Autor: Esperanto.de
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Zunächst Regionalzug von Pau nach Oloron-St. Marie. 10 EUR. Wir nahmen den Zug um 9h23. Man muss also nicht die früheste Verbindung nehmen, wenn man nicht am selben Tag bis Jaca laufen will.
Vor dem kleinen Bahnhof stand dann der Bus zum Somportpass. Da nur wenige Leute ausstiegen, wartete der Fahrer gemütlich ab, bis alle im Bus waren. Unsere in Pau gekauften Fahrkarten galten schon bis zu unserem Zielort Urdos. (Man musste auch nicht wie in Spanien Zug und Bus im Vorhinein festlegen oder gar Plätze reservieren.) Kurz vor unserer Abfahrt hatte ich noch einen Tipp von einer Pilgerin bekommen, die - welch Zufall! - genau die beiden Teilstrecken wie wir gehen wollte, nur einige Tage eher. Meine Planung im Internet hatte ihr einiges an Arbeit erspart. Schon unterwegs, schrieb sie mir aus einem Internetcafé in Jaca, dass man vor dem Pass in Urdos, dem letzten französischen Dorf, aussteigen kann, um "sich den Pass zu verdienen", d.h. auch noch den Aufstieg genießen zu können. Eine prima Idee! So hatte ich es auch ursprünglich geplant.
Der Somporttunnel ist noch immer nicht geöffnet (August 2002). Deshalb bleibt der Bus auf der Straße, so dass man auch auf der Passhöhe aussteigen kann, was nach Eröffnung des Tunnels nicht mehr möglich sein wird. In jedem Fall empfehle ich, statt dessen bereits in Urdos auszusteigen. Der Aufstieg lohnt! Andere Pilger berichteten später, der unfreundliche Fahrer habe sie vor der Passhöhe nicht aussteigen lassen. Merkwürdig! Unser Fahrer war freundlich und vergewisserte sich sogar, dass wir den Ausstieg nicht verpassten.
Wir müssen zunächst die Straße entlang. Der Jakobsweg sei zugewachsen gewesen, hatte die Aachener Pilgerin geschrieben. Wir sahen gar keinen, wohl Wanderzeichen, aber die führten zu einem benachbarten Pyrenäenpass, nicht dem Somport. (Das ist inzwischen geklärt: Man hätte die Straße 1 km bis zu einem Campingplatz zurückgehen müssen, um den Jakobsweg zu erreichen. Aber, wie gesagt, lohnt nicht, da zugewachsen.)
Das kann ich nicht nachvollziehen. Der Weg ging natürlich fast immer steil bergauf, auch zwischendurch an Abhängen entlang, aber für unsere Begriffe nie gefährlich.
Die Wegeauszeichnung ist nicht besonders gut. Statt gelber Pfeile wie in Spanien haben die Franzosen kleine blaue Blechschilder mit einem gelben Muschelsymbol verwendet, auf die armen Bäume genagelt und oft leicht zu übersehen, da sie in sehr verschiedenen Höhen hängen. Dabei gab's so viele schöne Steine, die geradezu um gelbe Pfeile bettelten. Zwei-dreimal ging's für einige hundert Meter eine merkwürdige Parallele zum Hauptweg, stolperiger und ohne erkennbare Sehenswürdigkeiten. Uns war schleierhaft, warum man dafür den breiteren Weg vorübergehend verließ.
Alles ging gut, und man ahnte den Weg schon den Pass hinauf, wobei man großen Strommasten einen Einschnitt hoch hinauf folgte. Manchmal sah man weit unter sich die Passstraße, auch die Tunneleinfahrt, die noch versperrt war, obwohl alles bis hin zu den Straßenmarkierungen schon perfekt schien.
Dann erschien ein Höhenrand über uns. Eine Wiese hinauf, rechts abseits ein Haus ... und eine Serpentine der Passstraße erreicht, aber noch lange nicht die Passhöhe! Hinweistafeln, aber nicht auf den Jakobsweg. Ein junges Paar sucht einen Bergsee, sie haben sich um eine Serpentine geirrt. Laut Karte des jungen Mannes geht der Jakobsweg, etwas nach rechts versetzt, jenseits der Straße weiter. Wir suchen die Abzweigung auf der gegenüberliegenden Seite, orientieren uns nach rechts, wo die Straße hochkommt. (Ein blödes Gefühl, ein Stück wieder hinunterzugehen.) Hm, zwei Bauernhäuser, eine Zuwegung, aber kein Blechschild, kein Pfeil. Um es abzukürzen: Doch, da muss man rein, zwischen den Häusern hindurch einen Wiesenpfad parallel zur Passstraße, die links liegt. (Wir gingen leider zu weit nach rechts, nahmen die nächste Abzweigung, weil ich da einen gelben Fleck an einem Stein überbewertete und kamen erst in einem riesigen Bogen nach links und nach Fragen an einem Wochenendhaus hinter den oben genannten Bauernhäusern auf den richtigen Pfad zurück. Also aufpassen!)
Der Pfad erklomm einen kleinen Hügel, ging dann ein weites feuchtes Wiesengelände hoch. Da wurde es schwierig. An einer Mauer, die sich längs vor uns auftürmte, entschlossen wir uns, aufs Geratewohl links an ihr entlangzugehen. Falsch! Man muss rechts vorbei (kein Hinweis). So überquerten wir zu weit links, zur Straße hin, auf Trittsteinen einen Bach und landeten im Sumpf... Rechts unterhalb sahen wir eine neue Holzbrücke den Bach überqueren. Da war's richtig.
Man folgt dem Bach bergauf immer grob in derselben Richtung parallel zur Straße und kommt über eine weitere Holzbrücke eines Zuflusses. Dem Bach an seinem linken Ufer in einen Hohlweg folgen.
An dieser Stelle war ich etwas entnervt und erschöpft. Also Pause. Etwas essen und außerdem die herrlichen Blaubeeren am Rand des kleinen Hohlwegs futtern. 2 Meter unterhalb rauschte der Bach. Danach weiter links am Bach entlang, dann ihn nach rechts überqueren und einfach am Waldrand links das sumpfige Gelände entlang geradeaus bis zur Böschung der nächsten Serpentine.
Gegenüber ist ein großer Parkplatz - und ein Wegehinweis. Den Parkplatz überqueren und ihn am Ende rechts verlassen. Geradeaus den Abhang hoch. Oben sah ich ein Haus, das ich für ein Bauernhaus hielt. (Hunde?) Oben angekommen: Da war der Pass, und das Haus gehörte zu den dazugehörigen Gebäuden.
15h50, wir waren sehr froh, den Aufstieg hinter uns zu haben. Passhöhe 1.640 m, das ist höher als der Pass vor Roncesvalles (ca. 1.400 m). Wie viele Höhenmeter wir dabei überwunden haben, weiß ich nicht. Ich schätze, 400-500 Meter. Ein niederländisches Paar machte ein Foto von uns und fragte uns interessiert über unsere Pilgerfahrt aus. Sie bewunderten uns sehr. Das Gasthaus auf französischer Seite war geschlossen (wegen der hohen Preise?). Gegenüber, mit herrlichem Fernblick, die Albergue Aysa, Kramladen, Bar (Gasthaus) und Hostal in einem. (Pilger haben hier übernachtet und waren zufrieden, Preis unbekannt). Wir ließen uns ausnahmsweise die Pilgerpässe stempeln (sonst nur an Übernachtungsstätten). Der Stempel ist sehr schön, und man sieht dann, dass man wirklich am Somportpass begonnen hat.
Vor dem Weitermarsch sang ich dann laut die Strophen vom Pass am "Monte Christein" und dem "Pfortenberg" aus dem alten Pilgerlied.
Ab Abzweig des Pilgerweges kurz hinter dem Somportpass | Bei schönem, aber frischem Wetter folgten wir dann dem (ab sofort mit Pfeilen und Schildern bestens ausgezeichneten) Pilgerweg steil hinab dem Tagesziel Canfranc-Estación entgegen. Der Weg ist bis Villanúa (hinter Canfranc) landschaftlich sehr schön, weil man immer noch zwischen den hohen Bergen der Pyrenäen ist und oft sehr schöne Ausblicke auf Bergmassive hat. Hinter uns zogen allerdings an diesem Nachmittag schon wieder die ersten Wolken über den Pass. Wir hatten ihn gerade noch rechtzeitig überschritten. Ab hier konnten wir auch die beiden Handbücher (siehe Planung) zu Rate ziehen. Alles kein Problem mehr! |
Meist ging es dann auf Bergpfaden in halber Höhe weiter. Der Weg erinnerte mich sehr an die alternative Strecke Roncesvalles-Pamplona. Wir kamen an einigen merkwürdigen, halb verfallenen Betonhütten vorbei (Bunker?), dann von einer Straße, die zu einem Campingplatz führt, abzweigend auf ein unübersichtliches Wiesengelände, wieder den Talhang entlang. Kühen und Pferden gingen wir aus dem Weg, man weiß ja nie.
Urplötzlich ging ein Gewitterregen nieder! Mit bebenden Händen holten wir unsere Regenumhänge ganz unten aus den Rucksäcken. (Danach haben wir sie griffbereiter gehalten.) Mein Umhang ließ sich hinten für den Rucksack ausstülpen. Damit sah ich wie ein ungefüger Waldschrat aus. Noch schlimmer meine Frau: Sie hatte einen Militärumhang (in Tarnfarben), ohne Ausstülpung: Hinten ging er also zunächst über den Rucksack, der ihren Kopf sogar noch etwas überragte. Sie sah wirklich wie eine Hexe mit überdimensionalem Buckel aus (nur das liebe Gesicht passte nicht). Was soll's? Wir schauten uns gegenseitig an und lachten erst einmal über diesen Anblick. Die Umhänge waren anfangs etwas umständlich über- und abzuziehen, aber man gewöhnt sich daran. Sie hielten gut dicht und warm, das war das Wesentliche. Bei diesem ersten Mal waren wir schon halbnass, bis wir sie übergezogen hatten. Wenige Minuten später hörte der Guss auch schon wieder auf. Etwas problematisch war, dass die Umhänge gleich in Dornen und Stachelgewächs hängen blieben. Da musste man ganz schön aufpassen.
Etwas später erreichten wir ein Flüsschen mit teils für die Fischerei gestautem Wasser. Der Empfehlung Michael Kaspers, hier zu baden, traten wir bei der relativ kalten Witterung aber nicht näher. Etwas weiter hatte ein Grundstückbesitzer die gelben Pfeile dick rot durchgestrichen. Pilger (und Wanderer) wohl unerwünscht. Mangels Alternative blieben wir trotzdem auf dem Weg. Die ganze Strecke zurück kam nicht in Frage. Niemand behelligte uns.
18h45 zogen wir nach Canfranc-Estación ein. Hier sieht man noch den Tunnel der stillgelegten Eisenbahn, aber der neue Tunneleingang der Autostraße ist noch einige Kilometer entfernt.
Die Herberge Pepito Grillo war schnell gefunden (auf der linken Seite der Hauptstraße). ("Pepito Grillo" ist eine Walt-Disney-Figur und nicht der Hospitalero, wie ich anfangs dachte.) Unterkunft 9 EUR pro Person in nicht zu großen Zimmern. Jugendherbergsniveau, ganz akzeptabel. Außer uns gab es keine Pilger, nur Wanderer. |
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Mit auf unserem 6-Bett-Zimmer schlief ein junges spanisches Paar, das sich etwas unwohl fühlte (mit zwei fremden Ausländern allein?). Aber wir kamen uns nicht ins Gehege, da die restlichen zwei Betten frei blieben. Neben der Herberge stehen Holzhäuser, die auch vermietet waren. Doch diese Feriengäste störten nicht. Der Hospitalero war freundlich, aber wenig geschäftstüchtig: Keinerlei Hinweise auf die Angebote, z.B. ob es Bocadillos gab, Frühstück, usw. Abends war alles dunkel. - Abendessen (17,70 EUR) in einem Restaurant an der Hauptstraße. Gut. Als Schlummertrunk hatte ich mir beim Einkaufen vorher noch 1 Fl. San Miguel geholt... (Ich habe mich an dieses Bier gewöhnt, immerhin besser als Mahou. Manchmal habe ich gewitzelt, ich sei mir nicht sicher, ob mein Schutzpatron auf dieser Pilgerfahrt eigentlich Santiago oder San Miguel sei...)
Mit dem spanischen Paar verabredeten wir, dass morgens Licht gemacht werden durfte. Sie waren sehr höflich und auch wohl erleichtert darüber, dass die Verständigung glückte. Nachts gab es ein heftiges Gewitter mit einem Sturzbach von Regen. Was morgens jedoch noch rauschte, war gottseilob nicht mehr Regen, wie ich befürchtete, sondern nur der nahe Aragón.
