Die Flüge waren bereits seit Oktober gebucht. Unsere Pilgerschwestern Konni (4. Mal) und Marianne (3. Mal) freuten sich seit Monaten wie die Schneeköniginnen. Viele Stunden hatte ich im Internet verbracht, um noch 1 Tag bei der Anreise herauszuholen. Klar war, dass es erst nach Madrid und am selben Tag nach Zamora gehen sollte. Aber wie dahinkommen und wo genau starten? Einige Male schmiss ich die genauere Planung noch um, bis der Etappenplan feststand. Leider war nicht einmal für einen Ruhetag in Santiago Zeit. Um den herauszuholen, müssten wir unterwegs eine Doppeletappe machen, evtl. die Hälfte davon mit einem Fahrzeug. Auch war ungewiss, wie sehr uns die Trasse der neuen Schnelleisenbahn zu Umwegen und unbekannten Alternativen zwingen würde. Nun, das erwies sich als halb so schlimm. Wieder stellte ich mir für einige Wegalternativen Karten mit Hilfe von Iberpix zusammen. Die Karten erwiesen sich als äußerst nützlich (Maßstab 1:25000 bis 1:30.000).
Als Handbuch habe ich wie üblich eines von Raimund Joos verwendet:
Raimund Joos: Spanien: Jakobsweg. Vía de la Plata. Mozarabischer Jakobsweg
Outdoor-Handbuch, Band 116. 6., überarbeitete Aufl. 2014. 256 S., Preis: 14,90 €,
ISBN 978-3-86686-440-5
Conrad-Stein-Verlag.
Unbedingt auch die neusten Updates beachten, bis eine neue Auflage erscheint.
Unsere Route und damit die Entfernungen können nur bedingt für den üblichen Weg zugrunde gelegt werden, da wir absichtlich einige individuelle Änderungen vornahmen.
Wegeauszeichung und Wege
Die Wegeauszeichnung war durchgehend einwandfrei. Allerdings kannte ich sehr viel von der Tour vor 8 Jahren wieder und amüsierte mich damit, schon vorherzusagen, wann und wo die nächste Abzweigung kam. Am meisten interessierten mich aber zu Hause ausgeknobelte Varianten, und da kann ich einige neue, sehr lohnende Vorschläge machen.
In wenigen Fällen, wo man nicht gleich sah, wie es weiterging, hatten andere Pilger Pfeile aus Steinen oder Stöcken gelegt bzw. ein Steinmännchen aufgestellt. Auch die Umleitungen wegen der neuen Eisenbahntrasse waren einwandfrei ausgeschildert. Man merkte deutlich, dass man sich um die Pilger kümmerte. Zugewachsene Wege gab es bis auf ein kurzes Stück keine mehr.
Diesmal bin ich nicht gestürzt, weil wir alle sehr aufpassten. Einzig Marianne hat es vor Laza erwischt, aber sie kam mit einigen blutigen Schrammen davon. Wieder einmal eine Asphaltkante auf der Landstraße.
Fußpflege
Wieder keine Blasen! Dafür gab es mehrere Gründe:
Insgesamt gab es mal die eine oder andere kleine Blase an einem Zeh, aber wir hatten auch ein neuartiges Gelpflaster, das den Druck auffing. Nach wenigen Tagen war dann alles weg. Sogar mein "Problemzeh", der bislang immer verpflastert werden musste, kam in der zweiten Hälfte der Tour dank einer schützenden Schwiele ohne jedes Pflaster aus.
Wetter Ende August/Anfang September
Die ersten Tage war es vor allem nachmittags noch sehr heiß. Dann war Regenwetter angekündigt, das uns aber kaum behelligt hat. Die Regenumhänge kamen ein einziges Mal zu einem etwas längeren Einsatz. Ansonsten war es meistens bedeckt, mit einem kühlen, morgens sogar sehr kalten Wind. Dazwischen kam mal die Sonne raus. Kurz: Allerbestes Wanderwetter. Die Vließjacke war unverzichtbar.
Handbuch
Wieder hatte ich von dem o.g. Handbuch nur zurechtgeschnittene Kopien mit. Ich hatte sie unterwegs dauernd in der Hand, um Abweichungen mit der Wirklichkeit zu registrieren. Die gab es schon. Am wichtigsten waren wieder die Hinweise auf Unterkünfte und Einkaufsmöglichkeiten, wobei es bei Letzteren einige böse Überraschungen gab: Die Krise in Spanien hat zum Schließen vieler Lebensmittelläden auf dem Land geführt. Wichtige Änderungen werde ich an Raimund Joos senden.
Hunde
Keine Gefahr durch frei laufende Hunde. Alle sind im Zwinger, angekettet oder harmlos. Was vor Jahren ein wichtiges und leidiges Thema war, kann man inzwischen vergessen. Viele Hunde waren an Pilger gewöhnt und wollten sogar oft geschmust werden. Das spricht auch für die Hundefreundlichkeit der Pilger.
Trinkwasser, Verpflegung
Ich versuchte wieder, nur gekauftes Wasser zu trinken. Aber wir brauchten in den ersten Tagen mehr als 2 Liter pro Person, was kaum zu schleppen war. Dann riss auch die Kette der Läden ab, so dass ich mehrfach aus dem Kran der Herberge, aber nie aus einem Brunnen oder öffentlichem Wasserhahn getrunken habe. Keine Darmprobleme. Auffallend: Es gab viel häufiger Menüs als früher, und das auch zu jeder Tageszeit. Erfreulicherweise konnten wir so oft schon mittags warm essen. Die Preise waren geblieben (8 - 11 €), die Qualität war dafür weiter etwas zurückgegangen. Ich berichte Einzelheiten bei den Etappen.
Ausrüstung
Eine Neuerung gab es bei der Ausrüstung: Marianne hatte uns allen ein Trinkflaschenfutteral für eine Plastikflasche mit 0,5 l Wasser genäht. Diese hing vorn am Gürtel (bei mir links vom rechten Oberschenkel) und behinderte praktisch nicht. Damit entfiel das übliche "Bitte, hilf mir tragen", mit dem wir früher die Pilgergeschwister baten, uns eine Trinkflasche aus dem Rucksack zu ziehen, um diesen nicht absetzen zu müssen. Allerdings musste die Flasche an heißen Tagen mehrfach nachgefüllt werden.
Ansonsten blieb die Ausrüstung (siehe meine Packliste) praktisch unverändert. Wieder ohne Isomatte. Unsere gepackten Rucksäcke wogen ohne Vorräte 8-9 Kilo, wobei ich Hedwigs Schlafsack trug und wir anderen drei uns die meist spärlichen Vorräte aufteilten. Es kam wohl niemand über 10 kg. Ein leichterer Regenumhang, so einen, wie Konni ihn hatte, hätte es auch getan, aber ich hatte vor der Tour in den Läden nichts Preiswertes gefunden.
Unterkünfte, Reservieren und Telefonieren
Die Übernachtungskosten in öffentlichen galizischen Herbergen sind weiterhin 6 €, einschließlich einem Einmalbettüberzug, der äußerst praktisch war. Man musste sich nachts nicht vorsehen, dass man vom Schlafsack rutschte (im Schlafsack war's zu warm) und Kontakt mit der nackten Matratze bekam. Trick: Der erste Bezug diente für zwei Nächte, danach wurde der neue gar nicht ausgepackt bis zur Ankunft in der folgenden Herberge. So konnte man gleich nach dem Eintreffen sein Bett beziehen (und benutzen), ohne warten zu müssen, bis abends jemand kam und Bettüberzüge ausgab. - Privatzimmerpreise: pro Kopf von 15 bis 30 €, nicht mehr so niedrig wie früher. Wir vermieden private Herbergen, teils wegen zu hoher Preise (da konnte man gleich in eine Pension gehen), teils weil es alles auf Spendenbasis gab, so dass man sich einen Kopp machen musste, was angemessen war. Ich liebe diese Donativo-Herbergen nicht. Da wir in diesem Jahr wegen der dichteren Kette der Pilgerunterkünfte fast ausschließlich in Herbergen übernachtet haben und manchmal wegen mangelnder Läden auch nicht viel konsumiert werden konnte, sind wir dieses Jahr sogar unter den obligaten 25 € pro Tag und Kopf geblieben. Taxifahrten inbegriffen! (Flug und Bahnfahrt natürlich extra.)
Es gab wieder ein paar neue Herbergen, und die alten waren auch noch gut in Schuss. Man wird immer verwöhnter. Nur einmal habe ich am Tagesziel reserviert, in einer privaten Herberge in Puebla de Sanabria. Wäre gar nicht nötig gewesen, es gab genug Platz. Wir waren schon enttäuscht, wenn wir nicht alle in einem unteren Bett schlafen konnten. Ansonsten war mein Mobiltelefon wieder unverzichtbar; dieses Jahr, um mit Taxiunternehmen zu telefonieren. Aber davon später. Einige Male habe ich gesagt: "Wie hätte man das wieder lösen sollen, ohne Spanisch zu können?" Mehrmals handelte ich mir Lob für meine Sprachkenntnisse bei den Einheimischen ein. Alles, was den Touristenalltag betrifft, kann ich jetzt ohne Mühe ausdrücken. Es blieb die Schwierigkeit, die Leute zu verstehen, wobei alles vorkam, von "völlig unverständlich" bis "super, verstehe jedes Wort". Vorgebucht von zu Hause hatten wir diesmal nichts, außer natürlich bei "unserer" Doña Josefina in Santiago.Das Buchen der Flüge - bereits im Oktober 2014 - war schwierig wie nie. Ich ging über mehrere Vergleichsportale und folgte den Verweisen auf Billiganbieter, aber es war fast nicht herauszufinden, wie viel der Flug samt aller Nebengebühren wirklich kostete. Hier überboten sich die Firmen mit gesetzwidrigen Vertuschungen. Der Gipfel war, dass ich bei einem Reisebüro bereits den "Buchen"-Knopf betätigt hatte, als mir dann erst angezeigt wurde, dass ich bei (kompletter!) Vorauszahlung mit Kreditkarte (und nicht mit der firmeneigenen "Goldkarte") pro Flug 39,99 EUR "Buchungsgebühr" bezahlen sollte. Wütend brach ich sofort alles ab. Bei der Konkurrenz kostete es dann "nur" 9,99 EUR.
Hinflug mit der Air Berlin, längst nicht mehr so günstig wie früher, aber immer noch bezahlbar und 1 Gepäckstück inbegriffen. Rückflug mit Zwischenlandung in Madrid mit der Iberia, die sich 1 Gepäckstück teuer zubezahlen ließ. Ich hatte aber keine Lust herauszufinden, wie man seinen Rucksack so in einen Gepäckquader verwandeln kann, dass er die Höchstmaße für Handgepäck (abhängig von der Fluggesellschaft!) nicht überschreitet.
In diesem Jahr hatten wir Glück mit den Flugzeiten, sie lagen günstig und wurden auch nicht verschoben. Mariannes Mann brachte uns wie letztes Jahr mit dem Auto nach Düsseldorf. Bei der Kontrolle gab's Theater: Konni hatte eine Pilgermuschel umhängen. Ja, ob die denn wohl ausgeführt werden dürfe, meinte eine Kontrollbeamtin streng. Ich spürte den Drang, ihr zu erklären, dass die Muschel in ihr Heimatland zurückgebracht würde, aber ich hielt dann lieber doch den Mund. Konni kam mit Muschel durch. Ansonsten fast pünktlicher Abflug um 9h20 und Ankunft um 11h55.
Lange hatte ich vorher überlegt, ob wir besser mit dem Bus oder dem Zug weiterfahren sollten. Es gab mehrere Busse nach Zamora, aber man muss erst zur Metrostation Mendez Alvaro, um zum Busbahnhof Estación de Sur im Süden von Madrid zu gelangen. Das ist mit der Metro umständlich und auch nicht ganz billig. Ich fand über die Pilgerforen heraus, dass man alternativ eine Stadtbahn benutzen kann. Dabei entdeckte ich, dass diese (Renfe Cercanías) vom Terminal 4 am Flughafen zu beiden Bahnhöfen Chamartín im Norden (12 Minuten Fahrzeit) und Mendez Alvaro (30 Minuten Fahrzeit) fährt.
Dann konnte man doch viel bequemer und mit 1 Stunde Fahrzeit weniger vom Bahnhof Chamartín mit dem Zug nach Zamora fahren, Abfahrt 15h00, Ankunft 16h59. Sogar der Fahrpreis ist kaum höher: Der Bus ist (einschließlich zweier merkwürdiger Zuschläge wie gestión, Buchungsgebühr?) nur wenige Euro billiger, denn man muss ja für die Stadtfahrt bis Mendez Alvaro mehr bezahlen.
Einziges Risiko: Man muss die Zugfahrt vorbuchen, wenn man sicher Plätze bekommen will. Ich habe im Netz unter www.renfe.com ein paar Mal abgefragt: der 15-Uhr-Zug ist beliebt und ca. 14 Tage vorher ausgebucht. Da kaum anzunehmen war, dass wir mehr als 3 Stunden vom Flughafen zum Bahnhof brauchen würden, entschloss ich mich, etwa 10 Tage vorher die Zugfahrscheine im Netz zu kaufen, was allerdings nur mit einigen Anläufen funktionierte. Schuld war unter anderem, dass ich den Satz "Kontrollieren Sie, ob Sie alles richtig eingegeben haben" nicht als Fehlermeldung (= "unrichtige Eingabe"), sondern nur als Hinweis verstand und vergeblich nach dem Ok-Knopf suchte. Die Kredit-Karte hielt ich schon bereit, wurde aber urplötzlich mit meiner Bank zur direkten Abbuchung verbunden und wusste in der Hektik erst nicht, welches Passwort verlangt wurde. Es gelang mir aber. Die Fahrscheine für unsere Gruppe wurden produziert und ließen sich anstandslos ausdrucken. Es gibt bekanntlich nummerierte Plätze in den Fernzügen. Übrigens konnte ich auch gleich für den Nahverkehrszug mitbezahlen. Preise: Zugfahrt Madrid/Chamartín - Zamora 30,70 €, mit Nahverkehrsverbindung 32,50 € pro Person.
Nachdem wir unsere Rucksäcke anstandslos am Gepäckband erhalten hatten, konnte eigentlich nichts mehr schiefgehen. Der Weg zum Bahnhof des Terminals T4 war gut ausgezeichnet. Allerdings gab es vor den Einlasssperren zur Stadtbahn noch eine Überraschung. Dort musste man seine Fahrkarte in einen Schlitz stecken, die Sperre öffnete sich, und man erhielt seine Fahrkarte wieder. Ok, das war wie bei der Metro, aber wir hatten als Fahrkarte nur den Computerausdruck der Fernbahn. Den konnten wir schlecht in den Schlitz knautschen. (Hier hat man's einfacher, wenn man die Stadtbahnkarte einzeln gekauft hat.) Was tun? Über die Sperren klettern war nicht möglich, und es stand auch ein Wachmann daneben. Ja, wozu kann ich denn Spanisch? Ich bat ihn um Hilfe und zeigte unsere Karten vor.
Er führte uns zurück zu einigen Automaten, wo man seine DIN A4-Seite mit dem aufgedruckten Code an ein Lesefenster halten konnte. Dann wurde ein Pappkärtchen für den Schlitz an den Sperren ausgedruckt. Muss einem ja nur gesagt werden! - Ich hielt meine Seite an das Lesefenster: nichts! Der Wachmann drehte schon wieder ab, ich rief ihn zurück. Nun versuchte er mit meiner Blattseite selbst sein Glück, aber erst nach einigem Drehen und Wenden wurde der Code anerkannt, und das Pappkärtchen fiel in den Ausgabeschlitz. Ebenso glückte es dann mit etwas Hin und Her auch bei den anderen. Dann hatten wir noch das Glück, die schon abfahrbereite Stadtbahn noch zu erwischen. Da ja ansonsten alles gut geklappt hatte, waren wir sehr früh am Bahnhof Chamartín, nun ja, besser als zu spät.
Ungewohnt war es, dass man auf den Anzeigen zwar sehen konnte, wann die Züge kamen, aber nicht auf welchem Gleis. Das wurde erst kurz vor Ankunft des Zuges entschieden. Eine Sicherheitsmaßnahme? Jedenfalls mussten wir auf dem Gleis nachher an Wachleuten und einem Kontrollschirm wie am Flughafen vorbei. Frohgemut nahmen wir unsere reservierten Plätze ein. Der äußerst bequeme klimatisierte Zug sauste bald mit großer Geschwindigkeit auf neuen Gleisen durchs Land, davon oft sehr, sehr lange unterirdisch. Ehe wir es uns versahen, waren wir in Zamora angekommen. Ich war sehr zufrieden, dass alles wie am Schnürchen lief. Wir trafen später andere deutsche Pilger, die uns erzählten, dass ihre Kinder für sie den gleichen Zug im Netz gebucht hätten, auch mit einigen Schwierigkeiten. Wir konnten übrigens im Zug auch einige andere Pilger ausmachen, der Zug fuhr ja sogar nach Santiago.
Der Busbahnhof hat seine Ausfahrt am Boulevard, aber um in die Schalterhalle zu kommen, muss man um ihn herumlaufen, was Konni und ich machten, während Hedwig und Marianne das Gepäck bewachten. Es ging alles unglaublich glatt. Ich fand sofort den Schalter der Busfirma Vivas. 4 Fahrkarten für anderntags um 13h30: kein Problem! 2,95 € pro Person. Das lief einfach perfekt, schließlich gibt es jeden Tag nur diesen einen Bus, und ich hatte vorher keine Ahnung, wie voll der wohl werden würde. Es war heute einfach mein Glückstag.
