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Dann stapften wir aus der Stadt heraus, überholten Max. Harald erzählte, dass die Familie von Max im Jahr davor bis nach Santo Domingo de la Calzada gekommen wäre, aber dann hätten einige gemeutert und sie hätten die Pilgertour abbrechen müssen. Da lief Max dieses Jahr eben allein.
Am Ende des Stadtkerns ging es an wunderlichen kleinen Häuschen hoch, die in den Abhang gebaut waren. Wohnten hier die 7 Zwerge? Nein, es waren Bodegas, private Weinkeller. Danach kam ein ödes Industriegebiet, bis Virgen del Camino. Der Ort hat eine moderne Kirche mit sehr eigenwilligen Skulpturen auf der Frontseite. Viele Pilger gingen in das Gotteshaus, um zu beten. Harald und ich konnten auch mal wieder singen.
Dann wieder eine Pilgerwegverzweigung. Wir entschieden uns für gleichmäßigere Etappen, den langweiligeren Weg und das (laut Handbuch) bessere Refugio in Villadangos del Páramo. Das war falsch. Die Strecke war schlimm, das Refugio (vor 10 Jahren gebaut) bröckelig und gerade noch tragbar. Wer kam zur Siestazeit hereinzudröhnen? Richtig, Anne und ihr lauter Begleiter. Ich protestierte von den Kojen her (wie in Calzadilla de los Hermanillos gab es keine Türen). "Shut up!" brüllte er zurück, zog dann aber ab. "Schnatterente und ihre Bande" lagen eine Nische (mit je zwei 3-Stock-Kojen) weiter. Abends gegen 22 Uhr, als alles schon im Bett liegt, wie es sich für Pilger gehört, trampelt auf einmal eine ganze Familie im Dunkeln vorbei und stellt sich als Besuch für "Schnatterente" heraus. Also Licht an, und dann ging das Geplauder um die Wette, bis die Spanier neben uns "silencio!" brüllten.
Mittags hatten wir in einem Restaurant an der Hauptstraße das beste Menü unserer Pilgerfahrt gegessen. Dann waren wir noch in die Vorabendmesse gegangen.
Die alternative, laut Handbuch schönere Strecke geht über Villar de Mazarife (21,5 km von León). Dort soll das Refugio aber sehr einfach sein: nur Matratzen und kalte Duschen. Die dort übernachtet haben, waren geteilter Meinung. Wer konnte, ging bis Hospital de Órbigo. Da gibt es ein sehr gutes Refugio, berichtete man, aber das ist 35,5 km von León entfernt. Wir wollten einfach nicht noch einmal Blasen bekommen. Ich empfehle aber allen, den Weg nicht über Villadangos del Páramo zu nehmen, sondern die Alternative. Entweder in Villar de Mazarife bleiben, oder, wenn das unakzeptabel erscheint und man noch viel Kraft hat, nach Hospital de Órbigo weiter. Von dort sind es nur 16,5 km nach Astorga.
