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Also los, wieder gehetzt, versucht, noch einige zu überrunden - und die Füße weiter kaputtgelaufen, und dazu noch völlig überflüssigerweise: Das Haupthaus des Refugios in Hontanas (sehr schön renoviert!) war zwar schon belegt, aber es gab ein Nebenhaus mit großem Schlafsaal und trotzdem nur 16 Betten, also viel, viel Platz, und dazu noch eigene Duschen und Toiletten. Super!
Mein linker Fuß sah schlimm aus. Eine neue Blase war unter dem Compeed-Pflaster hervorgequollen. Also runter mit dem Pflaster, die Blase gründlich aufgestochen und ausgedrückt. Dann Bernds Wunderpflaster großflächig über den halben vorderen Fuß gezogen. Danach tat es fürchterlich weh, so dass ich nach zwei Stunden eine Tablette nahm. Etwas später klang der Schmerz ab. Ich war heilfroh, hatte mich schon wieder vor dem Aus gesehen.
Abends servierte die resolute Herbergsmutter ein prima Abendessen. Danach wollten wir noch in die Bar, die beim Reinkommen in Hontanas etwas vor dem Refugio liegt. Sie ist berühmt-berüchtigt. Erstaunlicherweise war sie geschlossen. (Sehr merkwürdig. Wird sie von den Dorfbewohnern boykottiert?) Wir haben keine andere gefunden und mussten ohne Schlummertrunk ins Bett. :-(
Nun drangen wir also tiefer in die Meseta ein. "Die Landschaft verändert sich langsam und wird zusehends wüstenhafter." schreibt das Outdoor-Handbuch über die Gegend hinter Hontanas. So ein Quatsch! Man kommt aus den Bergen heraus, und bis Castrojeriz ist alles grün. Die Stadt schmiegt sich um einen kahlen Berg mit einer riesigen Ruine darauf. (Zu Hause dachte ich immer, dass man da doch unbedingt "eben" hochsteigen müsse. Ha ha!) Dahinter folgt ein sehr steiler Aufstieg und dann eine mehr oder minder kahle Hochebene, das ist wahr. Aber: überall sieht man noch Grünes, ein paar Kilometer weiter folgt eine Quelle, und dann kommt schon der wasserreiche Fluss Pisuerga, mit einem breiten Waldsaum. "Typisch Wüste!" spotteten wir.
Vor der alten Brücke über den Fluss liegt die ehemalige Einsiedelei San Nicolás, ein vorbildlich renoviertes Gebäude mit einem Häuschen dahinter, in dem sich die Wohnung des Hospitaleropaares und Duschen und Toiletten befinden. San Nicolás war wieder ein Geheimtipp. Es ist von außen gar nicht als Refugio zu erkennen. Tatsächlich sind innen 8 Betten (und einige Matratzen auf der Empore), aber - eine Besonderheit - wer hier vor 18 Uhr eintrifft, wird zu dem nur 2 km entfernten nächsten Refugio von Itero de la Vega weitergeschickt. Man will sich so auf die "Notfälle" (das entsprach unseren "Spätläufern") beschränken. Ich hatte zu Hause ja viele Berichte und Reportagen studiert und mir San Nicolás sorgfältig gemerkt. Nur hier soll der Pilgergeist noch wirklich lebendig sein: den Pilgern wird sogar ein Fuß gewaschen, hieß es. Warum nur einer, habe ich nicht begriffen; mein anderer hatte es immer genauso nötig :-)
Nachdem wir schon öfter erlebt hatten, dass es um die Stätten des Camino auch viel romantisches Geranke gibt, das der nüchternen Wirklichkeit nicht standhält, waren wir neugierig und skeptisch.