Als wir schon fast im Dunkeln zur Herberge und ins Zimmer zurückkamen, stolperten wir über Gepäck, man hatte uns tatsächlich noch zwei Radfahrer spät abends dazueingewiesen. Als die etwas später dann kamen und etwas verlegen guckten, zeigte ich ihnen, dass ich einen Doppelstock für sie geräumt hatte. Das fanden sie sehr nett, ich auch. Wir haben auch keinerlei Probleme mit ihnen gehabt. Am anderen Morgen huschten sie leise wie die Mäuschen davon, so dass wir wie gewohnt zum Aufstehen das Zimmer wieder für uns allein hatten.
Unterwegs kamen wir auf dem schon bekannten Boulevard an mehreren Läden vorbei und konnten uns verproviantieren. Im Busbahnhof fanden wir gleich den richtigen Steig, wo schon eine lange Schlange wartete. Da waren wir froh, Platzkarten zu haben. Tatsächlich wurde der Bus voll, er kam sogar pünktlich.
Ich genoss die Fahrt unterwegs, denn zunächst ging es ja parallel zum Pilgerweg in Richtung Norden. Neue Trassen von Autobahn und Fernbahn hatten hier alles zerwühlt. Dann kam die Y-Verzweigung, wo der Pilgerweg halbrechts weiterläuft. Schade, dass wir die riesige Festungsruine Castrotorafe verpassten, aber alles kann man nicht haben. Der Bus bog also halblinks ab und fuhr auf der N-631 weiter. Als erstes kam die erwartete Brücke über den Stausee. Die kam mir doch sehr schmal vor. Ich konnte es nicht erkennen, aber es muss ja wohl auch eine Überquerungsmöglichkeit für Fußgänger vorgesehen sein. Hinter der Brücke eine Haltestelle, die ersten stiegen aus. Dann kam schon das Dorf Pozuelo de Tábara. Wie immer achtete der freundliche Fahrer mit darauf, dass wir dort den Ausstieg nicht verpassten. 13h55, pünktlich.
Ich kramte eine meiner zu Hause aus Iberpix ausgedruckten Detailkarten aus. Es galt jetzt, unseren Weg parallel zur Nationalstraße zu finden. Die meisten Pilger, die von Zamora über die N-631 abkürzen, laufen wohl stumpf die Straße. Aber ich hatte ja zu Hause entdeckt, dass es rechts davon die ganz alte Streckenführung gab, die schnurgeradeaus nach Tábara führt. Es war sogar eine Cañada, ein alter Weg, auf dem die Herden je nach Jahreszeit auf die Sommer- bzw. Winterweide geschickt wurden. Solche Cañadas hatte ich 2005 auf der Via de la Plata schon öfter gesehen und noch im letzten Jahr eine vor Miraz.
Aber der ehemalige Herdenweg ging nicht genau durch Pozuelo. Daher betrat ich die nächste Bar und fragte am Tresen, ob es diese Cañada tatsächlich gebe. Man nickte zögernd, konnte mit meiner Karte wie üblich nichts anfangen. Jedenfalls sollten wir noch die Straße ein Stück hoch und dann rechts. Das war richtig.
Endlich kreuzte unser Weg in spitzem Winkel vor Tábara die N-631 und ging dann jenseits der Straße weiter in den Ort hinein. Inzwischen pusteten wir bei der Hitze ganz schön. Man kommt an einigen Werkstätten und einem Hotel vorbei, lockere Bebauung. Noch einmal Rast im Grünen auf einer Bank, dann erreichten wir etwas später die Plaza Mayor. Rechts sah man die Klosterkirche an der N-631 liegen. Geradeaus die Calle Prado mit einer Reklame für das Hotel El Roble, das auch Pilger aufnimmt.
Der Weg zur Herberge führte aber halblinks diagomal über den Platz durch eine hübsche Baumallee, kurz an einer Bar, die links liegt (Gaffer!) vorbei, und dann rechts in die Calle Sol. Es sind noch einige 100 m bis zur Herberge, wo wir gegen 17 Uhr eintrafen. Im Gegensatz zu den beiden vorigen Malen, wo ich den Schlüssel holen musste, war hier diesmal buntes Treiben.
Ich schaue immer gleich auf die Wäscheleinen, um abzuschätzen, wie voll die Herberge schon ist. Danach war diese mehr als voll. O je! Jede Menge junger Leute schauten uns neugierig und etwas grinsend entgegen: Da kamen die Gruftis! Stirnrunzelnd sah ich die abgestellten Fahrräder, und meine Pilgerschwestern wollen sogar ein Motorrad entdeckt haben. Nun, ich ging forsch ins Gebäude, wo mir eine Hilfshospitalera verlegen entgegenkam. Tja, alles voll. - Das gab's ja wohl nicht! Ich drängte mich in den Aufenthaltsraum (und Küche), der war viel kleiner, als ich ihn in Erinnerung hatte. Kein Gedanke, hier zu viert zu nächtigen. Ein Blick nach links in den Schlafsaal: da herrschten Chaos und Gewimmel. Enttäuscht stolperte ich in den Hof zurück und schaute etwas säuerlich. Inzwischen hatte man den Herbergsvater aus seiner Siesta geholt. Ja, dem war das auch sehr peinlich, denn bis 18 Uhr sollten eigentlich Plätze für Fußwanderer vorgehalten werden, ehe man Radfahrer aufnimmt. Er verteidigte sich damit, dass die Tage vorher tote Hose gewesen sei, und ausgerechnet heute (an einem Dienstag!) rammelten sich hier die Pilger. Das half uns aber auch nicht weiter. Ich nahm mir die Telefonnummer eines Taxidienstes mit, und dann zogen wir ab in die Innenstadt zum Hotel Roble (von der Plaza Mayor in die Calle Prado). Leider kamen wir wieder an den Gaffern vor der Bar vorbei.
Durch den Erfolg und einige Bierchen gestärkt, machte ich mich noch vor dem Abendessen auf, den weiteren Verlauf zum Pilgerweg zu Fuß zu erkunden. Ich erinnere daran, dass der offizielle Pilgerweg von der Klosterkirche aus einen riesigen Schlenker und Umweg macht. Alternativ waren wir schon letztes Mal nach dem Handbuch eine andere Route von der Herberge aus gegangen. Nun war jetzt aber auch die Herberge weit weg, und außerdem hatte mir die Handbuchalternative auch nicht gefallen. Sie führt erst aus dem Ort, mündet dann aber wieder in die Landstraße ZA-121, und so macht man einen Teil des Umwegs doch noch. Dabei geht man an einer Kreuzung nach links von der Landstraße ab (von rechts kommt die ausgewiesene Route hinzu) und gelangt wenig später an eine T-Kreuzung, von wo aus man rechts weitergeht. Von links kommt aber ein schnurgerader Weg von Tábara her. Warum zum Henker ist der nicht ausgewiesen? Diese Frage wollte ich dieses Jahr ein für allemal klären.
Ich hatte wieder eine Karte aus Iberpix dabei. Das Hotel Roble liegt in der Calle Prado. Ich folgte ihr und bog dann links in die Calle la Puebla ein. Diese mündet in eine breite Straße, der ich nach rechts folgte, über den Altstadtrand hinaus und weiter geradeaus. Es ist die Fortsetzung der uns schon bekannten Cañada. Ich konnte voraussehen, dass einige 100 m weiter die ZA-121 kreuzte, auf der man von der Herberge von links kommt, dann aber der Cañada weiter zum Ortsteils San Lorenzo folgt.
So weit wollte ich nicht gehen. Ich fragte zur Kontrolle noch einige Jugendliche, ob man auf dem von mir vorgesehenen Weg (er heißt Camino de Despeñaperros) zum Pilgerweg käme, aber sie wussten es nicht. Abends fragte ich im Esssaal die junge Bedienung dasselbe. Es hing sogar ein Bild von San Lorenzo an der Wand, auf dem ich ihr den Weg zeigen konnte. Auch sie konnte mir nicht helfen. Tja, frag keinen Einheimischen!
Ein kleines sprachliches Intermezzo:
Mich als Sprachbegeisterten interessierte die Bedeutung von Despeñaperros, offensichtlich aus "despeñar" und "perros " ' Hunde' zusammengesetzt. Mein Wörterbuch kennt von despeñar nur die Bedeutung '(von einem Abhang) hinabstürzen', aber hier ist die Landschaft ja flach. Wo sollte man da Hunde einen Felsabhang runterschmeißen?
(25.10.2025) Neuere Recherchen im Internet ergaben: Mit "Hunden" sind sogar gefangene Soldaten gemeint, die nach einer Schlacht in Schluchten geworfen wurden. Es gibt einen bekannteren gleichnamigen Park in Südspanien. - Sollte hier der Weg einmal zu den folgenden Höhenzügen geführt haben, wo es durchaus steile Abhänge gibt? Im Krieg gegen die französischen Besatzer unter Napoleon kann man sich schon vorstellen, dass sowas geschehen ist. Man denke an das "Franzosenkreuz" in Nordportugal am Pilgerweg!
Am Spätnachmittag war die Wasserversorgung im Hotel ausgefallen, kam aber nach einiger Zeit wieder. Abends gingen wir also in den Esssaal und trafen dort vier weitere Gäste, alles deutsche Pilger, zwei Paare. Nach dem Essen sprachen wir noch mit dem älteren Paar, wobei sich herausstellte, dass sie meine Berichte im Netz gesehen hatten. Sie wussten aber noch nicht genau, welche Etappen sie gehen würden.
22 Uhr war Bettruhe, am Ende eines schönen, ereignisreichen Tages. Irgendwie hatten wir heute doch alles zu unserer Bequemlichkeit bekommen. Ich war sehr zufrieden.
Nun hatte ich keine Lust, ihm von meiner neuen Route zu erzählen. Ich winkte nur und sagte: "Ich bin der Führer dieser Gruppe, ich kenne den Camino." In seinen Augen war das blanke Überheblichkeit. Auch der Gast schlug sich vor den Kopf, als der Wirt ihn über unser Fehlverhalten informierte. Ich schaute nochmal zurück: Da standen sie beide auf der Straße, warfen abwechselnd die Hände hoch, schlugen sich vor den Kopf und lamentierten laut über die Dummheit der Pilger. Aber keiner von diesen Einheimischen kannte den Camino "Hunde-Klippensturz". Ich habe mich innerlich gekringelt.
Wir liefen also die gestern von mir ausgekundschaftete Straße entlang. Nach ein paar 100 Metern kreuzten wir die ZA-121, wo von links der Weg von der Herberge dazukam. Ab hier weiter, wie im Handbuch beschrieben: geradeaus nach San Lorenzo. Rechtsbogen an der Bebauung entlang zu dem im Handbuch genannten Platz mit Brunnen und mehreren einmündenden Sträßchen. 100 m weiter dann aber links in eine schmale Gasse, damit von der Handbuchroute abgehend. An dem Ende der Gasse kann man wieder nach rechts abbiegen und läuft somit parallel zur alten Richtung, so dass man kurz darauf die N-631 erreicht, etwas versetzt zu der Handbuchroute. Wer das nicht findet, laufe die Handbuchstrecke bis zur N-631 und gehe auf ihr etwa 100 m nach links. Dort kamen wir links zwischen den Häusern heraus. Genau gegenüber führt ein wunderbarer Fußweg zwischen Mauern geradeaus weiter, es ist der besagte Camino de Despeñaperros. Ich fragte zur Vorsicht noch einen älteren Spanier, der zu Fuß daherkam, und einen Radfahrer, ob dieser Weg in eine Sackgasse führe. Nein, waren sie sich einig. Also, los!
Es war ein Pilgerweg wie aus dem Bilderbuch, zwischen Mauern und mit grobem Steinen. Man erreicht Gärten rechts und muss dort einen schmalen Wasserlauf überqueren. Dann kommt das Wäldchen mit zwei Schuppen weiter rechts, wo ich zu Hause gerätselt hatte, ob hier wohl ein Privatmann den Weiterweg gesperrt habe. Denn warum hat man hier sonst nicht den Pilgerweg hergelegt? Hinter dem Wäldchen ging der Weg in eine breite Piste über, die schnurgerade ca. 1 km geradeaus führte, bis von rechts der ausgewiesene Pilgerweg hinzukam. Ich hatte es doch gewusst! Unverständlich, dass dieser kürzere und schönere Weg aus Tábara heraus nicht ausgezeichnet ist. Sowohl von der Plaza Mayor (oder dem Hotel Roble) als auch von der Herberge aus ist er ideal.
Bei immer heißerem Sonnenschein erreichten wir schon etwas angeschlagen Bercianos de Valverde. Zunächst lag im Dorfeingang rechts die Behelfsunterkunft. Die Bar aus früheren Jahren gibt es nicht mehr, für uns ein erstes Zeichen der Wirtschaftskrise, aber einige Frauen sahen uns auf der Straße entgegen. Sie warteten offenbar auf Pilger.
Nach langem, gemächlichem Abstieg erreichten wir endlich das breite Tal der Tera mit seinen vielen Kanälen und sonstigen Bewässerungsanlagen. Bis man durch Santa Croya de Tera zieht, dauert es aber doch noch eine Weile, das hatte ich auch so in Erinnerung. Schließlich war das heute die zweitlängste Etappe überhaupt. Die Entfernungsangaben im Handbuch sind übrigens etwas widersprüchlich. Die Distanz bis Santa Marta de Tera wird mit 23,2 km angegeben, was ich hier wegen unserer Abkürzung übernehme, im Text steht aber am Ende 24,2 km.
Wir passierten im Ort mehrere Läden, alle wegen Siesta geschlossen. Nun, an unserem Ziel Santa Marta de Tera sollte es ja auch eine Einkaufsmöglichkeit geben. Dann kam die schöne Herberge von Anita und Domingo, die auch Ferienwohnungen anbieten. Aber dieses Jahr wollte ich ja unbedingt die Alternative ausprobieren, die laut Handbuch noch 700 m entfernt lag. Mir kam es etwas weiter vor.
Vor den Brücken über die verschiedenen Arme der Tera lag links unten ein Rastplatz. Hier erklärte Hedwig, dass sie nicht mehr weiterkönne, auch Marianne war ziemlich fertig. Um uns Betten zu sichern, ließen Konni und ich die beiden also zurück und überquerten den Fluss auf mehreren schmalen, wegen dem Fahrzeugverkehr nicht ungefährlichen Brücken. Die Badebucht, die ich in Erinnerung hatte, gab es nicht mehr. Statt dessen sahen wir in Santa Croya de Tera Hinweise auf ein Freibad am Fluss, und einige Leute kamen uns, offenbar auf dem Weg dahin, auch entgegen.
Wir ließen unsere Rucksäcke im 1. Schlafsaal und liefen zurück, holten die anderen nach, wobei ich Hedwigs Rucksack tragen konnte. Sie erholte sich aber schnell. Die Duschen hatten wir für uns. Ich ging "schnüffeln": In der Bar Stop am zentralen Platz gab es kein Essen, die chica sei nicht da. Also, auf zu einem Lebensmittelladen! Es kostete mich etwas Mühe, ihn zu finden, da wegen Siesta und der brüllenden Hitze niemand auf der Straße war. Der Laden liegt versteckt in einer kleinen Querstraße, zwischen der Hauptstraße und der parallelen Straße, an der die Herberge liegt. Von der Herberge aus kann man also die Straße weitergehen, dann die 2. Gasse links (Calle Medio). Man muss noch rechts-links um eine Ecke, dann liegt der Laden links. Man erkennt ihn nur an drei großen Fenstern. Beim Eintreten war innen alles düster (wegen der Sonneneinstrahlung), wir kramten schon rum, bis ein Muttchen zum Bedienen kam. Die Frauen kauften ausführlich ein und bereiteten nachher in der Herberge (Küche!) ein opulentes Abendessen, was mich zu der dankbaren Bemerkung veranlasste, dass ich nur noch mit Frauen pilgere. ;-)
Da der Herbergsvater so spät kam, wurden die Andalusier schon nervös und holten sich in der Kirche einen Stempel für den Pilgerpass. Man bot uns auch eine Führung an, aber dafür waren wir zu ruhebedürftig. Der Tag hatte uns allen gelangt. Es kam übrigens niemand mehr. Wo sind an dem Tag die Massen aus Tábara geblieben? Einige wie Antonio sind sicher bei Anita und Domingo eingekehrt. - Also Nachtruhe im eigenen Zimmer für unsere Gruppe, besser ging es nicht.
Vor uns und hinter uns waren einige Pilger zu Fuß und mit dem Fahrrad. Wir sahen Antonio wieder, er hatte wohl in der Casa Anita übernachtet. Natürlich auch die beiden Andalusier, die in unserer Herberge gewesen waren. Außerdem ein junges Paar, um nur die Fußpilger zu nennen.
Ohne besondere Zwischenfälle erreichten wir den Picknickplatz vor der Brücke über die Tera und machten eine erste kurze Pause. Dann über die Böschung zur Landstraße hoch, über die Brücke und danach gleich wieder rechts in die Uferlandschaft. Ohne Schwierigkeiten folgten wir den Auszeichnungen auf guten Wegen. Das Rumgesuche in einem Wäldchen wie vor 10 Jahren war nicht mehr nötig, man hatte wohl eine Verbindung neu gebahnt.