Hospital de Órbigo bot zunächst eine schöne Bar, und wer kam da zur Tür herein? Es war Horst, der wegen Blasen einen Tag in León pausieren musste und den wir so eingeholt hatten. Das gab ein Hallo! Kurz darauf die für mich schönste Brücke des Camino (schöner noch als die von Puente la Reina). Dahinter gab es wieder eine Verzweigung, und diesmal gingen wir den landschaftlich schöneren Weg, wenn auch über zwei Höhenrücken und mit viel Sonne. Nach der öden Strecke seit León fanden wir die Natur und die Felder wieder herrlich. Unsere Stimmung war entsprechend gut. Laut sangen wir das Pilgerlied "Wer das Elend bauen will" zur Verwunderung der Bauern am Wege. Einmal versperrten uns zwei Hirtenhunde grollend den Weg. Zum Glück waren Horst und drei andere Pilger ganz nahe bei uns, und der Schäfer kam auch herbei. Da zogen sich die Hunde zurück. - Die Aussicht auf den Höhen war wunderbar, denn die Montes de León waren schon sehr nahe. Bald lag auch Astorga zu unseren Füßen. Wie immer, war es aber noch ein weiter Weg bis in die Innenstadt. Dank meinem Stadtplan und dank einem Hinweis auf ein neues Refugio liefen wir direkt dorthin. (Das alte Refugio, mit 3-Stock-Betten soll nämlich nicht sehr gemütlich sein.) So kam es, dass wir "Schnatterente und ihre Bande", die den Pilgerweg durch die Innenstadt verfolgt hatten, in der Stadt überholten und vor ihnen an der Anmeldung waren. Sie konnten es nicht fassen und fragten sich, wo und wie wir sie überholt hatten; es war aber ja nicht schlimm. Platz war in dem riesigen Schlafsaal (ich zählte über 70 Betten) satt. Das Ganze in einer hastig umgerüsteten Schule. Das war also das "neue" Refugio. Immerhin wurde es nicht voll belegt, und es waren auch nur 2-Stock-Betten. Schnatterentes Schwester war nach Hause gefahren. Dafür gabelte sie ein mexikanisches Paar auf, das ihre "Bande" ab Astorga ergänzte.
Die Stadt war voll mit Touristen, die einen anglotzten, ansonsten sehr sehenswert. Besonders interessant: die ausgegrabenen Reste der Römerstadt. Als erstes waren wir aber zur Kathedrale gegangen. Eine lange Schlange von Touristen versperrte den Eingang. Uns schwante etwas, weil überall auch Plakate hingen und ein Schild "Kasse" nicht zu übersehen war. Wir versuchten, einen Seiteneingang zu benutzen, aber ein Wächter hielt uns zurück: Dies sei nur ein Ausgang; wenn wir in die Kathedrale wollten, da hinten gebe es Eintrittskarten. Ich sagte ihm freundlich, dass wir Pilger seien und beten wollten. Ja, das täte ihm leid, er war wirklich etwas verlegen, das ginge nun wegen der Ausstellung nicht. Nachdem wir etwas geschimpft haben, sind wir einfach in die Kirche Santa María nebenan gegangen; dort konnte man beten. So ging es ja auch. Schließlich ist Gott überall. -
Hat man erst einmal 200 oder 300 km zusammen, rappelt es nur noch so. Wieder hatten wir eine 100-Kilometer-Marke an diesem Tag überschritten.
Zunächst erreicht man nach 4 km das Dorf Murias de Rechivaldo. Hier gibt es ein kleines, renoviertes Refugio (mit Doppelzimmern!), das sehr zu empfehlen ist. Evtl. sollte man in Astorga nur einkaufen und dann "ein Refugio weiter" gehen, um die unangenehmen Herbergen in der Stadt zu vermeiden. Das nächste Ziel muss trotzdem "Rabanal del Camino" heißen, denn dahinter kommt der Rabanalpass: den sollte man morgens gehen und nicht in der Mittagshitze, und außerdem ist das nächste Refugio in Acebo zu weit entfernt (33,5 km), wenn man nicht in Manjarín (26 km) bleiben will (s.u.). (Horst hat in Murias de Rechivaldo übernachtet und ist nach Manjarín gegangen.)
Auf dieser Etappe hat man eine "Pilgerautobahn" angelegt: einen breiten Weg, mit Steinplatten gepflastert. Links, durch einen Graben getrennt, verläuft die schmale Fahrstraße (sehr wenig Verkehr), rechts, ebenfalls durch einen Graben getrennt, eine breite Piste. Dieser unnötige Landschaftsverbrauch (und die Geldverschwendung) ist viel kritisiert worden. Warum reicht nicht die Piste für die Pilger wie anderswo auch? Wenn wirklich mal ein Trecker kommt, kann man auch mal ausweichen. Wir haben uns dem stummen Protest angeschlossen und sind die Piste gegangen. Sie läuft sich praktisch genauso gut wie die Pilgerautobahn.
