Zu: Im Jahre 2000 auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela

Kapitel 6: Von Santiago zum Kap Finisterre


Autor: Rudolf Fischer
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Hinweis:
Busfahrt Santiago - Finisterre (mit Privatunterkünften) Anfang September 2002 und Ende Juli 2006.

September 2003 und Juni 2005:
Zu Fuß zum Kap Finisterre (mit Beschreibung der neuen Refugios in Negreira und Olveiroa, Hinweis auf Unterkünfte in Cée und Corcubión)

Ferner: Zu Fuß von Fisterra nach Muxía (Anfang September 2003)

Die praktischen Hinweise (Unterkünfte, Umweg über Pino do Val/Pino de Vale, usw.) in dem folgenden Bericht haben nur noch historischen Wert und sind in der Regel überholt. Man beachte die vorstehend genannten aktuelleren Berichte.


03.09.2000, Sonntag: Nach Negreira, 21 km (813 km)

Wir müssen die einzigen gewesen sein, die an diesem Sonntag zum Kap Finisterre aufbrachen. Das ergaben unsere Fragen unterwegs. Ja, die Tage vor uns seien jede Menge Pilger, unterwegs nach Finisterre, dagewesen, darunter sehr viele Deutsche. Wir selbst sahen auf dem Weg keinen einzigen Mitpilger. Knapp 100 km, das war ein Klacks gegenüber den fast 800 km, die wir schon hinter uns hatten. Dennoch fiel uns diese Strecke besonders schwer. Ich habe versucht zu ergründen warum.

Zum einen fehlte uns jetzt die Anwesenheit anderer Pilger. Es war nicht selbstverständlich, unterwegs zu sein; wir waren eher komisch aussehende Landstreicher. Zu dieser psychischen Unsicherheit kam die dauernde Angst vor den Hunden, die auf dieser Strecke Pilger nicht gewohnt sind und einen wirklich an jedem Bauernhaus anblaffen. Ferner war die Strecke für mich unbekannt, und das nach vielen Kilometern, auf denen ich fast jeden Baum wiedererkannt hatte. Zudem lieferten die Handbücher nur wenige Informationen; der im Pilgerbüro verteilte Handzettel enthielt klare Fehler bei den Entfernungsangaben, und zu allem Überfluss hatten sehr viele der kleinen Dörfer kein Ortsschild, so dass man nicht wusste, wo man war. Alles das summierte sich zu einem Unsicherheitsgefühl, das einen im Hintergrund drückte.

Immer wieder hielt ich mir vor: In Negreira gibt's ein neues Refugio, in Maroñas wartet die Dorfschule; Cée kenne ich schon, da wird halt ein Privatquartier gesucht, und in Fisterra, der Stadt am Kap Finisterre, gibt es ebenfalls ein neues Refugio. Was sollte da passieren?

Nach einem guten Frühstück im Stadtpark von Santiago ging es durch die Vorstädte nach Westen. Wir haben in fast allen Städten immer am Tag vorher schon in Erfahrung gebracht, wo der Pilgerweg weitergeht. Außerdem half zuerst noch mein Stadtplan. Die Wegkennzeichnung bis Finisterre ist nicht so lückenlos wie vor Santiago. Man muss höllisch aufpassen, nicht an einer unvermuteten Abzweigung von der Straße vorbeizulaufen. Zwei Mal habe ich eine solche übersehen, ein Mal Harald. An diesem und dem nächsten Tag ging es lange durch dichte Wälder, meist von Eukalyptus. Das war zwar ein schöner Weg, aber er kostete auch viel Zeit. Einmal wollten wir einfach nicht glauben, in drei Stunden nur 7,5 km geschafft zu haben.