Vor Calzadilla de Tera kamen wir auf die Landstraße und bogen rechts zu einem breiten Kanal ab. An diesem ging es entlang, aber nach einiger Zeit hätten wir ihn links überqueren müssen. Das Handbuch sagt "geradeaus", was wohl Interpretationssache ist. Jedenfalls verpassten wir diese Abzweigung, blieben am Ufer des Kanals und liefen so in einem Linksbogen um den Ortskern herum. Erst als wir auf den Pilgerweg stießen, der vom Zentrum aus links zwischen den Häusern herunterkam, wusste ich wieder, wo wir waren.
Es war gegen 11 Uhr, die Sonne brannte schon wieder. Wir wollten uns im Schutz des Schattens einer Mauer auf einer kleinen Asphaltböschung oberhalb des Kanals zu einer Pause niederlassen. Das ließ den Bewohnern eines benachbarten Hauses keine Ruhe, und so kam es zu folgendem Dialog wie in der Loriotszene mit "Ich will nur sitzen":
Nachbarin (zeigt den Weg in die Innenstadt hoch): Por aqui, por aqui! ('Da lang!')
Ich: Wir wollen Pause machen.
Nachbarin: Ja, in der Innenstadt, die ist dort oben.
Ich: Nein, hier, wir wollen nur was trinken.
Nachbarin: Aber da oben ist ein Café!
Ich: Nein, wir wollen nur was trinken.
Nachbarin: Ja, da oben ist auch eine Bar.
Ich: Nein, wir bleiben hier.
Nachbarin: Wo wollen Sie denn hin?
Ich: Nach Olleros de Tera, aber ...
Nachbarin (zeigt unseren weiteren Weg entlang): Por aqui, por aqui!
Ich machte nun das, was ich immer mache, um eine unerwünschte
Konversation zu beenden, ich bedankte mich: "Muchas gracias, señora!"
Jetzt war die Nachbarin verblüfft, weil sie nicht genau wusste, wofür ich mich
bedankte, aber man kann auf einen netten Dank ja nicht sauer reagieren.
Sie schüttelte also den Kopf und verschwand. Kurz darauf kam ihr Mann
heraus und musste dringend die Haustür inspizieren, wobei er uns aus den
Augenwinkeln beobachtete. Wir ließen uns tatsächlich nieder, schmissen
keinen Abfall rum, pinkelten nicht an die Mauer, sondern aßen Brote und tranken Wasser.
Diese seltsamen Pilger! Aber bei Ausländern muss man ja
auf alles gefasst sein.
Frisch gestärkt ging es danach weiter den Kanal entlang zu unserem Ziel, Olleros de Tera. Am Ortseingang gab es eine Überraschung: Links ein Schild, das Reklame für die Bar "El Torero" machte, da ging der Weg lang. Aber rechts wies ein riesiges Schild zur Bar "La Trucha", zu der wir wollten, weil es da Unterkunft und Essen gab. Angeblich sollte man hier also nach rechts abzweigen und im Linksbogen um den Ort herum. Ich erriet richtig, was hier gespielt wurde: Die beiden Bares waren in Konkurrenz, in derselben Straße! Aber die Bar "El Torero" kam nachher als erste links. Um nicht das Nachsehen zu haben, versuchte also die Bar "La Trucha", die Leute am Ortseingang abzufangen und rechts um den Ort herum an das andere Ende der Straße zu leiten. Da war "La Trucha" natürlich die erste Bar, auf die man stieß.
Ich erriet das, wie gesagt, richtig und führte meine Gruppe auf dem Pilgerweg in Richtung Bar "El Torero" weiter. Der Pilgerweg geht an der nächsten Einmündung rechts ab, in Richtung Bares. In den früheren Jahren war ich hier geradeaus gegangen und bin damit einer Route gefolgt, die nicht an der Wallfahrtskirche von Agavanzal vorbeiführte. Inzwischen geht der Pilgerweg in jedem Fall zur Wallfahrtskirche. Im Ort verzweigt sich der Weg noch einmal: Geradeaus geht es zu den Bares, halblinks weiter aber zur Landstraße. Diesen Punkt erreicht man auch von den Bares durch eine Querstraße nach links am Ende ihrer Straße.
Als wir die Bar "La Trucha" erreichten, kam die Wirtin erfreut rausgelaufen, denn obwohl wir nicht auf ihre listige Umleitung hereingefallen waren, hatten wir die Konkurrenz im wahrsten Sinne des Wortes links liegen gelassen. Es war 11h45. Ja selbstverständlich gab es für uns jetzt ein Menü. Das war schon mal gut. 10 €, Standard: Wurst-/Schinkenplatte (Vorspeise, entremesa), (nicht zerstückeltes) Hähnchen (pollo), Pommes und Eis, dazu Getränke.
Manchmal haben Konni und ich Bier bestellt, die anderen Rotwein. Es gab dann trotzdem immer 1 Flasche Wein, die sich die drei Pilgerschwestern teilten, während ich Konnis Bier mittrank. So streckt man frech die inklusiven Getränke. Nur einmal musste ich zubezahlen. Es kam aber auch vor, dass Konni ihr Bier wirklich trank, so dass wir anschließend noch den beiden übrigen Pilgerschwestern bei der Flasche Rotwein helfen mussten. Ein schweres Los!
Satt und zufrieden schauten wir nach dem Essen aus der Pilgerwäsche. Es kam, wie es kommen musste: Ein Blick auf die Uhr in der schattigen Herberge: Es war noch keine 13 Uhr. Den Rest der Zeit hier in diesem verschlafenen Nest heute Siesta machen? Brrr! Wollte so recht keiner. Bis Rionegro del Puente waren's noch schlappe 14 km, und dann hätten wir heute eine Doppeletappe geschafft, die uns den gewünschten Ruhetag in Santiago bescherte. Ich hatte das bekannte "Weiter, weiter!"-Glitzern in meinen Augen. Leider ließ auch Hedwig sich bewegen weiterzulaufen, niemand von uns dachte in der kühlen Bar an die Glut draußen.
Dann ging es hinaus in die Hitze. Am Ende der Straße links, auf eine Landstraße rechts und gleich wieder links abzweigend zu der Wallfahrtskirche von Avaganzal. Die war natürlich geschlossen. Von dort kam man in den Uferbereich der Tera und folgte dem dünnen Fluss (dem der folgende Stausee sein Wasser vorenthielt) nach links.
Endlich ging es hoch auf Villar de Farfón zu. Dort kannte ich Bänke, auf denen wir auch vor 8 Jahren ermattet niedergesunken waren. Heute schienen wir gar nicht mehr weiterzukommen, Hedwig war fix und alle. Da fiel mir ein: Es gab doch am Ende des Dorfes eine kleine private Herberge von irgendwelchen religiösen Aussteigern (aus Südafrika). Das würde zumindest das Problem der schwindenden Wasservorräte lösen, und ich versprach meinem Körper sogar ein Getränk mit Geschmack.
Hedwig und Marianne konnten die letzten 5,8 km nicht mehr schaffen. Immerhin hatten sie heute schon 23 km (wie gestern) weg, das war ohnehin als Höchstgrenze angesetzt. Ich fragte den Gastgeber, ob er die beiden mit seinem Auto nach Rionegro bringen könne und ob 20 € für die Getränke und die Fahrt in Ordnung seien. Er bejahte. 20 € waren sogar großzügig, wie ich den späteren Taxipreisen entnehmen konnte, aber es sollte durchaus etwas Spende dabei sein. Ich sage hier noch einmal, dass mir Donativo-Unterkünfte nicht sympathisch sind, klare Preisangaben sind mir lieber. Die Fahrt war übrigens erheblich weiter als 5,8 km, weil die fahrbare Straße einen großen Umweg macht.
Früher war ich zur Fußgängerbrücke am Freibad hinuntergegangen, aber jetzt hatten wir keine Lust auf hinunter und wieder hinauf, sondern gingen nach rechts zur Nationalstraße, auf der wir über die Brücke in die Stadt liefen. Ein einsames Auto begegnete uns. In Sichtweite verläuft nämlich die neue Autobahn, und mit dieser war der wirtschaftliche Niedergang für Rionegro gekommen, ähnlich wie wir das in Baamonde letztes Jahr beobachtet hatten: Wo früher die Lastwagenfahrer reihenweise Pause machten, war jetzt tote Hose.
Wir teilten uns wieder die Arbeit: die Frauen kauften in der Bäckerei, ich in der Bar ein :-) Da saß ein deutscher Pilger, der mich aus dem Netz kannte. Egal, ich war froh, dass ich "selbstverständlich" auch Getränke zum Mitnehmen bekam. Die Frauen zauberten aus Eiern, Brot und Gemüse wieder etwas Leckeres, was vollauf genügte. Wir waren alle sehr zufrieden. Insgesamt waren außer uns etwa 10 Pilger da, darunter wieder Radfahrer. Aber auch die Andalusier hatten es bis hierhin geschafft.
Abends - nach der großen Hitze - doch noch zu einem Schlummertrunk ins Café gegenüber. Dort saßen fast alle. Gegen 21h30 zogen sich die Pilger nach und nach in die Herberge zurück, auf einmal waren wir die letzten. Ich hatte die Tür der Herberge im Blick, die sichtbar offengestanden hatte, jetzt war sie geschlossen. Ich sagte den Pilgerschwestern, dass sie zahlen möchten und eilte über den Zebrastreifen auf die Herbergstür zu. Wie ich's befürchtet hatte: von innen abgeschlossen. Klar, der das gemacht hatte, war ja drin; was gingen ihn dann die anderen, die noch draußen waren, an? Ich eilte um die ganze Herberge herum. Keine Hintertür, die bei vielen auch nachts noch offen bleibt. Zurück zum Café: Die junge Bedienung hatte nämlich unsere Pässe gestempelt und hoffentlich auch einen Schlüssel.
Ich rannte ins Café, da stand die junge Frau und sprach mit einem Mann, evtl. dem Küchenchef. Ich unterbrach ganz deutsch und unspanisch und erklärte die Situation. Zu meiner Erleichterung nickte die Angesprochene eifrig und ging mit uns gleich rüber. Natürlich funktionierte ihr Schlüssel nicht, weil der andere innen steckte. Aber sie hatte wenigstens die Autorität, gegen die Tür zu ballern und zu brüllen, dass man öffnen solle. Ein älterer Pilger schloss endlich auf. Na, das war ja noch einmal gutgegangen!
Mann, wir hatten die Doppeletappe geschafft und den Ruhetag in Santiago herausgeholt! Aber eines war klar: Solche Entfernungen wie heute kamen nicht weiter in Frage. Etwas über 20 km war die Grenze, vor allem bei voller Sonne. Wenigstens schliefen alle gut.
Ich habe notiert: 5h00 raus. Wegen der Hitze? 7h30 Morgengebet an der Kirche. Alle anderen Pilger waren wie üblich schon weg. Es war aber gerade erst hell geworden, die Sicht wohl nicht die Beste, denn ich verpasste im Ort die Abzweigung nach rechts. Das Stromverteilerhäuschen, das vom Handbuch erwähnt wird, habe ich nicht gesehen. Nach ca. 500 m aus dem Dorf heraus, biegt ein Pfad rechts ab.
Doch zunächst liefen wir spitzwinklig auf die N-525, die uns schon seit Santa Marta de Tera begleitete, zu und erreichten sie bei einem Komplex mit Tankstelle und Hotel. Dann geht es neben der Straße nach Mombuey hinein, immerhin hatten wir jetzt schon über 9 km weg. Am Ortseingang kommt rechts eine Dia-Reklame. Die kleine Filiale liegt zwar etwa 100 m abseits, aber hier kauften wir später Vorräte ein, da wir inzwischen wussten, was Dia alles so hat.
Ein Schild weist auf eine Touristeninformation hin, aber das ist nur Angabe, denn links von der Kirche stehen ein paar Schautafeln mit Information, das war's. Wegen der Sonne flüchteten wir in den Vorbau der Kirche und aßen so gut es ging auf zwei Steinbänken aus unseren Vorräten zu Mittag. Ein braungebrannter junger Pilger blieb kurz für einen Schwatz. Er war von Sevilla heraufgekommen, sah wild aus, wie ein arabischer Pirat. Den haute wohl nichts mehr um. Die normalen Pilger liefen in diesem Jahr schneller und weiter als wir, so dass wir zunächst keine Bekanntschaften machten.
Der nächste Ort war Cernadilla, wo Hedwig und ich vor 8 Jahren in einem kleinen 4-Betten-Refugio übernachtet hatten. Das gab es nicht mehr, wie ich wusste. Aber wir freuten uns auf den Dorfladen, in dessem kühlen Inneren wir manches Getränk zu uns zu nehmen gedachten. Ja, Fleite piepen, wie der Westfale sagt: das Haus fand ich auf Anhieb wieder, aber es war kein Laden mehr.
Noch 1,8 km! Jetzt zählten wir die Kilometer, nichts mehr von fröhlich die Hufe schwingen. 20 km war wirklich wohl unsere Tagesgrenze. Gegen 16h15 kam endlich Salvador de Palazuelo in Sicht. Jetzt fehlte nur noch, dass wir nicht unterkamen, die Herberge geschlossen war oder dergleichen.
Nach einiger Zeit hörte ich einen Bäckerwagen in der Ferne hupen. Tatsächlich hielt der einige Minuten später nur 100 m entfernt, ich gleich hin. Zu meiner Enttäuschung hatte er nichts zu trinken dabei (kein Schlummertrunk, schluchz), aber natürlich Brot und auf Nachfrage auch Speiseeis. Na bitte. Nun musste ich aber endgültig Wasser aus dem Kran trinken.
Die Frauen wuschen die Wäsche, ich fing an zu telefonieren. Zum einen reservierte ich vier Betten in der privaten Herberge "Casa Luz" in Puebla de Sanabria für anderntags. (Es ist immer ein herrliches Gefühl, wenn man unterwegs weiß, dass einem Betten sicher sind.) Dann wollten wir am Sonntag ein deutsch-spanisches Ehepaar aus unserem Heimatort treffen. Sie kamen dazu extra mit einigen Verwandten über 200 km aus dem Norden angereist. Nun waren wir ja einen Tag früher, also verabredete ich mich mit ihnen nicht in Puebla de Sanabria, sondern in Requejo. Damit war auch die Entscheidung gefallen, nicht wie bei den vorigen Malen von Puebla aus gleich bis Lubián zu gehen. Das hätten wir dieses Jahr ohnehin nicht geschafft, und so konnte ich auch wieder eine mir neue Herberge (die in Requejo) testen. Bald flatterte die Wäsche an den mitgebrachten Leinen kreuz und quer vor der Herberge.
Wir hatten ohnehin vor, den Kirchturm zu ersteigen, ließen also unsere neue Zimmerkameradin allein, damit sie in Ruhe duschen konnte, und besichtigten den kleinen Ort. Zu den Glocken ging es über eine Außentreppe am Kirchturm hoch. Von oben konnte man weit übers Land schauen.
Bei sinkender Sonne saßen wir alle zusammen. Nein, Arocío hatte keine Angst, allein unterwegs zu sein. So verbrannt wie sie war, musste man ihr glauben, von Sevilla aus unterwegs zu sein. Wir teilten die nicht üppigen Vorräte. Konni kreierte ein "Mandelbrot": eine trockene Weißbrotschnitte, in der ganze Mandeln aufrecht standen. Fand Abnehmer. Nachts wickelte sich Arocío, die nicht einmal einen Schlafsack dabeihatte, in einige Decken, die wir im Schrank in der Ecke gefunden hatten. Mich gruselte etwas, wie unhygienisch das war, denn Ärmel und Hosenbeine kannte sie ja auch nicht. Leider gab es hier ja auch keine Einmalüberzüge wie in Galicien. Wann wir denn morgen aufstehen wollten? 6 Uhr, sage ich fröhlich, da sehe ich Arocío das einzige Mal geschockt schlucken. Diese senilen Bettflüchter!
Ansonsten hatte ich eine ruhige Nacht. Da ich mein Schnarchen ja nicht höre. Mit dem beruhigenden Gedanken, dass wir morgen wieder alles bekommen konnten und uns auch um Betten keine Sorgen machen mussten, schlief ich ein. Um 5 Uhr knallt allerdings heftiger Regen an die Scheiben. Wir haben natürlich die Wäsche nicht draußen gelassen, und das Fenster ist mit Rücksicht auf unsere kleine Kameradin, die direkt darunter liegt, geschlossen. Also einfach noch einmal umdrehen und weiterschlafen.
Früh waren wir auf und schon um 7 Uhr an der Kirche zum Morgengebet. Arocío schlief noch und wollte den Schlüssel wegbringen. Wir haben sie übrigens nicht wiedergesehen, sie war wohl zu schnell. Bis Entrepeñas einsame Pisten in schöner Landschaft. Man sieht, warum der Ort "Zwischen den Felsen" heißt: eine Zeile Häuser steht auf einer Felsmauer, die parallel zur Straße verläuft. Marianne und ich turnten da oben entlang und schauten nach dem Stausee links aus, gingen aber zur Vorsicht bald wieder zur Straße hinunter, die an der Kirche vorbeiführte.
Am Ortsrand gab es ein Problemchen. Gelbe Pfeile auf dem Asphalt zeigten geradeaus. Andere wiesen halblinks auf einen Pfad, wo offensichtlich der Pilgerweg weiterführte. Ein Mann gab uns Auskunft: Dem Pilgerweg halblinks folgen (wie früher). Zwischendurch war dieser durch die Fernbahntrasse geschlossen gewesen, daher die (nicht mehr gültigen) Pfeile geradeaus. Tatsächlich kamen wir nach ca. 1 km unter der Trasse her.
