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Manfred hatte erzählt, dass bei seiner ersten Caminotour hier alle gekniffen hätten, noch den Abstecher zur berühmten Kirche Eunate zu machen. Das haben wir aber doch vor, sind ja nur 2 km mehr. Wo ist die Abzweigung? Zwei Spanier wissen es auch nicht, haben sogar noch nicht von Eunate gehört. "Sehr berühmt", sage ich ein paar Mal. Sie überlegen, wollen dann doch auch dahin. Etwas weiter im nächsten Dorf (Muruzábal) steht ein riesiger Hinweis auf einer Hauswand, gar nicht zu übersehen. In glühender Sonne geht es zur Eunate. Die beiden Spanier kommen uns im Eingang schon wieder entgegen und bedanken sich herzlich, dass wir sie auf diese Sehenswürdigkeit aufmerksam gemacht haben.
Die Kirche ist wirklich wunderbar. Wegen der Touristen wage ich drinnen nicht zu singen. (Das ging mir leider oft so.) Dann laufen wir stur den Pfeilen nach, die vom Somportpass kommen, und werden deshalb mit einem großen Umweg nach Puente la Reina, unserem Ziel geführt. Andere sind einfach der Nase nach direkt am Hang von Eunate aus dahin gelaufen. Da waren wir wohl zu preußisch.
Das Refugio von Puente la Reina ist klein und dreckig, mit 3-Stock-Betten. Sowieso kein Platz, obwohl sich hier eine italienische Gruppe mit Wohnwagen eingenistet hat! Der Hospitalero sagt mir nur kurz: "Es gibt noch zwei Refugios hier. Eins im Hotel zurück, 1.200 Peseten, eins voraus 900 Peseten." Da ich das Hotel schon gesehen habe, gehe ich lieber 500 m zurück an den Ortseingang. Im Hotel heißt es: "Ein Doppelzimmer? Kein Problem. Macht 9.000 Peseten." Ich halte mich am Tresen fest. "Oder wollen Sie ins Refugio im Keller?" fragt die junge Dame weiter, "Das kostet 1.200 Peseten." Ich nicke so heftig und schnell wie Obelix. Im Keller sind saubere Stockbetten und marmorgeflieste "servicios" (Duschen und Toiletten). Wau! Und viel Platz. Später werden noch viele Betten belegt, aber niemand landet auf dem Boden.
Fazit für Puente la Reina: Sofort im Hotel Jakue am Ortsrand bleiben. Das offizielle Refugio im Ortskern kann man abhaken. Einziger Nachteil: Man läuft doch einige Male die 500 m zur Innenstadt hin und her. Das andere Refugio, bei den Pilgern nur Hühnerstall genannt, hat angeblich wirklich vorher der Hühnerzucht gedient. Es liegt von der Innenstadt aus gesehen hinter der berühmten Brücke, etwas den Hang hinauf. Innen soll es einfach, aber gut sein. Heidi sagte später, sie sei zufrieden gewesen.
Villamayor de Monjardín war einer der wenigen Orte am Jakobsweg, wo noch heute der Pilgergeist zu spüren ist. Eine niederländische religiöse Gruppe hat zwei Häuser renoviert und daraus das private Refugio gemacht. Es war noch nicht in unserem Handbuch verzeichnet, aber im Refugio von Puente la Reina hatte ein Reklameanschlag auf diese neue Unterkunftsmöglichkeit hingewiesen. Das ist überhaupt ein Tipp: In allen Refugios sorgfältig die Anschläge am schwarzen Brett lesen. Man erfährt dort manches Nützliche, das nicht im Handbuch steht.
Es gibt 2- bis 4-Betten-Zimmer, aber in jedem Haus nur eine Toilette, von denen die eine sich noch den selben Raum mit der einzigen Dusche des Refugios teilt. Also erst einmal Schlange stehen. Ein Radfahrer (schon diese Glitzerwäsche macht mich aggressiv) nervt mich. Ob wir evtl. unser Zimmer, wo wir mit der dunklen Französin und ihrem Begleiter untergekommen sind, zu Gunsten ihrer vierköpfigen Gruppe räumen würden? (Die anderen beiden hat er schon verscheucht.) Ich bin sehr ungnädig, will jedenfalls meinen Platz in der Warteschlange nicht aufgeben. Frisch geduscht, ziehen wir dann doch ins Nachbarhaus um. Zum Lohn hat das neue Zimmer eine Terrasse mit wunderschöner Aussicht auf das Land, speziell auf die Burgruine oberhalb des Dorfes. Wir teilen unser Zimmer mit den "Jungs mit der Fahne". Bald weht unsere Wäsche auf der Terrasse.