Achtung, Tipp: Gleich in Murias de Rechivaldo sich nach rechts dem Sog der Pilgerautobahn (und der vor einem eilenden Pilger) entziehen und der Landstraße, genauer gesagt: der Piste links daneben, nach Castrillo de los Polvazares folgen. Dieser Ort ist sozusagen als Schaustück des "Maragato", wie die Gegend heißt, komplett renoviert und unbedingt sehenswert (Umweg von gut 1 km). Laut DuMont-Handbuch führt ein Feldweg parallel von der Kirche nach links direkt auf die Straßenkreuzung mit dem Camino zu. Wir haben ihn leider nicht gefunden, liefen also zum Dorfeingang zurück und von da aus die Landstraße zur selben Kreuzung.
In den folgenden Dörfern Santa Catalina de Somoza und El Ganso gibt es neue Bars, in El Ganso sogar zwei in unmittelbarer Konkurrenz nebeneinander. Vor zwei Jahren lebten in El Ganso nur noch 7 Personen, wie uns eine von ihnen damals erzählte. Jetzt sind etliche Häuser wiedererrichtet; der Ort hat durch den Jakobsweg einen Neuanfang gehabt. Das gilt auch für sehr viele andere Orte entlang des ganzen Caminos. Der Touristenrummel hat zumindest wirtschaftliche Vorteile für diesen Teil Nordspaniens.
Hinter El Ganso bei einer Straßenkreuzung nicht rechts nach "Rabanal Viejo" gehen, sondern geradeaus nach "Rabanal del Camino". In letzterem Ort gibt es bekanntlich ein privates Refugio (das sog. "spanische") am Marktplatz (am Dorfeingang geradeaus gehen) und ein offizielles (das sog. "englische") an der Kirche (am Dorfeingang nach rechts gehen), je nach der Nationalität der Betreuer benannt. Da ich vor zwei Jahren im spanischen Refugio war, wählte ich diesmal das englische. Wir trafen schon um 12.30 Uhr ein; vor uns praktisch nur "Schnatterente und ihre (neu formierte) Bande". Achtung: der einzige Lebensmittelladen ist gleich am Dorfeingang, wenn man rechts in Richtung englisches Refugio abgebogen ist, auf der linken Seite. Am besten gleich einkaufen, denn die Kirche ist noch 500 m weit weg und die Straße recht steil.
Wie vor zwei Jahren baten die englischen Betreuer darum, Englisch sprechen zu können, na ja... Beide Refugios sind sehr gut und werden vorbildlich geführt. Das englische hat einen riesigen Garten, in dem wir damals trotzdem nicht zelten durften. In diesem Jahr durften es einige, auch Gruppen mit "coches de apoyo" (Versorgungsautos). Nachmittags spielte ein Spanier im Schlafsaal mit der Klampfe auf; das war mal eine willkommene Art der "Ruhestörung". Die Kirche war geöffnet, so dass ich wieder ausgiebig singen konnte. Neben der Kirche liegt ein erstklassiges Gasthaus. Gerade saßen Harald und ich an der Theke, als Anne, die Engländerin, auftauchte. Wir sind wohl sichtlich zusammengezuckt. "Keine Angst" beruhigte sie, "ich bin allein", also ohne ihren lautstarken Begleiter (den wir danach nur noch einmal kurz in Santiago wiedergesehen haben). Dann entschuldigte sie sich für die Störung in Villadangos del Páramo. Ab da waren wir gute Freunde; bis Santiago, wo wir uns von ihr verabschiedeten, lief sie noch parallel mit uns. Das Pilgermenü gab es sogar als Selbstbedienungsbüfett, endlich mit der Fischsuppe, auf die ich schon so lange gelauert hatte. Aber o weh: außer ganzen Muscheln erhielt sie auch reichlich Muschelschrot (den Harald auch in seiner Paella fand)!