Refugio in Canfranc | Ein zweites Frühstück gab es erst in Canfranc, vor der Kirche (Wasserhahn), unweit der Pilgerherberge. Letztere kann man leicht an ihren großflächigen Verzierungen mit blauen Eidechsen erkennen. Sie liegt direkt an der alten Hauptstraße und am Pilgerweg. Eine große Gruppe Frauen und Kinder verließ sie und ging zu einer Bushaltestelle. Der DuMont-Führer weist darauf hin, dass man evtl. ein Problem hat unterzukommen, da hier auch Feriengruppen aufgenommen werden. Stimmt also wohl. |
In Villanúa treten die Berge zurück. Wir folgten nicht dem Winken eines Mannes, den Pilgerweg geradeaus durch den Ort zu gehen, sondern gingen laut Empfehlung beider Handbücher über die Brücke und ließen den Ortskern links liegen. (Im Handbuch von Michael Kasper in der Skizze falsch eingetragen.) Dann kam ein Stück öde Straße an Grünanlagen vorbei. Ein Mann springt vor uns aus dem Auto, französischer Tourist. Echte Pilger! Er ist ganz begeistert und fragt, ob er uns fotografieren dürfe. (Klar, macht 10 Euro! ;-)) Wir stellen uns auf. - "Nein, nein, auf dem Marsch, bitte schön!" - Ein Bild von vorn und, als wir an ihm vorbei sind, noch eines von hinten. Ich höre ihn nochmal freudig wiederholen: "Pilger auf dem Marsch!" - Na, welches Urlaubsalbum wir jetzt wohl zieren!?
Etwas weiter wurde die Straße überquert, und jetzt kamen wieder schöne Wege, zunächst an einem Ferienhaus der Canisianer vorbei. Gruppen von Jugendlichen gafften uns an. Auf einer Anhöhe war es meiner Frau nicht so gut. Die Sonne und die Hitze machten ihr zu schaffen. Man darf ja nicht vergessen, dass sie unter Antibiotika stand, die einen ja sehr schwächen, und dafür war es bewundernswert, wie sie die Anstrengungen wegsteckte.
Wir rasteten an einer Stelle, wo etwas Wind war. Vier Wanderer tauchten auf und gingen eine Zeitlang mit uns parallel. Wieder keine Pilger.
Hinter dem schönen Ort Castiello de Jaca stießen wir auf eine Bar und viele Wanderer davor. Darunter drei schon etwas ältere Französinnen, die sich als Pilger ausgaben, in Wirklichkeit aber Billigtouristen waren. Dann folgte ein wunderschöner Flussabschnitt. Tipp: Hier sollte man eine Pause vorsehen und nicht an der Bar vorher. Es ging auch über Steine durch eine seichte Furt, kein Problem. Einige wenige Ausflügler genossen ebenfalls die Natur. Der Aragón ist hier schon sehr breit, wenn auch flach, mit breiten Streifen von Steinen in seinem Bett. Jaca kam näher. Wir überquerten schon in Sichtweite der Stadt die Hauptstraße und erreichten noch eine Einsiedelei (mit Brunnen). Bei brennender Sonne ging es dann zum Ortseingang von Jaca hoch.
16h30. Ich hatte von einem Pilgerfreund sogar einen Stadtplan dabei. Gemäß der Empfehlung Michael Kaspers (und anderer Pilger) ließen wir uns Zeit und bogen am Stadteingang rechts in eine baumbestandene Anlage (vor Hochhäusern, Paseo de la Cantera) ein. Eine Bank lud zur Rast. Vor uns der Blick zurück auf die Berge, woher wir gekommen waren. Unten die Einsiedelei. Alles deutlich zu sehen und wunderschön. Irgendwie hatte ich gar keine Bedenken, dass uns zwischenzeitlich jede Menge Pilger (und "Pilger") überholten und die Betten in der Herberge besetzten. Wir genossen die Ruhe, den Schatten und die Aussicht. Langsam gingen wir dann weiter, im Halbkreis immer die Anlage entlang, praktisch auf der alten Stadtmauer. Das Land unter uns fiel immer mehr ab. Vor uns kam nun auch das breite Tal des Aragón Richtung Sangüesa in Sicht - und hohe Berge! Links der Oroel, der Hausberg von Jaca (über 1.700 m), rechts davon ein langgestrecktes Massiv, die Sierra de la Peña, da wollten wir morgen hoch. Das würde kein Zuckerschlecken werden, aber "Bangemachen gilt nicht", sagten wir ein paarmal (und in der folgenden Zeit noch oft).
In Höhe der Festung, die wir vom Flugzeug aus gesehen hatten, verließen wir die Parkanlage, gingen an der Festung vorbei und suchten die Hauptstraße (Calle mayor). Das war nur ein schmales Sträßchen in der Altstadt vor uns (die Kathedrale blieb vorerst links liegen).
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Links zweigt dann die Calle Conde de Aznar ab. Haus Nr. 4 ist die
Herberge von Jaca.
Neu, sehr modern, sauber. Schlafsäle mit je 16 Betten, einstöckig, zu zweit mit niedriger Trennwand dazwischen. Luxus! - Wir bekamen erst die Betten 11 und 12, o weh! Sie lagen genau rechts und links vom Eingang. Ich will ja eigentlich keine Privilegien, machte aber der jungen Dame am Empfang klar, dass meine Frau und ich gerne nicht so getrennt schlafen möchten. Sie entschuldigte sich und gab uns die Betten 15 und 16, ganz an der Wand. Prima. Die drei Französinnen waren auch schon da, obwohl sie unterwegs über die Primitivität der Herbergen laut Handbuch gemeckert hatten. Sie machten sich schön und zogen in die Stadt... Bald lief die Herberge voll, denn viele Pilger starten auch hier. Vom Somport her waren wir sicher fast die Einzigen. |
Nachmittags und abends zogen wir noch durch die verwinkelte Altstadt. In der Herberge wurden gute Stadtpläne verteilt, die man auch brauchte. Um 19h30 sollte Messe in der Kathedrale sein. Gegen 18h50 nahmen wir vor einer Bar neben dem Gotteshaus Platz und wollten noch einen Happen essen. Die halbe Speisekarte gab es aber noch nicht, es war zu früh am Tag. Meine Frau nahm eine Kartoffel-Tortilla, ich bestellte auf gut Glück eine der wenigen Speisen, die es gab, wusste nicht so genau, was es war, caracoles, oder so. Es waren Schnecken! Meine Frau platzte vor Lachen über mein Gesicht. - Die grauen, wurmartigen Dinger saßen noch tief in ihren Gehäusen; ich musste sie mit einer Art Miniharpune herausziehen, und hinein in den Mund! Pilger haben immer einen Bärenhunger und essen alles, was nicht rechtzeitig vom Teller kriecht. :-) Die Bacalao-Soße war delikat, ich habe es mir schmecken lassen.
Da schlägt eine Glocke ein paar Mal. Die Auskunft "19h30" war falsch, die Messe war schon 19h00. Also leider in Hast den seltenen kulinarischen Genuss heruntergeschlungen und 19h03 in die Messe. Immerhin war Sonntag.
Die spanischen Messen waren selten sehr feierlich. Meist rasselten die Priester in unglaublichem Tempo die Gebete herunter, einmal war die Messe nach 20 Minuten zu Ende. - Nun, hier in der Kathedrale war es doch anders, und sie war brechend voll. Beim Friedensgruß wurden wir Fremdlinge immer wie selbstverständlich mit einbezogen, das war nett.
Im weiteren Verlauf des Abends hatten wir große Schwierigkeiten, noch Proviant einzukaufen. Die Geschäfte waren geschlossen. (Das ist überall in Spanien von Stadt zu Stadt verschieden.) Und nicht einmal Getränkeautomaten irgendwo. Es gelang uns gerade noch, in einer Pizzeria eine Flasche Wasser zu kaufen. Danach langes Warten vor einer Telefonzelle. Endlich hat die Frau vor uns ihre gesamte Familie angerufen und gefragt, wie's geht... Erneuter Frust: Unsere Telefonkarte scheint nicht zu funktionieren. (Wahrscheinlich waren viele Apparate in Aragón veraltet.)
In der Herberge hing eine gute Wanderkarte (L 174/175). Leider war sie nicht zu kaufen, und wegen des Sonntags hatten wir auch keine Chance, sie in der Stadt aufzutreiben. Am andern Morgen auch nicht, da wir ja früh losziehen mussten, und die Buchhandlungen, die wir fanden, öffneten alle erst ab 9 Uhr und später...
Die Nacht verlief ziemlich ruhig. Nur draußen war wie üblich etwas Krach von der Straße. Es hielt sich aber in Grenzen.
Die ersten beiden Etappen waren zum "Einlaufen" gewesen, trotz Somportpass. Heute wurde es ernst. Tatsächlich war es aus der Rückschau die anstrengendste Etappe unserer diesjährigen Tour, und ich bin jetzt noch stolz, dass wir das geschafft haben. Besonders meine Frau, die trotz der Antibiotika morgens erklärte: "Ich bin fit. Von mir aus können wir da hoch." Wichtig ist, dass man sich psychisch auf besondere Anstrengungen einstellt und sich das Ziel in Teilziele einteilt. Wir hatten kaum Proviant, also wenig zu tragen. Wasser gab es auch nur sparsam, da wir unterwegs in Atarés, einem Teilziel, einen Brunnen vorfinden würden.
Von der Piste ging es rechts einen gefurchten Weg, mit Geröll und Rinnen, auf den vor uns aufragenden Hang zu. Dann sogar noch etwas bergab, bis zu einem Minitalkessel. Feuchte Rinnsale, und der Weg spitzwinklig rechts einen geröllübersäten Hohlweg hoch. Oben spitzwinklig links, dann immer geradeaus, in etwa einigen Strommasten folgend, über einen Höhenrücken ohne Schatten hoch, anfangs weniger steil, dann sehr steil, in engen Serpentinen, aber zwischen Bäumen. Einige Male mussten wir verschnaufen, trotz unserer Regel: "Wer außer Atem gerät, geht zu schnell." Meine Frau dachte, ich wolle sie schonen; ich brauchte aber selbst "Schonung" ;-)
Endlich so gut wie oben, der Weg geht weniger steil nach rechts und macht keine Serpentinen mehr. Dann nach links (War das der Abzweig, der von Michael Kasper genannt wird? - Nein, er war es noch lange nicht.) Man folgt den spärlichen Zeichen am Waldrand entlang, unten tauchen Felder auf. Aha, das Dorf ist nahe! (Denkste! Noch lange nicht.) Dann laufen wir auf einen Querweg zu, der von links oben nach rechts unten führt. Keine Zeichen. Hier (wie in ähnlichen Situationen) schwärmen wir aus (gut, wenn man zu zweit ist); der Erste, der ein eindeutiges Zeichen findet, ruft. Es geht tatsächlich links hinauf. Erst jetzt erkennen wir die vom DuMont angekündigte Trockenmauer, auf die wir zugelaufen waren und die wir nun links entlanggehen; sie ist völlig überwachsen und fast nicht als künstliche Aufwerfung zu erkennen. Oben umrundet man die Mauer nach rechts und kann endlich steil nach unten, trifft auf eine breite Piste, die sicher gleich, an den Feldern vorbei, in das Dorf um die Ecke führt. Wieder denkste! Scharf links geht es gleich wieder in die Büsche (keine Warnung vom DuMont, aber es ist die lang erwartete Abzweigung, die Michael Kasper erwähnt), eigentlich kaum zu sehen. Ein Steinmännchen, das aus der Vegetation herausragt, macht uns aufmerksam. Erst danach sehen wir weitere Zeichen.
Nun folgt noch ein langer, langer Weg den Höhenrücken entlang, denn das Dorf Atarés liegt noch mehrere Kilometer (!) nach Westen versetzt im Tal (auf der DuMont-Skizze m.E. nach sehr ungenau angegeben). Zum Lohn ist die Natur hier wunderbar. Ein riesiges Spinnennetz über dem Weg, und die Besitzerin, mit einem Leib, größer als mein Daumennagel, mit hellen Querstreifen, mittendrin beim Frühstück. Foto! Heuschrecken springen auf - und flattern als intensivblaue "Schmetterlinge" davon! Die ganze Zeit sehen wir - erst noch weit rechts - die Höhen der Sierra de la Peña vor uns aufragen, mit zwei Gipfeln, dazwischen ein Einschnitt. Puh, noch so weit! - Unten ein breiter Weg, aber wir bleiben oben, umrunden später eine weitere Anhöhe, dann endlich, tauchen unten im Tal zwei langgestreckte landwirtschaftliche Gebäude auf, etwas weiter dann, nahe unter uns, das Dorf Atarés, auf halber Höhe bis hinunter ins Tal gelegen.
10h00. Alles ruhig. Keine Hunde? Wir schleichen wie ein feindlicher Spähtrupp zwischen den Häusern hinunter. Atarés ist ein schönes Dorf, mit gepflegten, renovierten Häusern und sauberen Straßen. Hier muss auch Tourismus sein. Aber zu kaufen gibt es nichts. Vor der Kirche der kleine Dorfplatz, und ein Brunnen mit herrlich frischem Wasser. Nun doch ein Hund, aber ein kleiner, sein Blaffen können wir ignorieren.
Zweites Frühstück auf den Stufen vor der Kirche. Einige Einwohner kommen vorbei, sind nicht besonders neugierig. Ein größerer Hund schnüffelt nur ein bisschen.
Auf etwa 3/4 der Höhe taucht man erleichtert in Wald ein, Schatten! Gleich wird's besser. Doch es geht noch ein ganzes Stück weiter, am Ende nur noch nach rechts, bis man den ersten Gipfel erreicht hat und gegenüber die Höhe der Sierra sieht (mit Sendemasten auf der Spitze), davor eine Schlucht. Drüben, Menschen auf einem Aussichtspunkt am Rand des Absturzes zum Tal hin, der Pyrenäenbalkon? (Kann er gewesen sein.)