Vor Negreira überraschte uns Puente Maceira, ein Erholungsort mit sehr schöner alter Brücke, dazu ein breiter Fluss mit Felseninseln, eine Staustufe mit schäumendem Wasser und Mühlen rechts und links. Dann kam Negreira in Sicht. Die Pfeile führten uns hinein, im Ortskern scharf nach links, an einem Bauernmarkt vorbei und wieder aus der Stadt heraus. Nanu? Wo war das neue Refugio, das laut Outdoor-Handbuch 1999 eröffnet werden sollte? Nach einem vagen Hinweis erklimmen wir die gegenüberliegende Höhe mit Kirche und Friedhof (schon 1 km außerhalb der Stadt). Ein großer Hund kommt auf uns zu, bellt wütend und setzt nach, als ich zurückweiche. Die Bäuerin kommt gottlob und scheucht ihn zurück. Das Refugio ist da unten, sagt sie, aber sie wüsste nicht, ob es schon geöffnet sei. Na, machte nichts, wir konnten ja warten, bis man aufmachte. Als wir endlich das Gebäude gefunden haben, klappt uns der Unterkiefer herunter: Es ist nicht eröffnet, die gesamte Inneninstallation fehlt noch. Auch kein Wasser.

Knirschend zogen wir den ganzen Weg in die Stadt zurück. Beim Rathaus anzurufen, wie das Outdoor-Handbuch riet, war am Sonntag nicht die Lösung. Nur das DuMont-Handbuch gibt einen Hinweis auf eine einfache Unterkunft beim Sportzentrum. Das haben wir übersehen. (Das Sportzentrum liegt nach Auskunft anderer Pilger weit außerhalb. Es gibt dort eine Notunterkunft, aber zwei Pilgerinnen wurden dort von Gruppen Jugendlicher belästigt.) Also ein Privatquartier suchen. Die beste Methode ist: in die nächste Bar und fragen. Dank der üblichen Hilfsbereitschaft der Spanier kommt man dann schnell zum Erfolg. So auch in Negreira. Die Hospedaje lag direkt an der Kreuzung im Ortszentrum. Ja, das neue Refugio, sagt unsere Wirtin. Keiner wüsste, warum seit einem Jahr nur noch die Installationen fehlten und es nicht weiterginge. Na toll. - Doppelzimmer mit eigenem Bad 4.000 P., angemessen. Obwohl Restaurant, keine Speisekarte ausgehängt. Also etwas die Straße hoch in der Bar "Churasco" (mit Preisaushang) zu Abend gegessen.

Negreira ist ein merkwürdiger Ort. Das alte Zentrum liegt im Tal, unterhalb von Kirche und Friedhof. Aber die neue Stadt ist um ein Vielfaches größer, zieht sich mit hässlichen mehrstöckigen Wohn- und Geschäftsblöcken entlang der Durchgangsstraße oberhalb des alten Zentrums hin. Nun, wir wollten da ja nicht Wurzeln schlagen.


04.09.2000, Montag: Nach Pino do Val, 27 km (840 km)

Frühstück in unserer Unterkunft, da wir keine Vorräte mehr hatten und die Geschäfte noch geschlossen waren. Nur noch Wasser und Wein in den Flaschen und Notvorrat: etwas Schokolade und trockene Kräcker. Zunächst wieder den Weg von gestern, an Kirche und Friedhof vorbei. Dann durch Wälder und Dörfer wie am Vortag. Ich stellte mir vor, dass eine Frau allein durch diese Einsamkeit der Wälder ginge, nicht zu empfehlen. Und wirklich war meine Ahnung berechtigt: Birgit, die Dänin, und eine andere Pilgerin berichteten später, dass sie auf dieser Strecke von einem Mann bedroht wurden (siehe "Allgemeine Informationen", Punkt "Nordspanien: Land und Leute"). Der Pilger ist hinter Santiago nicht tabu.

Maroñas, unser Ziel, wurde zum Albtraum. "Übernachtung in der alten Dorfschule" klingt doch gar nicht schlecht. Naiv hatte ich mich bei der Planung gefragt, ob sie denn zur Schulzeit für Pilger wohl zugänglich sei. Sie war es, ha ha.