In Foncebadón, wie El Ganso ehemals verfallen und inzwischen aufblühend, kurze Rast in der Kirchenruine. Wir dösen gerade etwas, als draußen Geräusche aufkommen. Offenbar wird eine Kuhherde vorbeigetrieben. Urplötzlich steht ein Hund im Eingang und schaut auf uns. Ich bin mir bewusst, dass wir hilflos auf dem Boden sitzen. Wenn er uns jetzt angreift, haben wir nicht einmal die Zeit, uns aufzurappeln. Gottlob hatte ich noch nicht das Buch von Paulo Coelho und seinem Kampf mit dem Dämonenhund in den Ruinen von Foncebadón gelesen. Ich bin ja nicht abergläubisch, aber das hätte mein mulmiges Gefühl sicher verstärkt. Ich fasse den Pilgerstock. Nichts passiert. Nach ein-zwei Sekunden wendet sich der Hund uninteressiert ab und verschwindet so lautlos, wie er gekommen ist. Harald hat wahrscheinlich gar nichts mitbekommen.
Hinter Foncebadón sah ich endlich mal eine Schlange, die unseren Pfad kreuzte. Dann kam wirklich das Cruz de Hierro in Sicht. Wie war es verunstaltet! Man hatte T-Hemden und Krimskrams auf den Balken genagelt; rings herum sah es aus wie nach einem Karnevalsumzug. Die benachbarte Kapelle mit Graffiti vollgeschmiert. Pfui! Hier hat der Tourismus eine ehrwürdige Stätte des Pilgerweges entweiht.
Horst und Heidi haben in Manjarín übernachtet. Ohne Duschen, mit Außentoilette und einem sehr zugigen, hellhörigen Holzhaus soll es mehr ein Erlebnis als ein Vergnügen gewesen sein. Jeder muss übrigens versprechen, morgens nicht vor 7 Uhr aufzustehen, damit der Hahn nicht wach wird und alle aus den Betten schmeißt... :-)
Leider wurde auch dieser Aufenthalt, je später es wurde, immer mehr durch eine nicht abreißende Kette von Spätläufern beeinträchtigt. Erst suchte "Schnatterente" im Schlafsaal nervös nach einem freien Bett, das ihr für ihre fünfköpfige Gruppe noch fehlte. Harald und ich zogen da schon freiwillig in eins der Zelte draußen. Seitdem hatten wir natürlich bei "Schnatterente" einen Stein im Brett. Ob es wirklich zumutbar sei und nachts nicht zu kalt würde, fragte sie uns wiederholt. Nun, wir hofften, wie in Villafranca Montes de Oca auf eine Nacht mit Frischluft, evtl. sogar mit Platz. Aber zuerst füllte sich das gesamte Refugio einschließlich Küche mit Matratzen auf dem Boden, dann auch die Zelte und die Matratzen unter dem Überdach draußen. Zum Schluss, der Herbergsvater zuckte verständnisheischend mit den Achseln, landete auch noch ein niederländisches Radfahrerehepaar bei uns im Zelt. Die beiden waren ganz nett, aber: warum gingen sie, offensichtlich altersmäßig jenseits der 70, denn nicht ins Hotel? Wohl nur, um ca. 35 DM zu sparen, es ist nicht zu fassen. Aufstehen wollten sie (als typische Radfahrer) natürlich erst spät. Dann fing es auch noch ausnahmsweise an zu regnen (hörte aber bald wieder auf). Im Haus tobte das Chaos. Vor Duschen und Toiletten Schlangen, wenn man sich überhaupt bis dahin durch Küche (die mit dem Aufenthaltsraum identisch war) an Kochenden, Essenden und Schlafenden vorbei durchgeschlagen hatte. Die Nacht wurde leidlich, Meneer schnarchte genauso wie ich...
Und wieder übersprangen wir an diesem Tag eine 100-km-Grenze. Dieser Etappe hatte ich mit Bedenken entgegengesehen. Würden wir uns wieder die Füße wund laufen? Nun, der Vorteil war, dass ich die Strecke schon kannte und daher alle Teilziele auswendig wusste. Es half auch Harald, wenn ich immer genau ansagen konnte, wie weit wir waren. Sogar die 2 km Umweg, die der Jakobsweg vor Ponferrada im Vergleich zur Landstraße macht, ließen wir nicht aus: eine schöne alte Brücke (und eine neue Bar, die genau zur richtigen Zeit auftauchte) war der Lohn. Der Durchmarsch durch Ponferrada ist sonst ätzend (trotz malerischer Templerburg). Wie man vom Cebreiropass aus sehen kann, liegt eine schweflige Dunstwolke über der Stadt. Abraumhalden begleiten den Pilgerweg ein Stück. Naja, von irgendwas müssen die Leute ja leben...