Ein Italiener (selbst "echter" Pilger) empfing uns. Dann kam der Hospitalero, ebenfalls ein Italiener. Ich erklärte ihm, dass wir von dem besonderen Pilgergeist in San Nicolás gehört hätten und deshalb, als echte Pilger (hier war wieder die Aussendeurkunde nützlich) um Unterkunft bäten. Er stimmte zögernd zu, sagte uns dann, dass normalerweise (es war erst 12 Uhr) alle noch weitergeschickt würden. Na, gut dass ich so formal gewesen war! Etwas später fuhren das Hospitaleropaar und der andere Italiener zum Einkaufen, ließen mir den Schlüssel da, mit dem Hinweis, niemanden ins Haus zu lassen. Also wusch ich meine Wäsche (Harald schlief auf dem Rasen) und genoss die Einsamkeit und Ruhe. Später saß ich auf der Bank vor dem Haus und sagte allen Tocktocks: "Nein, ich bin nicht der Hospitalero" (auch wenn ich so aussehe :-)) und "Der Hospitalero ist nicht da und das Refugio geschlossen." Also zogen sie alle weiter, bis Heidi und Horst (von San Bol) ankamen. Hm, meine Freunde und echte Pilger, das war ein harter Konflikt: Ich schloss die Tür auf und ließ sie ein. (Ob sie bleiben könnten, konnte der Herbergsvater ja immer noch entscheiden, dachte ich.) Sie gingen dann duschen, ich schloss das Refugio wieder ab; etwas später kam ein weiterer Deutscher, den ich aber nicht einließ; er wollte dann auf den Herbergsvater warten. Der kam dann auch bald. Ich beichtete ihm gleich, dass ich zwei Freunde - echte Pilger - eingelassen hätte, er wandte sich ab. Etwas später nahm er Heidi und Horst auf, den dritten Deutschen auch. Dann kam er doch noch zu mir. Ob ich nicht verstanden hätte, niemand ins Haus lassen zu sollen? Doch. Ich habe also bewusst gegen seine Anweisung gehandelt? Ich mit festem und offenen Blick: Ja. Er schaute mich irritiert an, konnte sich mein Verhalten nicht erklären, drehte sich dann wortlos um und ging. Ich bedauerte wieder die Sprachbarriere; mein Spanisch reichte nicht für subtile Begründungen. Ich fand, dass hier nur echte Pilger unterkommen sollten; außerdem, wie gesagt, er hätte ja die beiden immer noch weiterschicken können. Es ist üblich, Refugio-Einrichtungen benutzen zu dürfen, auch wenn man nicht unterkommt oder bleiben will.
Dieses Vorkommnis warf einen bleibenden Schatten auf diesen sonst so einzigartigen Aufenthalt. Dieser wurde noch weiter getrübt. Ein Wohnwagen fuhr vor, mit zwei Italienern, die evtl. Bekannte des Hospitalero waren. Sie begrüßten ihn lärmend, gingen lärmend duschen und benahmen sich überhaupt wie zu Hause. Später erfuhr ich: Sie waren hier quasi zu Hause, da sie die italienische Ablösung für das Hospitaleropaar waren. - Aber es kam noch besser. Die Hospitalera bereitete ein feierliches Abendessen mit Kerzenschein (für alles wurden nur Spenden erwartet). Gerade wurden wir in der Abenddämmerung hereingerufen, da keuchten noch zwei Spätläufer heran: Anne, die Engländerin, in Begleitung eines Landsmannes, der zu Hause den Aussteiger gemacht hatte und jetzt durch die Welt bummelte, wobei er keine Gelegenheit ausließ, seine Kasse zu schonen. So konnten wir das Abendessen um eine Stunde verschieben, bis die beiden sich eingerichtet und geduscht hatten. Dann kam die Fußwaschung. Irgendwie war die Atmosphäre zerstört. Die Feierlichkeit, mit der sich der Hospitalero einen Überwurf, mit zwei Muscheln besetzt, umhängte, um dann über unseren linken Fuß Wasser zu gießen, wirkte aufgesetzt und leer, Zeremonie, um eine Tradition wieder aufleben zu lassen (wie der Hospitalero erklärte), also nicht Ausdruck der Harmonie unter christlichen Schwestern und Brüdern. Neben mir kicherte der "Aussteiger". Er trank dann später auch die Hälfte des gesamten Rotweins und beschwerte sich beim Frühstück lautstark über meine Schnarcherei, bis die anderen ihm sagten, er habe selbst auch geschnarcht.
