11 Etappen, 252 km
Es gibt keinen offiziellen Pilgerweg von Gibraltar nach Sevilla, also insbesondere keine Wegeauszeichnung und keine Pilgerherbergen. Das bedeutete, dass einem die Planung ganz allein überlassen bleibt. Mit vielem Herumschweifen im Netz hatte ich zu jeder Stadt, in der wir übernachten wollten, eine oder mehrere Adressen von Hostales gefunden und notiert. Das war sehr umsichtig, denn wie geargwöhnt hielt sich die Hilfe der Touristenbüros in Grenzen: meistens waren sie geschlossen, wenn wir irgendwo eintrafen.
Als Straßenkarte benutzte ich die Shell-Karte vom Verlag Marco Polo: Andalusien - Die Generalkarte, 1:200.000. Ferner Militärkarten aus den Siebzigerjahren, die aber i.W. unbrauchbar waren; nur die Höhenlinien waren aktuell ;-) Zu Gibraltar und zum Bergwanderweg Benacoaz-Grazalema fand ich Beschreibungen in einem Wanderhandbuch "Andalusien", ISBN 3-7654-3489-2, das mir meine Tochter geschenkt hatte. Dieses erwies sich als ganz nützlich, enthielt aber zu meinem nachträglichen Erstaunen keinerlei Hinweis auf die einzigartige Römerstraße von Ubrique nach Benacoaz.
Die Entfernungen musste ich nach der Shell-Karte berechnen bzw. schätzen, geringer als angegeben waren sie bestimmt nicht. Leider waren wir i.W. auf die Land- und Fernstraßen angewiesen, mit den bekannten Nachteilen. In Spanien wird auf Fußgänger und Radfahrer keine Rücksicht genommen. Man quetscht sich im Grenzfall ohne Seitenstreifen an der Leitplanke entlang, auch auf vierspurigen Schnellstraßen.
Abseits der Küste gab es im April noch kaum Touristen, besonders in den Billigherbergen nicht. Wir waren oft fast die einzigen Gäste. Das Problem war also nicht, ein Bett zu bekommen, sondern die Pensionsbesitzer ausfindig zu machen, damit sie überhaupt aufschlossen. Man konnte im Prinzip telefonisch ein Zimmer vorbestellen (die Anschriften von Hostales fand ich durch Recherchen im Netz), aber dafür muss man gut Spanisch können, wie überhaupt unterwegs ohne Spanisch nichts lief. (Nur in Gibraltar verstanden alle auch Englisch.) Mancher Spanier versuchte sich zwar auf Englisch, aber das war unverständlicher als klares Spanisch. Im Süden sprach man natürlich die andalusische Variante, wobei sehr gewöhnungsbedüftig ist, dass sogar Pluralendungen weggelassen werden ("buenos dia" oder gar "buen dia"). Die meisten Leute wussten, was Pilger waren, wobei einige stolz erzählten, sie seien selbst schon gepilgert. Aber meine Frage, ob vor uns schon Pilger dagewesen seien, wurde regelmäßig verneint. Wir waren also in Bezug auf diese Strecke echte Pioniere. Alle (mit einer einzigen Ausnahme) behandelten uns sehr freundlich, und besonders die Polizei kann ich für ihre Hilfsbereitschaft nicht genug loben. Es gab natürlich auch den von mir schon öfter beschriebenen Typ des "hilfsbereiten Spaniers", der einem seine Hilfe aufdrängt und damit mehr behindert als nützt. Aber das muss man zuweilen mit einem verständnisvollen inneren Lächeln in Kauf nehmen.
Zu meinem Erstaunen gab es im Süden ein Steckdosenproblem. In den Billigunterkünften gab es noch Uraltsteckdosen, für die die Stifte unseres Tauchsieders zu dick waren. Weiter nach Norden gab es immer noch veraltete Steckdosen, aber schon mit größeren Löchern, so dass wir den Tauchsieder schon verwenden konnten. Noch später stießen wir wie im Norden gewohnt dann nur noch auf neuere Schuco-Steckdosen. Dafür funktionierten die Telefone auch im Süden überall klaglos, nicht wie in der Gegend vom Somportpass, wo wir 2002 noch ganz veraltete öffentliche Telefone antrafen, die unsere kostenlose Einwahl per Vorbezahlkarte nicht akzeptierten.
