackeligen Knieen weiter und trafen schon gleich um die nächste Ecke einige der Coesfelder Frauen, die dort vor einer Bar Rast machten. Wir eilten schnell vorbei, hatten keine Lust zu Erklärungen. Es ging immer noch durch lockere Bebauung von Arcade. Wir trafen in dem nördlichen Vorort sogar noch auf eine Geschäftsstraße, in der wir nach einem Optiker Ausschau hielten, der vielleicht die Brille richten konnte, aber es war inzwischen Siestazeit und alles geschlossen. Da wir noch keine Mittagsrast gemacht hatten und auch so etwas Erholung brauchten, fragte ich zwei junge Leute, die in einem Eingang saßen, wo denn eine Bar geöffnet sei. Nun, sie saßen direkt vor einer, hatte ich nicht gesehen. Drinnen guckte die Bedienung nicht schlecht, als sie Konnis Gesicht sah, aber sie sagte nichts. Dass Pilger stürzen, kommt öfter vor. Wir aßen beide in Ruhe ein Eis, das reichte uns schon als "Mittagsmahl".

Malerisches Pontesampaio

Nur etwas weiter kamen wir überraschend an einen Ausläufer der Bucht von Vigo, und dahinter folgte eine alte Brücke, die einen einmündenden Fluss überquert. Hier war früher die Fernstraße. Jetzt sah man links die riesige Doppelbrücke für die N550 und die Eisenbahnlinie. Wir waren nun in der kleinen romantischen Ortschaft Pontesampaio, die der Pilgerweg in engem Zickzack durchquert. Schönste alte spanische Architektur auf kleinstem Raum, denn bevor wir sie richtig würdigen konnten, waren wir schon wieder draußen.

Man schaue sich das Titelbild des Handbuchs an: das ist in Pontesampaio, aber es scheint mir seitenverkehrt zu sein. Wir hatten nämlich Fluss und Brücke links hinter uns und nicht rechts wie auf dem Bild.

Spuren der Altvorderen

Ich wurde schon wieder etwas nervös, denn hinter uns kamen mehrere bepackte Gestalten, die uns bald einholten. Junge Leute in piekfeiner Wanderkleidung, die auf unser "Buen camino" nur irritiert reagierten. Sie bogen vor uns hinter der nächsten Brücke ab, in Richtung der N550. Zum Glück lief ich nicht blind hinterher, sondern schaute nach gelben Pfeilen aus, die tatsächlich nach geradeaus wiesen. Es waren also wohl Wanderer und keine Pilger. Rechts zeigte ein Wegweiser an, dass man noch einen Pfad zu einer Höhe mit Aussicht hochlaufen konnte, aber die ohnehin nun folgenden Steigungen reichten Konni und mir vollauf. Es ging sehr steil einen uralten Hohlweg hoch, in dem das Felsgestein, aus dem die Pflasterung bestand, tiefe Rillen früherer Karren aufwies. Es berührt einen als Pilger immer wieder, wenn man auf Zeichen der Altvorderen trifft, die denselben Weg gegangen sind.

Ein unsinniger Wettlauf

Endlich senkte sich der Weg zum nächsten Dorf Bergunde hinunter, und nun war es mit der schönen Landschaft für heute vorbei. Man läuft die alte Fernstraße, rechts von der N550, immerhin nun direkt auf Pontevedra zu. Einer der auf dem Portugiesischen Weg seltenen Hunde, die jeden Pilger durch den Zaun anbellen, machte mich nach einigen Kilometern darauf aufmerksam, dass jemand hinter uns war. Ja, da, noch weit weg, kamen Pilger in Sicht, Frauen, aha, das konnten nur die Coesfelder sein. Wie auf Kommando beschleunigten Konni und ich unseren Schritt etwas. Eigentlich eine merkwürdige Reaktion: Obwohl wir wussten, dass uns da niemand ein Bett streitig machte, war schon der Gedanke, dass andere an uns vorbeizogen, unangenehm.

Es wurde dann ein blödsinniger Wettlauf in die Stadt, wobei die Coesfelder samt ihrem Pastor an der Spitze ziemlich nah herankamen. Aber als wir endlich den ersehnten Kreisverkehr vor Pontevedra erreichten, huschten Konni und ich bei Rot über ein paar Baustellenampeln, was man als Gruppe natürlich nicht machen kann. So hängten wir sie also ab. In der umfangreichen Baustelle wiesen Schilder die Fußgänger sorgfältig auf vorgesehene Übergänge hin, das war vorbildlich. Nach einer Abzweigung nach links (wieder gut ausgeschildert und mit Zebrastreifen) nahm uns eine "hilfreiche Spanierin" unter die Fittiche und begleitete uns zur Herberge. Das war in Ordnung, denn so sparten wir vielleicht etwas Herumsuchen.

Geschafft: 16h45 an der Herberge

Es war nach der im Handbuch genannten Unterführung noch weiter, als ich dachte, da die Herberge, wie ich wusste, 1,5 km vor dem Stadtzentrum liegt. Auf einmal winkte Pilgerschwester Ludmilla von rechts oben über eine Mauer. Sie hatte nach uns Ausschau gehalten, obwohl wir erstaunlich früh dran waren (16h45), wie sie meinte. Wir mussten noch die Mauer entlang und dann im Rechtsbogen eine Einfahrt zu der sehr modernen Herberge hoch.


Bald umringten uns auch Hedwig und Marianne. Sie hatten schon einiges von der Stadt gesehen, da sie vom nahen Busbahnhof aus die Herberge erst in der falschen Richtung vermutet hatten. Am Empfang stand ein älterer Deutscher. Tja, reservieren gibt's ja nicht, und natürlich waren die meisten, die wir kannten, längst da, da diese ja nicht von Mos, sondern wohl von Redondela oder Arcade gekommen waren. Deshalb bekamen wir nur noch zwei obere Betten im Schlafsaal. Diese nahmen Hedwig und ich, während unsere Pilgerschwestern unter uns lagen, Konni einen Doppelstock abseits. Damit konnten wir noch gut zufrieden sein. Gegenüber lagen u.a. die Südafrikaner und die beiden jungen Spanierinnen. Später wurden noch Radfahrer eingewiesen, die dann über Konni und daneben in oberen Betten schliefen. Einer von ihnen, ein unglaublich massiger Kerl, hat dann nachts den ganzen Schlafsaal zusammengeschnarcht. Ansonsten hielt sich das Schnarchen in diesem Jahr erstaunlich in Grenzen.
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Herberge in Pontevedra

Begegnungen in der Herberge

Zur anderen Seite lagen zwei ältere deutsche Frauen (ich nenne sie mal B&G), deren Herkunft ich gleich an Raimund Joos' Handbuch erkannte. Sie würden ab jetzt parallel zu uns laufen. Abends gingen wir nicht zum Essen, denn wir hatten alle tagsüber genug gehabt, und fürs Abendbrot hatten Hedwig, Marianne und Ludmilla üppig eingekauft, vor allem auch Obst, Tomaten, Paprika, usw., dazu gab's das geschenkte Brot vom Bäcker.

Wer kam da noch völlig fertig zur Tür herein, als wir im Aufenthaltsraum tafelten? Die vier kleinen Portugiesinnen, die es also noch von Mos bis hierher geschafft hatten (wie Konni und ich). Auch einige portugiesische Jungen saßen am Nachbartisch, wechselten ein paar nette Worte mit mir. Die Überprüfung meiner Füße ergab, dass sich die Quetschungen verschlimmert hatten. An zwei Tagen hintereinander gut 27 km war doch wohl nichts mehr für mich.