Zunächst hatten wir das Problem, ein Dorf zu erreichen, das laut einem Grenzstein Maroñas sein musste, das Refugio aber nicht zu finden. Auch die gelben Pfeile waren hinter dem Dorf weg. Hatten wir uns verlaufen? Also zurück und gesucht, nichts. Wegen der Mittagshitze kein Mensch auf der Straße. Doch, da, eine alte Frau. Ja, das sei der Pilgerweg, zum Refugio immer geradeaus an der Kirche vorbei. Uns dämmert es: wir sind noch nicht im richtigen Ortsteil, das Zentrum kommt noch. Die alte Frau freut sich über unseren Dank. Sie sagt, sie fände es prima, dass man sich mit von so weither gereisten Ausländern doch verständigen könne. Wir nehmen's als Kompliment. Zwar hat Harald immer mir das Reden überlassen, aber dank seiner Italienischkenntnisse hat er sehr viel Spanisch verstanden, manchmal schneller als ich.

Also wieder den Weg weiter und zum nächsten Ort. Das musste nun wirklich Maroñas sein (wie üblich, kein Ortsschild), aber keine Kirche in Sicht. Etwas weiter ein neuer Pilgerrastplatz, aber noch ohne Tische und Bänke. Und auch der Brunnen noch ohne Wasseranschluss :-( Was zum Jubeljahr 1999 nicht fertig geworden ist, bleibt wohl liegen, siehe Negreira. Eine Bar soll neben dem Refugio sein, wo es den Schlüssel gibt. Keine Bar zu sehen. Wir gehen weiter. Nach 1 km kommt die Fernstraße - und eine Bar in Sicht. Also waren wir in einem weiteren Ortsteil von Maroñas gewesen, aber immer noch nicht in dem richtigen. Ein Hinweis zurück auf eine Kirche, wir haben sie nicht gesehen. Sehr erschöpft in die Bar. Dort ist man zurückhaltend. Es gibt Bocadillos und Getränke, aber nicht die gewohnte Herzlichkeit. Ja, die Schule sei etwas weiter in der nächsten Kurve. Einen Schlüssel brauchten wir nicht, sie sei auf.

20 m weiter, bislang durch einen großen Baum verdeckt gewesen, ist gleich die nächste Bar, größer und schöner. Deshalb also die gedrückte Stimmung bei der Konkurrenz davor. Da kommt auch die Schule in Sicht. Von außen sieht sie wie eine Ruine aus. Da wird sicher kein Unterricht mehr gegeben. Im Geist streichen wir die Duschen. Na, für ein Mal, was soll's? Der kleine Anbau ist wohl die Toilette, hm, war mal die Toilette! Alles von Unkraut überwuchert. Die Tür hängt in Angeln, die irgendwann einmal gewaltsam aus der Mauer getreten worden sind. Nein, einen Schlüssel braucht man hier wirklich nicht mehr: das ganze Haus ist eine Ruine!

Innen, unter dem teils verfaulten Dach, nur noch Reste des ehemaligen Mobilars. Kleine Schultische zusammengeschoben, da haben Pilger drauf geschlafen. "Wegen der Ratten auf den Tischen" sagt Harald. Jetzt reicht mir's! Ich mache ja alles mit, aber Ratten, die mich nachts besuchen...

Entschlossen gehe ich zurück zu der neuen Bar. Wo kann man hier irgendwie unterkommen? Die Schule ist wohl nichts, meint die Wirtin verständnisvoll. Also, beschreibt sie sehr hilfsbereit; entweder 10 km den Camino geradeaus und dann 3 km ab nach Picota, oder hier 5 km die Fernstraße weiter nach Pino do Val, aber das ist vom Camino weg. Ist mir egal, wir sind ziemlich fertig und schaffen kaum noch 5 km. Gut, dass ich meine Landkarten dabei habe; sonst wüsste ich nicht, wo dieses Pino do Val läge. - Harald, der in der Ruine gewartet hat, reißt sich zusammen: "Komm, das packen wir noch."