Vor dem Haus sitzt ein alter Mann mit hagerem, unrasiertem Asketengesicht. Ab und zu stößt er Urlaute hervor und stammelt etwas, telefoniert oder diktiert. Ich verstehe ein paar deutsche Satzfetzen. Schon bei der Ankunft trafen wir einen Andalusier. Alt, dunkelbraun gebrannt, mit nur noch wenigen Zähnen, einen ausgesprochen lieben Hund dabei. Er kommt aus Sevilla, war schon in Santiago (wir staunen) und will weiter nach Rom und von da nach Jerusalem... Er ist von einem Landstreicher äußerlich nicht zu unterscheiden. Aber sowohl er wie auch der Asket sind die Freundlichkeit selbst. O ihr Brüder der Landstraße! Ihr seid mir lieber als die Radsportler.
Das Refugio bietet gegen einen mäßigen Preis Abendessen und Frühstück an. (Das sollte man immer mitnehmen. Man spart Zeit und Lauferei, und teurer als in den Gaststätten ist es auf keinen Fall.) Abends sitzen wir also gemeinsam beim Abendessen, endlich eine Pilgeratmosphäre und natürlich der arme Schlucker aus Sevilla zwischen uns, wie es sich gehört. Und wer ist noch aufgetaucht? Manfred mit seinen wunden Füßen. Er hat die Etappe aber mit dem Bus gemacht. Morgen will er zum Arzt. Wir haben uns an diesem Abend von ihm verabschiedet.
Im Gegenzug werden die nächsten 24 Stunden zu den für mich schlimmsten vom ganzen Camino. Es beginnt wieder mit Hybris: Wir wollen der Kolonne, die wir schon in Estella hinter uns gelassen haben, davonlaufen, um endlich weniger Bettenkonkurrenz zu haben. Der Weg ist gut und eben; wir spulen die Kilometer in bester Laune herunter, lassen die Refugios von Los Arcos und Torres del Rio unbeachtet. Viana ist das Ziel, mit einem großen Refugio, da kann gar nichts passieren.
Viana wird in der üblichen Sonnenhitze, etwas humpelnd erreicht. Die Füße meutern wegen der langen Etappen. Das Refugio ist eine einzige Katastrophe, um 16 Uhr schon gesteckt voll. Eine kühle städtische Angestellte zeigt uns einen Schlafraum, dort könnten wir ganz oben auf den 3-Stock-Betten schlafen. Ich bin entsetzt. Es ist auch keinerlei Abstellplatz auf dem Fußboden mehr da. Das Gepäck von drei Leuten passt eben nicht auf eine einzige Bettlänge. Zu allem Überfluss liegt auch noch ein schlafendes Mädchen davor. (Sie hatte auch Angst, ganz oben zu schlafen, merke ich später.) Ihr Vater sieht, dass ich sauer und niedergeschlagen bin. Er räumt Gepäck an die Seite und zeigt auf das freie Bett über sich. Ich beziehe es zweifelnd. Harald schräg gegenüber ebenso.
Ich kann nachts nicht raus, ohne meine Unterleute zu wecken, denn ich muss wie ein Affe ohne Leiter an den Fußenden rauf- und runterturnen. Die Toiletten nebenan sind defekt. Abends wird alles mit Langläufern zugepflastert. Dabei rührt die Enge daher, dass sie jeden genommen haben, ob Radfahrer oder Tourist, darunter sicher viele, die nur an diesem Wochenende unterwegs sind. Die Stadt braucht wohl Einnahmen. Wie das einige Tage später endete, ist unter den Allgemeinen Informationen, Abschnitt "Hunde und andere Gefahren", nachzulesen.