Anekdote: Ein Pilger erzählte uns hinter Salamanca, laut Refugiobüchern sei aber auch noch eine Fünfergruppe von Gibraltar aus unterwegs, 3 Männer und 2 Frauen. Einer der Männer habe wegen Magenproblemen aber aufgeben müssen. Beim Nachfragen fielen ihm auch Namen ein: "Fischer und Swoboda". Wir lachten: "Mensch, das sind doch wir, und alles andere stimmt ja gar nicht." Da schwieg er betreten. Pilgergerüchte ...
Die Kilometerangaben geben zunächst die Länge der Tagesetappe an, dahinter steht in Klammern die kumulierte Entfernung ab Gibraltar. |
Bei der ersten Gelegenheit gingen wir links steil hoch, teils über Treppen, zum maurischen Schlösschen. Kurz darauf schoss aus einem Pförtnerhäuschen eine Frau hinter uns her und bellte auf Englisch, wir hätten gefälligst zu zahlen. Angeblich für das Betreten des Naturschutzgebietes weiter oben, 1 EUR, naja. Ich ärgerte mich etwas über die unfreundliche Art und vergaß, dass sie uns doch einen Stempel in unsere Pilgerausweise geben konnte. In der nächsten Kurve war eine geräuschuntermalte Ausstellung über die "große Belagerung". Weiter oben verzweigte sich die Straße. Wir gingen nach links, das war falsch, aber wir sahen den ersten Affen. Zurück und die nächste Abzweigung. Auch das eine Sackgasse, an deren Ende man die Tunnels besichtigen konnte, die die Briten bei der großen Belagerung im 18. Jahrhundert in den Fels geschlagen hatten. Hier wollte man gleich 63 EUR Eintritt kassieren, wobei alle weiteren Sehenswürdigkeiten wie Höhlen usw. inbegriffen waren. Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Der Spanier sprach neben sehr verwaschenem Englisch nur Andalusisch, die Verständigung war sehr schlecht. Immerhin bat ich geistesgegenwärtig jetzt um einen Stempel, und den bekamen wir, unseren ersten!
Zurück zur Verzweigung des Weges und nach oben bis zu einer Dreifachverzweigung. Hier sagte das Handbuch: "Links halten, aber nicht die ganz linke Spur", um den Gipfel mit der Seilbahnbergstation zu erreichen. Also nahmen wir den mittleren Weg, aber das war falsch. Wir blieben so auf gleicher Höhe. Unten lag die moderne Stadt Gibraltar mit ihrem Hafen. Gegenüber am anderen Ende der Bucht die Stadt Algeciras. 2-3 km später kreuzten wir eine Mauer, neben der eine Treppe sehr steil von der Stadt direkt auf den Gipfel führte. Hier turnten Affen auf und ab und bettelten um Futter. Etwas weiter kamen wir an eine Kreuzung. Rechts ging es zum Affenfelsen hinunter; das war, wenn ich mich richtig erinnere, am Nachmittag unser Rückweg. Scharf links ging es aber endlich in Richtung Seilbahnbergstation hoch. Kurz darauf passierten wir natürlich wieder die Mauertreppe, und zu unserem Erstaunen kam dort ein Tourist hochgestiegen, der so die Serpentine gehörig abkürzte. Hm, alles etwas bröckelig, das Geländer an der linken Seite der Treppe teilweise schon abgestürzt. Trotzdem: oben, greifbar nahe, lag schon der Gratweg. Kurz entschlossen - obwohl es garantiert verboten war - begann ich, die Treppe hochzusteigen, denn der Weg machte offensichtlich noch viele Serpentinen bis oben. Zu meinem Schreck kamen mir drei Affen entgegen. Einer sprang aufs Geländer links von mir, zwei waren in Kopfhöhe rechts neben mir auf der Mauer, und alle drei bleckten die Zähne und langten nach meinem Vorratsbeutel. Von unten johlte Hans bei diesem Anblick vor Vergnügen und machte auch gleich ein Foto. Ich fand's gar nicht komisch, schwenkte den rechten Arm und brüllte "Weg!", "Haut ab!" u.dgl. Endlich ließen die Affen von mir ab und turnten nach unten. Als sie weg waren, kam Hans hinter mir her. Kurz darauf hatte ich den Gratweg erreicht. Ein junger Mann meinte zu mir auf Englisch: "Na, Sie sind aber mutig!" und schaute schaudernd die steile Treppe an. Ja, von oben sah es viel gefährlicher aus als von unten.