20. Juni 2013, Donnerstag: Von Pontevedra nach Briallos, 17,8 km (203,5 km)


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Frühstück in Pontevedra
Heute hatten wir eine Kurzetappe, was allen zugute kam. Kurz vor 8 Uhr saßen wir noch beim gemütlichen Frühstück, das von den Einkäufen am Vortag bereichert wurde. Dann zogen wir, etwas später als gewöhnlich, in Richtung Innenstadt ab. Morgengebet vor der Kathedrale. Heute war mein "Jammertag", wie ich ihn später nannte. Beide Fußballen hatten Stellen unter dem Pflaster, die beim normalen Auftreten schon weh taten. Wenn ich aber auf ein Steinchen trat, das sich genau in diese Stellen bohrte, war es die Hölle. Ich musste mich dann blitzschnell mit dem Stock abstützen, aber der war ja nur auf einer Seite. Meine Pilgerschwestern hingegen waren ausgeruht und zogen unbarmherzig davon. Sie wollten wohl auch außer Hörweite meiner gemurmelten Verwünschungen sein. Hinzu kam, dass sämtliche Pilger, die nach uns aufgebrochen waren, auch noch mühelos an uns vorbeizogen, als wollten sie mich verspotten. Ich musste mich gewaltsam zusammenreißen.

Hinter Pontevedra liefen wir an einem schönen Naturschutzgebiet vorbei, aber dann kamen wir mehrfach der neuen Eisenbahntrasse nahe, die die Illusion einer unberührten Natur nachhaltig zerstörte. Danach wurde es wieder besser, aber mich plagten wieder Geröllpisten. Die Pause nach 5 km wurde überschlagen, heute lief meine Gruppe, als ob sie im Wettbewerb sei. Als Wegemarke kam eine kleine Steinbrücke, wo ein Bach den Weg überschwemmt. Dann geht es wieder über die Bahntrasse, und endlich kamen in San Amaro zwei Bares in Sicht. Wir hatten jetzt (11h35) gut 10 km hinter uns.
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Bach auf dem Weg

Mittagessen mit zusammengestellten Portionen

In beiden Bares waren Mitpilger, die aber schon wieder im Aufbruch waren. Wir wollten zu Mittag essen, aber es gab keine Menüangebote. Endlich entschied ich mich doch für die erste Bar links (also nicht die geradeaus). Die junge Wirtin schlug uns vor, einfach Portionen für 5 Leute von verschiedenen Sachen zu nehmen: Tortilla, Fleisch mit Kartoffelnudeln, mit einem einfachen, aber großen Salatteller. Zusammen mit Getränken 27,80 €, das war sehr in Ordnung.


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Mädchen aus Portugal
Als wir wieder nach draußen kamen, rastete dort die Gruppe der vier Portugiesinnen, mit denen ich mich schon öfter unterhalten hatte. Sie waren ziemlich fertig, fragten mich nach den Entfernungen zu den nächsten Herbergen. Sie waren in gedrückter Stimmung und hatten auch wohl die Füße lädiert wie die meisten von uns. Für Kurzetappen fehlte anscheinend die Zeit. Ich wüsste gern, was aus ihnen geworden ist, aber leider haben wir sie nicht wiedergesehen.

Die Mittagspause hatte mich einigermaßen wieder auf die Beine gestellt. In etwas besserer Form ging es weiter, es waren ja nur noch wenige Kilometer. Unterwegs holten uns wieder einige Frauen der Coesfelder Gruppe ein. Großes Hallo gab es wegen Konnis lädiertem Gesicht. Auch von ihnen hatte eine einen Sturz hinter sich und Schrammen im Gesicht.
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Märtyrerschau

Abzweig vor Briallos

Die letzten Kilometer wurden einem wieder sauer. Der Pilgerweg schlängelte um die Nationalstraße: Kurzer Abzweig nach links, etwas durch Felder und dann wieder rechts auf die Straße. Man fragte sich, ob man nicht besser gleich auf dieser blieb, da es hier vor Briallos einen absichtlich sehr breiten Randstreifen für Pilger gab und die üblichen Warnschilder für Autofahrer. Fast wäre ich dem letzten Schlenker nach links nicht gefolgt, da man voraus schon die Bebauung von Briallos sah, aber da stand ein Schild, dass es nicht mehr weit bis zur Herberge sei. Hier sollte man getrost abzweigen, denn die Herberge liegt links außerhalb des Dorfes, aber wenn es sehr nass ist, kann man auch bis in den Ort gehen und dann nach links. Es ist dieselbe Querstraße, auf der man auch von der Herberge her den Laden erreicht.

Unsinnige Hast

Da fing es an zu regnen, und zu meinem Ärger tauchten unvermittelt hinter uns zwei uns unbekannte Pilger auf, zogen an uns vorbei, während wir uns mit den Regenumhängen abmühten: jetzt kam wieder Sorge wegen der Betten auf. 24 Betten waren ja nicht das Meiste, und wir mussten damit rechnen, dass jede Menge der uns bekannten Pilger schon dort waren. Ich dachte an die Situation in Rubiães, und zu allem Überfluss kam noch ein weiteres junges Pilgerpaar, das wir bislang nicht kannten, und versuchte, sich auf dem schmalen Fußpfad durch die Felder an uns vorbeizuquetschen. Ich war irgendwie sauer.

Kurz darauf erreichten wir endlich die Häuser von Briallos, und das junge Paar eilte davon, während es zur Herberge links ab ging. Also wieder keine Bettenkonkurrenten! Jetzt war ich gespannt, ob in der Herberge alles so voll sein würde wie in Rubiães, wo die meisten ja auch nur eine Kurzetappe gemacht hatten. Aber diesmal war es anders, weil nur 5 km weiter ja schon die nächste Herberge von Caldas de Reis war. Diese sollte aber nicht so gut sein. Aus dem Pilgerforum hatte ich ausdrücklich statt dessen eine Empfehlung für Briallos bekommen und daraufhin den Etappenplan nochmal geändert. Das war richtig, wie sich herausstellte.


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Herberge von Briallos
Zur Herberge war es weiter, als ich dachte. Immer noch bei Regen erreichten wir sie um 14h45 und gingen durch den Hof zum Eingang. Niemand im Empfang. Von oben kam dann G. herunter, eine der beiden deutschen Frauen, die wir in Pontevedra kennen gelernt hatten. B&G gingen morgens immer sehr sehr früh weg, wohl um sich untere Betten zu sichern. Sie waren aber immer sehr rücksichtsvoll und machten keinerlei Lärm. Tja, die schlechte Nachricht war, dass die Schlafsäle für Männlein und Weiblein (je 6 Doppelstockbetten) getrennt waren. Das gefiel mir gar nicht, wie man sich denken kann. Die gute Nachricht war, dass außer B&G nur noch die Südafrikaner da waren. Also massenhaft Platz, vor allem im Männerschlafsaal. Auch die beiden südafrikanischen Paare mussten sich trennen. Man hätte verabreden sollen, dass die Gruppen doch beieinander bleiben durften, aber dann hätten nicht alle unten Platz gehabt. Wegen B&G, die offensichtlich froh waren, keine Männer im Saal zu haben, sahen wir von Experimenten ab. So schlimm war es für eine Nacht ja auch nicht.

In der Herberge von Briallos

Später kamen noch die drei US-Amerikanerinnen, die uns freudig begrüßten. Ja, die mussten nun alle obere Betten beziehen, während wir zu drei Männern gerade die Hälfte der unteren Betten belegten. Wie gesagt, diese strikte Trennung ist oft von Nachteil. Toiletten und Waschbecken waren übrigens in einem schmalen Trakt zwischen den beiden Schlafräumen, nach Geschlechtern getrennt, gegenüberliegend. Zu diesem Zwischentrakt führten von beiden Seiten Schiebetüren, die nachts unvermeidbar Lärm machten. Später kam ein netter Hospitalero, der 6 € kassierte. Ich erzählte B&G, dass wir morgen zum Kloster Herbón gehen würden. Eine entsprechende Reklame lag in der Herberge aus. Sie wollten es sich ebenfalls überlegen.