Mühsam geht es die Fernstraße entlang. Sie ist schmal und hat keine Seitenstreifen. Kaum, dass hier zwei Lastwagen nebeneinander Platz haben. So sind wir immer in Gefahr, wenn sich von vorn und von hinten gleichzeitig ein Fahrzeug nähert, besonders vor Kurven und Bodenwellen. Die Lastwagenfahrer haben Verständnis; einige bedanken sich sogar, wenn wir an die Seite auf den Grabenrand ausweichen. Aus 5 km werden 7 km (Autofahrer unterschätzen immer alle Entfernungen). Endlich der Ort. Rein in die nächste Bar. Aha, Zimmer gibt es an der großen Kreuzung in der Bar rechts, Richtung Picota. - Dort will uns der Chef nicht, angeblich alles besetzt. Betrunkene Touristen gaffen uns an. Ein junger Angestellter (sein Sohn?) nimmt uns beiseite. Schaffen wir noch 5 km bis Picota? Nein. Gut, dann (hinter der vorgehaltenen Hand) einfach 4 Häuser weiter, bei der Konkurrenz. -

Also etwa zweihundert Meter weiter die Straße hoch in Richtung Picota. Links eine Bäckerei (Brot war ausverkauft). Rechts eine Bar. Dort sind wir gut untergekommen. Die Wirtin kennt ein deutsches Wort: "Ssnissel" (Schnitzel). Man versorgt uns gut und preiswert, und das neu möblierte Doppelzimmer kostet auch nur 3.000 P. An der Decke allerdings nur eine nackte Glühbirne, wo ein Plastiklampenschirm wahrscheinlich nur 2,50 DM kostet. Aber dafür scheinen Wirt und Kunden kein Auge zu haben. Hier übernachten hauptsächlich Fernfahrer. Pino do Val liegt an der Kreuzung zweier großer Fernstraßen, die, im Gegensatz zu dem Ort selbst, auf mancher Karte verzeichnet ist. Am andern Tag gehen wir einfach wieder nach Norden, im spitzen Winkel zurück, zunächst nach Picota. Es war ein Umweg von etwa 10 Kilometern, und das die viel befahrenen schmalen Fernstraßen entlang.

Die Dorfschulruine von Maroñas ist untragbar. Zu allem Überfluss berichten wieder Birgit und ihre kanadische Freundin davon, es sei auch noch eine heimliche Billigabsteige für Fernfahrer, und sie seien deshalb auch dort belästigt worden.


05.09.2000, Dienstag: Nach Corcubión, 32 km (872 km)

Herrlich lange geschlafen und erst um 9.20 Uhr los. Zunächst die Fernstraße entlang nach Picota. Von dort geradeaus nach Puente Olveira, wo von rechts gelbe Pfeile einmündeten: wir hatten den Pilgerweg wieder. Bald darauf Olveiroa.

Der nächste Ort Hospital nach unserem Handzettel des Pilgerbüros nur noch 2,5 km entfernt. Eine Sache von einer halben Stunde. Denkste! Fast hätten wir die Abzweigung nach links übersehen. Dann ging es immer weiter von der Straße weg ins vor uns liegende Gebirge. Eine Abkürzung, vermutete ich optimistisch. War es auch, aber äußerst anstrengend.

Die Landschaft wurde immer wilder und schöner, der Weg immer steiniger und steiler. Ein Einheimischer (wohl Invalide) kam uns entgegen, schwatzte mit uns Pilgern. Vater und Sohn, das fände er prima. Bach (man turnt über die Reste einer zerstörten Brücke), einen steilen Abhang hoch, durch ein Dörfchen, es nahm kein Ende. Endlich auf einer Höhe die Straße wieder erreicht. Ein Bergwerk mit drei qualmenden Schornsteinen, davor drei Häuser, eines davon eine Bar. Ein Blick zurück: von Olveiroa trennten uns inzwischen zwei Höhenzüge. Wir hatten zwei Stunden und mindestens 5 Kilometer gebraucht. (Wie sich später herausstellte, waren es tatsächlich 5 km gewesen.)

Erschöpft in die Bar. Wie weit noch bis (zu diesem verdammten) "Hospital"? Die Wirtstochter: Hospital? Das sei doch hier. Sie war ganz schön kess und fragte uns nach Strich und Faden aus, sogar Harald nach seinem Alter. Suchte wohl einen Prinzen, der sie aus dieser abgelegenen Gegend rausholte. Laut DuMont-Handbuch führte die Fahrstraße nun direkt nach Cée. Es wurde aber ein etwas längerer Umweg durch die Landschaft empfohlen. Wir hatten schon wieder Kräfte gesammelt und wollten nicht die Straße entlang. Trotz der folgenden Anstrengungen war diese Entscheidung richtig.