Man kann diese Etappe entschärfen, indem man nur bis Cacabelos, d.h. 8 km weniger, geht. Dort gibt es (hinter der eigentlichen Stadt, jenseits der alten Brücke an der Pilgerkirche) ein neues Refugio, das nicht in meinem Handbuch verzeichnet war und auf das auch nicht am Ort hingewiesen wird. (Heidi hat dort übernachtet.) Die letzten 8 km hinter Cacabelos fielen uns in der Hitze wieder sehr schwer, zumal es auch den größten Teil die Straße entlang ging. Dann rückten wir in Villafranca del Bierzo ein, müde, aber mit heilen Füßen.
Nach langem Überlegen hatte ich mich fürs Refugio entschieden, also nicht für das vorhandene Zeltlager und auch nicht für Jatos Herberge. Das recht neue Refugio ist sehr angenehm in allem. In unserem 8-Bett-Zimmer landete nur 1 zusätzliche Matratze. Jatos Familie hat inzwischen ein großes Haus wieder aufgebaut, eine bemerkenswerte Leistung. Das angebaute Pilgerlager haben wir nicht einsehen können, es soll (laut Horst und Heidi) aber annehmbar gewesen sein. Vergebens suchte ich Jato selbst, der mich vor zwei Jahren mit einer Umarmung begrüßt hatte. Es konnte doch nicht der alte Mann hinter der Theke sein? Ich habe es nicht herausgefunden.
Wieder hatten wir Glück, dass die alte Pilgerkirche geöffnet war. Beten war allerdings nur eingeschränkt möglich, denn jeder Eintretende bekam sofort eine kostenlose Führung durch die Aufsichtshabende. Mir gingen die Touristen mal wieder auf den Geist. Ich stellte mich mitten in den Gang vor den Altar und fing an, laut zu singen. Daraufhin ging man wenigstens zum Flüstern über.
Achtung: wir haben keinen nahen Lebensmittelladen gefunden. Wir sind vor der Festung rechtwinklig abbiegend steil nach unten rechts in die Altstadt gegangen, geradeaus über den Marktplatz und immer weiter geradeaus bis zu einem kleinen Park; erst dort (1 km) fanden wir ein Geschäft.
In Villafranca del Bierzo geht man zunächst zur Festung, dann rechts ab, den gelben Pfeilen folgend. Man überquert eine Straße, erreicht ein Geländer mit einer Treppe, geht diese hinunter und dann abwärts lange Zeit die alte Hauptstraße, von malerischen Bauten umsäumt, parallel zum Fluss, entlang. Der Pilgerweg knickt auf einmal rechtwinklig links ab und erreicht eine mittelalterliche Brücke. Direkt hinter dieser geht der Talweg nach Ambasmestas (und Cebreiro) mit der unzumutbaren Autobahnbaustelle geradeaus weiter, der Umweg über Pradela hingegen sofort sehr steil rechts zwischen den Häusern hoch.
Man kann diesen Umweg und damit auch eine Zweiteilung des Cebreiroaufstieges nur empfehlen, obwohl die 500 Höhenmeter nach Pradela aufwärts und danach ebenfalls 500 m sehr steil wieder hinunter dem Cebreiroaufstieg an Schwierigkeit kaum nachstehen. Aber: über weite Strecken genießt man einen wunderbaren Panoramablick auf die Berge. Von fern winkt schon der Cebreiropass, obwohl der Ort nur auszumachen ist, wenn man weiß, wo er liegt. Danach geht es durch einen Wald aus Esskastanienbäumen, auch einmalig. Umgekehrt wird der Talweg durch einen Autobahnbau verwüstet, Staub, Lärm und Verkehr belasten die Pilger sehr. Bis hinter Ambasmestas wird der "Fortschritt" greifbar: man geht Reste der alten Landstraße, der N VIa, sonst meistens die neue Schnellstraße N VI entlang, die jetzt wiederum durch die gigantischen Konstruktionen der neuen Autobahn überspannt wird.