Der nächste Ort war Asturianos, für den ich mir wieder ein Späßchen aufgehoben hatte, nämlich den mürrischen Wirt vorzuführen. Zugegeben, 9h20 ist etwas früh für eine Bar in der Pampa. Wir stellten unsere Rucksäcke schön brav draußen ab (so leicht wollte ich es dem Wirt nicht machen), da eilte ein Anwohner an uns vorbei zum Eingang der Bar hin und sagte: "Ist wohl noch geschlossen." Er kam aber rein. Wir näherten uns der Tür, da schaute der mürrische Wirt raus: "Cerrado!" blaffte er und guckte blöd, als wir loslachten. Wie vor 8 Jahren! Ein Blick hinein zeigte aber, dass die Bar umgebaut wurde. Sie war also permanent geschlossen. Muss einem ja nur freundlich gesagt werden.
Pause an der Kirche in Otero de Sanabria . Hier prangt über dem Eingang eine Skulptur, die Raimund Joos unbedingt als "Höllenrelief" deuten will. Obwohl ich schon vor Jahren Zweifel anmeldete, steht das immer noch im Handbuch. Dieses Jahr wollte ich es wissen und Einheimische fragen. Leider niemand auf der Straße, Siesta.
Während sich die Pilgerschwestern ausruhten, schweifte ich unruhig umher, hatte ich doch in Iberpix nicht eindeutig herausgefunden, wie weit von hier die C-622 direkt nach Puebla de Sanabria führt. Nun, es ist ganz einfach. Wenn man zur Kirche kommt, musse man nur etwa 50 m weiter halblinks in eines der Dorfsträßchen und stößt sofort auf die gesuchte Fernstraße, die in Palacios die N-525 abgelöst hat. Ich hatte aber doch keine Lust, auf der C-622 abzukürzen, denn viel bringt das nicht, sagt Iberpix. Also doch den Umweg über Triufé. Das haben wir auch nicht bereut.
Die anderen waren einverstanden, den üblichen Pilgerweg mit dem Umweg unter der Autobahn hindurch nach Triufé zu nehmen. Zunächst verlief die Straße sehr hoch und bot eine herrliche Sicht. Puebla de Sanabria versteckt sich aber hinter einem Hügelvorsprung, nur die Antenne auf der Höhe verrät die Lage. Da kam ein alter Mann dahergestapft, offensichtlich ein Einheimischer. Letzte Chance, das Relief zu deuten! Ich sprach ihn an, erklärte das Problem. War es nun die Hölle, die da dargestellt wurde? "El infierno? No, no, el purgatorio naturalmente!" (Die Hölle? Nein, nein, das Fegefeuer natürlich!) war seine Reaktion. Das war der Beweis, ich triumphierte. Also, Raimund, jetzt bitte die Korrektur im Handbuch ;-) Rechthaberei hält einen doch so richtig munter.
Der Kontrast jüngst renovierter Gebäude zu den teils zusammengefallenen Ruinen war enorm. In diesem Ort haben betuchte Leute viele alte Häuser wieder aufbauen lassen, weil es hier doch noch billiger ist als in dem bekannten Puebla de Sanabria, dem "Rothenburg" dieser leon-kastilischen Westprovinz.
Das deutsche Pilgerpaar, das wir schon zwei-dreimal getroffen hatten, bekam wohl ein eigenes Zimmer. Uns quartierte man zu zwei älteren Herren ein, die wohl Katalanisch sprachen, und uns schon aus Rionegro bekannt waren (die "Türabschließer"!).Einer von ihnen sagte mir, dass sein Kumpel praktisch kein Castellano könne. Ich war etwas verstimmt, dass ich wieder mal oben schlafen musste, man wird schnell anspruchsvoller.
Draußen ein großer, teils überdachter Hof mit Tischen und Stühlen. Dahinter Toiletten, Waschbecken und Duschen für Herren, recht großzügig. Um so kleiner der Damen-Wasch-Dusch-und-Toilettenraum, erzählten die anderen. Nun, wir wollten hier auch keinen Urlaub machen. Mit 12 € ist die Übernachtung hier nicht ganz billig. Es gab auch keinen Ansturm. Ich habe nur noch zwei Niederländer (wohl Vater und Sohn) gesehen. Bis 23 Uhr Ausgang.
Leider liegt die Herberge noch ca. 400 m vor dem Fluss, über dem die Altstadt auf Felsen emporragt. Es war später Nachmittag. Auf dem Plan war (nach dem Wäschewaschen noch): Abendessen, Kirchgang, Besichtigung der Altstadt. Das bekamen wir zeitlich nicht mehr hintereinander. Ich wurde wie üblich zum Schnüffeln losgeschickt. Oha, etwas weiter war rechts ein Laden von Dia und - ich traute meinen Augen nicht - eine Kirche gleich um die Ecke. 20 Uhr Abendmesse. Damit war schon klar, dass wir nicht zur Altstadt hoch in die Kirche mussten. Auf dem Rückweg kam ich an einem Restaurant "La Trucha" (wieder mal) vorbei. Hm, Menü 12 €. Ich ging rein und fragte, was sie sonst noch anböten, 12 € wäre mir zu viel. Die junge Bedienung sagte sofort: "Für Pilger 10 €, Sonderpreis beim Menü." Na super, damit waren wir dabei.
Ich ging zu den Pilgerschwestern zurück. Außer Konni werde es sowieso keiner mehr in die Altstadt nach oben schaffen, meinten diese, also war die gestrichen. Natürlich schade, aber Hedwig und ich kannten sie ohnehin ja schon. Also 20 Uhr in die Messe, 21h45 Pilgermenü. Das Restaurant war wirklich eines, mit gehobenem Mobilar und einem vornehmen Kellner. Ferner eine respektable Menü-Karte. Marianne bestellte was ganz Ausgefallenes, das 2 € zusätzlich erforderte, war es aber auch wert. Sonst kaum Gäste. Das deutsche Pilgerpaar und noch zwei weitere. Der Kellner war freundlich und servierte alles in feinen Tonschüsseln. Es schmeckte toll. Nur mein kleiner Trick mit dem "Bier extra" funktionierte nicht, das musste ich dazubezahlen. Fand ich aber in Ordnung. Insgesamt sehr zu empfehlen.
Um 6 Uhr sind wir aufgestanden und haben Licht gemacht. Das hatte ich mit den beiden Katalanen abgesprochen. Hedwig klagte über schlimme Schmerzen im Oberschenkel. Hatte sie zu Hause auch, eine Folge ihrer Krankheit. Der Witz war, dass es beim Laufen wegging. Man verlässt die Herberge durch eine Gartentür hinter dem Haus. Morgengebet an der nahen Kirche. Dann verzichteten wir abermals darauf, zur Altstadt vor uns hoch- und auf der Rückseite wieder hinunterzuklettern, sondern folgten der Straße rechts um die Höhe herum, bis rechts die alte und die neue Brücke über den Fluss gingen.
Nun passierte etwas Seltsames, das sonst nur in Witzen vorkommt. In dem Hallo der Begrüßung der eintreffenden Bekannten und Verwandten, die jede Menge Behälter mit Essen und Trinken mitgebracht hatten, fiel eine ältere "Tante" zunächst gar nicht auf, bevor jeder (genau wie im Witz) fragte: "Gehört die zu euch?" Äh, nein, die kannte keiner. Evtl. eine Pilgerin, die zufällig eben miteingetroffen war? Eine etwas genauere Musterung der grauhaarigen, dick vermummten kleinen Gestalt ergab: eine Pilgerin konnte das auch nicht sein, da sie als einzige Habe einen blauen Müllsack dabeihatte. Sie setzte sich auf einen Stuhl und sah zufrieden zu, wie die Essensvorräte ausgepackt wurden. Irgendwie kam sie mir bekannt vor, und dann fiel mir die alte Frau an der N-525 vor Terroso ein: das war sie gewesen. Sie hatte offenbar auf vorbeiziehende Pilger gelauert und war uns aus der Ferne nachgelaufen, um hier an der Herberge "zuzuschlagen".
Dann kam die Herbergsmutter herein, und ich befürchtete schon, sie werde die Französin in den Regen hinausjagen. Als ich sie schonend vorbereitete, dass das wohl keine Pilgerin mit Ausweis sei, schrie sie auch schon "Raus!". Ich meinte "Pilgerausweis", aber die Herbergsmutter verstand "Personalausweis". Nein, nein, letzteren hatte Marlies ja und hielt ihn gleich der strengen Hausherrin unter die Nase. "Zahlen kann sie wohl nicht" sagte diese zu sich selbst, trug sie aber ein. Sie hätte auch noch fehlendes Bettzeug beanstanden können, und Einmalbezüge gab's auch nicht für sie. Die hätte man Marlies schenken sollen, denn so schlief sie später in ihren Kleidern, und die herumfuhrwerkenden Hände deuteten darauf hin, dass es sie überall juckte. Vor Abscheu, nicht aus Solidarität schlief ich diese Nacht ebenfalls in voller Montur.
Gegen 17h50 verabschiedeten sich unsere spanischen Freunde. Das deutsch-spanische Paar lebt den Sommer über in Spanien, im Winter in unserem Heimatort. Dort haben wir uns mit ihnen im November 2015 getroffen und gemeinsam die Bilder angeschaut...
Aber zurück zu diesem Tag! Nach der üblichen Routine, duschen und etwas Wäsche waschen, saßen wir noch zusammen, gingen aber früh ins Bett. Draußen blieb es regnerisch, so dass man nichts anderes machen konnte. Unsere Gedanken kreisten aber immer wieder darum, wie wir mit Marlies, der Streunerin, umgehen sollten, ohne sie menschenunwürdig zu behandeln. Die Stimmug war gedrückt, obwohl wir heute Nacht alle untere Betten hatten.
Eine letzte Beobachtung gibt es noch zu berichten: Irgendwann am Abend holt unsere Zwangsfreundin aus ihren weiten Ärmeln ein Smartphone raus und daddelt wie jeder normal betuchte Europäer. Mich beschlich der Verdacht, ob es sich bei Marlies nicht um eine Abenteurerin handelte, die "die Via de Plata ohne Geld" lief, um anschließend ein Buch mit diesem Titel zu schreiben. Ähnliche Werke gibt's ja übergenug. Wo sollte sie sonst das Geld für den Telefonvertrag herhaben?
Am Morgen wird Marianne wach, weil Marlies an ihrem Bett sitzt. Sie wollte nichts Böses, nur Frühstück. Wir fahren auch hoch. Nach der Morgentoilette gibt's die üblichen Schnitten und Kaffee. Marlies schaut zu, da muss man einfach was abgeben. Als sie auf der Toilette verschwindet, frage ich die Pilgerschwestern, ob wir ihr nicht etwas Geld geben sollten. Sie haben gerade dasselbe gedacht, jede hat schon 5 € in der Hand. Marlies freut sich sehr und überlegt sichtlich, welche Köstlichkeiten sie sich nun leisten kann. Soll sie, mir tut sie einfach leid.
Ich freute mich auf die schönste Etappe der Tour, aber es gab zwei Überraschungen, weil der Weg wegen dem Eisenbahnbau provisorisch, aber gut ausgezeichnet verlegt war. So standen wir enttäuscht am Ortsausgang von Requejo vor einer Sperre und mussten rechts zur Nationalstraße hoch, kamen an dem Hotel Tu Casa heraus. Der Traum von der schönen Schlucht für den Aufstieg war vorbei.
Statt dessen liefen wir also die N-525 entlang auf den Pass zu. Man muss zugeben, dass dies der schnellste, einfachste und kürzeste Weg ist, aber ein Pilger zieht ja normalerweise Pfade durchs Grün vor, auch wenn sie anstrengender sind. So kamen wir jedenfalls schnell vorwärts, bei kühlem Wind, in den sich bald auch Regentropfen mischten. Es folgte das einzige Mal, dass wir in diesem Jahr unsere Regenumhänge etwas länger brauchten. Hinter uns folgte hartnäckig ein Schatten.
Wir kamen an der Stelle vorbei, wo die alte Nationalstraße nach links zu dem Bergwerk abzweigte, bei dem man rauskommt, wenn man die Schlucht hochgestiegen ist. Bis dahin waren wir noch völlig frisch und ausgeruht. Ca. 1 km weiter folgte dann die Stelle, wo die alte Straße, also der Pilgerweg, die neue N-525 fast berührt. Dort hatte ich 2005 vom Pilgerweg auf die Nationalstraße gewechselt, um durch den Tunnel zu laufen. Diesmal war es umgekehrt. Ein großes Schild wies nach links, und wir stolperten froh den Abhang hinunter auf den ausgeschilderten Pilgerweg, also die alte Nationalstraße.
Ein wenig später konnten wir schon die Regenumhänge wieder einpacken. Ein junger Pilger zog vorbei. Irgendwas fehlte, bis es uns einfiel: unser "Schatten" war verschwunden! Marlies war uns nicht von der N-525 auf den Pilgerweg hinunter gefolgt. Sie hatte evtl. Bedenken vor unwegsamem Gelände, denn sie hatte nur sehr leichte Halbschuhe, fast Sandalen. Also blieb sie auf der Fernstraße zurück, und wir sahen sie nicht wieder. Ob sie wohl zurückgegangen ist, um andere Pilger anzuschnorren? Nun, das war nicht unser Problem, sie war ja "gut organisiert". Etwas erleichtert zogen wir weiter.
| Es ist doch ein abenteuerlicher Weg, unter der Brücke der N-525 hindurch, dann unter dem Doppelbogen der Autobahn her in einem riesigen Linksbogen auf den Pass zu. |
Die alte Straße hoch |
Wenn man aber oben auf dem Pass an der Kreuzung steht, geht die alte Nationalstraße nicht halblinks, sondern geradeaus weiter und - das führt in die Irre - keineswegs in Richtung des Tales, sondern quer dazu oberhalb der Tunnelausfahrt entlang und erst dann im Linksbogen steil hinunter zur neuen N-525. Das ist der Weg, den das Handbuch meint.
Vor 8 Jahren und dieses Mal auch wollte ich "halblinks" ab, und das war ein Geröllweg der steil hinunter in Richtung Tal verläuft, und den nimmt man deshalb instinktiv. Haben mir auch andere Pilger geschrieben. Ich registrierte nur am Rande, dass die Natur hier die "alte Nationalstraße" (war sie ja gar nicht) schon recht verschlungen hatte. Der Weg endet ca. 500 m weiter an der neuen N-525, auf der ich 2005 dann weitergelaufen war. 100 m nach der Autobahnbrücke folgt ein Betonweg links nach Pardonelo hinunter. Das ist die zweite Möglichkeit, meines Erachtens nach die einfachste, auch wenn man im Vergleich zur Variante 1 300 m die neue Nationalstraße läuft.
Damals hatte ich in meinem Bericht reklamiert, dass der im Handbuch angegebene Betonweg erst nach 500 m, nach Überquerung der Autobahn, kam und nicht gleich nach Erreichen der neuen N-525. Aber das lag an der Verwechslung der Wege oben an der Kreuzung.
Schon 2007 hatte ich gesehen, dass bei der Einmündung der Geröllpiste in die neue N-525, halblinks wieder eine Piste steil hinuterführte, aber keine Betonpiste. Sie ist mit einem Weidetor versperrt, das man aber auf- und wieder zuklinken kann. Ich hatte es damals nicht gewagt, mich dieser anzuvertrauen, aber inzwischen schrieb mir ein Pilger, dass man auch auf dieser Piste Pardonelo erreicht. Sie verläuft gut 1 km links von der N-525, dann links von der Autobahn, und erst ganz zum Schluss kann man durch einen Tunnel die Autobahn nach rechts unterqueren. Dahinter muss man in den Ort hochlaufen, denn es geht recht tief hinunter. Das ist auch der Nachteil dieser Variante, denn auch vom Ort aus muss man ja zur N-525 und das heißt, noch weiter hoch.
Bald zogen wir weiter und warteten auf eine Abzweigung nach rechts in Richtung Lubián. Aber dann kam eine riesige Baustelle, und wieder (zweite Enttäuschung) war der Pilgerweg gesperrt, ging auch nicht mehr über Aciberos. Die allerdings gute Auszeichnung führte uns links an der N-525 entlang, bis diese in der Autobahn endete, dann weiter neben dieser bis zum "Tunnel von Aciberos", durch den wir die Autobahn unterqueren konnten.
Die Herberge wird gut aufgepasst, und man hat auch versucht, den Wasserschaden durch eine Reparatur zu beheben. Hat nicht ganz geklappt. Das Wasser von der Dusche läuft jetzt an einer anderen Stelle durch die Wände und tropft vor der Eingangstür unten herunter.
Wir hatten noch viel Zeit, den Ort zu besichtigen. Den Einkaufsladen gibt es gottlob noch. Seinem Besitzer erzählte ich, dass ich nun zum dritten Mal bei ihm einkaufe und wie wichtig der Laden sei. Er küsste mir fast die Hände, holte stolz seine Frau dazu.
Abends wurde in der Küche gekocht, wir waren guter Dinge. Hedwig und Marianne hatten draußen Pflaumen aufgesammelt. Die aß ich lieber nicht.