Man geht links herum die Schlucht entlang und stößt bald auf das ersehnte dritte Teilziel, die Landstraße zum oberen Kloster. 12h30. Wir sind etwas erschöpft, aber jubeln innerlich: Wir haben's geschafft, wir sind oben!
Die Straße, zunächst ohne schattenspendende Bäume, führt um die Schlucht herum in sanftem Anstieg auf den zweiten Berg, umgeht den Gipfel mit den Antennen aber links herum. Einmal gibt es noch einen Fußpfad rechts, der einige hundert Meter weiter wieder auf die Straße führt. Bei einer Abzweigung zu einem Dorf öffnet sich der Blick nach Westen ins Tal des Aragón, wo wir ab morgen entlanggehen werden. Irgendwo danach (ich habe es nicht gesehen) zweigt die Route des DuMont nach rechts ab, umgeht den Berggipfel rechts, quert den Hang unterhalb des Pyrenäenbalkons und erreicht eine Wegekreuzung (Cuatro Caminos). Von hier soll man dann nach San Juan de la Peña gehen, kommt aber denselben Weg zur Kreuzung zurück. - Das gefiel mir bei der Planung nicht! Michael Kasper gibt die Entfernung an: 1,4 km (einfacher Weg)! Und Pyrenäenbalkon und oberes Kloster verpasst. Kam nicht in Frage.
Also laut Handbuch von Michael Kasper weiter die Landstraße entlang, bald auch mit Baumschatten. Die Straße ist hier ungefährlich, die Touristenautos sehen einen und haben Platz. Man geht geradewegs auf das obere Kloster zu, während die Autofahrer in einem riesigen Kreis als Einbahnstraße durch den Wald geführt werden. Links ahnte man Parkplätze, später las ich auf einem Faltblatt, dass da auch eine Bar ist. - 13h00. Wir rasteten im Wald vor dem oberen Kloster. Im benachbarten Kiosk wurden Eintrittskarten verkauft, ganze Busse fuhren vor. Ich hatte keine Lust, die Klosterruine zu besichtigen.
Tipp: Immer auf der Suche nach Informationen, habe ich am Kiosk eine Übersichtskarte studiert. Am Pyrenäenbalkon weist ein kleines Schild einen Pfad nach San Voto. Das liegt auf halbem Weg zwischen dem oberen Kloster und San Juan de la Peña, unserem eigentlichen Ziel, wie ich behalten habe. Wie immer, will ich außerdem nicht denselben Weg zurück, hier zum oberen Kloster, wie Michael Kasper rät. Also, mal was gewagt, und dem Schild gefolgt. (Achtung: Erst am Pyrenäenbalkon, nicht vorher, wo auch schon ein Schild steht.) Das hat sich gelohnt.
Der Pfad führte uns zunächst an einen Aussichtspunkt am Rand einer Schlucht. Der Blick stand dem Pyrenäenbalkon in nichts nach, ging aber nach Westen und sogar die Schlucht entlang nach Südsüdwest, wo hinter uns steile, kahle Felswände aufragten. Da irgendwo an ihrem Fuß musste San Juan liegen. Vor uns Vorberge und ein weithin sichtbarer Pfad, der Weg nach Santa Cruz de la Serós, wo wir übernachten wollten. (Nahe unter uns die Kreuzung Cuatro Caminos, aber das wussten wir nicht.) Dann ging es parallel zur Schlucht nach links, nach Südsüdwest, bis zu einem Wegekreuz (nicht mit dem von Cuatro Caminos verwechseln!). Links kam ein Weg vom oberen Kloster, rechts ging es nach Santa Cruz. Also musste es geradeaus nach San Voto und San Juan gehen, aber kein Hinweis. - Es stimmte! Wenige hundert Meter weiter war die Landstraße vom oberen Kloster nach San Juan und Santa Cruz erreicht. An der Straße ein Haus: San Voto.
Wir überquerten die Straße, die hier kurvenreich und gefährlich wird. Fußgänger gehen lieber einen alten Fußweg links von ihr, auch wenn er abschüssig und voll Geröll ist. Zum Schluss kommt man unweit von San Juan doch noch auf die Straße und folgt ihr zum Ziel.
Das berühmte San
Juan de la Peña ("St. Johann vom Felsen") hielt durchaus, was
ich mir von ihm versprochen hatte. Imposant diese teils renovierten
Ruinen, der Kreuzgang auch von außen sichtbar.
Es war nämlich geschlossen, also keine Führung. Hm, auch nur wenige Touristen. Und ich hatte mir vorgestellt, hier würde es wimmeln, natürlich mit Kiosken und Buden und - doch wohl zumindest einen Getränkestand, oder??? - Fehlanzeige! Meine Cola-Träume zerplatzten. Brunnen, Wasserkran? - Fehlanzeige! Vielleicht hätte man in dem Toilettenhaus 100 m weiter Wasser bekommen, aber wir hatten noch genug - lauwarmes allerdings. |
San Juan de la Peña |
Wieder fuhr ein Auto vor, und heraus kletterten - unsere drei Französinnen aus Jaca. Sie grüßten etwas verlegen, konnten gar nicht glauben, dass man auch zu Fuß...
15h11 Aufbruch. "Nur" noch Abstieg nach Santa Cruz, dachten wir. Da hatten wir uns wieder geschnitten und leichtsinnigerweise unsere psychischen Reserven schon erschöpft. Nun, zunächst ging es an besagtem Toilettenhäuschen vorbei, dann - laut Michael Kasper - sogar noch einmal 400 weit bergauf. Meine Frau wollte es nicht glauben. Sie ging störrisch eine Abzweigung nach links auf die schon erwähnte Schlucht zu, denn rechts hinauf - das konnte nicht stimmen! Ich ging ergeben hinterher, bis der Weg vor der Schlucht endete. Also doch zurück und rechts hinauf, 400 m können einem da verd... lange vorkommen, auch wenn es nicht mehr so steil war wie vorher am Tag. Dann kamen wir am Wegkreuz von Cuatro Caminos heraus, rechts über uns der Pyrenäenbalkon und der andere Aussichtspunkt; vor uns kam der DuMont-Weg herunter. O war ich froh, dass ich den nicht gekommen war! Dann müsste ich jetzt das gerade zurückgelegte lange Stück Weges nach San Juan hin und wieder zurück!
Das Ganze ist ein unlösbares Problem. Ohne dass man noch einmal den Anstieg bei Cuatro Caminos hat, geht es nicht, denn: Das Kloster San Juan de la Peña liegt einfach tiefer als der Beginn des Abstiegs nach Santa Cruz. An dieser Tatsache ist nichts zu ändern, egal, wie man geht. Insgesamt war meines Erachtens nach genau die Route, die wir gegangen waren (also auch über San Voto), die beste.
Jetzt ging es aber endgültig bergab - und wie! Michael Kasper schreibt nur trocken die Entfernung: 2,5 km. Die haben's aber in sich! Im DuMont steht: "alpiner Steig", "größte Vorsicht", und das ist sehr berechtigt. Gut, dass ich darauf gefasst war. Dieses Stück bergab war teils schwieriger als der Aufstieg (einmal sogar nasse schlüpfrige Steine) und kostete noch einmal sehr viel Kraft. Nachdem wir das Schlimmste hinter uns hatten (nur weiß man das ja nie), hörten wir Stimmen. Die Felsen wichen zurück, vor uns auf dem Hang quälte sich eine große Gruppe meist jugendlicher Wanderer hoch. O, sie trugen Pilgerstöcke und Kreuze (aber kein Gepäck). Einer der Leiter sprach uns an: "Pilger? Aus Deutschland? Seid gegrüßt!" Es waren Pilger-Touristen aus Italien. Einige litten schon fürchterlich, waren fast am Rande ihrer Kräfte. Ultreia! Na, die hatten noch einiges vor sich. - Stunden später trafen wir die Gruppe an der Kirche in Santa Cruz de la Serós wieder. Man hatte die Strapazen offenbar doch gut überstanden.
Wir mussten aber noch ein ganzes Stück weiter nach unten, freilich immer leichter, bis links in einem engen Tal das Dorf Santa Cruz de la Serós, unser heutiges Ziel auftauchte.
Die Wirtin wollte immer ihr rudimentäres Englisch anbringen, wenn ich auf ihr Spanisch nicht sofort reagierte; ich brauchte eben ein paar Sekunden, um zu verstehen. "Bleiben Sie bitte bei Spanisch", bat ich sie. - Geduscht und erholt, das Dorf besichtigt. Es ist überraschend malerisch gelegen, noch ziemlich hoch über dem Tal des Aragón, mit sagenhaft schönem Blick auf die Berge mit ihren einmaligen Schroffen. Adler und Geier darüber, wie gehabt. Meine Frau war ausgeruhter als ich und stiefelte durchs ganze Dorf, um Fotos zu machen. Einmal hielt vor uns ein Auto, und wer steigt aus? Richtig, mal wieder die drei Französinnen. Die mussten ja glauben, dass wir ihnen zu Fuß nachspionierten...
Dann reichte mir die Dorfbesichtigung, ich holte mir endlich ein Bier an der Theke der Hostelería. Dabei machte ich eine Beobachtung, die mich etwas verstimmte: Spanische Gäste bekamen Happen zum Bier (Erdnüsse und andere Knabbersachen), ich, der extranjero nicht. Gemein! Und als ob ich die spanischen Sitten nicht kannte! - Abends nochmal zur nahen Kirche. Da wollten sie Eintritt kassieren, einschließlich San Juan oben. "Da waren wir schon, war geschlossen." Das könne doch gar nicht sein, da wäre immer eine Führung. Stimmte aber nicht. Dann nur den halben Eintritt. Wir winkten ab.
Wir überlegten, ob wir statt des wilden Abstiegs nicht besser die Straße gelaufen wären. Diese macht zwar einen sehr großen Bogen, aber zeit- und kräftemäßig kommt man sicher besser weg. Andererseits: die Straße ist, wie gesagt, gefährlich. Und es war ein schönes Gefühl, diese anstrengende und schwierige Etappe geschafft zu haben.
In der Hostelería gibt es auch ein öffentliches Telefon. Unsere Telefonkarte funktionierte wieder nicht. Aber auch andere, die nach uns telefonieren wollten, hatten Probleme. - Das Abendessen nahmen wir in der Hostelería ein. Gute Speisekarte, sogar Menü, freundliche Bedienung, akzeptable Preise. Und fair: Die Flasche Rotwein wurde nur zur Hälfte berechnet, da die andere in meinem Menü inbegriffen war. Meine Frau hatte sich nach der Karte etwas zusammengestellt, also war für sie der Wein extra. Beutelschneider hätten uns einfach zwei Flaschen hingestellt. Übrigens tobte draußen ein wildes Gewitter. Gut, dass wir heute Nacht nicht in einem Zelt lagen!
Herrlich geschlafen und ausgeruht. 8h35 Frühstück, eher gab's nichts (war wie gesagt inklusive und für spanische Verhältnisse ganz gut). 9h15 erst los, ohne Muskelkater, ohne Blasen, was waren wir stolz! Frohgemut stapften wir nach einem Morgengebet vor der Kirche bei gutem Wetter (die Berge natürlich teils noch in den üblichen Dunstschichten) zum Dorf hinaus.
Böser Patzer vom DuMont-Handbuch: Das schickt einen doch glatt die Landstraße entlang. Dabei zweigt kurz hinter dem Dorfausgang links ein Weg in die Hügel ab, der mich bald singen und jubilieren ließ. Gut mit rot-weißen Wanderzeichen und vielen Steinmännchen gekennzeichnet, schlängelt er sich einen Einschnitt hoch und überwindet einen kleinen Sattel in dem abschließenden Hügelkamm. Man konnte alles schon von weitem sehen und raten, dass es dort hinübergehen würde. Gut, es ging ein Stück hoch, was vielleicht auf der Straße nicht der Fall gewesen wäre. Aber es war weder so steil noch so geröllig wie tags zuvor. Für Leute, die San Juan de la Peña geschafft haben, die reinste Erholung ;-)
Da waren auch die Heuschrecken wieder, die wie Schmetterlinge davonflattern konnten. Außer den tiefblauen auch leuchtend rote, nicht ganz so fluggewandt wie ihre Vettern.
Hinter der Hügelkette ging es noch ziemlich lange hoch über einem tief eingeschnittenen Tal entlang. Dann wichen die Berge zurück, und das Dorf Binacúa, auf einer vorgelagerten Höhe, kam in Sicht. Hm, hinter einem Hohlweg war die Piste mit Plastikstreifen gesperrt, oben arbeiteten Straßenarbeiter direkt vor der Bebauungsgrenze, gossen Beton für eine Mauer und eine Treppe, durfte man da vorbei? Tja, man musste wohl, es gab nichts anderes. In Deutschland hätten die Arbeiter einen angeschnauzt: "Haben Sie die Sperren nicht gesehen?" Aber in Spanien ist das ja bekanntlich mit Verboten ganz anders. - Die Arbeiter grüßten freundlich zurück und wünschten "Gute Reise!", obwohl wir ihnen fast über die Schüppe kletterten.