Jede Menge Fußkranke

Da ich meine Füße pflegen und schonen musste, gingen meine Pilgerschwestern durch den Regen allein zu dem Geschäft auf der anderen Seite des Ortes. Sie kamen schwer beladen wieder. Abendessen und Frühstück waren mal wieder auf hohem Niveau gesichert, einschließlich Schlummertrunk. Es stellte sich übrigens heraus, dass auch die Südafrikaner kaputte Füße hatten, eine der Frauen so schlimm, dass es für sie mit dem Laufen vorbei war. Anderntags ließen sie ein Taxi kommen. Ich war längst nicht der Einzige, den es so erwischt hatte. Mein Problemzeh war eine einzige Blase, bei Marianne sah es ähnlich aus. Ich klebte nochmal alles sorgfältig ab, verzichtete aber auf vorbeugende Pflaster auf den Fersen, auf denen sich inzwischen Hornhaut gebildet hatte. Wir hatten ja heute auch die 200-km-Grenze überschritten. Da die restlichen Etappen normale bzw. geringere Kilometerzahlen erforderten, kann ich vorausschicken, dass sich meine Füße erholten und die vorherigen Blasen zu Hornhaut umgebildet wurden (bis auf die am Problemzeh, aber der blieb einfach verpackt). Ähnlich ging es Marianne, die nur noch einige Male neu verpflastert werden musste. Die Krise mit den Füßen war damit nicht erledigt, aber überwunden.


21. Juni 2013, Freitag: Von Briallos zum Kloster Herbón, 23,9 km (227,4 km)

6h30, also zur normalen Zeit raus, üppiges Frühstück. B&G sind natürlich schon davon. Ich war gespannt, ob sie meinem Tipp folgen würden und auch nach Herbón gingen. Als wir gegen 8h00 unser Morgengebet hielten, war von den US-Amerikanerinnen noch nichts zu hören. Die Südafrikaner ließen ein Taxi vorfahren, das die Frauen mitnahm. Die Männer überholten uns später schon vor Caldas de Reis.


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Geröllpiste
Von der nun folgenden Etappe ist mir wenig im Gedächtnis. Irgendwie war alles Routine, die Wegeauszeichnung so gut, dass man nicht dauernd hellwach alles registrieren musste. Sensationell Neues gab es auch nicht mehr, ein Dorf wie das andere, das übliche Geschlängel: erst links von der N550, später gar zwischen der N550 und der Autobahn. Unser erstes "Salamitaktik-Ziel" war nach knapp 5 km Caldas de Reis. Ich war überrascht, dass es die heißen Quellen (die der Stadtname nennt) wirklich noch gibt. Nur darf man nicht die Füße hineinhalten, nicht weil die Pilgermauken das Wasser verderben (das auch), sondern weil es brühend heiß ist. Zur Erfrischung regnete es statt dessen zwischendurch ein wenig.

Bar nach 10 km in O Cruzeiro

Bereits 11h15, sagen meine Notizen hatten wir in O Cruceiro 10 km geschafft. 1,70 € großer Milchkaffee, 2,20 € Orangensaft, 1,35 € Cola, lese ich, habe aber keine Vorstellung mehr von der Bar, die an einer Kreuzung des Pilgerwegs mit der N550 lag. Auf ein Mittagessen wollten wir heute verzichten, weil es im Kloster ein Abendessen geben würde. Das stellte sich abends als nicht die beste Idee heraus. Weiter ging es durch Dörfer, dann ein Stück die Autobahn entlang. In O Pino gab es laut Handbuch auch eine Herberge, aber wir wollten ja heute bis zum Kloster. Gegen 14h30 stießen wir in Valga auf eine Kirche mit einem sehr großen Friedhof.


Hier in der Gegend kamen wir auch an einem schulähnlichen Gebäude vorbei, wo in zwei Fenstern in vielen Sprachen "Gute Reise" gewünscht wurde. Auch auf Esperanto, nicht ganz richtig ("Bonan vojaĝom" anstatt "Bonan vojaĝon"), aber die Absicht freute mich. Sogar eine kleine Esperantofahne war dazugemalt.
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"Gute Reise!"

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Pilger unterwegs
Hier waren auch einige Pilger, die zur Besichtigung hineingingen, aber ich wollte weiter. Heute ging es teilweise wie auf dem Camino Francés zu, denn außer einigen Einzelpilgern und Paaren trafen wir auch die Frauen der Coesfelder Gruppe einige Male und auch die portugiesische Pfadfindergruppe. Ich war aber ohnehin die Gelassenheit selbst, denn ich weiß, dass die wenigsten Pilger ein Kloster ansteuern, schon gar nicht, wenn das auch noch 3,5 km Umweg erfordert. Doch für uns war die Entscheidung klar, und die haben wir auch nicht bereut.

Eine seltsame "Mittelalter-Bar"

15h30 erreichten wir Pontecesures, den letzten Ort vor unserem heutigen Ziel. Das war nochmal eine Trinkpause wert, und eine Bar war auch angekündigt. Hm, da wies ein Schild auf eine "Mittelalter-Bar" hin. Ein offener Hof, voller Pseudoantiquitäten und Pilger-Devotionalien. Eine Deutsche im Rollstuhl half dem Wirt. Irgendwie kam mir hier alles gequält aufgemotzt vor, "Pilger, fühlt euch wohl, oder es gibt Ärger" :-) Über Pilgermangel konnte der Wirt nicht klagen. Einige Coesfelder Frauen saßen schon da, als wir kamen, auch sonst noch einige, die wir kannten. Später trafen die US-Amerikanerinnen ein, hatten uns eingeholt. Nun, wir nahmen nur eine Runde Cola (1,50 €, also nicht gerade billig) und trollten uns bald.


Zur Orientierung: Die Route zum Kloster

16h10 - ich hielt schon eifrig nach der Abzweigung zum Kloster Ausschau - kam ein riesiges Schild, das auf die Alternative nach Herbón hinwies. Aus dem konnte man schließen, dass sie wirklich Pilger haben wollten, wie schön! Es gab sogar rote Pfeile, die einen führten. Hier zur Orientierung, denn ich habe mich sehr verwirren lassen: Im Prinzip liegt vor einem der Fluss Ulla (Hedwig und mir wohlbekannt von Ponte de Ulla, Mozarabischer Weg). Der Pilgerweg schwenkt nach links, zum Kloster geht man aber nach rechts, über bewaldete Höhen den Fluss entlang (der liegt links und ist unsichtbar), unterquert die Autobahn und muss hinter zwei Kleinsiedlungen eine Flussbrücke erreichen. Hinter dieser läuft man am Fluss entlang zurück, bis es rechts zum nahen Kloster hochgeht.
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Hinweis auf Herbón

Ein zweifelhafter Schlenker zum Fluss hinunter

Von alledem hatte ich keine Ahnung, sondern folgte den roten Pfeilen und dem Handbuch. Hinter der kleinen Ortschaft Cortiñas soll man auf einmal links in Richtung Fluss eine Böschung hinunter. Radfahrer dürfen auf der Straße bleiben, bei schlechtem Wetter sollen Fußgänger es genauso machen. Wir beschlossen, dass schlechtes Wetter war, denn man sollte später wieder auf rote Pfeile treffen. Dummerweise übersah ich eine Klammer im Text des Handbuches und kam so mit den alternativen Beschreibungen durcheinander. Nicht beirren lassen! B&G erzählten, es sei am Fluss durch einen "Dschungel" gegangen. Das reicht mir als Motivation für einen anstrengenden Schlenker nicht, zumal unsere Straße auch durch schöne Landschaft führte. Zunächst unterquerten wir die Autobahn. (Im Handbuch steht nur "Brücke", was man mit der Flussbrücke verwechseln kann.) Dann liefen wir durch den winzigen hübschen Ort Barca und suchten immer noch rote Pfeile, nichts! Nun folgte rechts ein auffallendes Ausflugslokal, das leider nicht im Handbuch vermerkt ist. Hier dachte ich endgültig, falsch gelaufen zu sein. (Inzwischen muss die Route mit dem Schlenker von links durch die Felder hochgekommen sein, rekonstruierte ich später.) Etwas hilflos folgten wir dem Fluss, bis eine Brücke in Sicht kam. Da mussten wir natürlich rüber. Der breite und wasserreiche Fluss beeindruckt einen sehr, wenn man so viele ausgetrocknete Rinnsale von anderen Flüssen gesehen hat. Auf der anderen Uferseite wieder kein Pfeil. Wir gingen auf gut Glück nach links, den Fluss entlang zurück und dann steil nach rechts oben. (Irgendwo musste doch endlich die Autobahnunterführung kommen, die im Handbuch stand, meinte ich. Die hätten wir aber längst auf dem Schlenker am Fluss unterquert, wenn wir den gegangen wären.)