Ich sitze in dem engen Korridor vor dem Schlafsaal auf dem Boden und verarzte meine Füße. Diese haben üble Blasen. Pausenlos steigt jemand über mich hinweg. Später humpele ich über das Kopfsteinpflaster und versuche, ein Privatquartier zu bekommen. Am Touristenbüro ein Schild: "Bin leider wegen einer Führung unterwegs. Bitte, die Unannehmlichkeit zu entschuldigen." Ein Polizist verweist mich an ein Restaurant. Angeblich alles belegt, und auch kein Bett mehr von hier bis Logroño zu haben. Was hilft's, dass ich das nicht glaube! - Die Nacht wird schlimm. -
Später haben wir uns gesagt: Wir hätten einfach die Matratze aus der dritten Lage holen und irgendwo auf den Boden legen sollen, wie andere das auch machten. Gegen 16 Uhr war ja noch genug Platz auf dem Fußboden. Es war auch das letzte Mal, dass ich ohne Widerspruch so mit mir umspringen ließ. Viana, du siehst mich nie wieder!
Als wir aufbrechen, habe ich Tränen des Gedemütigtseins in den Augen. Ich komme mir wie ein Ausgestoßener vor: nirgends Platz. Ich nehme Haralds Hand. Ein paar Minuten später werde ich ruhiger, mit dem tock! tock! der Wanderstäbe kommt auch der Widerstandsgeist zurück. Verdammt nochmal, das lassen wir uns nicht noch einmal bieten.
Vor Logroño muntert uns endgültig Doña Felisa auf (siehe "Allgemeine Informationen", Abschnitt "Nordspanien: Land und Leute"). Dann laufen wir um die Wette mit zwei spanischen Paaren, die wohl auf Wochenendtour sind; tatsächlich haben wir sie danach nicht wiedergesehen. Es gibt sogar einige Tropfen Regen, der aber wenige Minuten später wieder aufhört. Die anderen sind uns weggelaufen, waren wohl frischer.
Wir wollen jetzt die großen Städte und Refugios vermeiden und statt dessen immer "eins weiter" gehen: Wenn also eine große Stadt in etwa der Entfernung einer Tagesetappe liegt (und deshalb wahrscheinlich das Ziel vieler Pilger ist), wollen wir genau das nächste kleine Refugio dahinter ansteuern. Bei Villamayor war das doch prima hingekommen. Man merkt: aus dem Pilgern war inzwischen ein Taktieren und Rennen um ein sicheres Bett geworden. Noch so eine Pleite wie in Viana hielt ich jedenfalls nicht aus. Nach der neuen Taktik ging es also über Logroño hinaus nach Navarrete.
Vor dem Refugio in Navarrete stand (13 Uhr) schon ein Reihe Rucksäcke. Wir landeten auf Platz 18 und 19. In dieser Reihenfolge stellten sich die Pilger später beim Öffnen der Herberge an, konnten vorher aber schon einkaufen oder sich in der benachbarten Bar erfrischen. Eine schöne Regelung, die weit verbreitet war und auch eingehalten wurde.
Zu 15 Uhr steht einer der Männer in der Bar auf, geht zum Refugio rüber und schließt auf: Hatte also der Hospitalero, dieser Schlaumeier, die ganze Zeit unter uns gesessen und sich nicht zu erkennen gegeben. Es war halt noch seine Ruhezeit, das musste man verstehen. (Auch konnte er seine Pappenheimer schon mal unauffällig mustern.) Also bekamen wir Bett 18 und 19. Es stellte sich heraus, dass wir mit unserer Raserei eine Kolonne, die einen Tag eher in Pamplona aufgebrochen war, eingeholt hatten. Das war ja sehr sinnvoll.
Der Preis waren immer schlimmere Blasen. In Sandalen über das Kopfsteinpflaster: Das waren Schmerzen! - Das Refugio in Navarrete ist ansonsten nur zu loben. Abends ging es in die benachbarte Kirche zur Messe, über Kopfsteinpflaster!