In der Nacht werde ich 3h23 von einem bekannten Brustschmerz geweckt, wie letztes Jahr in genau der gleichen Situation, auch zur gleichen Zeit. Die Schmerzen sind stark. Evtl. habe ich zu viel gegessen und/oder zu wenig getrunken. Ich nehme eine Tablette gegen Magensäure, nuckele an der Wasserflasche, sitze auf der Bettkante, laufe vor der Schlafzimmertür vorsichtig und leise herum. Der Schmerz ist eben auszuhalten, wird durch das Wasser in Grenzen gehalten, aber sobald ich mich hinlege, wird er stärker. (Dann kann mehr Magensäure an die schmerzende Speiseröhre.) Ich meditiere, bete, gerate nicht in Panik, wecke niemanden. Die Zeit vergeht, ich nicke im Sitzen etwas ein. Langsam dämmert es draußen. Auf einmal steht Hedwig vor mir, es ist 6 Uhr. Ich erkläre die Situation, da geht in diesem Moment der Schmerz schlagartig weg. Die Tablette, die ich vor Stunden genommen hatte, musste die Produktion der Magensäure endlich gestoppt haben. Gottlob kamen diese Schmerzen auf unserer diesjährigen Pilgerfahrt nicht wieder. Ich hatte die Situation bewältigt, ohne wieder im Krankenhaus zu landen. Ich war grimmig stolz und hatte beim Morgengebet einiges zu danken.
An dieser Kirche hat es 2005 viel Aufregung gegeben, weil der Pilgerweg geradeaus weiter verlief, also die Kirche links liegen ließ, wie es jetzt noch im Handbuch beschrieben ist. Trotzdem prangte am Mauerwerk links von der Straße ein gelber Pfeil in Richtung Kirche nach links. Damals suchten wir den Weg vergeblich in dieser Richtung und landeten vor Stacheldraht und im Gebüsch, bis wir einsahen, dass der Pfeil in die Irre führte. 2007 liefen wir gleich geradeaus.
Zur Abwechslung dann wieder Landstraßen bis O Cañizo. Ortsmitte, 21,2 km, Hedwig war fertig, Marianne auch so ziemlich. Nur noch 3,5 km bis zum Ziel, aber nichts mehr zu machen. Was tun? Etwas weiter saßen zwei alte Leute auf einer Bank. Ich sprach sie an, ob sie mir eine Telefonnummer für ein Taxi geben könnten. Da trat gerade ein jüngerer Mann aus der Tür eines benachbarten Hauses, den sie gleich herbeiriefen. O diese hilfreichen Spanier! Der junge Mann gab mir gar nicht erst eine Nummer, sondern rief gleich einen Bekannten an, der ein Taxi hatte, und ich hatte mich gerade erst bedankt, als das Taxi schon vorfuhr. Da war ich platt. Konni und ich wollten wieder laufen. Zur Vorsicht bezahlte ich das Taxi lieber im Voraus. 5 €, da war ich wieder platt und gab 6 €. Da waren alle glücklich, einschließlich des Taxifahrers.
Ganz ehrlich, die weiteren 3,5 km sind selbst Konni und mir sehr schwer gefallen. Zwar erreichten wir noch nach 1 km frohgemut die N-525, aber als wir A Gudiña noch so weit in der Ferne sahen, seufzten wir doch etwas.
Ich machte mir Sorgen, ob der Pilgerweg morgen wohl wegen der Fernbahntrasse gesperrt sei. Ich hatte von einem happigen Umweg für Fußgänger gelesen, wollte dann lieber über Verín gleich nach Laza (und Campobecerros damit schweren Herzens überschlagen). Nun, es kamen gleich mehrere Herbergsbetreuer und teilten zu meiner Erleichterung mit, dass der Pilgerweg nach Campobecerros frei sei. Also mussten wir nicht über Verín, wohin ich mit dem Bus gefahren wäre.
Beim Abendessen hielten wir Rat. 20,7 km morgen wieder mit einem langen Aufstieg schien nach den Strapazen der vergangenen Tage nicht machbar. In Richtung Campobecerros kann man auch mit dem Regionalzug fahren, aber mit einem Taxi ist man viel flexibler, und bis Venda Teresa ist das auch nicht wesentlich teurer. Bis dorthin wollte ich nämlich morgen die Tour abkürzen. Ich schlug vor, Marianne und Hedwig mit einem Taxi vorauszuschicken. In Venda Teresa konnten sie auf Konni und mich warten. Aber Hedwig wollte das nicht, wir sollten zusammenbleiben. Ich schluckte: Ich im Taxi? - Aber immerhin konnte ich froh sein, dass wir dieses Jahr überhaupt noch einmal pilgerten. Also sagte ich zu. Eine Telefonnummer war kein Problem, es hingen genügend viele Reklamen in der Herberge.
Ein junger Mann sprach uns an: Er wohne hier in der Gegend und suche Kontakt zu Pilgern. Hatte also gar nicht das Recht, hier in der Herberge rumzulungern. Er machte einen etwas ungepflegten und verwirrten Eindruck. Wir dachten an die Streunerin Marlies und waren froh, als er sich wegen der Sprachbarriere doch lieber an spanische Pilger wandte. - Nachts hatte ich gottlob keine Brustschmerzen. Na, also!
Wir konnten es an diesem Morgen etwas gemütlicher angehen lassen. Der Aufbruch der Pilger verteilte sich, da mindestesn die Hälfte Radfahrer waren und noch schliefen, als wir als letzte der Fußpilger aufbrachen. Es war in diesem Jahr auf dem Camino Sanabrés allgemein so, dass es nur wenige Fußpilger gab, dass andererseits die Radfahrer alles dominierten. Das tat der Atmosphäre nicht gut. Immerhin schienen auch die Radfahrer im Vergleich zu früheren Jahren disziplinierter und kamen nicht lautstark betrunken nachts in den Schlafsaal, wo alle Fußpilger längst in den Federn lagen, wie ich das sonst erlebt hatte.
Der sehr freundliche Fahrer brachte uns vier ohne Aufhebens nach Venda Teresa. Wir waren froh, dass wir alle samt Rucksäcken in ein einziges, normalgroßes Taxi passten. Unterwegs fuhren wir an mehreren Fußpilgern vorbei. Der verdächtige junge Mann war in Begleitung darunter. Als wir Juan überholten, bekam ich etwas rote Ohren. Ein anderes Pilgerpaar bestand aus einer langen, dünnen Gestalt und einer kleinen, rundlichen. Ich tippte auf das andalusische Ehepaar, lag aber falsch.
Venda Teresa ist das Dorf, zu dem man von der Höhenstraße nach links abzweigt. Ich erkannte alles wieder. Hier hatte uns vor 8 Jahren ein großer Hund erschreckt. Ich meine, das Taxi kostete 10 €, geteilt durch 4 ist das ja nicht teurer als eine Busfahrt. Der Himmel war bedeckt, ja, wir waren knapp unter den Wolken und sahen zunächst hauptsächlich den Stausee in der Tiefe. Im weiteren Verlauf des Tages verdunsteten die Wolken, und wir konnten die schöne Gebirgslandschaft genießen. Nach dem Aufstieg nach Venda Teresa, den wir uns geschenkt hatten, ist es ein einsamer Weg auf ca. 1.000 m Höhe über die Berge, mit geringem Auf und Ab. Ohne Probleme zogen wir durch das Dorf und erreichten später die Höhenstraße, die von der vorigen Landstraße abgezweigt ist, da diese nach unten zum Stausee geht. Links wurde jetzt öfter die Eisenbahnstrecke nach Ourense sichtbar. Zum Teil gab es auch schon Baustellen für die neue Trasse.
Hinter dem Ort kommt man zu einem kleinen Pass mit ein paar zerzausten Kiefern. Danach schwingt sich der Weg bis Campobecerros in langen Linksschleifen um Bergnasen herum immer abwärts. Der kleine Pass blieb hinter uns noch lange sichtbar. Inzwischen kam das Schild mit dem Bild einer Fotokamera, das hieß "schöne Aussicht". Hier konnte man nach links noch weiter nach oben abzweigen, um später vor Campobecerros mit einem sehr mühevollen Abstieg wieder auf der Höhenstraße zu landen. Wie vor 8 Jahren schenkten wir uns das und blieben auf der Asphaltstraße. Ich plauderte intensiv mit Juan, erst auf Spanisch, dann, als mir das Vokabular fehlte, um ihm von meinen Studien und meiner früheren beruflichen Arbeit zu erzählen, wechselte ich auf Englisch über. Er war auch schon den portugiesischen Weg gelaufen und konnte etwas Portugiesisch. Endlich hatte ich auch jemanden, der mein Spanisch korrigierte. So kamen wir schneller als gedacht kurz vor 14 Uhr nach Campobecerros rein.
Der Schlafsaal mit 18 Betten umfasst einen großen Saal in L-Form. Vorn sind zwei Tische als provisorische Anmeldung. Keinerlei sonstige Sitzgelegenheiten, kein Aufenthaltsraum, aber vom hinteren Teil des Schlafraums aus kann man an den Duschen und Toiletten vorbei eine Terrasse mit noch roh gemauerten Wänden erreichen. Dort sind genügend Tische und Stühle, außerdem Wäscheleinen. Wenn es nicht regnet, löst das das Platzproblem. Ein Doppelstock verstellte eine weitere Tür, hinter der sich sicher der vorgeschriebene Behindertenraum befand. Nun ja, auch in Deutschland ist es (Un)Sitte, dass manches genau zur Bauabnahme vorhanden ist und danach wieder verschwindet bzw. umgenutzt wird. Insgesamt kann man für 8 € nicht meckern, aber die Herberge kann sich natürlich nicht mit der Casa Nuñez messen.
Wir waren kaum eingetroffen, da fuhr draußen schon wieder eine nervige Radfahrergruppe vor, die vor uns alles belegte. Ein Begleitfahrzeug transportierte ihr Gepäck. Tja, ist in einer privaten Herberge alles erlaubt. Dann schauten eine lange, dünne und eine kleine, rundliche Gestalt von draußen rein. Die hatten wir unterwegs überholt. Es waren zwei ältere Pilgerinnen aus den Niederlanden, die eine davon aber Deutsche. Sie schauten nur kurz entsetzt auf das Gewimmel, mit dem sich die Radfahrer einrichteten, hätten zu uns hinten gemusst. Gleich drehten sie lieber ab und gingen zur Casa Nuñez rüber. Dort sind sie auch untergekommen, also nicht alles von Bauarbeitern belegt, wie im Handbuch befürchtet.
Nun hatten wir viel Zeit, kauften noch bei Rosario ein, die nebenbei noch einen kleinen Laden im Nebenraum der Bar unterhält. Die Frau ist voller Energie, dabei freundlich und persönlich, kann auch etwas Deutsch. Der Himmel bewölkte sich immer mehr. Wir schafften noch ein gemütliches Abendessen auf der Terrasse, dann fing es an zu regnen, dass wir schnell die Wäsche reinholten. Sonst gab es keine Probleme, auch nicht mit den Radfahrern.
Noch einmal ein Anstieg bis zu einem Sattel. Immer noch hatten wir laut Handbuch eine Höhe von 1.000 m. Wir kamen am Beginn eines riesigen Tales heraus. Rechts unten wieder Tunnelbaustellen. Ein kleines Dorf (Trez) auf einem Bergvorsprung jenseits des Tales, viele Kilometer vorher und nachher zu sehen. Wieder wand sich der Weg in langen Schleifen um Bergausläufer herum, dabei ging es immer tiefer.
Der weitere Weg verläuft längs über einen Sattel, von dem aus es sowohl rechts als auch links sehr steil nach unten geht. Nach einiger Zeit geht es zu einer Landstraße hinab, der man dann einige Kilometer immer steil bergab folgt. Am Rand der Straße parkte ein Bäckerwagen, hatte aber nichts, was uns spontan gelockt hätte. Nach langer Zeit kam man oberhalb von Laza heraus, war aber immer noch sehr hoch und folgte nun einem schmalen Fußweg steil rechts nach unten. Endlich hatten wir die Talsohle erreicht und liefen durch Gartenanlagen und Felder zu einer Landstraße, die nach links in den Ort führte. Ein einziges Mal kamen unsere ewigen Warnrufe untereinander zu spät: Marianne übersah eine Asphaltkante und schlug lang hin. Hatten wir anderen auch schon alle hinter uns, nur nicht dieses Jahr. Gottlob hatte sie außer einigen blutigen Schrammen nichts abbekommen, aber der Schreck war nicht nur ihr in die Glieder gefahren.
Nach Beginn der Bebauung biegt man rechts in den Ort ab, folgt einem sanften Rechtsbogen entlang der Häuserzeile bis zu dem großen Platz im Zentrum, dem Rathausplatz, an dem gegenüber die Kirche liegt, und hält sich weiterhin halbrechts, bis man Apotheke und Rathaus erreicht. Der Polizeiposten des Zivilschutzes, dessen Eingang etwas versteckt im Rathaus liegt, war weiterhin für die Schlüssel zuständig. Es gab Stempel in die Ausweise, dann zahlten wir und erhielten einen Schlüssel für den "roten Schlafraum".
Die Schlafräume sind farblich gekennzeichnet wie die zugehörigen Schlüssel. Sie haben jeweils 8 Betten, also 4 Doppelstockbetten. Das einzige winzige Fenster habe ich schon vor 8 Jahren in meinem Bericht erwähnt. Wir hatten wie gesagt den roten Schlafraum, das ist der letzte, weil wir die ersten Pilger waren, die heute eintrafen. Wir nahmen vorläufig brav die 4 Betten am Fenster, so dass ich wieder mal oben schlief. Tatsächlich wies man uns später noch einen einzelnen Radfahrer zu, mit dem es zwar auch keine Probleme gab, aber nur unter uns waren wir dadurch nicht mehr, wie wir gehofft hatten, wenn man schon mal nicht in einem riesigen Saal unterkommt. Die Herbergen pflegen inzwischen alle aus Kostengründen die Pilger zunächst einem ersten Saal zuzuweisen und erst dann einen zweiten aufzuschließen, wenn der erste voll ist. Vor 8 Jahren war das in Laza schon so, aber noch die Ausnahme, inzwischen praktisch überall. Muss man verstehen.
Da wir die ersten waren, konnte ich in dem guten Waschraum ungestört eine Duschorgie veranstalten, das tat tut. Es dauerte nicht lange, da kam der unvermeidliche Fahrradtrupp durch die Eingangstür und - das brachte mich in Rage - sie nahmen ihre Fahrräder mit in die Herberge hinein, was laut Schildern ausdrücklich verboten war. Die Verständigung klappte nicht. Nach ein paar Aufklebern schienen sie Esten zu sein. Ich gestikulierte "Bicis fuera!" (Räder raus), man winkte beruhigend ab und nickte. Tatsächlich wurden die Räder später wieder hinausgebracht und im Innenhof alle mit Ketten zusammengeschlossen. Am Ende war ich froh, dass wir nur einen einzelnen (spanischen) Radfahrer "abbekommen" hatten, mit dem man auch sprechen konnte.
13h45 hatten wir uns eingerichtet, und ich scheuchte die Pilgerschwestern in den Ort, denn evtl. hatten wir noch die Chance, hier ein Mittagessen zu bekommen. Wir hatten großes Glück. Ich weiß gar nicht, warum wir am Rathausplatz den engen Rechtsbogen um die Kirche herum machten. Jedenfalls kamen wir an der Durchgangsstraße, wo auch der Pilgerweg herführt, auf dem kleinen Platz Praza da Picota heraus, und rechts liegt dort die Café-Bar Picota mit Mittagsmenü für 9 €, 13h00 bis 15h30, Bauch, was willst du mehr? Abends 19h00 - 22h00, sonntags geschlossen! - Drinnen war es gerammelt voll mit Einheimischen, bestes Zeichen, aber wir bekamen sofort Platz. Ich habe nicht notiert, was es gab, aber es war prima.
Gegenüber ging eine kleine Straße in Richtung Rathausplatz. Die war ich die früheren Male gekommen und war dann nicht hier am Supermarkt rechts ab auf die Durchgangsstraße abgebogen, sondern links am Supermarkt vorbei geradeaus weitergelaufen. Jetzt wusste ich, was für einen Fehler ich damals gemacht hatte, aber die Beschreibung im Handbuch ("vor einem kleinen Platz") ist auch schwer verständlich. Welcher Platz ist gemeint? Von der Herberge aus geht der Pilgerweg zur Praza da Picota genauso so, wie wir gekommen waren (im engen Rechtsbogen um die Kirche herum) und dann einfach die Durchgangsstraße weiter, bis man später auf die Landstraße stößt. Wer aber beim Zivilschutz den Schlüssel wegbringt, läuft gegenüber der Kirche am Rathausplatz entlang in eine parallele kleine Straße, die dann am Supermarkt auf die Durchgangsstraße stößt. Dort also dann rechts ab.
Statt dessen wollte ich morgen dort doch geradeausgehen, also wie in den früheren Jahren, weil ich eine neue Variante ausprobieren wollte. Doch davon bei der nächsten Etappe mehr. In der Herberge zurück besorgte ich mir einen Stuhl aus dem Aufenthaltsraum, um nachts ohne Schwierigkeit in das obere Bett zu kommen. Das ging auch prima. Bis 0h20 johlten einige Jugendliche auf dem benachbarten Sportplatz, sonst war die Nacht ruhig.
6h30 standen wir auf, hatten mit dem Radfahrer verabredet, Licht machen zu können. Morgengebet an der Kirche. Von dort zur Wegewacht. "Haben Sie einen blauen Kuli?" frage ich dort. Sie haben einen, und ich stecke ihn gleich ein, hatte ihn gestern hier liegen lassen. Dann liefen wir zum Rand des Rathausplatzes. Der Pilgerweg kommt hier von links in die Stadt (so waren wir gestern eingetroffen) und verläuft links am Rathausplatz entlang auf die Durchgangsstraße und den Supermarkt "Tilde" zu. Dort müsste man rechts abbiegen, aber ich wollte ja eine neue Variante ausprobieren, und so überquerten wir die Straße und gingen geradeaus zur Landstraße OU-113.