Die Mauer rechts von uns sah genau wie eine Klostermauer aus. Sollte??? Da war ein Eingang, und da unten lag die Klosterkirche. Ich war ganz perplex, aber glücklich, dass wir uns verlaufen hatten und doch richtig gegangen waren. Da sieht man mal, was eine übersehene Klammer im Handbuch und das zweideutige Wort "Brücke" anrichten können. Kurz vor 17 Uhr, wir waren angekommen!


Tipp: Hinter Cortiñas auf den Schlenker am Fluss entlang verzichten und lieber einfach dem Asphaltsträßchen folgen, bis zur Flussbrücke über die Ulla.
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Kloster Herbón
Vor der Kirche war links ein Gebäude, die Pilgerherberge. Dort erwarteten uns schon einige Männer, darunter der Hospitalero, ein Freiwilliger aus dem Baskenland, ein Helfer und ein Mönch, der aber Zivil trug. Man bat uns freundlich hinein, und wir konnten uns gleich anmelden. Mein Dolmetschen klappte ganz gut. Es gab wie in Rates einen zweifarbigen Stempel, ganz urig gemacht: Eigentlich formte der Stempel nur einen grünen Orangenbaum, in den der Hospitalero aber auf Wunsch mit einem Stift noch die Orangen farbig ausmalte. Wir wünschten es alle. Man zahlte nur eine Spende, und wir hatten Mühe, später den Spendentopf ausfindig zu machen. Wir gaben großzügig, denn es war klar, dass Kloster und Herberge ein Riesenzuschussbetrieb waren und bei zu wenigen Spenden für die Herberge deren Schließung drohte.

Das Kloster und seine Einrichtungen

Küche (außerhalb der Mahlzeiten geschlossen), Toiletten und Duschen liegen parterre. Vor dem Waschbereich geht es in den Hinterhof mit Terrasse, und dahinter erstreckt sich ein riesiger verwildeter Klostergarten. Ich entdeckte einen großen Sportplatz und ein Schwimmbecken. Das wird alles nur unterhalten, weil es von der benachbarten Gemeinde Herbón genutzt wird. In dem gewaltigen Klosterbau lassen sich mehrere hundert Leute unterbringen, aber es waren insgesamt nur zwei Patres (sie nannten sich frailes 'Mönche') da. B&G begrüßten uns freudig und zeigten uns den Schlafsaal, der eine (knarzende) Treppe hoch lag. Nun, es war Platz für tausend Mann, denn sonst war niemand da, und wir machten es uns alle auf unteren Betten gemütlich. Wir konnten nun nach Herzenslust duschen, unsere Wäsche waschen und dann im Sonnenschein dem Nichtstun frönen. Denn das Wetter war in strahlende Sonne umgeschlagen.

Gegen 19h30 Uhr gab es eine kostenlose Führung durch einen der Mönche. B. übersetzte alles aus dem Spanischen und machte das sehr gut, viel routinierter, als ich das gekonnt hätte. Lustig, dass nur Deutsche da waren! Wenn man sich die Klosterpracht ansah und von der glorreichen Vergangenheit hörte, in der von hier aus Missionare in die ganze Welt geschickt worden waren, dann fasste einen der Jammer. Über Mission mag man ja heute sicher anders denken, aber um den Glaubenseifer, der damals herrschte, kann man die Franziskaner beneiden. Und um ihre Standhaftigkeit, keck mitten unter die Mauren zu gehen und zu predigen, bis sie geköpft wurden. Man denke an die in unserer Zeit ermordeten friedlichen und toleranten Patres, die von muslimischen Fanatikern in Nordafrika umgebracht worden sind.

Teilnahme am Klosterleben

Hier in diesem Kloster war ein Hort der Stille und des geschwisterlichen Friedens. Was für ein Unterschied zu dieser grellen Bar in Pontecesures! Ein gänzlich anderes Pilgergefühl, ein Nach-Hause-gekommen-Sein, ganz klar von Anfang an unser geistiger (oder geistlicher) Höhepunkt dieser Pilgerfahrt, und dazu passte hervorragend die Einladung der Mönche, nicht nur die Gottesdienste zu besuchen, sondern sich auch aktiv an ihnen zu beteiligen. Pilger aller Konfessionen waren willkommen. Dass wir alle Katholiken waren, vereinfachte die Sache nur, da dann der Ritus nicht variiert werden musste und alle Gebete bekannt waren.

So nahmen wir also alle an den visperas um 20h30 teil. Wir hatten ja unsere Liederbücher, die Konni zusammengestellt hatte, mit. Also konnten wir zu Anfang und zu Ende je ein deutsches Lied singen. Das Vaterunser sprachen wir alle zusammen auf Spanisch (war auch in unseren Liederbüchern). Nach dem Gottesdienst sangen wir fünf noch mein Lieblingslied Anunciaremos tu reino, señor, tu reino, señor ... (deutsche Version: Lasst uns den Weg der Gerechtigkeit geh'n: Dein Reich, komme Herr ...), das die Pilgerschwestern mir zuliebe auf Spanisch mitsangen.

Spät kam noch ein weiterer Pilger. Er grüßte uns überrascht, war derjenige, der mit uns schon in O Porriño im Schlafsaal gewesen war. Auch er richtete sich ruhig in einer Ecke ein und störte niemanden.


Das Abendessen um 21 Uhr in der Herbergsküche war etwas einfach, wie es sich ja auch im Kloster gehört. Vor allem Rotwein war knapp (Bier gar nicht vorhanden). Da sah man mal, an welche Schwelgerei wir uns inzwischen gewöhnt hatten. War auch gut, sich dessen mal bewusst zu werden. Tagsüber hatten wir kein Menü gegessen, da wir ja wussten, dass es abends was im Kloster geben würde. B. meinte etwas übellauning, dass sie vielleicht doch etwas zu viel gespendet habe. Wir kicherten in uns hinein. Also, ich rate, sich noch ein Fläschchen als Schlummertrunk mitzubringen.
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Klosterkost

Nachts traf ich Marianne auf einem Gang zur Toilette. Ich wollte mir im Aufenthaltsraum im Erdgeschoss noch einen schmerzenden Fußballen neu versorgen und konnte ihr dann auch gleich ein Pflaster erneuern. Dass wir alle anderen mitgeweckt hatten, ließ sich wegen der Holzböden und der Treppe nicht vermeiden.


22. Juni 2013, Samstag: Vom Kloster Herbón nach Teo, 14,0 km (241,4 km)

6h30 raus wie üblich. Um 7h30 Treffen in der Küche zum Frühstück. Wir haben noch nicht gepackt, denn wir wollen auf jeden Fall um 8h00 in die laudes (Morgenandacht) und danach um 8h30 in die Messe. Wir haben heute eine Kurzetappe, und da treibt uns doch nichts. Ich rechne auch fest damit, dass die meisten heute nach Santiago durchlaufen, schlappe 20-25 km, je nachdem, von wo man aufbricht. Auch wir hätten die restlichen 27,1 km in einer Etappe bewältigen können, aber ich wollte ja an Santiago "heranschleichen", dass man dort nicht kaputt und verschwitzt eintrifft. Das hatte sich in früheren Jahren sehr bewährt. Wie schön, dass wir aus dem gleichen Grunde weiter am Klosterleben teilnehmen konnten.