Wieder legten Harald und ich ein mörderisches Marschtempo vor. In Nájera hatten wir die Gruppe endgültig abgehängt. Wir kamen am Refugio vorbei: dort stellten die ersten "Knistertüten" um 10.30 Uhr (!) ihre Rucksäcke ab. Nach einem Wettlauf mit einem Spanier, der gar nicht nach Azofra wollte, trafen wir schon gegen 11.45 Uhr dort ein. Vor dem Refugio saß ein betrübter spanischer Pilger, der wegen seiner kaputten Füße nicht mehr weiterkonnte, neben ihm ein (dänischer) Freizeithospitalero. Ja, bleiben könnten wir nicht, allenfalls in einem Notquartier ohne Wasser. Das Refugio sei vom Cura von Logroño höchstpersönlich für zwei Jugendgruppen reserviert worden. Die Niederlage von Viana hatte mich gestählt. Ich holte unser Aussendedokument heraus und sagte auf Spanisch: "Wir sind offizielle Pilger, und uns steht die Unterkunft zu. Ich bestehe darauf. Sie kennen die Regeln, eine Reservierung ist ein Verstoß." Der Däne bat, Englisch reden zu dürfen. Ja, wenn wir den Lärm der Jugendlichen aushalten wollten... Er trug uns ins Refugiobuch ein, stutzte, fragte: "Deutsche, etwa aus der Nähe von Köln?" - "Naja, mehr oder weniger." (Nämlich 170 km entfernt, um genau zu sein ;-)) - "Und kennen vielleicht den dortigen Vorsitzenden der Jakobsbruderschaft?" "Nicht persönlich." Ich spielte den Geheimnisvollen, las in seinem nachdenklichen Gesicht: Der Bart, das Kreuz, etwa ein hohes Tier inkognito? "Fischer, Fischer, ... Habe ich von Ihnen nicht schon mal irgendwo gehört?" fragte er grübelnd. Ich zuckte mit den Schultern: "Kann sein, warum nicht?" ;-)
Also, wir zogen mit unserem spanischen Pilgerfreund, er hieß Ernesto, ins Refugio und belegten Betten. 20 Minuten später war Doña María, die offizielle Hospitalera da. Ob ich Pater sei? (Klar, der mit seinem Sohn unterwegs ist :-)) Nein? Dann, Sekunden später: Aber vielleicht Pfarrer? Auch nicht? Sie zog verwirrt und unsicher wieder ab. -
Die Gruppen sind nie gekommen... :-) Aber noch viele müde Fußpilger (z.B. Heidi), von denen Anne (Name geändert), die Engländerin, am andern Morgen mit 4.30 Uhr einen Knisterrekord aufstellte. Ich hätte sie erschlagen können.
Achtung: Dort führen die gelben Pfeile am Stadteingang in die Irre, nämlich geradeaus in die Hauptgeschäftsstraße, während man schräg rechts auf der alten Pilgerstraße bleiben sollte, die direkt zum Refugio und zur Kathedrale führt. Wir merken es erst am Ende der Altstadt und müssen maulend zurück, denn die Kathedrale mit dem Hühnerpaar wollen wir doch sehen. Wir treffen Max (Name geändert), einen schweigsamen 17-Jährigen, der allein unterwegs ist, wieder, ferner María (Name geändert), eine Spanierin aus Madrid, die bis Burgos pilgert.
Heute haben meine Frau und ich den 30. Hochzeitstag, und das getrennt! Wenigstens werde ich anrufen. Das entwickelt sich zu einem Drama. In Spanien muss jedes Dorf zwar mindestens 1 öffentliches Telefon haben, aber das Gesetz sagt nicht, dass es auch funktionieren muss ;-) In Grañón ist es gerade kaputt, und die einzige Bar mit Telefon wegen Umbau geschlossen. Ausnahmsweise lässt mich der nette Hospitalero von seinem privaten Mobiltelefon aus anrufen. Erst gegen 22 Uhr schaffe ich es also, aber immerhin!
Zum Abendessen musste jeder etwas einkaufen. Es schmeckt prima. Leider kein gemeinsames Gebet. Das Refugio ist wieder mal proppenvoll, 42 Leute, wo es oft nur ein Dutzend sind. Einige schlafen sogar direkt über dem Kirchenraum auf dem taubenkotverschmutzten Gewölbe, wo sonst die Wäsche hängt. O Graus!
Grañón ist sehr bekannt. Alle "echten" Pilger, die wir kennen lernen, sind dort gewesen. In kleinem Kreis ist dort sicher der authentische Camino zu spüren, wie alle berichteten.