Im Dorf gingen wir rechtsherum, linksherum wäre sicher auch in Ordnung gewesen. Beide Wege führen hinter dem Dorf an einer sich steil ins Tal hinabsenkenden Landstraße wieder zusammen. Dort ist auch eine Kirche, in die wir einen Blick werfen konnten, weil gerade eine Frau, die Blumen brachte, aufschloss. - Dann ging es das Sträßchen weiter, mit schönem Fernblick auf das breite Tal des Aragón vor sich, links ein sehr steiler Abhang. Der Pilgerweg kürzt ebenfalls sehr steil zwei Serpentinen ab, bis er vor einer kleinen Brücke den Talgrund erreicht.
Hier muss wohl auch der direkte Pilgerweg von Jaca her von rechts kommen, aber wir sahen niemanden. Also über die Brücke und an Bauernhöfen vorbei, langsam sich der parallelen Fernstraße nähernd. Nun pilgerten doch zwei Männer auf dieser heran. Als wir die Straße erreichen, sehen wir weiter vorn und hinten noch mehrere einzelne Pilger. Ganz schön viel Betrieb für die angeblich einsame Nebenstrecke Somport-Puente la Reina!
Kurz danach erreichen wir Santa Cilia de Jaca, etwas rechts von der Fernstraße. Vor einem Brunnen ein ganzer Trupp Pilger. Wir wollen Wasser und Proviant fassen, außerdem uns nach der provisorischen Herberge umschauen, die es hier geben soll. Die Hauptstraße geradeaus in den Ort hinein. Alle Geschäfte noch geschlossen, nur eine Bäckerei verkauft uns Brot. Hinterm Dorfkern noch einmal ein Brunnen, wir füllen die Flaschen. Ein Mann spricht uns an, interessiert sich für das Woher und Wohin. - Die Hauptstraße zurück. Das Touristenbüro ebenfalls geschlossen. Das Sekretariat im Rathaus dito. Jetzt spreche ich Leute auf der Straße an. Keiner weiß was über das Refugio. Doch, ein Mann meint: "Das ist immer noch nicht eingerichtet." Matratzen? - Nein, zurzeit werde da niemand mehr untergebracht. Es gibt ja die neue Herberge von Arrés, und außerdem Hostals hier und im nächsten Ort, Puente la Reina de Jaca. Witzbolde!
Danke für den Tipp! Evtl. gab es dieses ja doch schon 2002, oder es ist danach neu eröffnet worden. Aber Reklame machen sie wohl nicht. Im Netz findet man die Telefonnummer: 974 377 063
Wir machen, dass wir weiterkommen, denn überall sieht man Pilger einzeln und in kleinen Gruppen. Es geht etwas dumpf rechts die Fernstraße entlang. Vor uns eine Familie, Vater, Mutter, Tochter. Vater rennt immer voraus, kann uns aber nicht wegrennen, da seine Frauen es gemütlich angehen lassen. Wir überholen sie. - Endlich haben wir das zu einem Campingplatz gehörige Restaurant erreicht. Ein Kaffee täte jetzt gut. Drinnen rufe ich laut "Buenos dias", denn niemand ist zu sehen. Unsere Rucksäcke haben wir höflich draußen abgestellt. - Dann kommt ein junger Mann, sieht durch uns hindurch und deckt einige Tische. Vergeblicher Versuch von mir, Blickkontakt zu bekommen. Ein zweiter junger Mann erscheint, hilft dem ersten und ignoriert uns ebenso. - Das kann einem mal passieren. Nicht überall sind Pilger erwünscht.
Wir stolpern mit roten Ohren und sauer aus der Tür, ich erstarre: Ja, bin ich denn hier auf dem Hauptweg? Ununterbrochen wälzt sich eine Pilgerkarawane heran, bei 13 höre ich auf zu zählen, schnappe mir meinen Rucksack und laufe los. Wie viele Plätze gab es noch in Arrés? Ganze 16? Prost Mahlzeit! Jetzt fing das Hetzen um die Betten wieder an, und dabei hatte der Tag so schön begonnen!
Vor Puente la Reina de Jaca haben uns einige Mädchen eingeholt. Eine schmale Brücke überquert den Aragón in den Ort hinein, und darüber muss der gesamte Fernverkehr. Die Mädchen bitten meine Frau, ein Foto von ihnen zu machen. Kann man ja nicht abschlagen. Ich gehe schon mal weiter und peile die Lage. Da, links eine Tankstelle, in der eine Tienda sein soll. Letzte Gelegenheit vor Arrés, Proviant zu bekommen. Die übrigen Pilger zerstreuen sich, gehen weiter in das Städtchen bzw. lassen sich vor einer Bar zum Essen und Trinken nieder. Da sehe ich eine Chance, sie alle abzuhängen. Wir kaufen in der Tienda ein: die Preise sind sehr hoch; das meiste, das wir wollen, gibt es nicht, vor allem keine Milch. Immerhin gibt es San Miguel ;-) (Bei etwas mehr Zeit sollte man sich nach einer anderen Einkaufsmöglichkeit umschauen.)
Ich drängele. Zurück über die Brücke zur Straße nach Arrés. Wieder trifft mich fast der Schlag. Es war alles vergebens: Vor uns läuft eine weitere Gruppe, acht Leute. Nochmal mein innerer Schrei: Ja, wimmelt das denn jetzt hier schon genauso wie auf dem Hauptweg? - Später stellte sich heraus: Ausgerechnet an diesem Tag gab es einen Rekordansturm auf Arrés. Nicht weniger als 52 Leute, darunter zwei große Pilgergruppen, trafen dort ein. Und alle zu Fuß, da gab es nichts zu deuteln. Es ist eben die erste Etappe hinter Jaca, und andere Herbergen in erreichbarer Entfernung gibt es nicht.
Hinter der Gruppe (die tatsächlich nur aus Einzelpilgern und Paaren bestand, die sich zufällig getroffen hatten) hasteten wir den schmalen, holprigen Fußpfad her, der bald von der Landstraße den Hang hinaufführte. Es ging parallel zu einem Höhenzug, der das Aragón-Tal begrenzt.
Blick auf Arrés |
Arrés liegt in einem Sattel mit Aussicht
auf beiden Seiten, ziemlich hoch und vom Tal aus noch aus 20 km
Entfernung sichtbar. Den Kern des Ortes bildet natürlich eine
Burgruine, deren Turm noch gut erhalten ist. Die zugehörige Kirche
ist zum großen Teil renoviert, für Pilger als Notlager aber
verschlossen, nachdem einige üble Zeitgenossen undankbarerweise
einiges aus der Kirche hatten mitgehen lassen...
Diese wenigen Kilometer schienen mir wieder sehr lang zu sein. Plötzlich liegt der Ort vor einem, man kommt sogar noch etwas oberhalb raus. Trotz Hetze ein erstes Foto. |
Gegenüber stellt die Gruppe fest, dass nicht genügend freie Betten für alle da sind. Platz auf dem Fußboden ist auch nicht, alles ganz eng. Tja, ich habe ein etwas schlechtes Gewisen. Eigentlich haben wir zweien ja die Betten weggeschnappt. Zum Glück löste sich alles in Wohlgefallen auf. Oben gab's noch ein Notlager mit 5 Matratzen, auf denen die überzähligen zwei Gruppenmitglieder unterkamen; ferner die Familie, die wir unterwegs überholt hatten und die kurz nach uns eingetroffen war. Im Notlager war mehr Platz als bei uns im Schlafraum, ausgleichende Gerechtigkeit! - Als wir kurz darauf zu unseren Betten zurückkommen, bieten uns die jungen Spanier als zweites Bett das unter mir an; sie haben es für uns geräumt. Sowas Nettes! Wir nehmen den Tausch dankbar an.
Das Refugio ist dreistöckig, liegt wie alle Häuser am Hang. Unten Toiletten, Duschen, Wäschewaschen in den Waschbecken. Auf mittlerer Höhe der Eingang mit den Schlafräumen ein paar Stufen abwärts. Oben das Notlager sowie Küche und Aufenthaltsraum. Alles recht klein und eng. Im Aufenthaltsraum haben Pilger Schinken und Brot auf den Tischen liegen lassen. Auch Wasser steht noch rum. (Fehldeutung: Die unglaubliche Hospitalera, die erst später eintraf, hatte das als ersten Willkommensgruß alles dorthin gestellt.)
Meine Frau und ich durchstreifen den kleinen Ort. Es ist ein einziges Auf-und-Ab-Klettern. Sieh da: neben dem Refugio hat jemand eine provisorische Bar eröffnet. Es gibt zwar nur Getränke und Konserven, aber immerhin! Am Ende des Ortes (nur ca. 200 m entfernt) kann man einige Felsen ersteigen und hat von dort eine tolle Aussicht, vor allem in die Richtung von Artiéda, wohin es morgen weitergehen soll. Die Kirche ist geschlossen.
Vor dem Refugio ist eine Gruppe von 13 jungen Pilgerinnen, aus Paris, unter Leitung eines Geistlichen, eingetroffen. Sie sitzen und liegen erschöpft auf Isomatten auf dem kleinen Platz vor dem Eingang. Einige haben die Füße ziemlich kaputt. Ich grüße auf Spanisch, eine antwortet. Ich setze mich zu ihr: Wir unterhalten uns, beide etwa auf gleichem Niveau im Spanischen. Das macht Spaß! Eine Viertelstunde später wird's mir allerdings zu anstrengend und ich verabschiede mich. Meine Frau spricht mit anderen, Französisch, Englisch, Deutsch (gebildetes junges Europa, diese Französinnen). Trotz fehlender Betten sind sie guten Mutes, denn einige waren schon einmal hier und durften in der Kirche übernachten. Das geht aber nicht mehr, wie schon gesagt, aber das erfahren sie erst später.
Einzelne Einwohner kommen hinzu. Das Dorf bestand einmal schon fast ganz nur noch aus Ruinen. Inzwischen - wie in vielen Dörfern Spaniens - blüht neues Leben auf. (Eine niederländische (!) Familie hat das ehemalige Pfarrhaus bezogen und renoviert dort.) Man diskutiert, ruhig und gelassen. Dann hat einer die entscheidende Idee. Kurz darauf ziehen alle los, wir aus Neugier hinterher. 500 m weiter ist der Friedhof. In der zugehörigen Kapelle werden die Bänke zusammengerückt, und alle machen es sich auf dem Fußboden "gemütlich". Hauptsache, ein Dach über dem Kopf und windgeschützt!
Um 19h15 schließt die Helferin für alle noch die Kirche auf und macht eine kleine Führung. Uns sagt sie einiges auch auf Deutsch.
Die Wunder nehmen kein Ende, jetzt folgt die "Brotvermehrung". Es ist wirklich wie in der Bibel. Die Leute haben (überwiegend) kein Essen mit. Auch bieten Küche und Aufenthaltsraum nur für etwa ein Dutzend Menschen Platz. Die Menge soll sich auf die Treppe setzen, sagt die Hospitalera, einfach von oben bis unten, immer je einer auf eine Stufe, dass man noch vorbeikann. An die 40 Leute lassen sich nieder. Man schüttelt ungläubig den Kopf, findet's aber lustig. Oben - wir sind nicht dabei, lassen es uns aber nachher erzählen - öffnet die Hospitalera Bänke und Schränke und holt Vorräte heraus. Dann wird gekocht und gedünstet, was das Zeug hält. In erstaunlich kurzer Zeit heißt es "Weitergeben" und köstlich duftende Teller werden von oben die Treppe hinunter weitergereicht. Brot, Reis, Salat, Kartoffeln, Schinken, Wurst, Tomatensoße... Alle hauen hungrig rein. Einziger Wermutstropfen: Wie in Spanien üblich, bleiben viele Reste zurück. Ich werde mich nie daran gewöhnen, halte Speisen wegwerfen immer noch für ein Sakrileg... |
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Lobgesang der Pilger:
Vorsänger: Wo ist die tollste Hospitalera vom Jakobsweg?
Chor: In Arrés, in Arrés!
Vorsänger: Bringt 52 Leute bei 16 Betten unter.
Chor: In Arrés, in Arrés.
Vorsänger: Du kommst an, bist fertig, und hast kein Brot...
Chor: In Arrés, in Arrés.
Vorsänger: ... sie gibt dir Schinken und Brot und ein Lager dazu
Alle (bewegt): In Arrés, in Arrés, die Hospitaleee - ra!
Und nun noch eine Überraschung: Was hat das Ganze gekostet? Nichts! Man konnte lediglich die übliche Spendendose füttern. (Was ich auch kräftig tat.) Nochmal: Unglaublich!
Später machen alle noch einen kleinen Ausflug zu dem Aussichtspunkt, den wir schon kennen. Wir merken uns den Pfad, den wir morgen von Arrés aus hinabgehen müssen.
In der kleinen benachbarten Bar trafen sich dann noch die meisten zu einem gemütlichen Schlummertrunk. Zum Waschen kam man kaum. Dafür war der Ansturm auf die Einrichtungen zu groß. Aber das tat dem Gefühl keinen Abbruch, hier einen ganz besonderen Ort erlebt zu haben.