Also ging es in eine einsame Mittelgebirgslandschaft, links unten im Tal immer die Straße, ganz vorn einige Häuser von Cée. Die im DuMont-Handbuch eingezeichnete Strecke ist inzwischen total verändert. (In der Ausgabe 2002 ist der ganze Weg von Santiago zum Kap Finisterre gar nicht mehr enthalten.) Im Zickzack geht es mal nach Westen, mal nach Süden, einmal sogar ein kleines Stück nach Nordwesten. Irgendwann Rast bei einer großen Einsiedelei, die offenbar auch als Wallfahrtsort diente. Wenigstens Schatten. Dann wieder endlos weiter, dazu noch auf und ab. Endlich, vor einer Höhe mit Fernsehmasten schwenkt der Weg definitiv nach Süden auf Cée zu. Rechts noch einmal ein großes Gebäude. Wieder eine Einsiedelei? Zahlreiche Tische und Bänke vor dem Haus, sogar mit Tischdecken. Davor am Weg Hinweise: "Wasserstelle" und "Betreten verboten". Ein ganzes Stück weiter wieder eine kleine Höhe: vor uns jetzt Sicht bis zum Meer, und ganz rechts: "Mensch, das ist Kap Finisterre!" rufe ich. Durch einen Wald, der Weg schwenkt nach links, aber geradeaus ist eine Baustelle mit einem neuen Steinplattenweg. Eine neue Pilgerautobahn? So sieht es aus, aber kein Hinweis. Links liegen auf dem Weg einige kleine Steine in einer Querlinie. Das heißt eigentlich: "Hier nicht entlang". Die gelben Pfeile weisen aber dorthin. Zur Vorsicht folgen wir ihnen. (Das war richtig.)

Kurz darauf geht es nach Südosten steil bergab. Ich rutsche mit dem Stock und einem Bein gleichzeitig weg und falle, das einzige Mal auf dem ganzen Pilgerweg. Es ist aber nichts passiert. Weiter geht es sehr steil hinunter; vor uns qualmt ein Schrottverwertungswerk in Cée. In der Stadt geht es gleich nach rechts. Eine Bar lädt (erfolgreich) zur Rast.

Zwei Bier, dann geht es guter Dinge weiter. Auf einmal sind wir schon durch Cée, haben kein Übernachtungsangebot gesehen. Wir haben aber keine Lust, zurückzugehen und zu suchen. Also weiter. Rechts ein großes Hotel (sieht zu teuer aus); davor folgt der Pilgerweg einer Straße, die steil nach oben geht. Wir entschließen uns, lieber am Rand der Bucht zu bleiben und erreichen Corcubión. Dort fragen wir rum und kommen in einem kleinen Hotel unter. Zimmer mit Balkon und Meeresblick, eigenes Bad selbstredend, an der Decke ein vierarmiger Leuchter statt einer Glühbirne. Dafür kostet's auch 7.000 P., und auch das Abendessen im Haus wird das teuerste unserer ganzen Fahrt. Das darf schon einmal sein. Und außerdem (karges) Frühstück inbegriffen (1 Milchkaffee und 1 Croissant).


06.09.2000, Mittwoch: Zum Kap Finisterre, 20 km (892 km)

Dann brach der letzte Tag unserer Pilgertour zu Fuß an. An der Kirche von Corcubión suchten wir den Pilgerweg wieder. Da, eine Muschelkachel, die nach oben zeigt. Aber danach nichts mehr. Nach etwas Rumfragen eine kleine Asphaltstraße steil hoch und erst oben wieder gelbe Pfeile von rechts. Danach ging es meistens die Fahrstraße nach Fisterra entlang. In Langosteira eine kleine Bucht mit Sandstrand. Ein Foto als Beweis, dass wir den Atlantik nicht nur gesehen haben. Aber dann weiter nach Fisterra, erst kilometerlang an dessem schönen Sandstrand entlang. Badegäste schauen verdutzt hinter uns her. Im Ort kenne ich mich aus. Geradeaus auf den Hafen zu, da muss das Refugio irgendwo sein. Da, ein Pilger, und hier ein verdächtiges (neues) Haus: reingeschaut, aha, Tocktocks mit Gepäck vor einer Anmeldung. Wir sind da.