Der Höhenweg erreicht Pradela nicht ganz. Unmmitelbar vor dem Ort geht es links eine kleine Asphaltstraße hinab, deren Serpentinen der Pilgerweg noch steiler abkürzt. Wir sind allerdings nicht die letzten 50 Höhenmeter den Pfeilen hinunter nach Trabadelo gefolgt, sondern lieber auf dem Asphaltsträßchen weitergegangen, bis dieses nach 1 km hinter Trabadelo in die Talstraße einmündet. Vor Ambasmestas gerät man nun doch in Baulärm. Achtung: Vor La Portela kommt rechts eine Fernfahrergaststätte mit ausnahmsweise zu Pilgern unfreundlichem Personal. Lieber links an der Straße bleiben und 100 m weiter in der Bar "El Peregrino" einkehren. Dort herrscht die gewohnte pilgerfreundliche, familiäre Atmosphäre.
Wir wollten im Refugio von Vega de Valcarce übernachten. Am Weg saß Max, ziemlich erschöpft. Da er aber seinen Rucksack von Jato zum Cebreiro hatte hochtransportieren lassen, musste er weiter. Diese Begegnung war zugleich der Abschied von ihm.
Eine private Pension lockte mit Betten zu 1000 P. Ich schaute mir die Unterkunft an (Harald wollte auf jeden Fall ins Refugio). Nun, für 1000 P. gab es einen Schlafsaal mit 2-Stock-Betten, etwas besseres Refugio-Niveau. Die Einzelzimmer zu 2000 P. waren angeblich belegt (glaubte ich aber nicht). Ich konnte dann noch ein Doppelzimmer für 3.000 P bei Einzelbelegung, 4.000 P. bei Doppelbelegung haben. Da Harald nicht mitmachte und mir 3.000 P. für eine Einzelbelegung zu viel waren, ging es zum Refugio.
Hm, ziemlich heruntergekommen. Eines der schlechtesten Refugios, die wir gesehen haben. Keine Aufsicht, aber ein Hinweis: Vorsicht beim Duschen, das Wasser läuft sonst in den Schlafsaal. Na fein.
Nachtrag von Juni 2003:
Inzwischen berichten Pilger, dass es in diesem Ort ein neues
gutes Refugio gibt.
Vor einem Fenster mit kaputtem Glas (Frischluft!) modernde Matratzen; erst mal austauschen. Duschen, und dann Siesta. Kaum liegen wir flach, stürmt Schnatterentes Bande herein, wuselt herum und schreit sich Zahl und Zustand der Duschen und Toiletten zu. Mir langt es.
Ich steige aus dem Bett und schaue Harald an, er schaut zurück. Wir wollen hier weg. 20 Minuten später haben wir gepackt und sind wieder unterwegs. 16.30 Uhr in glühender Hitze 3 Stunden zum Cebreiro hoch? Wir müssen doch ein Rad ab haben! Der liebe Gott hat ein Einsehen mit unserer Dummheit (und Nörgeligkeit): Mir fällt ein, dass Heidi und Horst von einem "tibetanischen" Refugio in Ruitelán, 5 km voraus, gesprochen haben. Nichts darüber im Handbuch. Mal die Augen auf machen. Das kleine, private Refugio ("tibetanisch" war nur sein Name) liegt direkt an der Straße, ist gar nicht zu übersehen. Zwei Schlafräume mit je 8 Betten, wohl sehr eng, aber sauber. Sehr nettes Hospitaleropaar (Geschwister). Übernachtung 500 P., Abendessen 900 P, Frühstück 300 P. Heidi und Horst freuen sich, dass wir auch gekommen sind. Wir bleiben da. Insgesamt war es in Ruitelán ein angenehmer Aufenthalt, wenn man von einigen Umständen absieht: Nachdem die 16 Betten vergeben waren, öffnete der Herbergsleiter eine Dachluke, und - hups! - oben waren noch 15 Matratzen, die auch noch alle belegt wurden, und das, wie uns erst jetzt auffiel, bei einem einzigen Zimmer, das 1 Dusche und 1 Toilette enthielt (die von den Besitzern mitbenutzt wurden), also für insgesamt 33 Personen. Nun, alle waren geduldig und nett zueinander und standen unentwegt brav Schlange. In dem winzigen Hof noch eine alte Behelfstoilette, aber bitte Wasser mitnehmen: der Spülbehälter oben brauchte ca. eine Viertelstunde, um sich zu füllen.