Heute war unser Hochzeitstag. Eine besondere Feier brauchte es nicht. Was gibt es Schöneres, als zusammen dankbar und glücklich durch Gottes Welt zu streifen? Und für das Notwendigste sorgt er auch, meine häufigen Befürchtungen haben sich zwar im Kleinen zuweilen bestätigt, aber im Großen gesehen haben wir doch nie ernsthaften Mangel gelitten.
Ohne Belästigung durch Hunde geht es immer geradeaus. Hinter uns bleiben als Kulisse: der Hausberg von Jaca, davor die zweigipflige Sierra de la Peña und, aus dieser Richtung sehr deutlich sichtbar bleibend, Arrés mit seiner Turmruine. Von einer Anhöhe aus kann man das Tal des Aragón vor sich überschauen. Ganz hinten die Berge von Navarra, die den Fluss nach Süden abschwenken lassen. Sehr weit ein Städtchen auf einem Bergkegel. Wohl nicht Ruesta, dafür ist es zu weit weg. (Es ist Escó, und es ist deshalb so entfernt, weil es am gegenüberliegenden Ufer des Stausees liegt.) Von dem großen Stausee Embalse de Yesa so gut wie nichts zu sehen. Er führt, wie sich später herausstellt, nämlich sehr wenig Wasser. Auf einmal geht es im Zickzack zu einer Furt hinunter. Durchwaten kein Problem, es geht über Steine. Häufig am Weg nackte Abhänge, die aus reinem Splitt zu bestehen scheinen.
Längere Pause bei einer Buschgruppe, die Schatten bietet. Vor uns scheuchen wir ein Paar auf. Es sind Deutsche, die wir in Artiéda kennen lernen und in Sangüesa wiedertreffen werden. Sie zigeunern etwas um den Jakobsweg herum, haben irgendwo ein Auto stehen und laufen immer einige Abschnitte. Die vergangene Nacht sind sie in einem kleinen Ort gestrandet, weil sie sich nicht vorstellen konnten, dass es in dieser einsamen Gegend (die Fernstraße führt an der anderen Talseite her) nicht überall Unterkünfte gibt. Sie haben dann unter dem Vorbau einer Kirche die Nacht verbracht. Sei eine etwas zu echte Pilgeratmosphäre gewesen...
Als der Weg immer mehr ins Tal dem noch nicht sichtbaren Stausee entgegenschwenkt, geht es doch noch an einer Kreuzung spitzwinklig links nach oben, an einem Bauernhof vorbei (richtungsmäßig fast zurück), auf ein einzelnes Haus zu. Vor dem Haus schenkt der Weg wieder scharf nach rechts, nach Westen. Zwei größere Hunde laufen frei herum, rennen aber gottseilob gerade einem wegfahrenden Auto nach und bemerken uns erst, als wir schon 80 m weiter sind. Dann kommen sie doch noch bellend hinter uns her, geben aber nach 50 m auf. Ich schaue zurück und sehe, wie ein Pilger hinter uns erscheint. Sie stellen ihn bellend, er bleibt stehen und wartet auf seine Kameraden. Die Hunde lassen es aber beim Verbellen.
Einige hundert Meter weiter sehe ich durch das weite Tal von links vier Hunde auf Kollisionskurs mit uns herankommen. Wir gehen gefasst weiter. Es sind ein größerer weißer und drei kleinere. Als sie uns sehen, schauen die Kleinen, wie der Große reagiert. Gar nicht! Er erreicht unseren Weg und bleibt ruhig stehen. Die Kleinen laufen unschlüssig in unsere Richtung, schnüffeln, da der Große weder das Zeichen zum Angriff noch zum Flüchten gibt. Er wartet doch tatsächlich ab, bis wir vorbei sind, hatte also Bedenken, uns auf unserem Weg entgegenzukommen... Gut, dass ich das Verhalten der meisten Hunde richtig deuten kann. Damit erspare ich mir einiges an Adrenalin. Diese Hunde waren einfach auf einem Spaziergang, weitab von ihrem Territorium und deshalb friedlich.
Der Weg geht von der Piste ab und streift etwas schönere Bewuchszonen mit Wasser. In einem großen Bogen geht es um das nächste Dorf, das wie üblich auf einem Hügel liegt. Dann kommt Artiéda in Sicht. Diese Orte scheinen noch aus der Zeit der Kämpfe mit den Mauren zu stammen, liegen alle wehrhaft oben. Am Fuße des Hügels zweigen wir vom Pilgerweg ab und gehen den gewundenen Weg zum Städtchen hoch. Unsere Rucksäcke am Straßenrand zurückzulassen, wie das einige tun, wagen wir nicht. Wir wollen die Herberge beschauen und nach Hause telefonieren. Eins ist schon klar: Wir müssen hier (nach 19 km) nicht übernachten, sondern werden die restlichen 11 km nach Ruesta wohl schaffen.
Vor der Herberge von Artiéda |
Ein schönes Haus, im Privatbesitz.
Eine Treppe führt ins Kellergeschoss, wo sich der Aufenthaltsraum
befindet. Auch kann man dort essen. Wir finden dort ferner die
Hospitalera mit ihrem Söhnchen, zugleich also auch privates
Wohnzimmer. Wir setzen uns zu dem deutschen Ehepaar.
Die beiden erzählen, dass das Refugio bereits ausgebucht sei. Reservierungen? Nicht unbedingt, von Arrés waren ja an diesem Tag genügend viele Pilger aufgebrochen. (Später haben die beiden doch noch zwei Betten bekommen.) |
Die Piste mündet in eine asphaltierte Landstraße, auf der es in der Sonnenglut einige ermüdende Kilometer weitergeht. Michael Kasper weist auf drei Abzweigungen hin; nach den ersten zwei kommt man schnell wieder auf die Straße zurück. Wir haben die erste nicht gesehen.
Ein Auto überholt uns, der Fahrer hupt. Jemand winkt. Es sind zwei-drei der Französinnen, die die Füße so lädiert haben, dass sie sich mit dem Taxi nach Ruesta bringen lassen. Vernünftig, wenn man die Gruppe nicht verlassen kann.
Ab dem dritten Abzweig läuft man einen schmalen Pfad durch den Wald. O dieser schöne Schatten! Noch eimnal nähert man sich der Straße, dann ist sie weg. Jetzt blitzt doch ab und zu rechts zwischen den Bäumen Wasser auf: der Stausee, an dessem trockenen Teil wir schon seit vielen Kilometern parallel entlanggehen, ohne ihn gesehen zu haben. - Ein Querweg. Wo geht es nur weiter? Da ragt wieder ein hilfreiches Steinmännchen aus dem Gebüsch. Man muss gegenüber gleich wieder ins Dickicht, einen fast zugewachsenen Pfad entlang. Irgendwann kommt die konservierte Ruine einer Einsiedelei. Drei alte Französinnen beäugen uns etwas amüsiert. Immerhin taucht kurz vor 16 Uhr Ruesta vor uns auf. Wir haben heute 30 km bewältigt, eine der ganz langen Etappen.
Wir suchten etwas rum, bis wir das Refugio gefunden hatten. Es ist ein Komplex aus renovierten Gebäuden, privat, von einer sozialistischen Gruppe geleitet, die auch Veranstaltungen anbietet. Eine richtige Rezeption wie im Hotel. Aushängende Liste mit Preisen, Pilger bekommen einen guten Rabatt (5,99 EUR statt 7,25 EUR). Die Angaben der Handbücher stimmen also. Reste des Mittagessens (ist ja bei den Spaniern spät) werden vorbeigetragen. Moment mal, das sieht immer noch gut aus (hungrig, wie ich bin), und an den Hühnerbollen ist ja noch richtig was drangeblieben... Dann kommt die Hospitalera. Eine deutsche Familie (Opa, Oma und Enkel, auf Pilgernostalgietour) beobachtet uns. Tja, "completo!" Wir stehen da etwas bedröppelt. Ein spanischer Pilger, mit dem wir schon ein paarmal gesprochen haben, flüstert der Hospitalera was zu. "Naja, kommt mal mit." Wir bekommen im Nebenhaus, in einem Teil einer abgetrennten Vorratskammer ein 2-Stock-Bett. Mehr sei nicht drin, sagt die Hospitalera entschuldigend. - Ist doch prima! Wir bedanken uns sehr. - Offensichtlich haben wir von einem Altersbonus profitiert. Das sollte uns noch ein-zweimal zugute kommen. |
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Vor unserer Tür, im einem Vorraum ist viel Platz auf dem Boden. Dort landen abends noch viele junge Pilger. Dankbar leiht man sich unsere Isomatten aus. Wie ich schon vermutet habe, ist der Platz so knapp, dass die Hospitalera abends gegen 22 Uhr, als wir schon im Bett liegen, noch einen jungen Fahrradfahrer zu uns hineinschiebt. Ich wache mitten in der Nacht auf und denke, ich habe das geträumt, aber da liegt wirklich einer auf dem Boden... :-)
Abends Abfütterung in Schichten mit Pilgermenüs. 7,25 EUR. Wir essen mit einem jungen Franzosen zusammen, der sein sehr gutes Deutsch üben will. Das Menü kann man empfehlen. Nur was es für einen gebratenen Vogel gab, habe ich nicht herausgefunden. Nach dem Erlebnis mit den Schnecken war ich zurückhaltender. Vielleicht kennen die Spanier ja sogar den deutschen Spruch: "Da brat mir doch einer einen Storch!" (Kleiner Scherz am Rande. Nein, das Tier war kleiner.)
Die sanitären Einrichtungen waren übrigens Spitze. Die Schlafräume, in die ich hineinlugte, kamen mir eng vor. Nachts blieb lange das Licht in der benachbarten Vorratskammer an, hatte jemand vergessen. Bis wir merkten, dass wir es auch auf unserer Seite der Trennwand ausschalten konnten.
Frühstück hätte man ruhig bestellen sollen. (3 EUR) Wir hatten es nicht getan, weil es angeblich vor 8h30 Uhr nichts gab. - O doch, für Pilger stand etwas zur Selbstbedienung ab 7 Uhr bereit. -
Der Weg war etwas enttäuschend. Einsam ja, aber immer weit weg vom See, den man nicht erreichen konnte. Jenseits des Stausees auf einem ins Tal ragenden Bergkegel liegt malerisch das Städtchen Escó, das wir schon gestern von weitem gesehen hatten. Jetzt blieb es langsam zurück. Ebenfalls jenseits, rechts vor uns, auf halber Höhe der Bergkette, war längst unser Tagesziel, das Kloster Leire in Sicht gekommen. Aber bis dahin war's noch weit. Der Wald links und rechts des Weges eine einzige Monokultur von Kiefern, der Weg selbst eine breite Piste, kein reizvoller Wanderweg. - Einmal untersuchten wir ein kleines Plateau etwas rechts abseits, wo ein Weg hochführte. Dort hatte wohl mal ein Häuschen gestanden (ein paar Lebensbäume zeugten auch davon), aber sonst war der Platz leer und in voller Sonne. Nichts zum Pausemachen. Die Sonne brannte. Schatten gab's nur im Wald, und kein Plätzchen am Weg, das nicht voll von Dornenranken war. 9h45 hatten wir einen leidlichen Ort gefunden, wo wir unter lichten Bäumen im Halbschatten und relativ wenig Dornen rasteten. Dann war der Wald von armdicken Kiefern auf einmal rechts und links vom Weg umgehauen. Warum nur? Ein Rätsel. Ein paar Kilometer weiter (die Rodung hielt an) auch noch der Hang angebaggert und zur Seeseite hin aufgeschüttet. Immer mehr liefen wir in eine riesige Baustelle. Der Natur wurde hier vor Yesa der Garaus gemacht, der Wanderweg ist kaputt. Die Baustelle endete an der Staumauer. Was dort wirklich gebaut wurde, ich weiß es nicht. Es sah wie eine riesige Straße aus, konnte aber auch Baugrund für Industrie werden. - Die Staumauer bildet übrigens auch die Grenze zu Navarra.
Inzwischen lag das Kloster Leire (schon in Navarra gelegen) zum Greifen nahe uns gegenüber, aber die kleine Straße, die von rechts hochführen sollte, war nicht auszumachen. Nun, wir wollten sie ja ohnehin nicht gehen, weil wir in Yesa einkaufen mussten.
Zwei Bares (sahen relativ teuer aus, keine Menüs). Lebensmittel? Nein, nur eine Autowerkstatt. Hatte aber ein Colaschild draußen. - Hm, "Autoservicio" heißt "Selbstbedienung", nicht "Autowerkstatt", wie mir aufging, als wir vor dem Laden standen. :-) Eingekauft und vor der Kirche Mittag gemacht. - Mit frischen Kräften die Hauptstraße im Ort entlang zur Abzweigung der Fahrstraße nach rechts zum Kloster Leire. Es geht einen abkürzenden Querweg etwas hinauf.