Oben tummelten sich ganze Affenhorden, sprangen in das offene Fenster eines Autos, das ein Tourist dummerweise heruntergelassen hatte (die Kinder innen heulten vor Angst), ein anderer Affe landete auf dem Rucksack einer Touristin, die "Jeschesmariajosef" aufschrie. (Hans erklärte mir dazu, dass es bei seinen schlesischen Vorfahren immer "Jesses, Maria und a Stückla Josef" geheißen habe. Mit solchen volkstümlichen Erinnerungen hat er mich öfter amüsiert.)
Wir gingen dann nach links zur Bergstation und genossen den Rundumblick. Leider war der ganze Grat mit alten Betonbunkern und sonstigen militärischen Stellungen, darunter auch Wasserzisternen verunstaltet. Dann zurück und nach Westen auf die zweite Bergspitze, einen schwierigen Fußpfad entlang. Hier hätte ich meinen Wanderstock schon gut gebrauchen können. Bald erreichten wir eine Asphaltstraße, die auf die Einrichtungen auf der Bergspitze zulief, aber vor einer Tür im Zaun endete. Hier war Schluss, doch ein kleines Schild wies auf die "Mediterranean steps" hin, zu denen man auf einem Pfad durchs Gebüsch auf den Berggrat scharflinks abzweigen konnte. Auch dort ein Zaun, aber - o Wunder - direkt vom Grat aus kam auf der steilen Seeseite eine Treppe in Sicht, die wohl für Riesen gebaut war: so hoch waren die Stufen, zum Glück aber auch so breit. Da auf dieser Seite des Felsens dichter Pflanzenwuchs alles überwucherte, wurde der gähnende Abgrund, in den man hinunterkletterte, gnädig verhüllt. Blumen, Vögel, Schmetterlinge, das Handbuch hatte nicht übertrieben. Dies war die größte Sehenswürdigkeit von ganz Gibraltar (jedenfalls aus meiner Sicht), und wir nahmen die Herausforderung tapfer und vorsichtig an. Ein Königreich für meinen Stock!
Über 3/4 Stunde kletterten wir bei fantastischer Sicht auf Afrika so die Treppe hinunter. Auf zwei Absätzen war es nicht ganz einfach, die Fortsetzung zu finden. Ein einziger Mann kam uns entgegen, sonst keine Menschenseele. Unten lief die Treppe, später ein Weg (einmal ein Tunnel) ganz nach Süden um den Felsen herum; der südlichste Punkt war auch der südlichste unserer ganzen Pilgertour. Dann ging es auf der anderen Seite nach Norden zurück, aber kaum hatten wir eine Asphaltstraße fast erreicht, als ein Fußpfad wieder steil nach oben führte. Vor einer Höhle ging es dann aber endgültig bergab. Wir fanden ein Sträßchen, das in Serpentinen steil nach unten ging, am Affenfelsen vorbei, wo aber auch nicht mehr Affen waren, als wir oben gesehen hatten. Hinter einer der vielen historischen Kanonenstellungen führte dann ein schmaler Fußpfad noch steiler und direkter in die Stadt. Bald waren wir unten.
Den Rest des Tages verbrachten wir in La Línea mit Einkaufen und Ausruhen. Abends gingen wir in die Messe und bekamen in der Sakristei unseren zweiten Stempel. Abendessen in der erwähnten Bar "Parada" am Platz vor der Kirche (1/2 ración Fleisch in Tomatensoße, 6 EUR, dazu ein kräftiger Schlummertrunk Bier, gut!). So hatten wir den ersten, sehr erlebnisreichen Marschtag hinter uns gebracht.
Ab dem Turm gibt es eine Piste, parallel zum Strand, der wir uns anvertrauen. Wir gelangen an eine große Neubausiedlung, die komplett von Deutschen belegt ist, wie uns ein Mann erzählt. Ab da geht es mühsam durch Kies über den Strand. Am Ende einer kleinen Bucht geht ein Sträßchen hoch, das wir gleich wieder rechts auf einer Piste verlassen, um auf den nächsten Turm, den Torre Carbonera, zuzugehen. 12h00. Ich schütte den Sand aus den Schuhen. Ein deutsches Ehepaar spricht uns an. Ja, hier ist für Fußwanderer nichts vorgesehen, sagen sie. Danach ist der Strand besser begehbar, besonders, wenn wir direkt an der Brandung über die feuchte, festgebackene Randzone laufen, wobei wir natürlich aufpassen müssen, dass wir die Füße nicht nass bekommen.