Karges Frühstück, schöner Gottesdienst

Zuerst einmal am Frühstück, und das war noch karger als das Abendessen. Kaffee, Zwieback, ein Klacks Marmelade. Junge, da hatten wir Tage zuvor von "Resten" besser gelebt! Aber auch wieder eine kleine nützliche Übung, um das "Normale" schätzen zu lernen. Um so schöner war es in den laudes und der Messe. Wir durften uns wieder beteiligen, Konni las aus einem Paulusbrief, am Ende kam unser Lieblingslied "Irische Segenswünsche". Hier gab's kein altertümliches Gemähre, dass einem die Handkommunion verweigert wurde, wie wir es in Valdedios (vor Oviedo) erlebt hatten, oder Ähnliches. Es ging eben geschwisterlich zu. Leider haben B&G das verpasst, weil sie wohl meinten, sonst ihre Chance auf ein unteres Bett zu verspielen. Sie wollten evtl. auch bis O Milladoiro, wo es nach dem Handbuch von B. ebenfalls Unterkünfte gab. Dann waren sie noch näher an Santiago und kamen am Sonntag bequem zur Pilgermesse zurecht.

Nach der Messe packten wir gemütlich und verabschiedeten uns mit herzlichem Dank von den Mönchen und dem Herbergsvater und seinem Helfer. Der weitere Weg war einfach zu finden. Es ging zunächst am Kloster hoch, dann halblinks. Halbrechts lag die Ortschaft Herbón. Später stieß man auf eine Landstraße, die nach links direkt nach Padrón führte. Auf dem Seitenstreifen fühlte ich mich nicht gefährdet. Es ging immer bergab, bis wir die Brücke über einen Seitenkanal des Flusses Sar erreichten (nicht im Handbuch erwähnt).


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Padrón
Man hat vor Padrón diesen Kanal vom Fluss abgeteilt, Kanal und Fluss fließen dann südlich der Stadt in die Ulla, die Altstadt liegt also wie auf einer Insel dazwischen. Von der Kanalbrücke kamen wir - immer geradeaus - bei der Jakobskirche an und sahen gelbe Pfeile nach rechts weisen, denn hier kam der direkte Pilgerweg von links, wir hatten das Ende des Umwegs über Herbón erreicht. Ich hatte in der Planung eine längere Pause vorgesehen. Schon waren wir instinktiv dem Pilgerweg nach rechts gefolgt, als wir uns besannen: Von dieser Stadt könnten wir doch ein wenig mehr haben, Zeit war genug.


"Berühmte" Gäste in der Zeitung

Also drehten wir wieder um und stießen auf die drei US-Amerikanerinnen, die wohl in Valga übernachtet hatten. Sie waren überrascht, dass sie uns noch einmal wiedersahen, aber ich hatte ihnen ja auch von dem Kloster erzählt. Wir gingen nun zum Park neben dem Fluss Sar und schauten uns ein wenig um. Marianne kaufte um die Ecke für alle churros, ein süßes Spritzgebäck, das die Spanier überdies noch in Schokolade zu tauchen pflegen. Brr! Aber diese Churros waren ohne Schokolade und frisch, und alle kauten dankbar. Da sprach uns eine Journalistin von der La Voz de Galicia an, ob sie uns ablichten dürfe. Nun ja, wir posierten "auf dem Marsch" und kauten immer noch Churros. Tatsächlich stand anderntags groß unser Bild in der Zeitung, wobei Doña Josefina in "unserer" Bar in Santiago den übrigen Gästen zeigen konnte, welche "berühmten" Gäste bei ihr unterkamen. Der zugehörige Artikel machte die Stadt Padrón darauf aufmerksam, dass immer mehr fremde (lies: exotische) Pilger einen inzwischen nicht mehr zu vernachlässigenden Wirtschaftsfaktor darstellten.


Während die Pilgerschwestern einkauften, musste ich in der Bar La Campana anrufen und unser Eintreffen morgen bestätigen. Ich hatte eine Telefonkarte, aber da hatte ich mich verkauft: Es war keine Vorbezahlkarte, wie ich das sonst kenne. Und diese passte irgendwie nicht in die Telefonautomaten. Da entdeckte ich einen Laden der Firma Movistar, just die, deren Karte ich hatte. Ich bat die Verkäuferin, mir die Handhabung zu erklären. Sie riss die Augen auf, hätte mich bei zig Smartphones beraten können, aber sowas Elementares wie eine Telefonkarte ... Sie rief die Zentrale an, bekam aber keine Verbindung und entließ mich mit einem Schulterzucken. Sowas Unfähiges!
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Rast in Padrón

Telefonkarte: Die ganz banale Lösung

Ich habe das Rätsel der Telefonkarte in Santiago geklärt. Meine Vermutung, dass Movistarkarten nicht in Telefónica-Telefonzellen funktionieren, war falsch. Statt dessen haben viele Telefonzellen zwar einen Kartenschlitz, aber der ist oft technisch absichtlich blockiert, so dass man eine Telefonkarte eben überhaupt nicht verwenden kann. Sowohl im Frühjahr in Andalusien wie auch jetzt in Padrón war ich genau immer auf solche Telefonzellen gestoßen. Schon bei der ersten in Santiago gab es überhaupt keine Probleme: einfach reinstecken, wie gewohnt, und lostelefonieren ... Ein wenig dämlich kam ich mir bei dieser Entdeckung aber auch selbst vor. Ich war einfach auf Vorbezahlkarten fixiert, die man ja gar nicht einsteckt, weil man nur die auf ihnen vermerkte Geheimnummer zum Telefonieren braucht (und das funktioniert bei fast allen Apparaten).

Also ohne Telefonkarte, einfach 30 Cent in den Münzschlitz. Schon hatte ich Pepe, den Sohn von Doña Josefina, an der Strippe und konnte mühelos bei ihm für uns fünf die Zimmer für zwei Nächte bestätigen. Wenigstens das ein Erfolgserlebnis.


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Wieder mal schlemmen

Nachdem die anderen vom Einkauf zurück waren, ging es 11h50 aber weiter. Die Pfeile führten uns mühelos. Gegen 13 Uhr zogen wir durch Tarrio mit den beiden schönen Kornspeichern. 2 km weiter kommen wir an der Nationalstraße nach A Escravitude vor Cruces, es ist Mittagszeit. Rechts in einer Bar haben sie keinen frisch gepressten Orangensaft im Angebot. Das war unter dem Niveau von uns Pilgersnobs, also wieder raus. Hm, gegenüber der Kirche liegt links ein Restaurant (weithin sichtbare Reklame). Mal rein. Man zieht keine Augenbrauen hoch, sondern bugsiert uns an Tische. Hier gibt es doch glatt ein Tagesmenü für 8,50 € und zwar mit allen Schikanen, keine Tricks. Das Bild zeigt mich um 13h45 beim ersten Gang, einer üppigen Salatplatte. Danach gab's als zweiten Gang für mich Merluza (Seehecht, inzwischen kaum mehr zu bekommen) bis zum Abwinken, für Ludmilla mehrere Riesenkoteletts, die sie gar nicht bewältigen konnte.

Aber seit dem Buttereinsammeln hatten wir alles im Griff. Unauffällig unsere Plastikdosen her und das gute Fleisch eingepackt. Abends in der Herberge von Teo sollte es mir trefflich munden. - Es gab dann noch Nachtisch und Kaffee, alles inbegriffen. Getränke extra. Dieses Restaurant kann ich sehr empfehlen.


Neue Eisenbahnunterführung

Danach ging es auf recht schönen Wegen durch viel Grün weiter. Vor dem nächsten Ort gab es eine neue Eisenbahnunterführung. In A Picaraña erreichten wir die N550, der man ein Stück folgen muss, bis man halblinks nach O Faramello abbiegt. Vor uns liefen wieder die Pfadfinder, die bald in schöner Landschaft nach halblinks unten abbogen, während wir der Straße noch einige hundert Meter geradeaus nach oben folgten, bis links, etwas abseits, die Herberge von Teo lag.