Warnschild kurz hinter Yesa | Oben angekommen, stießen wir auf ein Schild. Dreisprachig (Spanisch, Französisch, Englisch) stand dort "einladend": "Pilger! Im Kloster gibt's kein Refugio, nur ein 2-Sterne-Hotel. Das nächste Refugio ist in Sangüesa (11 km)." - Das war ja wohl ein eindeutiges Signal, dass Pilger im Kloster unerwünscht waren. Meine Frau drehte schon ab. Ich reckte das Kinn vor. Nichts da! Hätte ich hier jetzt schreiben sollen: "Unverrichteter Dinge zogen wir wieder ab"? - Nein, das wollte ich nicht. - Ich sagte störrisch: "Wir gehen da hoch, und dann will ich doch mal sehen, ob Benediktiner es sich erlauben können, echte arme Fußpilger draußen stehen zu lassen." |
Gegen 14h30 erreichten wir den riesigen Klosterkomplex. Links ein Parkplatz, und überall wimmelten Touristen und Ausflügler. Wenn das ein ruhiger Tag in der Woche sein sollte, wie musste es dann am Wochenende zugehen? Wir gingen an den Eingängen des 2-Sterne-Hotels, einer Bar und einem Andenkenladen vorbei zum Klostereingang. Einige neugierige Touristen gafften uns an, ein Mädchen folgte uns sogar. Ich war nervös. Wir schellten an der Pforte, niemand antwortete. - Zum Andenkenladen: Die freundliche Verkäuferin gab uns den Tipp, um 16h30 zu schellen, dann seien die Mönche nicht beim Gebet.
Da waren wir ja viel zu früh dran. Wir gingen deshalb die Straße am Kloster entlang weiter zu einer ausgeschilderten Quelle. Schöne Picknickplätze im Schatten, überall spanische Familien am Grillen und Essen. Hier fanden wir freundliche Aufmerksamkeit, kein Gaffen. Die Quelle war versiegt, kein Wasser. Wir machten es uns trotzdem auf einer Sitzgruppe bequem und aßen und tranken von unseren Vorräten. Ich ging noch bis zum Ende der Straße, gleichzeitig des Klostergeländes: Richtig, hier kam die kleine Asphaltstraße von Osten hoch. - Während wir noch Pause machten (keiner von uns kam auf die Idee, dass inzwischen andere Pilger uns die Übernachtungsplätze wegschnappen konnten), näherte sich ein Spanier und sprach uns auf Englisch an. Er war auch schon auf dem Jakobsweg gewesen, hatte sogar einen kleinen Führer verfasst, den er uns zeigte. - Dann gingen wir langsam zurück.
Nach einem Kaffee in der Bar (etwas unfreundliche Bedienung) wieder zur Klosterpforte. Es war etwa 16h10. Vielleicht waren die Mönche ja schon vom Beten zurück. Sie waren es. Diesmal fragte eine Stimme, was wir wollten. "Zwei deutsche Pilger bitten um Unterkunft." - "Kommt um 16h30 wieder." war die knappe, unfreundliche Antwort. Aber immerhin: keine endgültige Ablehnung.
16h20: Ein Priester nähert sich mit zwei Frauen der Pforte, schließt auf. Wir halten ihm unsere Credencials unter die Nase, er zögert, sagt: "Ich bin auch nur Gast hier." Da kommt ein kleiner Mann in Arbeitskleidung, mit strengem Gesicht, um die Mauerecke geschossen. Er scheucht den Priester ins Kloster. Ich verstehe etwas wie "Kümmern Sie sich nicht darum." Dann eilt er wortlos wieder davon, ohne von uns Notiz zu nehmen. Wir stehen dumm vor dem geschlossenen Tor. - 16h30, 16h35... Ich nehme meinen Mut zusammen, schelle erneut - keine Antwort. Statt dessen kommt der Mann im Arbeitsanzug wieder angerannt. "Credencials!" bellt er, schnappt sie uns aus den Händen. Ich halte die Aussendeurkunde hoch, stammele etwas, möchte nicht wie ein Landstreicher behandelt werden. Er winkt barsch ab, will sie gar nicht sehen, schließt die Pforte auf und knallt sie gleich wieder zu. Also, jetzt sind wir schon beleidigt. Minuten später ist er wieder da. Wir bekommen die Credencials zurück. "Vamos!" Wieder Kommandoton. Ich nehme meinen Rucksack in die Hand. Er sagt mir, ich solle ihn auf den Rücken tun, es sei ein gutes Stück zu gehen.
Wir folgen ihm also um den ganzen Gebäudekomplex herum, auf der Rückseite am Hof und dann die Kirche entlang zu einem Gitter mit Tor. Unterwegs kann ich seinen verkniffenen Gesichtsausdruck nicht mehr ertragen. "Sind Sie auch Mönch?" frage ich und fixiere ihn; mein Gesicht sagt: Ein Mönch wird/sollte sich nicht so abweisend benehmen. Er sagt "Ja" und wird etwas unsicher. Ich nehme es befriedigt zur Kenntnis. - Er schließt das Gittertor auf, lässt uns eintreten und weist auf den Garten: "Klausur! Betreten verboten!" - "In Ordnung." Es geht links durch eine Tür in den Klosterkomplex, an einem großen Raum für Veranstaltungen (Exerzitien oder so) vorbei, dann links in einen Flur, von dem Toiletten abzweigen. Und eine weitere Tür, die zu einem Raum mit zwei Stockbetten und einer Duschecke führt: die Pilgerunterkunft.
Wichtig: Das Kloster Leire hat nur 2 Betten. Der genannte große Raum wird aber auch als Notlager benutzt. Um 16h30 läuten. Es sind nur Pilger erwünscht, die auch den klösterlichen Tagesablauf (Gebetszeiten) mitmachen. Kostenlose Unterkunft und Verpflegung, aber eine Spende wird gern genommen.
Vor dem Fenster ein Tisch und drei Stühle. Meine Frau und ich sind selbst klein, aber diese Ausmaße sind für Zwerge. Unser strenger Führer weist auf den Tagesplan an der Wand. Der ist u.a. auch in Deutsch. Regelmäßige Gottesdienste (Gesänge der Mönche), morgens 9 Uhr abrücken. Alles kein Problem, sagen wir. Und um 20 Uhr brächte er das Abendessen. Die Señora dürfe ja nicht in die Klausur, deshalb müsste er es bringen. - Wir sind ganz verlegen und wehren ab, wir hätten alle notwendigen Vorräte mit. - Na, meint er mit aufkommendem trockenen Humor, warmes Essen sei doch wohl besser. - Wir schließen uns dieser Meinung gern an.
Dann lässt er uns allein. Wir duschen - und erschlagen ein paar Dutzend Ameisen, die überall herumkrabbeln. Wir haben einen Schlüssel für das Gittertor bekommen und sollen wegen der neugierigen Touristen immer gut abschließen. Machen wir zuverlässig (das Schloss klemmt). Weil bis zum nächsten Gebet noch Zeit ist, schließen wir uns einer Führung an, die durch die sehenswerte Apsis geht und danach auch in die bislang abgeschlossene Kirche. Das lohnt.
19 Uhr. Zeit zum Gebet, "Vigiles". Wir stehen mit sehr vielen Touristen vor der Kirchentür, aber die öffnet sich erst gegen 19h20. Die Mönche sind eben auch Spanier. - Als wir alle in den Bänken sind, kommt ein junger Mönch und bereitet einiges vor. Er will würdig vom Altarraum in die Sakristei zurück, übersieht dabei aber ein Absperrungsseil, stolpert furchtbar, fällt fast, und verliert dabei sämtliche Würde. (Überdies sah er etwas dümmlich aus.) (Innerlich unchristliches Grinsen.) - Dann ziehen alle feierlich ein. In der Menge der Touristen sind wir wohl nicht auszumachen.
Etwa 20h20 kommt das Abendessen. Ob wir im Gottesdienst gewesen seien? fragt unserer Cerberus. (Gibt's sonst nichts zu essen?) Wir können es ruhigen Gewissens bejahen. Er zieht wieder ab.
Das Essen: Junge, Junge! Eine große Kartoffeltortilla mit gebackenen Paprikaschoten darauf, ein riesiger Salatteller mit allen Schikanen, Yoghurt, Birnen, natürlich Brot - und ein Fläschchen Wein, Klosterspezialabfüllung. Wir hauen mit gutem Appetit rein, als hätten wir lange nichts mehr gegessen. Zu meiner eigenen Überraschung haben wir kurz vor 21 Uhr schon alles ratzekahl weggeputzt (nur ein Rest Brot landet als Vorrat im Rucksack). Es wurde auch Zeit, denn schon um 21h05, und zwar pünktlich, ist das nächste Gebet ("Complet"). | Morgens vor dem Frühstück |
Als wir im Dunkeln aus der Kirche treten, fängt uns der Cerberus ab, hat gelauert, ob wir wohl brav den Tagesablauf einhielten. Und siehe da: Wir haben so etwas wie eine Prüfung bestanden! Er redet, schon fast freundlich. Wir sollten es uns nun weiter schmecken lassen. - Wir haben schon alles aufgegessen, sage ich. Da ist er platt, kommt mit und staunt über die leeren Teller. Und wird noch freundlicher. Morgen früh um 7h30 seien die Laudes. - Wir kommen natürlich, versichere ich. "Im Spanischen heißt das 'gehen', nicht 'kommen'" verbessert er mich. (Äh, ja, da hat er Recht.) Was denn sein Name sei, frage ich. "Irati" Das sei die navarrische Form von "Inacio". Wir kommen direkt ins Plaudern. Na sowas. Was müssen die mit Pilgern für schlechte Erfahrungen gemacht haben, dass er erst so bärbeißig war und jetzt ganz nett! Um 7h15 käme er uns wecken, kündigt er noch an. Dann wünscht er uns eine gute Nacht und geht.
Wieder ein denkwürdiger Tag, und so viel gesehen und erlebt! Junge, das war knapp, hier unterzukommen. Eigentlich nichts für jemanden wie mich, der möglichst immer auf Nummer Sicher geht.
Nachtrag: Inzwischen liegen mir die Erfahrungen zweier weiterer Pilgergruppen vor. Auch sie wurden so unfreundlich empfangen und später sehr freundlich behandelt, als sie sich als "echte" Pilger herausstellten, für die eine Teilnahme am Klosterleben selbstverständlich ist. Ein Radfahrer wurde abgewiesen; er könne auch noch weiter, wurde ihm bedeutet.
8h00 brachte Pater Irati das Frühstück: Milchkaffee, Hörnchen, Marmelade. Er käme noch einmal, um sich zu verabschieden. Ca. 20 Minuten später war er wieder da. Wir waren noch nicht fertig, aber das machte nichts. Das Geschirr konnten wir später stehen lassen. Den Schlüssel nahm er schon wieder an sich, wir könnten das Gittertor unversperrt lassen. (Mit etwas abschätzigem Ton: "Morgens sind ja keine Touristen da") Wir bedankten uns sehr für alles. Ich fragte, ob er für das Kloster eine Spende nehme. Gern! Ich gab dann reichlich, auch um noch einmal zu zeigen, dass wir keine Schnorrer waren. Er verabschiedete sich dann ganz herzlich von uns.
Nachdem wir noch etwas sauber gemacht hatten, rückten wir 8h45 ab. Es ging zunächst die große Fahrstraße, die wir gestern gekommen waren, zurück. Das Wetter ließ herrliche Ausblicke zu. Im Nu waren wir wieder in Yesa und liefen die kleine Landstraße in Richtung Javier.
10h45. Der erste große Bauteil stellte sich als eine Gedächtniskirche für Franz von Xavier heraus, dessen Familie die Burg gehörte. Keine Touristen da, also habe ich mal wieder gesungen. Dann konnte man noch die benachbarte Kirche und die Burg selbst besichtigen, was wir auch taten. Wir hatten Zeit. Der Gewitterregen hatte schon wieder aufgehört.
Da rufen uns Leute zu: Es sind einige Frauen aus der französischen Pilgergruppe. Wir wussten schon, dass sie von Ruesta aus hierhergegangen bzw. -gefahren waren. Quartier war vorbestellt und ein Ruhetag angesagt. Einige humpelten noch erbärmlich, lobten aber unser Wunderpflaster, das gut geholfen habe. Es war nett, sie alle wiederzusehen.
Hier zeigte ein Schild zur Pilgerherberge nach links, aber man sollte besser den Platz überqueren und noch ein Stück die Hauptstraße (Calle Mayor) entlanggehen. Dann geht man die Calle Alfonso el Batallador links und stößt nach ca. 300 m direkt auf die Pilgerherberge an einer Straßenkreuzung. Man kann auch eine Straße früher in die Parallelstraße Calle de San Sebastíán gehen, weil man dann an der Santiagokirche vorbeikommt. Dahinter muss man dann noch einmal rechts, um die Calle Alfonso el Batallador zu erreichen. (In letzterer Straße liegt auch die einzige Pension Las Navas.)
Dann machten meine Frau und ich uns noch an eine Besichtigung der kleinen, aber schönen Stadt. In die Kirche Santa María la Real gingen wir nicht (Eintritt!). Sie liegt an der großen Brücke über den Aragón, der sich kurz vorher mit dem Irati vereint und deshalb ganz schön breit ist. Von oben grüßt eine Christusstatue. Über der Stadt kreisten große Vögel, es waren wohl Geier, aber in der Stadt waren auch Störche zu sehen. - In einer von der Calle Mayor abzweigenden Nebenstraße, unweit der Santiagokirche, fanden wir einige ansprechende Bares mit Menüangeboten. Ich fragte in einer, ob es das Menü auch abends gebe. Man bejahte erstaunt. Kurz darauf kamen wir noch einmal an dieser Bar vorbei, da war das Schild entfernt worden. Auch abends war es nicht mehr da. Das soll mir einer mal erklären!