Nachts war es stockdunkel. Ich konnte nicht raus, weil es kein elektrisches Licht gab und ich die Hand vor Augen nicht sah. Alle verschliefen, bis uns der Hospitalero um 7.10 Uhr aus den Betten warf. Ich hätte besser auf dem Rasen in einem Zelt geschlafen.
O was waren wir danach gut drauf! Die Füße schmerzten nicht mehr. Eine Jugendgruppe, die gerade über die Brücke ging, staunte nicht schlecht, als Harald und ich, laut das Pilgerlied "Wer das Elend bauen will" singend, an ihnen vorbeizogen. Später umfing uns die Einsamkeit der Meseta mit endlosen Kornfeldern. Mir kam der Konflikt vom Vortag wieder hoch. Ich analysierte mein Verhalten und stellte Hochmut, Selbstherrlichkeit und (Futter)Neid fest. Au weia, du echter Pilger!
Endlich Boadilla del Camino (hier reizt der Wortwitz "Bocadillo del Camino") mit einem privaten Refugio und angeschlossener Bar, alles neu und gut in Schuss. Hier sahen wir vorerst Heidi zum letzten Mal, weil sie wegen unserer verkürzten Etappen nun einen halben Tag Vorsprung erhielt; auch Horst sahen wir vorerst nicht wieder. Statt dessen wurden wir von vielen hinter uns eingeholt, so dass wir nun mit neuen Pilgern zusammen liefen.
Bald erreichten wir einen Kanal ("Typisch Wüste") und kurz darauf Frómista. Alle Geschäfte wegen des Sonntags geschlossen, die Stadt brütend heiß. Aber Bares gab es reichlich. Unsere Engländer saßen am Nebentisch, zusammen mit einem Niederländer (Vollbart, oben immer nur mit einer offenen Weste bekleidet, mit Hund), den wir das erste Mal in Viana gesehen hatten. Auch ihn sahen wir bis Santiago regelmäßig wieder. Dann machte das Refugio auf (wir waren 4. und 5.). Die Refugiohelfer waren junge Leute, die alles fröhlich und fix bewältigten. Wir bekamen u.a. einen Tipp, wo man abends ein preiswertes Pilgermenü bekam. (Auch andernorts sollte man immer gleich im Refugio die Helfer fragen. Wir haben damit beste Erfahrungen gemacht.) Nach dem Unterkunftbeziehen ging es etwas verspätet zur Sonntagsmesse. Das Abendessen (mit den "fröhlichen Franzosen", die uns natürlich immer wieder mit Rotwein zuprosteten) war prima.
Nachts werde ich von einem Klappern und Schnalzen wach. Rechts von mir sitzen einige Jungen in den Betten und machen Krach. Was ist los? Die Mädchen links neben uns rühren sich nun auch. Sie stellen die Jungen zur Rede. Ich verstehe genug, um rote Ohren zu kriegen. Der Grund für die Aufregung bin ich, genauer gesagt, mein Schnarchen. Die Mädchen kanzeln die Jungen ab, sie hätten es hinzunehmen. Ich schäme mich und bin doch auch gerührt über die Hilfe. Schon dusele ich wieder ein. Mit Klappern und Schnalzen weckt man den Scharcher zwar, stellt das Schnarchen aber dadurch nicht auf Dauer ab. Am besten berührt man mich an der Schulter. Dann drehe ich mich automatisch andersherum, was oft hilft.
Der morgendliche Albtraum des Packens im dunklen Schlafsaal wurde dadurch vermieden, dass die Refugiohelfer um 6 Uhr singend durch die Räume zogen und das Licht anknipsten. Bravo! Zum Überfluss gab es dann noch kostenlosen Kaffee mit Keksen. Super! Früher galt Frómista als die Stadt mit dem schlechtesten Refugio des Camino; das neue Refugio ist in jeder Hinsicht vorbildlich.
Schon 11 Uhr erreichten wir unser Ziel, das Refugio von Carrión de los Condes. 1. und 2.! :-) Unmittelbar nach uns trafen aber schon die nächsten Pilger ein und setzten ihre Rucksäcke neben unseren ab. Wir gingen dann eilig in die nächste Bar, ohne zu wissen, wann das Refugio geöffnet wurde. Um 14 Uhr waren schon 32 Betten belegt, und unsere Rucksäcke standen einsam auf der Straße, wenigstens unberührt.