Um 15h15 waren wir da, etwas Wäsche auf der Leine, aber sonst nichts los. Ich inspizierte den ersten Stock. Links lagen die Toiletten und Waschräume, rechts zwei Schlafräume. Aus einem schauten mir einige Pilger entgegen, der schien ziemlich eng und voll zu sein. Im anderen lag links einer dieser langen hageren "alten Kämpfer", der uns unterwegs überholt hatte. Jetzt schlief er fest, in voller Montur auf dem Bett. Rechts ihm gegenüber schön sorgsam ausgebreitete Decken in zwei unteren Betten, das konnten nur B&G sein. Aber hinten war noch alles frei, prima! Wir kamen heute bei der letzten Übernachtung so unter, wie wir uns das im Normalfall vorgestellt hatten: Eine Ecke für uns mit einem Doppelstock für Marianne und Ludmilla, ein zweiter Doppelstock für Hedwig und mich und daneben Konni gleichsam als unser "Vorwerk", auch auf einem unteren Bett. Es kamen später noch zwei-drei Pilger, aber es war ja genug frei, vor allem oben. Das Bett über Konni blieb sogar frei und diente uns so als Ablage. Insgesamt also alles wunderbar, bis auf eine Einschränkung: die oberen Betten hatten wieder keine seitliche Absperrung, aber diesmal hatte ich rechts wenigstens eine Wand.
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Herberge von Teo

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In der Herberge von Teo

Später kam der gemütliche Herbergsvater und kassierte 6 € pro Nase. Irgendwie schaffte er es auch, den Riesen oben in unserem Schlafsaal zu wecken. Diesen Mitpilger habe ich nicht ein Wort reden hören, konnte Franzose oder Italiener sein. Am anderen Morgen war er binnen 20 Minuten fertig und stiefelte wortlos davon. - Wir lernten einige weitere Pilger kennen, darunter ein junges Paar aus Russland und eine Brasilianerin, bei der ich wieder meine 120 Vokabeln Portugiesisch mit brasilianischer Aussprache an die Frau brachte. ;-)

Aus den in Padrón gekauften Vorräten gab es ein gutes Abendessen (ich hatte außerdem ja noch die Koteletts vom Mittag), später gingen wir die Straße hoch zu einer ca. 300 m entfernten Bar, wo wir in bester Laune einen Schlummertrunk einnahmen (Glas Wein 1 €, caña - großes Bier vom Kran - 2,50 €). Das war ein toller Tag gewesen. Meine Füße hatten kaum mehr geschmerzt. Wir wollten alle nicht nach Santiago :-)


23. Juni 2013, Sonntag: Von Teo nach Santiago de Compostela, 13,1 km (254,5 km)

Als ich morgens aufwachte, war aus unerfindlichen Gründen eines der vier Stellrädchen an meiner Armbanduhr verschwunden, keine Chance, es wiederzufinden. Das Dummste war, dass mir damit die Möglichkeit fehlte, den Wecker abzustellen. Ich sauste also aus dem Bett und holte mir eine Sicherheitsnadel aus dem Rucksack. Tatsächlich konnte ich mit dieser in das Löchlein bohren, wo das Rädchen gesteckt hatte, und damit den Wecker abstellen.

Aufbruch zur letzten Etappe

Nach einem geruhsamen Frühstück zogen wir mal wieder um 8 Uhr als Letzte los, hinter uns lauerte schon das Putzkommando, drängte aber nicht. Man muss ein Stück die Straße zurück, die man gekommen ist, dann rechts nach unten in Richtung einer Kapelle. Wieder war die Auszeichnung heute einwandfrei. Herrlich, Zeit zu haben, sich keine Gedanken wegen der Unterbringung zu machen! Wir hatten beschlossen, nicht zu hetzen, nur um noch in die Pilgermesse zu kommen. Dafür war auch morgen noch Zeit.

Pico sacro in der Ferne

Heute ging es wieder links von der N550 durch kleinere Orte, aber ohne unschöne Industriegebiete. Ich schaute wiederholt nach rechts, ob ich nicht den Pico sacro sehen würde, und tatsächlich, nach einiger Zeit wurde er sichtbar, lugte mit seinem Gipfel aus der Ferne über den nahen Höhenzug. - Hinter der Streusiedlung Casalonga folgte nochmal ein Waldweg, bis wir bei einem großen Kreisverkehr an der N550 herauskamen. Hier habe ich rechts ein Hostal in Erinnerung. Vor dem Kreisverkehr sollte man noch einen kleinen Schlenker nach links zur Straße machen, aber das war völlig unnötig. Im Kreisverkehr links und ein Stück jenseits der Straße wieder parallel zurück, kann man in Wikiloc deutlich verfolgen. Später muss man scharf links abbiegen und erreicht im nächsten Dörfchen eine breite Straße, die rechts in der vorherigen Richtung weiterführt. Hier pusteten wir auf dem linken Seitenstreifen die Höhe hoch und kamen oben an einer Kreuzung in O Milladoiro raus. 10 Uhr und schon 6,6 km, das war Halbzeit für heute. Eine kleine Pause war angesagt.


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Der Pilgerdoktor in O Milladoiro
Nach 50 m tat sich zwischen hohen Neubaublöcken rechts eine Straße auf, die auf eine nette Kapelle zuführte. Hier starrten uns viele Leute an. Nach einem Blick in die Kapelle steuerten wir die Bänke an, aber da sah ich etwas weiter unten in einer Geschäftsstraße rechts eine Bar. Dort gab's dann einen Kaffee, bevor wir zu den Bänken zurückkehrten, wo ich Marianne nochmal den Fuß neu verpflasterte. Ich selbst hatte praktisch keine Probleme mehr. Diese kurzen Strecken reichten aus, damit sich meine Füße erholen konnten. Selbst um den Problemzeh bildete sich inzwischen eine dicke Hornhaut.

O Milladoiro ist praktisch schon eine Vorstadt von Santiago. Hinter einem Elektrizitätswerk kam eine blaue Brücke über die Autobahnsüdumgehung, und von dort sollte man schon die Türme der Kathedrale sehen können. Nun, Santiago lag riesengroß in der Ferne, und mit etwas Fantasie fand man auch heraus, welche von den vielen Kirchtürmen zur Kathedrale gehörte. Sicher war ich mir nicht. Als nächstes ging es noch einmal durch eine schöne Naturzone. Dort lief ein Schäferhund frei herum, aber der Besitzer hielt ihn fest, als wir stehen blieben. Aggressiv schien der Hund ohnehin nicht zu sein, aber wir mussten auf dem Pfad fast in Tuchfühlung an ihm vorbei.
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Santiago in Sicht

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Brücke über das Flüsschen Sarela
Wir erreichten die Eisenbahnlinie, die ebenfalls südlich von Santiago nach Osten schwenkt und liefen eine große Schleife, um eine Brücke über die Strecke nutzen zu können. Noch einmal kam eine Grünzone bis zur alten Brücke über den Fluss Sarela. (10,2 km, 11h40). Den Rest ging's durch die Stadt, aber das zog sich noch hin. Zunächst mussten wir hinter der Brücke entscheiden, ob wir die neue, längere Strecke nehmen wollten (dazu muss man erst dem Fluss in grünes Dickicht folgen) oder lieber die alte Strecke vor uns sehr steil die Straße hoch. Wir entschieden uns für Letzteres, wie auch Raimund Joos empfiehlt, und das scheint mir richtig gewesen zu sein. Im Übrigen muss ich loben, wie sorgsam man durch Grün bis dicht an den Stadtkern herangeführt wird. Der schönste Weg in die Stadt (von den vieren, die ich kenne) ist allerdings weiterhin der vom Mozarabischen Weg. Leider ist auch er inzwischen von der Autobahnsüdumgehung beeinträchtigt.