Zur Essenszeit gingen wir fünf Deutschen mit Michel zum Essen in die ausgeguckte Straße. Tatsächlich gab es in einer Bar ein gutes und preiwertes Menü, aber nur vier von uns nahmen es. Benno mäkelte an der spanischen Küche herum. Dann erzählte er mir, dass er meine Vorbereitungsseiten aus dem Internet dabeihabe. Sein Freund, der eigentlich mit ihm radpilgern wollte, habe sie gefunden und ausgedruckt. Von Packlisten wie meiner hielt er nichts und erzählte lange, was man alles nicht brauche usw. - Ich ließ den beiden Radfahrern gegenüber anklingen, beim Radpilgern verpasse man doch viel. Da behauptete Benno, er führe auch nicht schneller als die Fußgänger liefen und bekäme deshalb genauso gut alles mit... Nun ja.
Wir ließen uns bei diesen und anderen eifrigen Gesprächen das Essen und auch den Rotwein schmecken und waren in guter Stimmung. Dann sollten wir 6x Menü bezahlen, obwohl zwei von uns nur eine Kleinigkeit von der Karte gegessen hatten. Die Wirtin und ihre Tochter waren bei dem Andrang überfordert. Wir reklamierten. Es kam eine neue Rechnung: 4x Menü. Das war nun wieder zu wenig, aber wir ließen es begreiflicherweise dabei, legten einen Betrag hinzu und gingen.
Abends rückte Benno die Bänke im Aufenthaltsraum zusammen und schimpfte etwas über die harte Liegefläche. Ich ging dann hinunter und bot ihm unsere Isomatten an. Nein, wollte er nicht, dann hätte er ja nicht mehr schimpfen dürfen. ;-) Er rumorte noch eine Zeitlang herum. Zwei Pilger fingen an zu schnarchen, da konnte ich getrost die Augen schließen und irgendwann einstimmen. :-)
Nachts gegen 2h00 werde ich wach, weil Bewegung im Raum ist. Das deutsche Ehepaar packt, sie hielten wohl die Schnarcherei nicht aus. Leise zogen sie davon, und wir haben sie nicht wiedergesehen. - Ja, liebe Leute, wenn man richtiger Pilger sein will, darf einem das nichts ausmachen.
Gegen 7h15 gehen wir morgens erst noch den kleinen Umweg zur Santiagokirche für ein Morgengebet. Dann sagen wir Sangüesa Lebewohl, ziehen über die Brücke des Aragón zunächst die Straße nach Liédena entlang. Michel fährt auf seinem Fahrrad an uns vorbei. Nach 1 km zweigt der Hauptpilgerweg links nach Izco ab, aber wir machen ja wieder einen großen Bogen, um die malerische Schlucht Foz de Lumbier zu sehen. Eine Gruppe von 3 jungen Spaniern steht unschlüssig am Abzweig, lässt uns passieren, kommt dann aber hinter uns her. - Unterwegs sieht man viel Fluss, hier fließen der Irati und der Aragón zusammen. Etwas Scheuklappen braucht man schon, denn es geht außerdem durch das Industriegelände, das wir schon gestern von der Höhe vor Sangüesa aus gesehen hatten.
Unter mir die Puente de diablo | Vor der Schlucht, die recht plötzlich auftaucht, gibt es eine zerstörte Brücke. Es ist tatsächlich die Puente de diablo, wie ich nach der Beschreibung vermutet habe. Im alten DuMont-Führer war sie abgebildet (S. 37), aber ohne Ortsangabe. Ich fand das Bild so anziehend, jetzt war ich endlich da. Vor dem Tunneleingang geht es ca. 200 m am Abhang entlang und dann muss man etwa 4 m auf die Ruine hinabklettern. Dummerweise hatte ich meinen Rucksack nicht an der Abzweigung zurückgelassen, es war nicht ungefährlich, aber ein tolles Erlebnis. |
Nach langer Wanderung durch Felder gelangt man an eine T-Kreuzung, bei der es links nach Nardues (an der N240) geht.
Die Herberge in Izco leidet unter Wassermangel. Nachmittags und morgens (Toiletten!) gab's gar kein Wasser, nur abends einige Stunden lang. Duschen fiel aus. Ein erhebliches Minus!
14h50 trafen wir in Izco ein. Der Weg war 2,5 km kürzer gewesen, als ich bei der Planung geschätzt hatte, aber alle 8 Betten schon belegt. Wir landeten als erste auf dem Fußboden im großen Aufenthaltsraum, konnten uns dort aber mit Stühlen eine eigene Nische abtrennen. Außerdem bekamen wir Stuhlauflagen zur Verfügung gestellt. Darunter noch unsere Isomatten (das einzige Mal in diesem Jahr, dass wir sie selbst benötigten), und man lag einwandfrei. Noch zufriedener waren wir, als es kurz nach unserem Eintreffen einen heftigen Gewitterregen gab. Wehe, wer auf dieser Pilgerstrecke kein gutes Regenzeug dabei hat!
Vor uns waren die drei jungen Spanier eingetroffen und hatten die letzten Betten bekommen. Die übrigen wurden von Pilgern belegt, die wohl direkt von Sangüesa gekommen waren. Allerdings wohl vom Zeltplatz, denn in der Herberge hatten wir sie nicht gesehen. Außerdem Micha, ein Deutscher, der in Sangüesa praktisch auf der Straße geschlafen hatte und sich hier ausruhen konnte. Seine Füße waren auch arg lädiert.
Inzwischen waren pausenlos weitere Pilger eingetroffen und neben uns auf dem Boden gelandet, darunter Pia und Stefan, ein junges Paar, mit dem wir uns gleich anfreundeten. Sie hatten eine Nacht später als wir in Leire verbracht und praktisch dasselbe erlebt. Und Benno war abgewiesen worden, hatte er uns erzählt. - Unter den übrigen Pilgern kam tropfnass ein Katalane hereingetaumelt; mehr als 40 km habe er hinter sich, dröhnte er. Ich habe ihn unter uns "den Pilger mit der lauten Stimme" getauft. Sein Spanisch war kaum verständlich, wohl eher Katalanisch. Auch hatte er nur noch ein paar Stummelzähne im Mund, was der Aussprache nicht gerade dienlich war. Nachdem wir alle uns begrüßt hatten, zeigte er auf mich und brüllte: "Der da spricht lupenreines Kastilisch." Schmeichelhaft, aber den Zusammenhang begriff ich schon nicht mehr. Es war jedenfalls nicht unfreundlich gemeint.
Urplötzlich machte die Bar wieder auf, und das Wasser war auch wieder da. Recht früh ging es ins Bett. Auf einmal kommen viele Leute von außerhalb, laufen durch unseren Raum und kochen in der Küche. Musik von nebenan. Eine Fiesta? Das konnte ja lieblich werden! - Doch, für Spanien fast ein Wunder: Der Lärm hielt sich in Grenzen, es lief auch niemand mehr bei uns durch den Raum. Wir müden Pilger schliefen alle bestens ein.
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Draußen ist Regenwetter, es nieselt. Brrr! 7h20 hat es aufgehört, und wir ziehen los. Es geht eine schnurgerade, frisch gewalzte Piste entlang. Bald regnet es wieder, an einem Schafstall ziehen wir die Schutzmäntel über. Im nächsten Dorf Abínzano eine Kirche und davor ein schöner Brunnen. Wir füllen die Flaschen mit frischem Wasser. Morgengebet. Micha kommt hinzu. Er sieht urig aus, mit einem breiten Schlapphut, und auch sonst wie ein Tiroler Freiheitsheld. An seinem großen Wanderstab hat er schön herumgeschnitzt. Wir gehen wie üblich getrennt, verlieren uns aber kaum aus den Augen. |
Etwas links neben der Kirche hinunter stößt man direkt auf die Herberge. (Hätte man die Straße, die von links hochkommt, nicht direkt herkommen können? Ich wittere wieder unnötige Umwege.) Die vier Pilger, die gestern die ersten Betten belegt hatten, kommen heran und verschwinden in der Herberge. Wir schauen nur kurz hinein. Sie macht einen modernen Eindruck. (Dass sie gut ist, wurde mir inzwischen von jemandem, der dort übernachtet hat, bestätigt.) Immerhin war sie überhaupt geöffnet, was sonst tagsüber die Ausnahme ist.
Zwei der vier Pilger, ein älteres Ehepaar, trafen wir auf dem Weitermarsch wieder. Diesmal hatten sie nur Tagesrucksäcke, etwas merkwürdig. Evtl. doch Wochenendtouristen.
Das Wetter besserte sich. Es gab die ganze Zeit eine schöne Aussicht ins Tal rechts von uns. Vor uns geradeaus ein Berg mit Windrädern, evtl. schon der Monte de Perdón? (Es war wirklich ein östlicher Ausläufer.) Ganz hinten rechts im Dunst: Pamplona! Uns gehen die knappen Vorräte aus.
Es gibt ca. 15 dicke Schaumgummimatratzen, die in dem einzigen Raum auf den Boden gelegt werden. Eine kaputte Toilette (sieht schlimm aus), daneben aber eine funktionierende - und doch ein Waschbecken. Auf dem Schulhof ferner ein Brunnen. Na also! Ist doch gar nicht so schlecht! | Matratzenlager in Tiebas. (Das Bild hat Pia geschickt.) |
Schulhof vor der Herberge | Wieder in der Herberge zurück, treffen wir weitere Bekannte. Pia und Stefan machen es sich neben uns bequem. Micha sitzt draußen in der Sonne. Ich ziehe los, um die Bar zu erforschen. Ein junges Mädchen verkauft mir Brot und etwas Aufschnitt. Als ich dann aber auch noch nach Früchten frage, macht sie nur tadelnd "Ts, ts!" Die Bar ist gut besucht, offensichtlich Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens. Die Kirche geschlossen, keine Abendmesse. Schade. |
Im weiteren Verlauf der Pilgertour sehe ich immer wieder kleine Kinder, die bei meinem Anblick erstarren, mal ängstlich, mal ungläubig freudig schauen. Einmal (in Palas de Rei) sitzt ein Junge hinter einem Fenster und winkt mir ernsthaft und andächtig zu. (Ich winke natürlich mit einem lieben Weihnachtsmannlächeln zurück.) Auch in Tineo werde ich von zwei Jungen explizit gefragt, ob ich wirklich der Weihnachtsmann sei und was ich in ihrer Straße wolle... Manchmal ziehen Mütter ihre Kleinen weiter und können sich nicht erklären, warum die mich so anstarren. Ich weiß es immer - und winke lieb. ;-))
Der erste Teil unserer diesjährigen Pilgertour neigt sich dem Ende entgegen. Wir laufen heute und morgen in einem Dreieck, Tiebas - Puente la Reina - Pamplona. Aber kein Gedanke, das nahe Pamplona, das man von dem hoch gelegenen Tiebas gut sehen kann, direkt anzusteuern und vom aragonesischen Weg damit zum Schluss etwas abzuzwacken. Zumal meine Frau die berühmte Kirche Eunate noch nicht kennt.
Achtung: Schon an der Schule in Tiebas verzweigt sich der Pilgerweg. Die schönere, etwas weitere Alternative, geht rechts an der Schule vorbei zum Ortsausgang, dann eine Landstraße hinunter ins Tal, unter der Autobahn hindurch. (Die andere Strecke bleibt links von der Schule auf der Höhe.)
Auf der Nationalstraße geht man bei einer riesigen Bodega gleich gegenüber wieder einen Schotterweg auf alten Gleisen entlang. Michael Kasper führt hier etwas anders, also den Pfeilen folgen. Man kommt an einem Bahnübergang vorbei, durchquert ein Industrieviertel, lässt dieses aber bald hinter sich und gewinnt hinter einer großen landwirtschaftlichen Anlage (bellende Hunde hinter Zäunen) den gegenüberliegenden Talhang. Ab da ist der Weg wirklich wieder schön. Es gibt herrliche Rückblicke auf die Berge hinter Tiebas, das in seiner Höhenlage noch lange sichtbar ist, auch wenn einige große Steinbrüche den Anblick beeinträchtigen. Durch das Dorf Biurrún hindurch. Es fängt an zu tröpfeln, wir ziehen die Umhänge über. Dann steigen wir einige Kilometer weiter wieder ins Tal hinab. Im nächsten Dorf, Ucar, können wir den Regenschutz wieder ausziehen. Ab da bleibt das Wetter gut. Bevor man in Enériz die Landstraße erreicht, verliert sich der Pilgerweg in einer großen Straßenbaustelle. Wir schlagen uns zur Straße durch und ziehen diese bis zum Ortskern weiter entlang. Parallel sind einige unserer Pilgerfreunde zu sehen, die die andere Alternative gegangen sind. In Enériz treffen wir mit ihnen zusammen. Einige wollen frühstücken gehen. Micha zieht mit uns weiter.