Um das Refugio kümmert sich eine ältere Dame, die Schwester des Pfarrers der benachbarten Kirche. Letztere war wenigstens geöffnet, was anderswo oft nicht der Fall war. Hochwürden hatte uns schon auf der Straße begrüßt, sich entschuldigt, dass das Refugio noch geputzt werden müsse und sich dann vergewissert, ob ich nicht ein Amtsbruder war. War ich nicht. Na, machte nichts. Seine Schwester war streng, aber auch sehr hilfsbereit. Sie schickte uns zu einer urgemütlichen Bierkneipe, wo wir auch günstig und gut aßen.
Zwischendurch ein (abgewandelter) Witz:
Treffen sich abends drei Jäger, die in der Meseta auf Jagd
waren. "Mist", brummt der erste, "nichts erwischt." "Nun, ich habe
wenigstens zwei Wachteln geschossen", meint der zweite. "Und ich drei
Tocktocks" sagt der dritte stolz. "Tocktocks? Was ist das denn?"
"Ja, die kannte ich vorher auch nicht. Die laufen auf drei Beinen
und machen mit dem ersten immer tock! tock!"
Kein Witz:
Tatsächlich hörten wir von einem Pilger, der angeschossen
wurde, allerdings aus einer solchen Entfernung, dass die Schrotkugeln
nur rote Flecken auf seiner Haut hinterließen.
Was um alles in der Welt da auf dem Boden (!) zwischen dem Reststroh der Felder abgeballert wurde, konnte man nicht sehen. Einmal steckte ein Jäger etwas in die Tasche, das er mit einer Hand umfassen konnte. Es waren wohl arme kleine Wachteln. Sie standen eine Zeit lang auch auf dem Speisezettel der Pilgermenüs. Nichts für uns!
Die Autos hatten ausschließlich Kennzeichen der Großstädte Spaniens, teils hunderte von Kilometern entfernt. Die Hunde wurden in kleinen Anhängern transportiert und heulten und bellten entsetzlich, wenn die Autos mit ihnen über die Landstraße donnerten. Die spinnen, die Jäger!
Der Familienbetrieb unterhielt auch einen kleinen Laden und eine Bar. Selbstverständlich konnte man ein Abendessen bestellen. Was wollte man mehr? - Ich unterhielt mich noch länger mit einer Französin (auf Englisch). Auch sie war echte Pilgerin und beklagte, dass der Camino in Spanien kaputt sei. In Frankreich gäbe es noch Platz und Ruhe.
Auf dieser Etappe konnten wir übrigens Halbzeit bis Santiago feiern. Eigentlich waren wir jetzt überzeugt, die zweite Häfte auch noch zu schaffen. Unsere Füße waren trotz des Wettrennens in Ordnung.
In Calzada del Coto (kein einladender Name) war gerade ein Volksfest im Gang. Ehe wir es uns versahen, umringten uns alkoholselige Einwohner. Mir wurde ein Riesenhumpen Bier gereicht (ich nahm einen tiefen Zug), danach eine dunkle Brühe (Kaffee? Coca Cola?) (ich nahm einen tiefen Zug, jemand schrie: despacio - langsam) - es war irgendein Schnaps (hust! röchel!). Man johlte und bearbeitete mehrere Musikinstrumente, wir sollten doch dableiben! Einen Moment gab es die Versuchung; aber wir konnten ja nicht unseren schönen Marschplan über den Haufen werfen, nur, um hier zu versacken. Also, rissen wir uns eilig los und zogen wieder in die Meseta. Bald kamen wir sogar in einen Buschwald, alles noch grün. Nun brannte die Sonne wieder, aber nach einer Pilgerquelle (total vermüllt!) waren wir auch schon am Ziel Calzadilla de los Hermanillos, das "Landsträßchen der Brüderchen"; also Namen haben die spanischen Dörfer!