Beschreibung der alten, kürzeren Route

Oben erreichte man einen Kreisverkehr und ging jenseits in derselben Richtung weiter, immer noch steil hoch. Ich konsultierte meinen Stadtplan von Santiago. Ich war mir zu Hause nicht schlüssig gewesen, wo wir auf diesem "erscheinen" würden. Ein Krankenhaus als Wegemarke reichte nicht, denn davon gab es gleich mehrere in der Nähe. Es geht die Rúa de Cantaleta hoch. Genau diese zeigt mein Stadtplan ganz oben links in der Ecke. Ab jetzt wusste ich also, wo wir waren. (Der Stadtplan ist übrigens der, der im Fremdenverkehrsbüro ausliegt.) Weiter die Straße nach oben erscheint links ein riesiger Komplex, die Universitätskliniken. (Ich ahnte nicht, dass ich zwei Jahre später hier als entlassener Patient den Pilgerweg wieder aufnehmen würde.) Es geht geradeaus, auch wenn die Straße den Namen wechselt. Auf dem höchsten Punkt angekommen, sollte man nach rechts schauen: dort dominierte wieder der Pico sacro mit seiner Pyramidengestalt den Horizont.

Wir gelangten danach auf einen großen Platz, wo wir vergebens nach einem gelben Pfeil Asschau hielten. Auch hier folge man dem Rat von Raimund Joos und gehe einfach halbrechts zur sichtbaren Hauptstraße Rúa Santa María de Arriba, der man links in Richtung Stadtzentrum folgt.

Immer weiter geradeaus. Bei der folgenden großen Kreuzung muss man aufpassen, dass man wirklich die Richtung beibehält und in die Avenida Rosalia de Castro geht, auch wenn ein breiter Boulevard einen verleitet, nach rechts abzubiegen. Wenig später kommt man nun am Rand der Altstadt, an der Ecke des großen Stadtparks raus. Wir gingen links die Stufen zum Park hoch und trafen gleich auf Bekannte, das niederländische Paar, das z.B. in Ponte de Lima neben mir gelegen hatte. Sie waren einen Tag eher eingetroffen.


Nun, ich führte meine Gruppe gemächlich weiter. Wir machten ein Bild bei den Skulpturen der beiden schrill gekleideten Frauen und gingen endlich durch die Rúa do Franco zur Kathedrale. 12h42, Ziel erreicht. Ein Unbekannter machte bereitwillig Bilder von unserer Jubelstimmung, gemischt mit der Wehmut, dass die Pilgertour vorbei war. Mancher wischte sich doch die Augen.
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Am Ziel!

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Wieder bei Doña Josefina
Später ging's zur Bar La Campana, wo Doña Josefina ein wenig grauer geworden war, aber sonst alles unverändert. Wir bekamen zwei 2-Bett-Zimmer und Konni ein 1-Bett-Zimmer im 2. Stock, mit kleinem Rabatt, da wir ja auch zwei Nächte blieben. Ich suchte und fand unser Bild in der Zeitung La Voz de Galicia, die auf der Theke lag.

Gegen 14 Uhr gingen wir zum Casa Manolo und mussten ca. 15 Minuten warten, bis wir einen Platz bekamen. Hm, es herrschte die übliche Hektik. Junge Leute sausten als Bedienung herum, es wurde sehr laut gesprochen, weil alle gut zufrieden waren. Nach "altem Brauch" nahm ich wieder Seezunge, und sie passte wieder nicht auf den Teller. Das Bier ("Bock") war deutlich teurer geworden. Die Portionen unbewältigbar groß wie eh und je. Insgesamt konnte man wieder zufrieden sein. Nach dem ersten Ansturm flaute die Hektik ab, und ich unterhielt mich sogar kurz mit dem langjährigen Chef, der glaubte, sich an mich zu erinnern. Ich habe aber den Verdacht, dass er es nur aus Höflichkeit sagte.
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In der Casa Manolo

Füße als Beweisstücke

Der restliche Tag verging mit der üblichen Routine. Das Pilgerbüro ist nicht mehr im Haus 1, sondern im Hof des Hauses 3 der Rúa do Vilar. Die junge Dame, die meinen Pilgerpass stempelte, sprach gut deutsch und fragte: "Sind Sie alles zu Fuß gelaufen?" Ich antwortete schalkhaft: "Ja, wollen wir uns mal meine Füße anschauen?" Das wollte sie nun doch nicht. Ich nahm diesmal eine Compostela, denn wir wollten versuchen, abends um 18 Uhr im Reyes Católicos als Pilger zu essen, vor allem wegen unserer Neulinge. Aber schon lange vorher gab es nicht mehr genug Plätze.


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Unerwartetes Wiedersehen
In der Kathedrale war die Erbauerfigur weiter abgesperrt. Sonst weniger Andrang, als ich schon erlebt hatte. Nachmittags kamen wir zur Bar zurück, wo mir jemand entgegenstrahlte. Hm, konnte ich meinen Augen trauen? Es war Helmut aus den Niederlanden, mit dem Hedwig und ich 2007 einige Etappen auf dem Mozarabischen Weg zusammen gelaufen waren. Er machte Dienst in einer Anlaufstelle für niederländische Pilger in der Rúa de San Pedro. Gestern habe er zufällig bei Doña Josefina hereingeschaut und dann gehört, dass el Alemán de barba wieder im Anmarsch sei. Nun, da tranken wir noch eins vor der Bar zur Erinnerung an alte Zeiten.

Abendessen in der Bar La Campana

Mit der Selbstverpflegung hatten wir das Problem, dass heute am Sonntag fast alle Geschäfte geschlossen waren. Nach dem reichen Mittagessen wollten wir abends nicht noch einmal ins Restaurant. Auf meine Frage hin machte uns Doña Josefina eine große Tortilla mit Salat, dazu gab's Wein und Bier nach Gefallen, am Ende zu einem wirklich guten Preis. Sie brutschelt den Gästen gern was in der Küche. Man muss sich nur melden. So klang der Tag unserer letzten Wanderetappe gemütlich aus.


24. Juni 2013, Montag: Aufenthalt in Santiago de Compostela

Wir schliefen heute länger und trafen uns dann zum Frühstück auf dem Zimmer von Ludmilla und Marianne. Heute war St. Johannes, also ein Feiertag. In Santiago merkte man so gut wie nichts davon, außer, dass die Geschäfte, vor allem der Supermarkt, geschlossen hatten. Aber der kleine Laden um die Ecke (R. Acibechería) war geöffnet und machte umso mehr Umsatz. Wie gestern war auch heute wieder strahlender Sonnenschein.

Die Pilgerschwestern wollten in die Souvenirläden. Ich hatte die Aufgabe, per Internet herauszufinden, ob unser Flug anderntags pünktlich abheben würde. Zunächst besorgte ich mir im Touristenbüro die Adresse des nächsten Internetcafés. Es lag an der Kreuzung vom Stadtpark (Rúa da Senra). Ich war gegen 10 Uhr der erste Kunde und hatte keine Ahnung :-) Man zeigte mir, wie man sich einloggte. Das Passwort stand auf dem Kassenbon, muss einem ja nur gesagt werden. 1/2 Stunde 1 €, das ging ja. Von zu Hause hatte ich mir die richtigen Daten mitgebracht, um mich bei der Fluggesellschaft anzumelden und unter meiner Buchungsnummer nach dem Flug zu sehen. Oha, man konnte sich schon Plätze aussuchen und die Bordkarten ausdrucken. Ich musste wieder fragen: Ja, auch das ging hier, kein Problem. Ich fummelte mich durchs Platzbuchungsprogramm, wich kostenpflichtigen Zusatzleistungen aus und konnte tatsächlich Bordkarten für Hedwig, Konni und mich ausdrucken. (Von Ludmilla und Marianne hatte ich die Buchungsnummer nicht.) Zahlte dafür noch einige Cent. In sehr gehobener Stimmung, dass ich alles im Griff hatte, ging ich zurück.