Hinter der Brücke liegt voraus ein großes Neubautenviertel, das wir nach links in einem riesigen Rechtsbogen umgehen müssen. Ich bin erst sauer über den Umweg, aber dann verstehe ich, dass es gar nicht anders geht: Ein Netz von kleinen Kanälen ohne Brücken verbindet alle Häuser mit dem Meer. - Wir kommen an eine Kreuzung mit einem Schlagbaum. Rechts ist offenbar Sackgasse, also links die Straße hoch. Wir stoßen auf den Torre Guadiaro, der der Ortschaft den Namen gegeben hat. Erst einmal Pause mit Essen und Trinken auf einer Bank vor dem Turm. Jetzt müssen wir eine Unterkunft suchen. Sotogrande, das ich dafür bei meiner Planung vorgesehen hatte, liegt schon zurück, auf einem Hügel, gut sichtbar. Es wäre Unsinn, dahin zurückzulaufen.
Auf gut Glück laufen wir die Straße weiter hoch und erreichen die Fernstraße E15/N340. Da liegt doch direkt auf der Ecke ein Hostal Las Camelias. Ein Luxuszimmer im Hinterhof für 45 EUR. Nicht billig, aber preiswert, und außerdem wohl das günstigste Hostal in diesem Ort, der rechts und links der lauten Fernstraße liegt. Glück gehabt!
Ca. 1 km hinter dem Kreisverkehr kommt eine scharfe Linkskurve. Hier springt die Küste am Punta de Chullera vor, natürlich steht hier auch ein Turm. Hier können wir in einen Weg einbiegen, der nur wie eine Zufahrt zu zwei Häusern aussieht, aber er geht doch weiter, zum Turm. Ein paar winzige Buchten, dann versperren uns niedrige Klippen den Weg. Wir überklettern die erste Barriere und erhalten eine Übersicht: Hurra, vor uns sind die Klippen zu Ende, und endlos erstreckt sich der Strand nach Nordosten. Wir sind von der Fernstraße gerettet.
Längst haben wir uns entschlossen, morgen über Casares zu gehen, und wollen deshalb heute nicht Manilva, sondern San Luis de Sabinillas ansteuern. Doch zunächst ist wieder mal Schluss, da wir vor den Hafen von La Duquesa gelangen. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als vom Strand weg in die Bebauung zu laufen und dort, hinter weißen Häusern her, parallel unsere Richtung weiter zu verfolgen. Eine größere Straße lenkt nach rechts zu einem Platz mit einem Rathaus (es ist aber noch nicht das von San Luis) und - oha! - links ein Oficina de Turismo. Nichts wie rein! - Die junge Dame gibt uns einen Stadtplan und ruft sogar in einer ihr bekannten Pension in San Luis an: 40 EUR? Wir stimmen zu, haben schon wieder Quartier, wieder Glück gehabt.
13h00 haben wir das Ziel erreicht: Ecke Duquesa de Arcos, Calle Virgen del Carmen soll unser Hostal Casa Recio liegen. An einer Bar ein entsprechendes Schild; ich also hinein und das Zimmer verlangt. Der Wirt sagt, da seien wir falsch, die 3. Tür links um die Ecke. Merkwürdig. Die Türen um die Ecke sind verschlossen, kein Hinweis auf Zimmer. Wir sprechen eine x-beliebige Frau auf der Straße an, sie trommelt noch mehr Leute zusammen. Eine Frau zeigt auf einen Klingelknopf, nichts rührt sich. Eine weitere Frau erscheint, meint, gleich käme jemand. Tatsächlich streckt auf einmal ein junger Mann aus der Tür daneben den Kopf raus. Er weiß über unsere Reservierung Bescheid, hat aber wohl deutsche Touristen erwartet, keine armen Rucksackpilger. Das Zimmer ist natürlich bestens, ich bezahle wie üblich im Voraus, damit ein Irrtum über den Preis ausgeschlossen ist. Etwas später kommt der junge Mann mit unseren Personalausweisen wieder - und drückt mir 4 EUR in die Hand, murmelt was von "Rabatt". Wir sahen wohl zu arm aus. Vor Überraschung vergessen wir, uns sofort einen Stempel geben zu lassen.
Also ohne Schlummertrunk ins Bett :-(( Diese Touristenorte an der Küste gefallen mir nicht.