Micha (rechts) und ich vor der Kirche "Eunate" | Ich habe die ganze Zeit schon Ausschau gehalten, weiß ungefähr, wo sie liegen muss, und entdecke sie auch als Erster. Meine Frau macht ein Foto von Micha und mir, mit der Kirche im Hintergrund. 10h15 betreten wir andächtig eines der echten Pilgerziele am Weg. |
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Wo die Pilgerwege wirklich zusammenkommen...Micha bleibt bis Puente la Reina bei uns. Wir lassen uns viel Zeit. Ich halte nach der Abkürzung Ausschau, die von Eunate am Hang entlang direkt nach Puente la Reina gehen muss. Aber nichts zu sehen, und so weit ist der folgende kleine Umweg durch Obanos auch gar nicht. Vor zwei Jahren war er meinem Sohn und mir viel länger vorgekommen, aber da herrschte brütende Hitze und wir waren ziemlich erschöpft. Wohl geht es steil in den Ort hoch. Die Pfeile des Pilgerweges verlieren wir irgendwo in den Straßen.Wir besichtigen Obanos. Erst jetzt geht mir auf, dass hier, genau vor der Kirche, die beiden Pilgerwege zusammentreffen. Nicht vor dem Ort unten in dem kleinen Tal, das wir durchquert haben; nicht in Puente la Reina und auch nicht an der Straßenkreuzung davor, wo das Pilgerdenkmal steht. Morgen werden wir hier auf dem Rückweg noch einmal herwandern. - Nach einem Kaffee weiter nach Puente la Reina. Am Pilgerdenkmal macht Micha ein Foto von meiner Frau und mir. Das Hotel Jakue lassen wir unbeachtet, weil wir nach meinem Vorschlag das Refugio jenseits der Stadt ansteuern wollen. |
Pilgerfreund Jochen Krueger empfiehlt das Refugio in Obanos (s.o., Information von Frühjahr 2003). Dort findet man eher Platz, weil es unbekannter ist und die meisten Pilger deshalb noch 3 km weiter bis Puente la Reina gehen.
Refugios in Puente la Reina:
1) Zentrales Refugio, inzwischen renoviert, mit 72 Plätzen. Vorteil: zentrale Lage, gut ausgestattete Küche. 2) Hotel Jakue, im Souterrain. 6 EUR (vor zwei Jahren war's etwas teurer!) Vorteil: viel Platz und sehr gute Duschen/Toiletten. Nachteil: 500 m vom Zentrum entfernt, keine Küche. 3) Refugio jenseits der berühmten Brücke, oben auf der Höhe. Eine große Halle mit ca. 100 Plätzen. Sehr gute Einrichtungen, große Bar, abends Menüs. Nachteil: Recht weit vom Zentrum entfernt (Höhenunterschied!), keine Küche. 6 EUR. Dieses Angebot von Betten ist selbst für den Hauptweg mehr als ausreichend. Im Refugio 3 blieb fast die Hälfte der Plätze leer. Der Herbergsleiter und Investor war gar nicht zufrieden. Er baut draußen noch einen Campingplatz an. |
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Das Refugio auf dem Hügel hinter Puente la Reina12h45 haben wir die Stadt durchquert und das Refugio jenseits der Brücke auf der Höhe erreicht. Wir sind fast die ersten Pilger, die meisten sind im Refugio unten in der Stadt geblieben. Der Hospitalero (und Besitzer) ist ein ehemaliger Pilger. Er macht uns mit den strengen Hausregeln vertraut, alles kein Problem und selbstverständlich. Er freut sich sichtlich, dass er endlich an diesem Tag etwas einnimmt...Später treffen auch Pia und Stefan ein. Wir gehen zu fünft in die Stadt. Micha braucht etwas aus der Apotheke und nimmt mich zum Dolmetschen mit. Wir trennen uns. Einkauf. - Da kommen die anderen wieder. Pia hat zu Hause angerufen, die Großmutter ist gestorben. Sie ist geknickt. Die Pilgerfahrt ist für die beiden zu Ende. |
Pia und Stefan waren doch noch zum Essen gekommen und saßen am Nebentisch.
Abends trafen noch einige Fußpilger und Radfahrer in der Herberge
ein. Es war aber alles einigermaßen ruhig.
Am Morgen Kaffee in der Bar. Unser Minitauchsieder konnte mal pausieren.
Abschied von Pia und Stefan sowie von Micha. Mit allen dreien
waren wir gute Freunde geworden.
13.08.2002, Dienstag: Von Puente la Reina nach Pamplona, 27,5 km
(251 km)
7h39 rückten wir bei gutem Wetter ab. Es war natürlich heute eine besondere Etappe, in dieser Richtung, auf dem Hauptweg allen anderen entgegenkommend. Ich hatte mir vorgenommen, die Pilger zu zählen, um sozusagen eine statistische Minierhebung zu machen. Um das Ergebnis vorwegzunehmen, ich zählte 190 Pilger. Dabei waren alle nicht mitgezählt worden, die gar kein Gepäck oder nur Tagesrucksäcke mithatten. | Refugio hinter Puente la Reina |
Sie erzählt uns bekümmert: Unterwegs hatten die Gruppe der französischen Pilgerinnen und ihr geistlicher Begleiter Schwierigkeiten, denn sie konnten sich in jedem Refugio immer nur dazuquetschen und irgendwo auf dem Boden schlafen. Eine deutsche Pilgerin hätte ihnen gesagt: Alle schimpften hinter ihrem Rücken. Man könne doch nicht mit so einer großen Gruppe und bei so kleinen Herbergen den Einzelpilgern die Plätze streitig machen. - Dieses Abgelehntwerden habe ihre Gruppe sehr bedrückt. An der Kirche Eunate habe sie selbst nicht mehr weitergekonnt. Der Fuß schmerzte zu sehr, sie brauchte Ruhe. Nun, an dem renovierten Haus, dem ehemaligen Hospital, stand doch auf dem Schild: Pilger in Not dürfen klopfen. - Also habe sie geklopft und um ein Plätzchen zum Ausruhen gebeten. Da sei sie sehr herzlich aufgenommen und versorgt worden. Als die übrige Gruppe kam, hieß es sogar: Bleibt einfach alle hier. Es ist Platz genug auf dem Boden. Sie waren als echte Pilger erkannt und wurden deshalb akzeptiert.
Welch eine Geschichte wieder! - Ich kann natürlich auch etwas die anderen Pilger verstehen. Ich habe immer gesagt, dass Gruppen auch echter Pilger ein Problem darstellen (siehe meinen Bericht von 1998). Am besten löst man das Unterkunftsproblem mit Begleitfahrzeugen und eigenen Zelten... Nur mit Bescheidenheit und geringsten Ansprüchen allein ist es letztlich doch nicht getan.
So verabschiedeten wir uns auch von diesen Pilgerfreundinnen, die wir in bester Erinnerung behalten werden.
Einige Kilometer weiter (der Pilgerstrom hat nachgelassen) kommt Cizur Menor in Sicht. Pamplona hat inzwischen mit Neubausiedlungen diese Stadt erreicht und sie nahezu verschlungen. Wir stolpern durch Straßenbaustellen und schlagen uns irgendwie zum Zentrum von Cizur Menor durch. Keine gelben Pfeile mehr zu sehen. Im zentralen kleinen Stadtpark machen wir im Schatten ausgiebige Mittagspause.
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Eine deutschsprachige Pilgerin sucht die Herberge. Irgendwo da vorn, vermute ich. Es muss außerdem zwei geben. Da kommen zwei Spanier und laufen gezielt auf ein schön renoviertes altes Haus zu, verschwinden in seinem Hofeingang. Wir gehen zu dritt hinterher. Das muss glatt die private Herberge sein, die einen so guten Ruf hat. Zwei Jahre war sie geschlossen. Da haben wir in Sichtweite gesessen und sie nicht erkannt. Im Garten kommt die Besitzerin und Herbergsmutter auf uns zu und begrüßt uns freundlich. Die eigentliche Herberge ist ein Nebenhaus. Aber der Garten steht allen zur Verfügung. Sie ist etwas enttäuscht, dass wir nicht bleiben wollen. Meine Frau möchte ja, aber ich nicht. Wenn wir Pamplona sehen wollen, sollten wir weiter. Schließlich müssen wir ja auch noch rechtzeitig die Fahrkarten für den Zug nach Oviedo besorgen. (Prophetische Worte!) |
Da kommt mir noch eine Idee: Klar, sagt die nette Dame, hier lassen doch alle Pilger ihren Stadtplan von Pamplona liegen. - Na super, schon habe ich einen. - Dieser Plan ist sehr wichtig, denn auf ihm konnten wir den ganzen Pilgerweg fast von Cizur Minor an durch die Stadt verfolgen. Wenn man immer sieht, wo und wie weit man schon ist, fällt einem ein Marsch durch eine große Stadt viel leichter. - Die Herbergsmutter empfiehlt den Weg mitten durch die Zitadelle. Ist nicht weiter und interessant. Sie kann mir auch gleich sagen, wo das Oficina de Turismo liegt, und zeigt es mir auf der Karte. Alles paletti! Ich möchte gleich losstürmen. Meine Frau geht nur sehr unwillig weiter mit.
Noch in Cizur Menor, unweit des zweiten Refugios, das der Malteser, kommen uns weitere Pilger entgegen. Sie bleiben perplex und entsetzt stehen, als wir ihnen entgegenkommen, halten uns für Flüchtlinge, die von vollen Refugios in Cizur Menor aus nach Pamplona zurückfluten. Wir können sie beruhigen. | Refugio der Malteser in Cizur Menor |
Zwei Straßenzeilen südlich von der Plaza de San Francisco entfernt finde ich das Hostal Bearan, San Nicolás, 25. Tel. 948 223 428. Doppelzimmer für 42 EUR mit Bad, Toilette und kleinem Balkon, ohne Frühstück natürlich. Ich schaue mir das Zimmer an, in Ordnung. Schon 17h00 bin ich bei meiner Frau zurück und winke mit dem Schlüssel. Nicht gerade billig, meint sie etwas ungnädig. Aber wir sind dort für 2 Nächte gut untergekommen, zentral und gemütlich. Später hat sie mir Recht gegeben und mich für diese Entscheidung gelobt. Sie hatte halt den wunderschönen Garten von Cizur Menor noch nicht aus dem Kopf bekommen...
Das Abendessen nehmen wir in der Bar gleich nebenan ein. Ein tolles Essen und nicht zu teuer. Es stellt sich heraus, dass es jeden Tag etwas anderes gibt, meistens für unsere Begriffe zu teuer. Aber heute haben wir Glück gehabt.
Lange geschlafen (bis 8h30), dann rechtzeitig zur Fahrkartenverkaufsstelle der spanischen Eisenbahn (Renfe) in der Stadt. Tja, der Zug ist ausgebucht, nur noch 2 getrennte Plätze in der 1. Klasse. Wir reißen entsetzt die Augen auf, wer hätte das gedacht!
10h35. Was tun? - Zum Busbahnhof, evtl. mit dem Bus über Bilbao... Zum Glück zeigt uns der Stadtplan, dass der Busbahnhof ganz in der Nähe ist. Nach etwas Suchen finde ich einen Schalter mit einer Firma, die auch in Asturien fährt. Ja, kein Problem, ein durchgehender Bus nach Oviedo. 11 Uhr Abfahrt, 18 Uhr Ankunft. Sagen Sie das nochmal, stammele ich. Ich habe mich nicht verhört. 25,14 EUR pro Person. Ein Hoch auf die spanischen Busunternehmen! Wir ziehen freudig mit den Fahrkarten ab, stehen noch etwas herum, da macht der Schalter zu. 11 Uhr. Keine halbe Stunde später, und wir hätten keine Fahrkarten mehr bekommen. Zum Glück hatte ich darauf bestanden, sie heute und schon am frühen Vormittag zu kaufen. Sonst hätten wir einen weiteren Tag in Pamplona bleiben müssen.
Den Rest des Tages besichtigen wir die Stadt, wie vorgesehen. Vor dem Stadttor, wo der Pilgerweg von Nordosten hereinkommt (in unmittelbarer Nähe der Pilgerherberge "Casa Paderborn" ), rutsche ich aus und falle auf die Nase. Das kommt davon, wenn man den Pilgerstock nicht mithat. Meine Frau muss lachen, ich finde es weniger komisch. Meine rechte Handfläche blutet.
16h30. Für die Kathedrale wollen sie wieder Eintrittsgeld. Ich streike wie immer. Meine Frau fragt an der Kasse, ob Pilger Rabatt bekommen. Ja, man muss nur den Credencial vorlegen. Ich streike trotzdem und mache auf einer Bank im Schatten ein Nickerchen. Fahre hoch, als ich eine Bewegung verspüre: Neben mir sitzt ein junger Mann (etwa 17) und hat ein paar Papiere aus meiner Umhängetasche in der Hand. Ein Taschendieb! Er erschrickt furchtbar, stammelt: "Tranquilo, no problema", hat wohl Angst, dass ich "Haltet den Dieb!" schreie. Ich muss eher lächeln. In der Tasche war nichts von Wert. Er hatte ein paar schon erledigte Kopien von Handbuchseiten erwischt. Anfänger! Er rannte davon.
Abends finden wir kein zusagendes Restaurant. Das von gestern hat heute nur sehr teure Sachen im Angebot. Dann landen wir in einem Chinarestaurant (siehe Einleitung unter "Bilbao"), sind aber gar nicht zufrieden. - Nachts ist es sehr laut auf der Straße, wohl betrunkene Touristen.
Letzte Änderungen: 14.12.2020