Mittags gingen wir in die Pilgermesse, wobei Hedwig und ich die anderen drei wegen eines Missverständnisses verpassten, so dass wir uns in den Seitenschiffen gegenübersaßen (ohne das zu wissen). Man fand tatsächlich noch in letzter Minute Sitzplätze. Die Leute waren ruhiger als sonst und auch kaum Ordner im Einsatz. Ich habe ja schon erlebt, dass der Priester drei Mal die Messe unterbrach, weil er vor Lärm seine eigenen Gebete nicht mehr verstehen konnte. Unter den Zelebranten war auch ein Niederländer, den wir nachmittags noch kennen lernten. Neben den anderen kamen zufällig seine Kameraden aus dem Pilgerinfozentrum zu sitzen. Am Ende der Messe wurde der Botafumeiro geschwungen, auch nett. B&G, die wir nachmittags trafen, waren etwas sauer, denn am Tag zuvor hatte diese Schaueinlage (trotz Sonntag) gefehlt.

Dann Mittagessen. Am Vortag hatten wir schon ein neues Restaurant ausfindig gemacht. Ich werde unten weitere Einzelheiten berichten. Wir kamen genau zur Öffnungszeit. Kurz danach war schon alles besetzt. Wir wurden vom Preis-Leistungs-Verhältnis sehr positiv überrascht, eigentlich war es noch besser als in der Casa Manolo.

Dann besichtigten wir weiter die Stadt, liefen probeweise zum Busbahnhof. Dort trafen wir das russische Paar, die wir in Teo kennen gelernt hatten. Auf dem Rückweg mussten wir doch am niederländischen Pilgerinfozentrum vorbei. Helmut lauerte auf der Straße auf Kundschaft und bat uns herein. Das gab ein Hallo, als sich herausstellte, dass sich die Übrigen schon aus der Pilgermesse kannten! Über den vorhandenen Computer konnte ich für Ludmilla und Marianne nun ebenfalls Bordkarten ausdrucken. Zum Dank ließ ich ihnen meine unbenutzte Telefonkarte da.


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Zweieiige Zwillinge
Am späten Nachmittag musste natürlich noch der Park besichtigt werden. Ich konnte es nicht lassen und ließ mich wieder auf einer Bank neben einer mir nicht unähnlichen Skulptur ablichten. Wie jedes Mal blieben Leute stehen und amüsierten sich. Zum Abendessen gab's Empanada, die wir aus der Altstadt aus einem Bäckerladen besorgt hatten.

Abschluss des Tages und auch der ganzen Pilgertour zunächst auf dem Kathedralenplatz mit Schlummertrunk. Dabei warteten wir auf die Studentenkapelle La Tuna, die gegenüber der Kathedrale unter den Bögen aufspielt. Aber sie kommt nicht immer. Auch jetzt mussten wir lange warten, bis es anfing zu dämmern, und dann kamen sie doch noch. Ich fand, dass weniger Publikum als sonst da war, wohl wegen der späten Stunde.
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Studentenkapelle La Tuna

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Tolle Stimmung am Abschiedsabend
Aber wir sorgten kräftig für Stimmung mit, besonders als auch noch zwei unserer niederländischen Freunde dazustießen: Helmut und "Hans ut Twente" sind in der Grenzregion zum Münsterland daheim. Mit Helmut hatten wir uns deshalb schon einmal zu Hause getroffen. Ein fantastischer Abschiedsabend, an den wir noch lange denken werden.

25. Juni 2013, Dienstag: Rückflug von Santiago de Compostela

6h45 schlichen wir aus der Bar, hatten am Vorabend noch mit Doña Josefina abgerechnet. Der Abschied von ihr war etwas kurz ausgefallen, schade! Der Bus vom Busbahnhof bis zum Flughafen war voll mit Pilgern. Man musste keineswegs 2 Stunden vor Abflug einchecken, wie in unseren Unterlagen stand. 9h15 hob die Maschine pünktlich ab. Auf diesem Billigflug (Vueling, eine Iberia-Tochter) gab es absolut nichts zu trinken, auch auf dem zweiten Teil von Barcelona nach Düsseldorf nicht, alles nur gegen Barkasse. Also mussten wir uns im Flughafen von Barcelona etwas zu essen und zu trinken kaufen, zum Räuberpreis (Schinken-Bocadillo 6,80 €).

In Düsseldorf gab es Aufregung, als Ludmillas Rucksack (und ein-zwei andere) nicht mitgekommen waren. Mit der Reklamation (schwierig, man schickte uns von Pontius zu Pilatus) verpassten wir den ersten Zug. Aber ich hatte eine NRW-Tageskarte für 5 Personen und alle möglichen Verbindungen schon vor der Tour zu Hause ausgedruckt. Im Zug telefonierten die anderen ihren Männern, wann wir am Bahnhof zu Hause ankommen würden. Das klappte alles reibungslos. - Tage später wurde Ludmilla der Rucksack an die Haustür gebracht. - Wir waren uns alle einig, dass es eine tolle Tour gewesen war, und alle hofften und hoffen, dass es nicht die letzte war.


Neue touristische Hinweise für Santiago


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Café-Bar La Campana
Zur Übernachtung empfehle ich weiterhin die
Café - Bar La Campana.
Josefina Rodríguez Rivas, Campanas de San Juan, 4, 15704 Santiago de Compostela, Tel. 981 58 48 50
Ich lernte dieses Jahr dort eine deutsche Pilgerin kennen, die wie ich Stammgast ist. Wir waren uns einig: Die Zimmer sind einfach, altmodisch und klein, aber die Lage (50 m von der Kathedrale) ist einfach Spitze. Doppelzimmer weiterhin 30 - 35 €, Einzelzimmer 20 - 25 €. Nur ein Doppelzimmer hat eine Dusche (aber keine Toilette), sonst Badezimmer auf dem Flur. Pro Etage gibt es nur 4 Zimmer, da gibt es im Bad keinen Andrang. Es gibt auch noch ein Einzelzimmer pro Etage, das ich nur "Höhle" nenne, weil es kein Fenster hat (15 €).


Neuerdings gibt es eine attraktive Alternative und zwar genauso nah wie die Bar, nämlich in dem großen Gebäudekomplex San Martiño Pinario direkt neben der Kathedrale, in der Nähe der Bar. Ein großes Transparent verweist auf den Eingang, gar nicht zu übersehen. Ich habe morgens hineingeschaut, konnte leider kein Zimmer besichtigen (die Zimmer sollen klein sein), aber das Frühstücksbuffet hatte Hotelqualität. Preis für eine Übernachtung im Einzelzimmer 23 € einschließlich Frühstücksbuffet. Aber nur auf Vorbestellung, es scheint dauernd ausgebucht zu sein. Hier die Adresse:
Hospedería Seminario Mayor
Plaza de la Immaculada,3
15704 Santiago de Compostela, Tel +34 981 560 282
reservas@sanmartinpinario.eu
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Am San Martiño Pinario
(20 m vor der Bar La Campana)

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Im Restaurant Tarará
Tipp zum Essen:
Restaurant Tarará, Rúa das Carretas, 22
(am Reyes Católicos vorbei, die Treppe hinunter, gleich rechts um die Ecke)
Tagesmenü (2013: 8 €) mit einer großen Auswahl aus je 13 Möglichkeiten für zwei Gänge. Beilage (Pommes etc.), 1 Getränk, Nachtisch im Preis inbegriffen.
Der Wirt wurde schon nervös, weil ich dauernd fragte, ob das alles wirklich inklusive sei, aber dann war er so freundlich, uns auch noch zu fotografieren.
Fazit: sogar billiger als in der Casa Manolo, aber kleinere Portionen (die völlig ausreichten). Am besten reservieren lassen.

Letzte Änderungen: 19.03.2020