Die Strecken, die ich vor zwei Jahren schon einmal gelaufen war, kannte ich problemlos wieder, manchmal mit erstaunlichen Einzelheiten. Ich hatte auch den Eindruck, dass man sie viel schneller lief. Harald profitierte auch davon, weil ich immer sagen konnte: "Gleich kommt schon das." und "Da hinten ist schon unser Ziel." Wenn das Ziel in Sicht war, zog es einen sowieso magisch an, und man mobilisierte automatisch die letzten Kräfte. Da ich wusste, dass uns in Villafranca Montes de Oca ein Zeltlager erwartete, bei dessen Größe es keine Schwierigkeit mit der Unterbringung geben würde, ließen wir uns endlich einmal wieder Zeit und machten mittags auf einem Stoppelfeld hinter Belorado ausgiebig Mittag und Siesta (Isomatten!).
In Villafranca war es wie erwartet. Radfahrer mussten bis 18 Uhr warten, wir bezogen sofort ein 5-Personen-Zelt, zusammen mit einem älteren Franzosen und der "dunklen Französin", die fast schwarzbraun gebrannt war, und ihrem spanischen Begleiter. Heidi kam in einem anderen Zelt u.a. mit der "blonden Französin" unter.
Der Platz im Zelt ist knapp: vorn passen gerade 4 Matratzen nebeneinander, hinten liegt die 5. quer; nur vor und hinter dieser bleiben kleine Ecken für das Gepäck von 5 Leuten. Wohl oder übel muss man einen Teil seiner Sachen mit auf der Matratze unterbringen. Es empfiehlt sich auf keinen Fall, vor dem Zelt etwas abzustellen; denn nachts kommt immer Tau herunter, und alles verklebt mit den trockenen Grasstückchen, mit denen der Zeltplatz bedeckt ist. Ansonsten hat ein Zeltlager einige Vorteile. Es gibt große Wagen, die einen mit Toiletten, die anderen mit Duschen, die dritten mit Waschbecken für die Wäsche. Auch weht durch die Zelte nachts ein frischer Wind, so dass man im Schlafsack herrlich ruht.
Die benachbarte Kirche wurde gerade für eine Besichtigung aufgeschlossen. Als Pilger durften wir gleich mit hinein. Sonst ist in Villafranca Montes de Oca nichts zu sehen. Zu essen gab es in einer Fernfahrerkneipe an der Hauptkreuzung am Ortseingang. Dort beobachtete ich, wie zwei englischsprachige Damen vergeblich versuchten, etwas zu bestellen; die Wirtsleute verstanden sie nicht. Da gaben sie auf und gingen wieder.
Aber der obligatorische Lebensmittelladen war schwierig zu finden: an der Kirche vorbei die Hauptstraße entlang, "nach oben", wie man uns sagte. Dann kommt rechts eine Wirtschaft, und in dieser (Hinterzimmer) gibt es auch nichtflüssige Lebensmittel zu kaufen.
Jetzt also, um 7 Uhr, schauen nur einige fröstelnd aus den Zelten. Da kann ich es nicht lassen. Mit blankem Oberkörper stapfe ich durch das Lager den Waschwagen zu. Ich kann die schaudernden Blicke in meinem Rücken spüren. Im übrigen ist es verdammt kalt.
Später der Aufbruch: Es geht sofort sehr steil die Oca-Berge hoch. Wir kommen an einem englisch-dänischen Paar vorbei, die wir noch bis León dauernd wiedersehen werden. Dank dem Handbuch von DuMont zweigen wir am Kilometerstein "M.P.61" ("M.P.60" habe ich nicht gesehen) links ab zur Schnellstraße mit dem Rastplatz "Valdefuentes" und einer sehenswerten Kapelle. Neben dieser geht es schräg ein Asphaltsträßchen hoch zum Camino zurück. Man verliert dadurch nur etwa 500 m.