Etwas später zogen wir durch den Ort. Ein "hilfreicher" Spanier hielt uns einen ungebetenen und unverständlichen Vortrag über eine Heiligenstation, dann bogen wir am Ortsende halbrechts in ein Tal ab, während die Landstraße dort anfängt, sich die Berge emporzuwinden. Mit Iberpix habe ich geklärt, ob es sich nicht lohnt, einfach auf der Straße zu bleiben. Es ist etwa gleich weit, weil die Straße einige große Schleifen macht, man auf dem Pilgerweg dafür aber einen Rechtsbogen über Tamicelas läuft. Zu meiner Überraschung muss die Straße aber bis auf 950 m steigen, während sich der unwegsame Aufstieg hinter Tamicelas einen Einschnitt hochquält und hinter dem höchsten Punkt bei nur 850 m wieder auf die OU-113 stößt, die demnach bereits wieder 100 Höhenmeter abwärts verlaufen ist. Also: Man spart Höhenmeter. Außerdem ist der Weg schöner (tolle Aussicht) und ungefährlicher, denn gerade der spärliche Verkehr auf der Landstraße rechnet kaum mit Fußgängern. - Bald überholten wir B&C wieder, die am Pistenrand Pause machten.
Man muss weitere vier kurze Steigungen überwinden, und man hat schon fast die Hoffnung aufgegeben, dass das enden wird, wenn man unvermittelt auf der Landstraße herauskommt. Rechts liegt dann Alberguaría, das man auf der OU-113 in wenigen Minuten erreicht. Keiner merkte, dass wir gerade die 200-km-Grenze überschritten hatten.
Wir hatten noch genug Zeit, den kleinen Ort, der das reinste Museum ist, zu besichtigen. Weitere Pilger kamen nicht, so dass unsere zwei Gruppen jede ihr eigenes Zimmer hatte - und einen eigenen Balkon oberhalb der Straße, wo wir zum Abend hin noch gemütlich saßen. Einzige Einschränkung war, dass mich wieder meine Allergie plagte, und einige der Pusteln sahen gar nicht wie sonst aus, sonst nach - schluck - Insektenbissen. Das drückte etwas meine Stimmung.
Nach dem gestrigen anstrengenden Tag wollten wir nichts riskieren, denn ich wusste, dass vor Vilar de Barrio noch ein happig steiler Abstieg kam. Statt dessen war mal eine legere Etappe angebracht, und da reichte es, von Vilar aus zu starten. Nach dem Frühstück und der Morgenandacht ging ich also zu Luis und bat ihn um eine Taxiadresse. "Braucht ihr nicht," sagte er ganz gemütlich, "ich fahre nachher sowieso in die Stadt zum Einkaufen, da könnt ihr mitfahren." Da war ich wieder baff über so viel Freundlichkeit. - Bald kurvten wir also in seinem kleinen Lastauto durch die Berge. Der steile Abstieg des Pilgerwegs zur OU-1104 kürzt für Fußwanderer einen großen Linkssbogen der OU-113 durch mehrere kleine Dörfer ab, deshalb schien die Entfernung auch größer als nur gut 7 km. Ohne Probleme setzte Luis uns in Vilar de Barrio an der Tankstelle ab. Pilger waren nicht zu sehen. Natürlich bedankten wir uns bei Luis noch einmal herzlich für alles.
Ein wohlbekanntes Hupsignal schreckte uns hoch: ein Bäckerwagen! Bald kam er auch in Sicht. Ich fragte den jungen Fahrer nach einer Empanada. Er schaute erstaunt, ging dann nach hinten und kramte zu unserer Freude einen Riesentrumm heraus. Wie viel wir davon möchten? - Na, alles! Da war er noch erstaunter. 6 €, spottbillig. Zu viert haben wir uns daran toll und voll gegessen. Super!
Man kommt nach einem kurzen Abstieg in Cima de Vila heraus, wo man auf der Dorfstraße gleich scharf rechts die Häuser wieder verlässt. Dies war die Stelle, wo ich mich 2007 gefragt hatte, wie jemand umgekehrt von der Dorfstraße aus den richtigen Weg finden will. Denn wir hatten da eine Einmündung nach der anderen hinter uns, wofür man keinen Pfeil braucht. Aber wenn man umgekehrt läuft, was ja einige machen, dann sind das Verzweigungen, bei denen man ohne jeden Pfeil nicht weiß, ob man sich links oder rechts halten soll.
Nun, die Herberge war geöffnet. Wir waren die ersten und schnappten uns den zweiten Schlafsaal ganz hinten. Man schien umgebaut zu haben: Statt einem großen, teilbaren Schlafraum gab es jetzt zwei zu je 10 Betten, mit einer Trennmauer dazwischen. Die schweren Gummivorhänge, die die Sonne abhalten sollten, gab es nicht mehr. Allerdings war es heuer nicht allzu heiß. Sehr gute Betten, wie bei der Etappe nach A Gudiña erwähnt, Aufenthaltsraum mit Küche, Getränkeautomat, prima Waschanlagen. Für mich die beste Herberge des Camino Sanabrés.
Während die Frauen wie üblich die Wäsche wuschen, ging ich ins Dorf "schnüffeln", nicht nur, wo wir einkaufen und abends etwas zu essen bekommen konnten, sondern auch, um ein Taxi für morgen zu bestellen, das die gut 23 km wieder auf ca. 14 km verkürzen sollte. Im Ort kann man sich gut orientieren. Der Kern besteht aus zwei Plätzen, die durch eine schmale Straße verbunden sind. Am ersten Platz liegt die Kirche (19h30 Abendmesse, das passte genau). Der kleine Lebensmittelladen gegenüber existiert nicht mehr, aber am zweiten Platz gibt es weiterhin einen Supermarkt. Ich ging rechts in eine größere Bar, die Reklame für einen Taxidienst machte. Sie liegt auch an der richtigen Ausfallstraße nach Ourense.
Drinnen traf ich eine ältere Dame, die immer nur die Stirn runzelte, wenn ich etwas fragte. Ja, Taxi gab es, 27 € bis Ourense. Aber ich wollte ja das Taxi erst für die letzten 10 Kilometer haben! - Das sei egal, dadurch führe das Taxi doch dieselbe Strecke. Auch ein Abendessen konnte sie nicht zusagen. Ich ging dann etwas frustriert zum ersten Platz zurück, als ich in der Verbindungsstraße (vom Kirchplatz aus rechts) eine kleine, unscheinbare Kneipe ausmachte.
Drinnen war einiges los, was immer ein gutes Zeichen ist. An der Bar bedachte mich die junge Frau mit einem Willkommenslächeln. Das war was anderes als bei der alten Tante vorhin! Ich fragte nach Abendessen: Na, klar, im Raum nebenan, 9 €. Taxi? 25 €, darunter ging's nicht bei der Strecke. Moment, mir kam eine Erleuchtung! Wir konnten ja auch die ersten 9 km fahren, auch wenn das die landschaftlich schöneren waren. Andererseits wollte ich sowieso den Weg am Fluss entlang nach Ourense rein erneut kontrollieren und besser dokumentieren. 9 km? Dann 12 €! Na, geht doch! Ich war oben auf, genehmigte mir gleich zur Belohnung ein Bier.
Als ich 17h45 zurückkomme, ist die Herbergsmutter gerade eingetroffen. Sie ist sehr nett und hat ihre kleine Tochter dabei, die stempeln darf. Da mache ich auf lieben Opa. Als Fußpilger sind ein junges spanisches Paar und ein Langläufer eingetroffen. Abends kommen noch zwei Radfahrer, aber wir bleiben in unserem Zimmer allein. Trotzdem gab es ungebetene Gäste: hier und da ein kleines Tierchen, wovon eines mit Blut vollgesogen war. Wanzen! Da machten wir uns nichts mehr vor. Alles, was mehr als zwei Beine hatte, wurde unbarmherzig niedergemacht. Meine Beine sahen inzwischen schlimm aus. Ich traute mich nur noch in langer Hose in den Waschraum. Wir haben unsere sämtlichen Sachen nach "Mitreisenden" durchgesucht, auch in den nächsten Herbergen. Aber bis auf ein, zwei Ausnahmen fanden wir auf dieser Tour nichts mehr. Das ewige Jucken brachte mich nachts fast um den Verstand. Mückenstift und Cortisonsalbe waren Gold wert. Meine Sommerallergie war zusätzlich schlimm wie nie, wohl eine Reaktion auf die Wanzenbisse.
19h30 Abendmesse mit Pilgersegen. Danach in die Bar. Kohlsuppe, Fleisch, das Übliche, aber gut. Die junge Wirtin will ihrem Mann sagen, dass er morgen um 8h30 am Kirchplatz vorfährt. Morgen ist Sonntag, erinnere ich vorsorglich. Trotzdem, er fährt auch sonntags. Das walte Gott.
Die Nacht wurde immer wieder von Juckattacken unterbrochen, daran musste ich mich bis zum Ende der Pilgertour gewöhnen. Um 8h00 zogen wir los, 8h15 Morgengebet an der Kirche, dann warteten wir auf das Taxi. Das fuhr pünktlich vor. Unterwegs überholten wir die anderen drei Pilger, denn der Pilgerweg geht ebenfalls überwiegend die Landstraße entlang. In Penelas ließ uns der Fahrer wie abgemacht raus und erhielt 12 € plus 1 € Trinkgeld. Alle waren zufrieden.
Dann verließen wir diese letzte größere Stadt vor Ourense und kamen in eine Baustelle, wo Fußgänger aber problemlos weitergehen konnten. Ca 1 km danach erreichten wir die alte N-525. Diese Stelle habe ich schon 2007 genauer beschrieben. Rechts die Straße weiter hoch liegt markant ein großes Peugeot-Werk. Aber genau jenseits der Straße fand ich ohne Schwierigkeiten das Schild "Paseo fluvial / Río Barbaña" ('Flusspromenade' ...) wieder.
Nach etwa 1 Stunde (das kam uns lange vor) ist erst einmal Schluss. (Im Netz glaube ich gesehen zu haben, dass es doch eine Fortsetzung des rechten Uferwegs bis zu der unten beschriebenen Brücke gibt.) Man unterquert eine Hochstraße (gelbe Pfeile), das Flüsschen ist erst links, dann überquert man es und geht immer geradeaus weiter, ohne es rechts aus dem Auge zu verlieren. Links eine Bar La Castaña. Nach wenigen Minuten kommt man an eine größere Brücke, wo wir rechts in die Innenstadt abbogen.
Geradeaus (Rúa As Burgas) folgten die Thermen mit den heißen Quellen (siehe Skizze im Handbuch), links lag früher das Oficina de Turismo, leider jetzt nicht mehr. (Es ist ca. 500 m weiter den Fluss hoch verlegt worden.) Während meine Pilgerschwestern sich rechts mit dem heißen Wasser die Hände wuschen, ging ich links in ein Geschäft "Artesana" und fragte, ob sie zufällig einen Stadtplan für mich hätten. Der Ladenbesitzer gab mir sehr freundlich sogar einen kostenlosen. Damit war der Weiterweg ohne Probleme. Ich glaube, ich hätte es auch ohne Karte geschafft, aber ich wollte auch schauen, wo die Taxistandplätze waren, denn morgen würden wir (letztmalig) wieder ein Stück fahren.
Beim Schnüffeln fand ich mit etwas Mühe Einkehrmöglichkeiten für abends, aber davor hatten wir noch reichlich Zeit, uns die Innenstadt anzuschauen. Die Taxistände waren zu weit weg, aber ich nahm völlig richtig an, dass wir anderntags einfach das nächstbeste wartende nehmen konnten. Ja, wir fuhren wieder, aber das war klar, denn ich kannte den mörderischen Aufstieg hinter Ourense, den ich Hedwig und Marianne ersparen wollte. Dahinter hatte ich wie bei den vorigen Malen die westliche Route ab Cabeanca ins Auge gefasst.
Zu essen und zu trinken gab es von der Herberge aus gleich links um die Ecke in der Carretera de la Granja. Zunächst kehrten wir nach dem Stadtbummel aber in einer offenen kleinen Bar auf der rechten Seite ein. Die junge Bedienung war derart uninteressiert, dass man sich ihr fast zu Füßen schmeißen musste, um noch was zu trinken zu bekommen. Nach der ersten Runde verschwand sie und blieb unsichtbar. Auf der Menükarte standen Tellergerichte, aber die junge Dame machte keinen Hehl daraus, dass sie nicht vorhatte, sich damit diesen Sonntagabend verderben zu lassen. Die anderen Gäste hatte die gleichen Probleme, aber es war ringsum die einzige Bar, die schon am Spätnachmittag geöffnet war.
Ich hatte mir noch eine Café-Bar La Isleta (neben dem Auditorio) links an der Straße gemerkt (Hausnummer 11). Nur hatte ich beim Schnüffeln stirnrunzelnd festgestellt, dass es keine Öffnungszeiten, keine Angebote oder gar Preise gab. Jetzt aber flüchteten wir vor der unfreundlichen Bedienung in der Bar hierhin. "La Isleta" öffnete gegen 20 Uhr, und ein junger Mann empfing uns sehr freundlich. Der wollte Umsatz machen, na also! Unser Wunsch nach einem Abendessen brachte ihn allerdings in Verlegenheit. Er konferierte mit der Küche, und man schlug uns Resteportionen vor: Nudelsalat, Bacalao, Hähnchen. Besonders vom Bacalao gab es eine erfreuliche Menge und sehr schmackhaft, und so waren wir am Ende recht zufrieden, obwohl der Nachtisch ausfiel. Alles für eine Pauschale pro Kopf, einschließlich Getränken. Das nenne ich angenehme Geschäftstüchtigkeit!
Die Herberge lief nicht voll, auch nicht, als die üblichen Radfahrer eintrafen. Wir hatten riesiges Glück, dass wir wegen der Doppeletappe einen Tag früher eingetroffen waren als nach meinem ursprünglichen Plan. Denn am Tag darauf wurde die Herberge für 1 Tag geschlossen. Ich dachte an meine Beine und argwöhnte den Grund. Hoffentlich nahmen wir hier nicht noch was mit.
Morgenandacht am Pilgerkreuz vor dem Kloster. Dann in die Stadt hinunter. Mein Stadtplan zeigte keine Taxistände, aber in der Herberge hing ein anderer, auf dem sie verzeichnet waren. Zwei an der Rúa do Progreso, der alten N-525, die teils als Hochstraße rechts vom Río Barbaña in Richtung Río Miño nach Norden verläuft. Wir hatten sie gestern schon unterquert. - Oben vom Stadtring aus muss man erst einen kleinen Rechtsschlenker zur Rúa San Francisco machen, die spitzwinklig links nach unten geht, die kleine Plaza Mercedes überqueren und geradeaus zur Rúa Capitán Eloy, einer großen Einkaufstraße, die schnurstracks zur Rúa do Progreso führt. Etwas rechts standen schon zwei Taxis bei unserem Eintreffen.
Mit dem ersten Fahrer war ich bald handelseinig, allerdings ohne Festpreis, denn in Ourense läuft alles anders als auf dem Land. Ich gab als Ziel Cabeanca an. Zu Hause habe ich die Fahrt rekonstruiert, alles reell. Wir kamen auf die Landstraße nach Cabeanca, kurz bevor der östliche Pilgerweg rechts herauskommt. Die im Handbuch empfohlene Querverbindung, die ich auch in früheren Jahren gelaufen bin, folgt dahinter der Landstraße nach Cabeanca. Im Ort angekommen hielt der Taxifahrer unmittelbar vor einer Kreuzung, wo rechts ein kleiner Rastplatz liegt. Ich kannte alles wieder. 15 €, war in Ordnung, wenn auch etwas teurer als die anderen Male. Auf dem Land wären wir mit 10 € davongekommen.
Nach einiger Zeit stieß auch ein junger spanischer Pilger dazu, den wir schon von Xunqueira de Ambía kannten. Konni und Marianne lernten, wie man frische Feigen isst. Wir hatten viel Spaß, aber es schmeckte ihnen auch sehr gut. Ich hielt mich lieber raus, befürchtete Verdauungsprobleme. Nun kam auch noch das junge Pilgerpaar. Natürlich staunte man, warum wir schon vor ihnen da waren, aber ich hielt mit der Wahrheit nicht hinter dem Berg. Bei den wenigen Fußpilgern, die heute unterwegs waren (liefen eigentlich alle den westlichen Weg?) würden wir in Cea niemandem das Bett wegschnappen.
Man darf sich hier schon auf die Bar in Mandrás freuen, zu der man nur noch wenige 100 m durch eine Streusiedlung hinauflaufen muss. Was gab es in der Bar als Zugabe zu den Getränken? Frische Feigen! Na, da langten die Pilgerschwestern aber wieder zu!
Hinter Mandrás noch einmal eine Strecke mit mittelalterlichem Pflaster. Man fühlt sich in frühere Pilgerjahrhunderte zurückversetzt, aber es ist schwer zu laufen. Doch war es dann nicht mehr weit bis Cea, das für sein Brot berühmt ist.
Achtung: Eine private Herberge versucht, den Pilger vor und nach der öffentlichen Herberge mit gelben Pfeilen zu sich hinzulocken. Hätte ich die letzten paar 100 m nicht wiedererkannt, wäre ich vielleicht darauf reingefallen. Auch morgens beim Weitermarsch sich nicht von der Straße, die an der öffentlichen Herberge vorbeiführt, wieder gleich nach rechts ablenken lassen!