Das kleine Refugio liegt mitten im Dorf an der Hauptstraße. Küche, Duschen/Toiletten, Aufenthaltsraum, Nischen mit je 4 Kojen (Bettlänge nur 1,85m) liegen direkt hintereinander, alles offen, ohne Türen. Wenn man also in der Küche vorne hustet, hört man das hinten in der letzten Koje, als ob es im Nachbarbett wäre. Das sollte uns noch unsere Freude über diesen ruhigen Winkel verderben. Am Nachmittag kam ein Pärchen, duschte und schlief ein paar Stunden; dann zogen sie weiter. Die beiden übernachteten wohl in einem Zelt im Wald. Sonst waren wir die einzigen Pilger; am Vortag war Horst dagewesen (laut Refugiobucheintrag). Er erzählte uns später, das Dorf sei wegen eines seltenen Schauspiels zusammengelaufen: etwa 30 Geier zerlegten in der Nähe ein verendetes Schaf. -
Eine Hospitalera erschien und wies uns ein. Dann verschwand sie wieder. Der einzige Laden war ausnahmsweise schwer zu finden, abseits der Hauptstraße und ohne Reklameschild. Weiter die Straße hoch eine Bar, aber ohne Abendessen anzubieten. - Nun, nach dem üblichen Pilgertagesablauf: Betten belegen, duschen, Wäsche waschen, einkaufen, nahmen wir in der Bar einige Bierchen zu uns und stolperten dann fröhlich zu unserer Idylle zurück. Ja, von wegen Idylle! Inzwischen lärmte dort eine Gruppe Spanier. Als wir zur Refugionachtruhe um 22 Uhr demonstrativ zu Koje gingen, tat das dem Treiben keinen Abbruch. Im Gegenteil! Jetzt wurde abgekocht, gegessen und gelacht. Dann erst die Waschmaschine, danach der Trockner angeworfen, das dröhnte durch die gesamte Unterkunft. Erst gegen 24 Uhr war Ruhe. Harald und ich knirschten vor Empörung. Es darf bezweifelt werden, ob es überhaupt Pilger waren. Ich habe den Verdacht, dass sie ein Auto um die Ecke stehen hatten, trotz der großen Rucksäcke. Sie waren einfach zu ausgeruht, um wirklich gelaufen zu sein. Hinzuzufügen ist noch, dass die Dorfbewohner dann auch noch bis 2 Uhr vor dem Refugio auf der Straße Krach machten.
Wir planten, aus Rache morgens um 5 Uhr geräuschvoll aufzustehen und unsere lauten Bettnachbarn ihrem Rotweinkater zu überlassen. Auch hoffte ich, in dieser Nacht wirklich übel zu schnarchen, legte mich absichtlich auf den Rücken, konnte dann aber nicht schlafen, so sauer war ich. Es wurde eine meiner schlimmsten Nächte, und das in dieser Idylle!
Ausnahmsweise gingen wir wie "Knistertüten" schon um 7.05 Uhr, vor Anbruch des Tages los (je weiter wir nach Westen kamen, desto später wurde es hell). Das war möglich, weil es nur eine einzige Straße gab, die man immer geradeaus gehen musste. Also kein Pfeile-Suchen. Auf dem Marsch litt ich unter der Auseinandersetzung. Zu dem Unfrieden hatte ich doch auch durch meine Empörung beigetragen, berechtigterweise oder nicht. Aber die trüben Gedanken schwanden bald dahin.
Achtung, Tipp: Ich rate von diesem letzten Teil ab. Hinter der Flussüberquerung kommt man an eine Kreuzung, von der aus es nur 1 km zum eigentlichen Camino in Reliegos ist. Von dort führt der Weg schnurgerade in die Stadt. Erst später habe ich festgestellt, dass das DuMont-Handbuch auch genau diese Abweichungsempfehlung gibt. Man soll dadurch glatt 1 1/4 Stunden sparen. Genau das hatte ich schon geargwöhnt.