Wir hingegen hatten einen heißen Tipp: ein paar Kilometer weiter, etwas abseits des Pilgerweges, liegt ein neues kleines Refugio: Olmos de Atapuerca. Leider ließen wir uns durch eine irreführende Übersichtskarte (aus dem Pilgerführer von Millán Bravo Lozano), die Bernd uns zeigte, dazu verleiten, über das Dorf Barrios de Colina zu gehen. Das waren etwa 2 km Umweg. (Außerdem haben wir Atapuerca mit seinen weltbekannten Ausgrabungen verpasst.) Man sollte also von San Juan aus den Jakobsweg nach Atapuerca weiter und von dort nach Olmos de Atapuerca gehen. Es war aber eine merkwürdige Fügung mit diesem Umweg: Unterwegs holt uns Bernd ein. Er habe auf einmal eine Eingebung gehabt, "einen weiter" zu gehen, sagt er. Ein freundlicher Bauer hält gerade seinen Traktor an und ruft: "Da hinten abbiegen. Da gibt's ein Refugio." Ja, danke, endlich Olmos de Atapuerca erreicht. Wir fragen Bernd, wie seine Füße so wunderbar abgeheilt sind, dass er uns sogar noch eingeholt hat. Er zieht das Wunderpflaster (siehe "Allgemeine Informationen", Abschnitt "Blasen, Blasen, Blasen") aus der Tasche und erklärt dessen Handhabung. Könnte das nicht auch unsere Rettung sein? Unsere Blasen plagen uns immer mehr. Da Bernd von Burgos am nächsten Tag nach Hause fährt, braucht er das Wunderpflaster nicht mehr und verkauft die restliche Rolle an uns. Das hat uns tatsächlich gerettet. (Ich habe es nicht sofort verwendet, weil das Compeed-Pflaster noch hielt.)
Das Refugio von Olmos de Atapuerca steht wohl noch in keinem Handbuch. Deshalb kamen so wenige Pilger, dass kaum einer auf dem Fußboden landete. Um die Ecke war eine Bar, die abends auch ein Pilgermenü anbot.
In den Dörfern im Tal gab es mehrere neu eröffnete Bares, wie angenehm. Ich hatte vom Rotwein vom Vorabend einen Kater. Dann kam der Stadtrand von Burgos. 7 km geht es schnurgerade eine Schnellstraße durch die Industrievororte entlang, eine der ödesten Strecken des Camino. Heidi wollte eigentlich mit dem Bus reinfahren, ließ sich dann aber von uns (200 m vor ihr) "mitziehen", wie sie erzählte, nachdem sie uns eingeholt hatte. Wir hielten Ausschau nach einer Abzweigung zum Kloster Miraflores. Eine Übersicht zeigte aber, dass es diese nicht gab; der Flugplatz ist dazwischen. Man hätte also vom Rand der Altstadt aus einige Kilometer zurücklaufen müssen. Das war nun wirklich nicht drin!
Vor der Altstadt verabschiedete sich Horst (Name geändert), einer der wenigen echten Pilger, gerade von Maria, mit der ich Tage zuvor unterwegs so nett geplaudert hatte. Sie fuhr nach Madrid zurück.
Unser Esperantofreund Augusto (siehe meinen Bericht von der Gruppenfahrt vor zwei Jahren) aus Valencia hatte mir Stadtpläne von Burgos, León, Astorga, Ponferrada und Santiago geschenkt. Diese kamen uns beim Einmarsch in die Städte gut zupass. Man wusste, wo man war, und konnte den Lauf des Pilgerweges verfolgen, auch wenn die gelben Pfeile mal schwer zu finden waren. Das Refugio von Burgos besteht aus einigen Holzhäusern in einem netten Park, leider weit von der Innenstadt entfernt. Die Schlafräume sind äußerst eng. Zur Nacht wird man eingeschlossen, und die Fenster sind vergittert! Das dürfte es nicht geben, auch wenn der Hospitalero, der den Schlüssel hat, mit im Haus schläft. Sonst konnte man gut zufrieden sein. Abends kamen freundliche Damen und teilten eine kostenlose Suppe aus.
Harald und ich fuhren mit dem Bus zurück in die Innenstadt zur Besichtigung und zum Einkaufen. Der Dom ist nicht besonders schön, total verbaut. Außerdem nervten die überall herumwuselnden Touristen, die sich dann auch noch mit Pilgermuscheln um den Hals grölend ablichten ließen. Auf dem Rückweg verabschiedeten wir uns von Bernd. Dann schrieben wir Karten nach Hause. Dass die Blasen sich eher verschlimmert hatten, drückte uns. Ich war nicht sicher, ob ich bis Santiago kommen würde, und wir überlegten schon, ob Harald, dessen Blasen weniger schlimm waren, dann allein laufen und ich parallel mit dem Bus fahren sollte.
Weitere Informationen über Burgos im Bericht 2001 zum Vergleich.
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Letzte Änderung: 24.12.2020