Dann gab es noch eine leichte Aufregung. Zwar wurden laut einem Aushang keine motorisiert Angereisten aufgenommen, aber alles vor uns füllte eifrig Anmeldeformulare aus. Dabei konnte ja außer uns eigentlich kaum jemand zu Fuß heute eingetroffen sein. Nun, es stellte sich heraus, dass die Formulare nur Reservierungen für eine Warteliste waren. Als wir an die Reihe kamen, gab es gleich Betten - und eine weitere Pilgerurkunde (die "Finisterra"? :-)) ! Das Refugio ist Spitze, nur mit den merkwürdigen Duschkabinen wie in Palas de Rei und Pedrouzo.
Am Nachmittag ging es, ohne Gepäck, weiter zum Kap. Ich sah nicht ein, das Gepäck mitzunehmen, nur, um irgendwelche Pilgerstandards einzuhalten. Wir brauchten es nicht, also war es nicht sinnvoll. Da das Wetter bis heute zum letzten Tag strahlender Sonnenschein war, hatten wir am Kap eine tolle Sicht. Vor zwei Jahren war ringsherum nur Nebel. So konnten wir auch bis ganz an die Spitze, was damals wegen dem Nebelhorn nicht möglich war, ohne zu ertauben. vergrößern Am Kap Finisterre
vergrößern Traditionelles Verbrennen zerschlissener Pilgerkleidung Neben dem Leuchtturm steht der Kilometerstein mit der Entfernungsangabe 0.000 m. Weiter vorn ein uriges Denkmal: zwei kaputte Pilgerschuhe aus Bronze, darunter eine Feuerstelle. Hier kamen wir der Pilgertradition nach, zerschlissene Kleidung zu verbrennen. Harald zerriss sein T-Hemd, ich steuerte Socken bei. Zwei italienische Pilgerinnen kamen hinzu, erkannten, worum es ging, und opferten begeistert ein Taschentuch. Es brannte ganz schön.
Danach genossen wir noch den Tag, stiegen ein Sträßchen zu einem Aussichtspunkt, weit oberhalb des Kaps, hinauf und gewöhnten uns an den Gedanken, dass das Tippeln vorbei war.

Auf dem Rückweg sahen wir weitere Pilger zu Fuß, alles Deutsche. Im Refugio stießen wir auf Birgit und ihre Freundin aus Kanada. Sie luden uns zur Abschiedsfeier am abendlichen Strand ein. Dieser lag Fisterra gegenüber, der einzige Strand an der Westseite, mit hoher Brandung. Erst war ich fast verlegen wegen der Einladung; dann kapierte ich, dass Harald und ich wohl einen zuverlässigen Eindruck machten und deshalb zugleich Begleitschutz waren; die beiden waren die Belästigungen durch Machos satt. Am Strand ging es fröhlich und harmlos zu. Eine österreichische Pilgerin kam noch spontan dazu. Dann sank die Sonne ins Meer. Die Fotoapparate klickten, was das Zeug hielt. Fast im Dunkeln stolperten wir zurück ins nahe Fisterra jenseits der Dünen.


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Sonnenuntergang am Kap Finisterre

07.09.2000, Donnerstag: Abschied vom Kap Finisterre

Im Refugio Fisterra darf man ausnahmsweise auch einen zweiten Tag bleiben, wenn Platz ist. Meist landet man dann auf Matratzen.

Am Morgen gingen Harald und ich noch zum Hauptstrand von Fisterra, an der Ostseite. Die Rucksäcke konnten im Refugio bleiben. Die See war flach wie ein Brett, fast keine Dünung, aber das Wasser kalt wie die Nordsee. Ich überwand mich und schwamm ein paar Runden. Es waren nur wenige Menschen am Strand. Kurz vor 13 Uhr holten wir unser Gepäck aus dem Refugio ab (es schloss um 13 Uhr vorübergehend), 13.45 Uhr fuhr der Bus nach Santiago vor. Unsere große Pilgertour war zu Ende. Mit der Hilfe Gottes war alles gut gegangen.



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Letzte Änderung: 02.03.2017