In der Herberge waren schon einige Pilger eingetroffen, die wir alle kannten: Mutter und Sohn (die beiden "Stöpsels"); zwei Väter mit ihren beiden Söhnen; die drei jungen Pilger von Xunqueira de Ambía. Außer den unvermeidlichen Radfahrern traf noch ein Paar ein, das wir wegen des Altersunterschieds erst für Vater und Tochter hielten, aber in den nächsten Tagen inszenierten die beiden ein paar Schmuseeinlagen, die eine enge Blutsverwandtschaft so gut wie ausschließen ließ. Noch eine Beobachtung: Nicht nur die Sprachbarriere verhinderte, dass man sich schnell kennenlernte. Viele Pilger pflegten im Bett zu liegen und mit Tablet oder Schlaufon vor sich hin zu daddeln. Freies WLAN in den Herbergen fördert die Pilgeratmosphäre nicht.
Wie üblich durchstreifte ich am Frühnachmittag das Dorf und stellte u.a. fest, dass beide folgenden Varianten, sowohl die über das Kloster Oseira als auch die direkte nach Castro Dozón durch Cea noch gemeinsam verlaufen. Es geht von der Herberge rechts die Straße weiter. Das Luftbild zeigt, dass das die Altstadtgrenze ist, evtl. war hier früher eine Stadtmauer. Man erreicht einen kleinen Platz, auf dem man rechts in die Rúa Barcelona einbiegt, die schnurgerade zur Plaza Mayor mit dem berühmten alleinstehenden Glockenturm führt. Man geht über den Platz, dann an der Post vorbei nach links zur Hauptstraße, an der die Läden zum Einkaufen liegen, und jenseits von ihr bis zu den Sportanlagen. Erst dort trennen sich die Routen.
Zwischen Marktplatz und Hauptstraße liegt auch das beste Restaurant, wie mir Einheimische sagten. Es ist die Bar Perez, die auf Meeresfrüchte spezialisiert ist und wo wir uns ein besonders köstliches Menü servieren ließen. Kann man empfehlen.
Für den morgigen Tag hatten wir beschlossen, auf den Umweg über das Kloster Oseira zu verzichten. Was mich tröstete, war, dass ich somit zum ersten Mal diese kürzere Alternative lief und sie dokumentieren konnte. Auch hieß es, dass der Pilgerweg hinter Oseira sehr vernachlässigt und schwer zu laufen sei. Das war nichts für uns. An Hand der restlichen Planung stellte ich erfreut fest, dass wir bis Santiago kein Taxi mehr brauchen würden. Unter anderem hieß das auch, dass wir jetzt mit einigen Pilgern parallel liefen und diese wahrscheinlich etwas näher kennen lernen würden. Auch prima.
Es war eine ruhige Nacht, wenn man darauf achtete, beim Gang zur Toilette auf der Treppe die oberste knarrende Stufe zu vermeiden. Heute hatten wir es nicht eilig. Das Wetter war wieder ideal. Ziemlich viele Wolken, kein Regen, kühler Wind. Am Nachmittag, als wir das Ziel schon erreicht hatten, Sonne.
Wer nicht nach Oseira will und sich den Schlenker an den Sportanlagen vorbei sparen möchte, kann kürzer wie folgt laufen: Wenn man aus der Herberge tritt, zunächst die Rúa España nach rechts wie bei allen Varianten. Aber an dem kleinen Platz nicht rechts zur Plaza Mayor abbiegen, sondern einfach weiter geradeaus bis zur Hauptstraße gehen und diese überqueren. Man ist dann auf der OU-0406, auf der nach etwa 200 m der direkte Pilgerweg nach Castro Dozón von rechts dazustößt. 50 m weiter links liegen ein Park und eine Kirche.
Auf der Landstraße geht es durch schönes Waldgebiet bis Cortelas. Vor dem Ort kann man einen kurzen Schlenker über eine mittelalterliche Brücke machen. Am Ortsende geht die Hauptrichtung an einer Kreuzung nach rechts in das Tal, in dem das Kloster Oseira liegt. Unser Weg führte aber geradeaus als OU-0403 weiter.
Hinter Cortelas wieder Wald. Dann folgt die etwas größere Ortschaft Piñor, nach der diese Variante benannt ist. Über mehrere Kilometer reißt die Bebauung nun nicht mehr ab. Nach 5 km machten wir an der Bar Oreja in Arenteiro eine gute halbe Stunde (bis 10h30) Pause. Wir wollten es ja heute ruhig angehen lassen und die Kräfte schonen, um weitere Taxifahrten zu vermeiden. Das ist uns gelungen.
Ca. 1,5 km hinter Arenteiro geht es in einem großen Bogen nach links, und man gerät nun in den Sog der Fernstraßen. Wir überquerten auf einer Piste die alte Landstraße und kamen zur N-525. Rechts lag die Ortschaft O Reino. Von der N-525 ging es spitzwinklig links ab und hoch, oben den Zeichen folgend in eine Baustelle, wo in aufwendiger Handarbeit altes Pflaster zu einer "Pilgerautobahn" verlegt wurde. Sicher hatte es dafür wieder irgendwelche Gelder gegeben. Die Route verlief jetzt oberhalb der N-525 links von ihr, überquerte einen Autobahnzubringer und kam in der kleinen Ortschaft Carballeda heraus. Hier muss man einige 100 m die N-525 entlang, bis es hinter dem Ort rechtwinklig links endgültig von der N-525 weg in Richtung Autobahn geht.
Wir aber waren heute noch nicht richtig gefordert worden und liefen deshalb westlich der Autobahn auf einem wunderschönen Waldweg den Höhenzug hoch. Es ging sehr lange, aber nicht übermäßig steil bergauf. Die Wegeauszeichnung ist tadellos. Oben erreicht man eine Art Hochfläche mit Weiden und Äckern, dazwischen sehr große Bauernhöfe, die der Pilgerweg aber nicht tangiert. Man läuft in einem riesigen Linksbogen, wobei man die genannten Sendemasten rechts liegen lässt. Es gibt immer wieder Abzweigungen und Verzweigungen, aber im Prinzip hält man den Bogen ein und kann noch sehr lange auf den Fleck zurückschauen, wo man ihn anfangs erreicht hat.
Ich hatte keine weiteren Informationen über die "neue Herberge". In früheren Jahren hatte es immer geheißen: An den Sportanlagen gibt es eine Pilgerunterkunft, die aus welchen Gründen auch immer abwechselnd als geöffnet und dann wieder als geschlossen gemeldet wurde. 2007 hatten wir dort neue Wohncontainer gefunden, die als Behelfsherberge dienten. Nahebei (ich wusste nicht mehr, wie nahe) lag eine Wirtschaft, deren Wirtin uns sehr unfreundlich behandelte und später noch den Herbergsbetreuer zwang, unsere Wäsche einzusammeln, weil die sie störte. Unglaublich!
Das Haus diente jetzt auch als Gemeindehaus. Ich brauchte sehr lange, um in der "neuen Herberge" das damalige Wirtshaus wiederzuerkennen. Wahrscheinlich war es vorher schon Pilgerherberge gewesen, dann aber von der Gnade der Wirtin abhängig geworden. Am Zufahrtsweg gab es links vor der Herberge eine betonierte Fläche mit gekappten Versorgungkabeln: da hatten 2007 die Container gestanden. Nun war die böse Wirtin fort und das Haus - wohl "wieder" - seiner Bestimmung als Pilgerherberge zurückgegeben.
Dementsprechend waren die Einrichtungen keineswegs neu. Duschen und Toiletten sind leider nur quer durchs Haus und über die Treppe ins Untergeschoss zu erreichen. Es war wieder mal "Rudelduschen" angesagt, was keine Rolle spielte, weil wir als erste eingetroffen waren. Vor der Tür zum Herrenduschraum ein Schild (nur auf Spanisch): "Nicht von innen abschließen, sonst ist das Schloss nicht mehr zu öffnen." Na, toll! Auch sonst war einiges zu beanstanden. Die Küche vergammelt, viel kaputt. Gefährliche Enden früherer Installationen, die aus der Wand ragten. Aber der Schlafsaal war ganz ordentlich. (Bettenenden leider abgerundet, nichts zum Aufhängen.)
Es gab auch noch zwei spartanisch möblierte, winzige "Einzelzimmer" für 10 €, nur mit einer nicht abschließbaren Schiebtür vom Gang getrennt. Naja, wenn sich ein alter Schnarcher absondern wollte ... Der zweite Schlafsaal blieb natürlich auch hier bei so wenigen Pilgern verschlossen. Dann trollten auch weitere Pilger ein. Erst das altersungleiche Paar, dann die "Stöpsels", die ziemlich fertig waren. Ja, der Weg über Oseira sei schlimm. Das Paar zog sich nach einer Inspektion des Hauses in ein "Einzelzimmer" zurück. Da die Benutzung anscheinend keiner Kontrolle unterlag, konnte man da machen, was man wollte. Man musste sich nur eine Matratze aus dem Schlafsaal holen, denn die Bettgestelle in den Einzelkabuffs hatte nur einen Lattenrost. Diese beiden Zimmer waren wohl auch die für Behinderte vorzuhaltenden. In Spanien wird jede Vorschrift beachtet; sonst wüsste man ja auch nicht, wie man sie umgehen kann ;-))
Nachdem wir uns eingewöhnt hatten, näherte sich statt einem Herbergsbetreuer eine nach Alter und Aussehen recht unterschiedliche Frauengruppe, schloss einen der zusätzlichen Räume auf und betrieb dann Gymnastik. Wer durch den Hauptflur ging und einen indiskreten Blick durch die Scheiben riskierte, musste schon fürchten, als Spanner zu gelten. Also blieben wir lieber draußen vor dem Untergeschoss und sonnten uns.
Die Gymnastikgruppe zog davon, aber nur, um durch eine Tanzgruppe abgelöst zu werden. Kompliment an diesen Ort, der dieses Gemeindehaus sehr vielseitig zu nutzen weiß.
Um 18 Uhr kam noch ein Einzelpilger, endlich um 18h50 auch die Hospitalera, fast eine Stunde später als auf dem Schild an ihrem Büro angegeben. Solange wagt man nicht fortzugehen und hängt mit seinem Pilgerausweis rum, denn wegen der Insektenplage waren wir alle scharf auf die Überzüge, die eben nur die Hospitalera rausgab. Zum Trost war diese wieder mal eine galicische schwarzhaarige Schönheit und nett obendrein. Anderntags packte ich am Morgen die Überzüge ein, um an der Zielherberge auch schon vor Ausgabe neuer die Betten beziehen zu können. Nach der einmaligen Umstellung waren die "alten" Bezüge aus der vorigen Herberge dann ja noch frisch und original verpackt. Nur etwas Gewicht mehr.
19h30 Gang ins Dorf zur Café-Bar Anton. Einkaufen und Menü für 10 €. (Das gibt es nachmittags bis 15 Uhr und abends ab 20 Uhr.) Qualität unterdurchschnittlich. Der Ensalada mixta bestand nur aus grünem Salat und Tomaten, hier und da eine Olive. Kein Fisch, kein Ei oder gar Spargelabschnitte wie anderswo. Ja, die Krise. Es herrschte überhaupt hier gedrückte Stimmung wie überall, wo die neue Autobahn die Kunden fernhält, die früher an der N-525 hier Rast gemacht hatten.
Übrigens: Insektenplage! Diesmal erwischten wir im Schlafsaal eine Wanze in flagranti, d.h. am Körper und mit Blut vollgesaugt, und ein weiteres verdächtiges Kerbtier erschlug ich an der Wand. Es war dieses Jahr zum Verrücktwerden, und die folgende Nacht wurde wieder schlimm. Marianne hatte außerdem über die Folgen des Verzehrs frischer Feigen zu klagen. Davon hatte ich wohlweislich die Finger gelassen.
Auf dem Camino Sanabrés ist man verwöhnt, was die Landschaft angeht. Auf diesen letzten Etappen nach Santiago möchte man schon maulen, dass sie nichts Besonderes bieten. Wäldchen, Wiesen und verstreute Bauernschaften, das haben wir zu Hause im Münsterland auch, und sogar auch ein paar Hügel. So ist mir von dieser Etappe bis Laxe weder von 2005 noch von 2007 etwas in Erinnerung geblieben, und ich habe auch praktisch nichts wiedererkannt. Nun, 2005 war ich müde gewesen, da wir damals mangels Unterkunft in Castro Dozón gleich von Cea über Oseira nach Laxe gegangen sind, sportliche 39 Kilometer. Heute waren wir froh, dass wir die letzten 19 davon ohne Mühe bewältigten, mit mancher Pause.
Zm Morgengebet gingen wir zur Kirche hinunter. Dort geht auch der Pilgerweg vorbei, aber man muss sie rechts herum umgehen, um auf ihn zu treffen. Es ist sowieso nur ein paralleles Sträßchen, das oben auf der Höhe in einem Industriegebiet endet, dann knapp rechts an der N-525 entlangführt, aber bald wieder endgültig in diese einmündet. Hier ging es früher gegenüber ein Stück alte Landstraße weiter, aber das war jetzt wegen eines Autobahnzubringers gesperrt, evtl. endgültig. Also die N-525 entlang, teils auf einem Fußweg rechts. Mein Tagebuch vermerkt Sanguiñedo. Das muss ein Ortsschild gewesen sein. Der Ort steht auf der Karte als Santo Domingo.
Vor uns war Bebauung, links lagen Bares, aber ein Bauer auf einem Trecker wedelte uns in Richtung des Bahnhofs, der etwa 200 m entfernt links an der alten Eisenbahnstrecke lag. Auf halbem Weg vor ihm rechts das moderne Restaurant Estación. Jetzt tat es uns leid, schon gegessen zu haben, denn hier gab's ein Menü für 8 €, zu dem auch Einheimische und Touristen kamen, die beste Reklame. Ich versprach der freundlichen Bedienung, das Angebot in meinem Bericht zu empfehlen, was ich hiermit gehalten habe.
Wir mussten zur letzten Kreuzung zurück, um den weiteren Verlauf des Pilgerweges zu suchen, was nicht ganz einfach war. Kurz darauf liefen wir wieder auf die Fernbahntrasse zu, die hier auf einer riesigen Brücke das Tal durchquert. Der Weg kreuzt unter ihr durch, und man läuft wieder durch Streubebauung, bis als letztes Dorf vor Laxe Donsión in Sicht kam. Wir lechzten schon wieder nach einem Getränk, und das Handbuch gibt an, dass es hier eine Bar gibt, sogar eine Taverna Vía da Prata mit Reklame für die Pilger. Aber als wir gerade bei ihr eintrafen, hörten wir aus dem Haus lauten Streit. Das war nicht das übliche laute Gespräch, sondern hier brüllten sich eine Frau und ein Mann an, und dann hörten wir auch, wie Türen zugeknallt und Möbel "geradegerückt" wurden. Entsetzt nahmen wir Reißaus.
Nun war es nicht mehr weit. An der Verzweigung, wo man sich 2005 verlaufen konnte, stand jetzt ein deutliches Schild. Dann erreichten wir den Zaun der Autobahn und liefen nach links unten auf Laxe zu. Das arme Dörfchen ist zwischen N-525 und Autobahn wie durch eine Schere eingekeilt. Aber es bietet eine der komfortabelsten und am besten eingerichteten Herbergen des Camino Sanabrés. Schon gegen 15 Uhr trafen wir ein, freuten uns sehr, dass wir diese 19 km gut weggesteckt hatten. Den Rest würden wir auch noch schaffen. Unbemerkt blieb, dass wir etwa am Autobahnzaun die 300-km-Marke erreicht hatten.
In der Herberge war doch tatsächlich schon eine Betreuerin, die mit uns auch das altersverschiedene Paar aus Chile eintrug, das offenbar in Frankreich wohnte. Auch Mutter und Sohn Stöpsel tauchten wieder auf. Am Morgen hatten wir bemerkt, dass Muttern so angeschlagen war, dass sie keinen Rucksack trug. Hatte Sohnemann beide getragen? Egal, wir Fußpilger kamen zu acht im größeren Schlafsaal unter. Später gesellte sich noch ein Radfahrerpaar dazu. Der 2. Schlafsaal blieb geschlossen.
Während die Frauen ausgiebigen Gebrauch von den sehr guten Wascheinrichtungen machten, ging ich wie gewohnt "schnüffeln", aber diesmal wusste ich schon alles und musste nur in der 500 m entfernten Gaststätte schauen, ob es hier abends was zu essen gab. Ich stieß auf eine Wirtin im mittleren Alter, die sich bei Zeitungen langweilte, während ihr etwa elfjähriger Sohn im Nebenzimmer mit einem Freund spielte. Ich bestellte mir ein wohlverdientes Bier und warf mit "Ich war schon vor 10 Jahren hier" die Konversationsangel aus. Da hatte ich leichtes Spiel. Es kam zu einem sehr angenehmen Plausch, bei dem ich ausnahmsweise alles verstand, was die Wirtin sagte. Sie sprach sehr deutlich, passte ihr Spanisch wahrscheinlich etwas an. "Vor zehn Jahren!" rief sie, da war ihr Sohn noch in Windeln, "und schauen Sie heute", sagte sie, auf die Jungen hinweisend.