Am Rande noch ein lustiges Erlebnis: wir saßen vor der benachbarten Bar am Straßenrand. Auf einmal kommt ein Teerwagen und spritzt seine Ladung die Straße entlang, uns fast auf die Füße. Dröhnend dahinter: Lastwagen mit Split, eine Asphaltmaschine, eine Dampfwalze. So schnell, wie wir in die Bar flüchteten, so schnell war deren Besitzer draußen, bekam den Mund nicht wieder zu und rettete erst einmal Tische und Stühle. Das Dorf wurde offensichtlich von dieser Verschönerungsaktion der Hauptstraße gänzlich überrascht. Dann holte der Gastwirt schnell Bier für die Arbeiter: so bekam er eine schöne Abschlusskante direkt vor seiner Haustür. Aber alle waren wir vorerst in den Häusern gefangen: wer latscht schon mit seinen Ausgehsandalen durch weichen Teer? Erst einige Bier später hüpften wir mit Riesensätzen in die Freiheit. Meine Sandalen haben noch heute Teerspuren...
Abends genossen wir erneut sehr lange den Ausblick und stiegen auch noch eine Anhöhe oberhalb des Aussichtspunktes mit einem Kreuz darauf hoch. Von dort oben hatte man beinahe eine komplette Rundumsicht. Der Cebreiro will zelebriert werden. Die Kirche des Ortes (um die sich eine bekannte Legende rankt) beeindruckt in ihrer Schlichtheit, nach all den barocken gold- und zierratüberladenen Gotteshäusern, die wir bisher gesehen hatten, sehr wohltuend. Daneben ein Gasthaus, sowohl zur Unterkunft als auch zum Essen zu empfehlen.
Das Refugio war mal neu und modern gewesen. Wir erhielten als erste in der Reihe (etwas Stirnrunzeln: Was, ihr seid nur von Ruitelán hierher? Klar, wir sind Pilger und keine Sportler) eines der besseren Zimmer, mit nur 8 Betten, aber: nur ein rucksackbreiter Gang dazwischen! Wenn nur einer der vier Pilger, die zur Tür hin schliefen, sich die Füße versorgte, mussten alle anderen über ihn hinwegsteigen. Gleichzeitig aufzustehen und zu packen war gar nicht drin. Mit uns auf dem Zimmer war u.a. die Dänin Birgit (Name geändert), mit der wir noch am Strand von Finisterre Abschied feiern sollten.
Uli, der deutsche Freizeithospitalero, bestägte den Bericht von San Bol: einen Tag vorher war tatsächlich ein Pilger mit 3 Dromedaren da gewesen. Ansonsten beklagte er die fehlenden Geldmittel (vgl. das Kapitel "Allgemeine Informationen", Punkt "Das Problem der Refugios"): überall saß der Schimmelpilz im Gebäude. Wir hätten noch Glück, heute sei es ein ruhiger Tag, gestern habe man über 200 Leute unterbringen müssen; die Rucksäcke hätten zur Öffnungszeit bis unten auf die Straße gestanden. In diesem Jahr sei es noch schlimmer als 1999. Die Touristen überschwemmten alles. Er schloss mit dem pessimistischen Satz: Was die Pilgeratmosphäre angeht, ist der Camino kaputt.
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Letzte Änderung: 02.03.2017