In Mansilla de las Mulas trafen wir auf eines der erfreulichsten Refugios, die wir erlebten. Alle Einrichtungen gebraucht, aber in gutem Zustand. Ein freundlicher, persönlicher Empfang. Freizeithospitalero Wolf Schneider ist schon an die 70, hat aber vor kurzem selbst noch 2.000 Kilometer zu Fuß zurückgelegt und kennt sich mit allen Sorgen und Nöten der Pilger aus. Er bietet an, die Füße zu versorgen und kontrolliert (auf meine Bitte) auch den Sitz unserer Rucksackgurte. Wir bekommen ein geräumiges 6-Bett-Zimmer zugewiesen. Es landet danach auch niemand mehr bei uns auf dem Fußboden. Super! Im Innenhof kann man gemütlich sitzen und Kontakte knüpfen. Eine junge Ärztin kuriert kaputte Pilgerfüße, ohne eine Bezahlung anzunehmen. Radfahrer kommen später auch unter, aber nicht mehr, als das Haus verträgt. Vielleicht war ja auch an diesem Tag etwas Glück dabei. Ich habe jedenfalls Mansilla de las Mulas in bester Erinnerung. Und tatsächlich hatten wir jetzt einen weiteren Tag herausgeholt. Ich wusste auch schon, wo wir diesen gut gebrauchen konnten.
Nachts fahre ich gegen 3 Uhr hoch. Da grölt doch ein ganzer Haufen im Erdgeschoss rum. Sind die denn des Teufels? Ich tappe wütend aus der Tür und sehe dann, dass der Lärm von unten durch ein geöffnetes Fenster hereindringt: das Volk feiert mal wieder mitten in der Nacht auf der Straße. Die spinnen, die Spanier!
Zu der berühmten Kirche San Miguel de Escalada sind wir nicht gekommen. Harald schlief nachmittags, und ich brauchte auch Ruhe, anstatt sofort wieder einen Ausflug zu organisieren. Heidi, die uns einen Tag voraus war, hat es geschafft, von einem Sohn des Hospitaleros mit dem Auto dorthin kutschiert zu werden. Ja, so ist das, wenn man fließend Spanisch kann!
Dank meinem Stadtplan fanden wir das Refugio im Stadtzentrum ohne Mühe. Man hatte uns von dieser Unterkunft bei den Benediktinerinnen abgeraten. Das andere Refugio lag uns aber zu weit vom Zentrum entfernt, denn die berühmte Kathedrale wollten wir doch gesehen haben. Nun, es war lästig, dass man von 14 bis 16 Uhr ausgesperrt wurde. Aber die Duschen und Toiletten waren sehr gut, der Schlafsaal weniger. Über 60 Betten, dicht an dicht, und dann macht noch irgendwer nachts die 4 Fenster zu. Als ich danach von der Toilette zurückkam, warf mich der Mief im Schlafsaal fast um. (Ich habe dann einfach die Tür offen gelassen.) - Horst hat man für die zweite Nacht (er musste wegen seiner kaputten Füße einen Tag pausieren) ein Privatzimmer für 1.500 P. (samt Frühstück) vermittelt. Eine solche Lösung ist doch wohl besser.
Am Nachmittag entdeckte ich, dass in León ein "Menu del Dia" (Tagesgericht) abends nur für den Kundenfang ist: es wird tatsächlich nur mittags angeboten. Außerdem ist die Kathedrale bis 16 Uhr geschlossen. Harald war sauer. Da er seine Siesta für heilig hielt, schlief er ab 16 Uhr, so dass ich noch einmal allein losging. Die Kathedrale von León ist (auch im Vergleich zu Burgos) wirklich sehr schön. Man kann in ihr auch beten... :-) Auch sonst ist León eine sehenswerte Stadt.
Als ich zurückkam, berichtete Harald, dass Anne und ihr Aussteigerfreund aufgetaucht seien und den ganzen Schlafsaal aus der Siesta gerissen hätten. Ich konnte es mir vorstellen, er hat schon von Natur aus ein lautes Organ. - An der Ecke der Straße zum Refugio ist ein kleines Restaurant, in dem zwei Frauen ein gutes Pilgermenü anbieten (wieder Tipp einer der Refugiohelferinnen).
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Letzte Änderung: 02.03.2017