Vor 8 Jahren hatten wir hier Schwierigkeiten gehabt, ein Abendessen zu bekommen, aber nach diesem Plausch war sofort alles klar. Abends bekamen wir also ein Menü für 10 € mit Paella und Bacalao, Klassen besser als das in Castro Dozón. Sonst vermerkt mein Tagebuch nur noch, dass die Nacht wieder durch Juckattacken gestört wurde. In solchen Augenblicken war mir das Pilgern vermiest.
Zwischen Bauernhöfen geht es wieder hinauf, und man erreicht nach einiger Zeit eine markante Stelle an der N-525. Hier ist die Santiagokirche von Taboada, die wir besichtigen konnten. Vor ihr eine etwas klobige Jakobsskulptur aus Granit. Bänke luden erfolgreich zur Rast. Es war sehr kalt, wir hatten unsere Jacken an, aber es regnete nicht.
Das war's denn auch mit den Sehenswürdigkeiten. Einem hässlichen Industriegebiet weicht der Pilgerweg nach Transfontao aus. In diesem hübsch renovierten Ort mit ländlichem Unterkunftsangebot muss man aufpassen. Sich nicht nach rechts ablenken lassen: der Weg verlässt den Ort links und führt über große Steine durch ein Bachbett.
Nächstes Ziel ist Silleda, das man schon vor der Industriesiedlung in der Ferne ausmachen konnte. Eine etwas größere Stadt, aber nichts Besonderes. Schon am Stadtrand riesige Reklametafeln, die zu einer Pilgerpension einluden. Auch ein Pilgercafé soll da sein. Sie hatten nur vergessen zu zeigen, wie man sie erreicht. An der ersten größeren T-Kreuzung fragte ich eine junge Frau, die die Straße säuberte. Sie wusste nichts davon, wo man etwa ein Pilgermenü bekommen könnte. Also, da muss die Reklame noch einiges tun. Da es zu Pension und Café irgendwie nach rechts ging, der Weg sich aber nach links fortsetzte, hatten wir keine weitere Lust zu suchen und wandten uns in Richtung Bandeira nach links. Etwas weiter bogen wir an einer mir bekannten Kreuzung nach rechts ab und stießen so auf die N-525.
Hier schnüffelte ich noch einmal nach einem Angebot fürs Mittagesen und wurde direkt am Pilgerweg auf der linken Seite der Ausfallstraße fündig. Dort gab es eine Pizzeria mit zwei jungen Burschen, die uns prima Tellergerichte machten: Zorza (eine Art galicisches Gulasch) und Filet mit Salat und Pommes, dazu hatten wir 8 Getränke, alles zusammen für 36 €. Die jungen Leute legten sich ins Zeug, denn wir waren fast die einzigen Gäste. Als wir gingen, lief einer hinter mir her und rief, ich hätte Geld liegen lassen. Ja, die 2 € seien Trinkgeld! Von dieser Sitte hatte er noch nie gehört, riss die Augen auf und machte zu meiner Verlegenheit sogar eine Verbeugung. Also, wer nach Silleda kommt: Lasst die Jungs was verdienen, die haben ganz schön zu kämpfen.
Bis Bandeira, das Ortsteil von Silleda ist, waren es noch 7,6 km, und bis dahin sind wir einfach "durchgebrettert", so dass wir schon um 15h30 an der Herberge waren. Die Abzweigung von der Hauptstraße war nicht einfach zu finden. Sie ist gegenüber dem Hostal Victorino, in dem Hedwig und ich 2007 ein preiswertes Doppelzimmer und gute Verpflegung bekamen. Inzwischen sah das Haus etwas mitgenommen aus. Ein deutsches Pilgerpaar, das wir anderntags trafen, hatte im Conde Rey für 30 € genächtigt. Auch gut.
Am Morgen machte ich mir Gedanken, ob wir abbrechen sollten. Die Pilgerschwestern schickten mich zur Apotheke. Es kam, wie ich es erwartet hatte: der junge, unsichere Apotheker besah sich meine Blessuren - und verkaufte mir einen Mückenstift. Nun ja, meiner war inzwischen aufgebraucht. Wir entschlossen uns, doch weiterzulaufen. Hinter dem Ortsrand musste ich mal wieder meine Beine verarzten. Ein deutsches Pilgerpaar kam hinzu und schaute, warum ich da am Rand der Straße ziemlich hilflos auf dem Boden saß. Sie hatten privat übernachtet (wie schon erwähnt), wussten gar nichts von der neuen Herberge in Bandeira. "Na, da hätten Sie meine Vorbereitungen lesen sollen", trumpfte ich auf. "Ach, sind Sie Rudolf Fischer?" Also wieder einmal erkannt ...
Hinter der Brücke liegt rechts das Restaurante Ríos, und da wir um 13h30 eintrafen, war es gerade richtig, zum dritten Mal hier Mittag zu machen. Die gut Deutsch sprechende Wirtin klagte über die Krise, weite Kundenkreise seien weggebrochen. Das Pilgermenü war von früher "exquisit" jetzt auf "gut" herunter, immer noch schmackhaft, aber auch mit 11 € teurer als anderswo. Die große Fischplatte mit Muscheln versöhnte. Zum Nachtisch Früchte aus dem eigenen Garten. Nicht dass das schlecht war (es war ein gut gemischtes Angebot), aber doch ein Zeichen, dass überall gespart wurde.
Am Ortsausgang "wie immer" zum Dia unter der Fernstraßenbrücke, denn am Ziel in Santiaguiño gibt es nichts. Um wieder auf den Pilgerweg zu kommen, muss man etwas zurück und dann links abbiegen. Sollte man machen, denn so bekommt man eine kleine, aber interessante sehenswerte Skulptur an einer Hausecke zu sehen. Sie zeigt den heiligen Nikolaus, der mit Goldkugeln arme Mädchen vor der Prostitution bewahrt.
Später unterquert man die alte Eisenbahnstrecke und gelangt zu einer Kreuzung, bei der man vom Gefühl her geradeaus weitergehen möchte. Statt dessen biegt der Pilgerweg rechts ab und führt in einem Linksbogen auf den Kamm des Höhenzuges, der das Tal nach Santiago begleitet. Google Earth zeigt, dass das doch kein Umweg ist. Geradeaus wäre zwar auch richtig gewesen, aber man muss doch später rechts ab den Höhenzug hoch, und bis dahin läuft man keinen so schönen Weg wie den ausgezeichneten.
Klar, dass nur einer der beiden Schlafsäle aufgeschlossen wurde. Die "Stöpsels" begrüßten uns inzwischen freundschaftlich. Erstmalig kamen wir mit ihnen ins Gespräch. Er war wie gesagt IT-Fachmann und begleitete seine Mutter beim Pilgern, denn sie trauerten um den jüngst verstorbenen Vater. Beiläufig erzählte er, dass seine Beine völlig zerstochen seien. Auch das Paar aus Chile war wieder da, ferner die beiden jungen Mädchen, die wir unterwegs getroffen hatten, und ein Einzelwanderer.
Wir richteten uns gerade ein, ich musste mal wieder oben schlafen, da kommt die Herbergsmutter herein und zankt mit unseren Nachbarn, den beiden verliebten Chilenen. Erst dachte ich, weil diese beide untere Betten bezogen hatten. Nein, sie hatten es gewagt, die Bettgestelle zusammenzuschieben, und in diesem Haus wurde ohne Erlaubnis der Chefin kein Stuhl hochgehoben. Preußisch, preußisch! Dafür gab es aber draußen vor der Herberge die schönsten und gepflegtesten Außenanlagen, die wir dieses Jahr zu sehen bekommen hatten. Und sie zog sich nicht nach dem Stempeln und Kassieren zurück, sondern saß erst im Büro, dann schaute sie noch beim Abendessen nach dem Rechten. Hui, da hatten einige doch Tische zusammengeschoben, weil sie gemeinsam ihre Vorräte teilten. Da ging das Geschimpfe wieder los! Unser Singen nach dem Abendessen nahm sie aber mit einem zustimmenden Lächeln an.
Ich behielt draußen ihr Auto im Auge. Sobald das weg war, wollte ich auch noch einiges im Schlafsaal umräumen, denn weder Konni noch ich hatten Lust, oben zu schlafen. Der erfahrene Pilger nimmt einfach die Matratze aus dem oberen Bett und sucht sich einen Platz auf dem Fußboden, und Platz war mehr als ausreichend da. Wenn man an der Fensterseite schlief, konnte auch niemand nachts über einen stolpern.
War es denn die Möglichkeit? Das Auto blieb und die Hospitalera offenbar auch, übernachtete wohl in dem Behindertenzimmer neben dem Büro. Kurz vor 22 Uhr nahmen Konni und ich uns ein Herz und breiteten unsere Matratzen hintereinander an der Fensterseite aus. Die anderen Mitpilger schauten zwischen ängstlich und belustigt zu, was wir da wagten, aber die Hospitalera kam nicht mehr.
Eine kleine Strafe gab's für mich doch. Ich hatte wie oft aus Angst, wegen dem Jucken nicht schlafen zu können, eine Dose Bier als sanftes Schlafmittel neben meine Matratze in die Fensternische gestellt. Da mich mehrmals heftige Schmerzen in Händen und Füßen weckten, schmiss ich beim Eincremen im Dunkeln die offene Dose natürlich um. Bewunderswert ruhig holte ich aus der Toilette einen langen Streifen Klopapier und wischte alles (im Dunkeln!) und ohne Geräusch auf. Erleichtert ließ ich mich dann wieder vom Schlaf übermannen.
Am anderen Morgen kam ich gerade vom Waschen wieder, als mich die anderen Pilger ansprachen: Wir möchten doch die Matratzen wieder zurücklegen, bevor die Herbergsmutter Terz mache. Wir waren sofort einverstanden, und man half uns sogar. Ich war sehr zufrieden, denn ich hatte mich zu oft von Herbergsbetreuern rumkommandieren lassen. Diesmal nicht.
6h15 ging automatisch das Licht im Schlafsaal an. Wir frühstückten gemütlich, wobei die Hospitalera erschien und fragte, ob alles in Ordnung sei. O ja, das war es (kicher). Morgenandacht draußen vor der Herberge. 7h50 rücken wir wie gewöhnlich als letzte ab. Wieder war es sehr kalt, trotz Morgensonne. Der Weg über den Höhenkamm parallel zur N-525 und zum Tal, das nach Santiago führt, zieht sich lange hin, durch einen Eukalyptuswald und über mehrere Kreuzungen hinweg. Der Pico Sacro kam erst zum Greifen nah zum Vorschein, als wir an einigen Häusern auf die kleine Landstraße stießen, die rechts zum Pico und links Richtung Lestedo führt. Ich fragte meine Pilgerschwestern formal, ob sie den Abstecher zum Berg mitnehmen wollten, aber sie hatten keine Lust auf zusätzliche 4 Kilometer. Nun ja, mir war auch lieber, dass wir kräftemäßig auf Nummer Sicher gingen. Also nach links Richtung Lestedo!
Man biegt dort nach links ab und läuft wieder in Richtung N-525 durch schönes Gelände, bis man unweit der Fernstraße den Ortsteil Deseiro de Abaixo erreicht (kein Ortsschild). Das Handbuch sagt "Sergude", aber dessen Ortskern liegt einige Kilometer entfernt und wird nicht berührt. Hinter dem Ort scharf links auf die N-525 zu, aber kurz bevor man sie erreicht, wieder rechts hoch nach A Gándara. Blick zurück auf den Pico Sacro.
9h58 verweist ein Schild auf eine nahe Bar links. Wir haben Kaffeedurst. Ein Pfad führt durch den lichten Wald und endet zwischen den Häusern von Susana an einer größeren Straße, die ich fälschlicherweise für den Zubringer aus Richtung Sergude hielt. Es war aber die N-525, die mitten durch Susana führt. Da lag die Bar - und war geschlossen! Der Abstecher lohnt so früh morgens also nicht. Ich erkannte die N-525 immer noch nicht, lief aber nach rechts, um die Abkürzung in Richtung Bahnhof zu erreichen. Erst als rechts die Straße von Sergude dazustieß, merkte ich, wo wir waren. Da konnten wir, anstatt die geplante Abkürzung zu nehmen, genauso gut dem ausgezeichneten Pilgerweg links zwischen den Häusern hindurch folgen.
Wären wir nicht zur Bar gegangen, hätten wir gesehen, dass der Pilgerweg etwas weiter links abbiegt und auf der Straße von Sergude landet. Dort empfehle ich, eine Abkürzung geradeaus zu nehmen, anstatt der Straße nach links zur N-525 im Ortskern von Susana zu folgen. Näheres siehe in meinem Bericht von 2007.
Der ausgeschilderte Pilgerweg führt in einem Rechtsbogen durch Susana, überquert die N-525 wieder und senkt sich dann in ein Bachtal hinab. Dort ist ein Rastplatz, auf dem wir Pause machten. Dann ging es wieder steil hoch und nach links, bis von rechts die von mir empfohlene Abkürzung hinzukommt. Kurz darauf überquert das Sträßchen die Bahnstrecke. Es geht im Weiteren noch einmal hinauf und hinunter, wobei man noch einmal auf einer Anhöhe (241 m laut Karte) die Kathedrale rechts jetzt sehr deutlich sieht.
Die Beschreibung ist etwas seltsam, aber die Route ist bestens. Wichtig ist, dass man nach Überquerung der Eisenbahnstrecke immer geradeaus bis zum Altstadtring geht und dort durch den Torbogen Arco de Mazarelos die Praza de Mazarelos erreicht. Immer geradeaus über die Praza de Universidade und in die Rúa do Castro. Die nächste Querstraße nach links ist die Rúa de Xelmírez, und die geht steil hinunter direkt zu Kathedrale. Zum großen Platz muss man dann nur noch die Kathedrale in einem Rechtsbogen umrunden.
Ich ging später "schnüffeln", ob es das Internetcafé noch gab. Ist im Zeitalter der Schlaufone ja nicht selbstverständlich. Tatsächlich war es nun ein Spielzentrum mit dem Namen LUCKIA, aber ganz hinten gab es noch ein paar Computer, wo ich mir am anderen Morgen die Bordkarten fürs Flugzeug besorgen wollte. Das Spielzentrum liegt an der großen Kreuzung Campo da Estrela am Stadtpark. Dort geht es nach links in die Rúa da Senra zur Praza de Galicia, wo die Busse zum Flughafen abfahren. Ich hatte die Haltestellen immer am Stadtpark gesucht, die Information war irreführend gewesen. Die Busse kosteten 3 € und fuhren alle halbe Stunde (.00 und .30).
Abendessen im Tarará (mittags ab 13 Uhr, abends ab 20 Uhr). (Am Reyes Católicos vorbei, die Treppe hinunter, die Straße Rúa das Carretas rechts rein, nach 100 m rechts.) Pünktlich zur Öffnungszeit da sein, denn die wenigen Tische sind schnell besetzt. Es gibt Menüs zu 8,90 € und zu 14,90 €. Wir bestellten das billigere Menü. Ich hatte eine wirklich üppig ausgestattete Paella-Pfanne, als zweiten Gang Merluza, Nachtisch und pro Kopf eine halbe Flasche Rotwein. Sehr gut! Eigentlich besser als im "Manolo", denn dort muss man den Wein zum Preis hinzurechnen. Aber: Als Tischnachbarn das teurere Menü bestellten, musste die junge Bedienung sehr bedauern: Gerade die besten Sachen (Muscheln, usw.) waren "zurzeit" nicht vorrätig. Es ist wohl die Krise! Also aufpassen!
Nachmittags zum Internetcafé LUCKIA und erfolgreich Bordkarten ausgedruckt. Ab 18h00 heitere Runde an der Theke bei Doña Josefina, zu 19h00 hatten wir bei ihr ein einfaches Essen bestellt: grüner Salat mit Tomaten und Zwiebeln, Zorza, 2 Fl. Wein, alles zusammen für 4 Personen 36 €, preiswert, aber zu Tarará und Manolo nicht konkurrenzfähig. Nun kam hier die Familienatmosphäre dazu.
La Tuna Bild: Konni |
21h00 zur Studentenkapelle "La Tuna" (wie jedes Jahr). Sie hatten ein paar neue Leute, und bei leidlichem Wetter kam sehr gute Stimmung auf. 22h30 ging's in die Federn. |
6h30 raus und packen. 7h00 Kaffee auf dem Zimmer. 8h00 deutsche Pilgermesse, außer drei Gastgebern ca. 17 Leute. 8h45 Frühstück im Seminario Mayor. Ich dachte, dass unsere Gastgeber einen Sonderpreis ausgehandelt hätten und das Frühstück sonst nur den übernachtenden Gästen zur Verfügung steht. Beides war nicht der Fall! Zur Vorsicht fragte ich noch den Kellner, ob ich bei ihm die 5 € pro Nase bezahlen könne. - Natürlich!
Danach hingen wir noch etwas rum, da wir noch Zeit genug hatten. Abschied von Doña Josefina, bei der wir unsere Rucksäcke hinterlassen hatten. Dieses Jahr nahmen wir in Santiago den Bus zum Flughafen ab der Haltestelle an der Praza de Galicia (an der rechten Seite des Platzes). Der Rückflug war im Gegensatz zum letzten Jahr zeitlich supergünstig. Abflug 13h45, nur 1 Stunde zum Wechseln in Madrid, 18h25 Ankunft in Düsseldorf. Alles verlief reibungslos. Auf dem Rückflug saß neben uns ein junger Pilger mit kurzen Hosen, so dass man sehen konnte, dass seine Beine genauso aussahen wie meine. :-(
Letzte Überarbeitung: 01.11.2025