Die Bucht endet vor einer Landzunge; rechts liegt ein weiterer Turm. Links ist ein breiter Strandzugang mit hölzernen Strandgebäuden; ferner sieht man von weitem schon oben an der Straße das intensive Blau der Fußgängerbrücke leuchten. Auch fällt ein hellblaues Haus mit roter Bemalung in Form einer Tür auf. Links davon geht es den Strandzugang hoch zur Straße. Wir verzichteten auf die Fußgängerbrücke und liefen so über den Kreisverkehr gegenüber zur kleinen Landstraße nach Casares.
Zunächst geht es ohne große Steigungen auf die noch fernen Berge zu. Dann an Industrieanlagen vorbei, stärker bergauf. Später wird vor schöner Bergkulisse die Autobahn überquert, bevor man richtig in die Berge marschiert. Unweit einer Bar machten wir 9h15 Milchpause (dazu schleppte Hans anfangs 1 Liter Milch mit). Vor uns ein herrliches Panorama, direkt zu unseren Füßen ging es steil nach unten in ein tief eingeschnittenes Tal. Wir hatten schon eine ziemliche Höhe erreicht.
Es gab einige Abzweigungen, aber nur Pisten; die Hauptrichtung war unschwer zu erkennen. Ich wunderte mich, dass wir so hoch zwischen den Bergen liefen und von Casares nichts zu sehen war. Gaucín war bereits von der Küstenfernstraße als schmaler weißer Streifen in den Bergen sichtbar gewesen.
Unten kamen wir an eine Kirche und an einen Brunnen. Ein Einheimischer verwies auf die Güte des Wassers und trank selbst demonstrativ. Auch Hans versorgte sich, ich hielt mich zurück. Ich wollte auf dieser Fahrt grundsätzlich nur gekauftes Wasser trinken, weil ich Angst vor einer Darmgrippe hatte. Die Einheimischen mochten ja ihr lokales Wasser gewöhnt sein, aber meine Darmflora sicher nicht.
Durch den verwinkelten Ort gegen 11h30 zum zentralen Platz. Hier sah ich ein Schild, das auf eine Pension verwies, die ich aber nicht gleich entdecken konnte. Statt Wasser gab's Bier in der benachbarten Bar, während uns Touristen und Einheimische beglotzten. Danach noch zur Festung hoch. Auch hier sprachen uns Touristen an, diesmal Deutsche aus Bielefeld und Hamburg. 13h00 dann direkt zur Straße hinunter, die zur Landstraße zurückführte, aber nicht dahin, wo wir abgezweigt waren, sondern praktischerweise schon ein ganzes Stück weiter. Die Landstraße ging in einem großen Bogen um den Berg herum, auf dem Casares lag, erreichte dann den Rand des Gebirges und senkte sich dann abwärts. Die ganze Zeit gab es landschaftlich viel zu sehen. Es war inzwischen sehr heiß, wobei ein leichter Wind für etwas Erfrischung sorgte.
Unweit der Flussbrücke lagerten viele Ausflügler am Ufer oder stakten in dem seichten Gewässer herum. Auch Hans feuchtete sich die Beine an, während ich vor der sengenden Sonne unter einen Busch flüchtete. Oben lag Gaucín, scheinbar ganz nah. Eine Stunde, schätzte ich; Hans meinte, zwei Stunden.
16h17 rissen wir uns zusammen und machten uns an den Aufstieg. Es ging eine breite Asphaltstraße in Serpentinen hoch, mit Seitenstreifen, wenig befahren, zunächst kein Problem. Aber bald stieg die Straße immer steiler an, die Sonne sengte unbarmherzig, kein Schatten, und vor uns stieg der Hausberg von Gaucín so himmelan, dass man verzagen konnte, wie man an dem vorbeisollte. Schnell ließen Kräfte und Wasservorräte nach. Bald rasteten wir einige Minuten unter jedem der seltenen Bäume am Straßenrand, teilten den Rest Wasser sorgfältig ein. Die Serpentinen nahmen kein Ende. Ich war kurz davor, nicht mehr weiterzukönnen; Hans ging es nicht besser. Es war das anstrengendste Stück unserer ganzen Tour, wobei sicher auch eine Rolle spielte, dass wir körperlich noch nicht so fit waren wie viele hundert Kilometer später. Dass ich meine Wasserflaschen in Casares nicht aufgefüllt hatte (trotz des Sonntags gab es durchaus Wasser zu kaufen), war allerdings ein unverzeihlicher Fehler gewesen.
Endlich hatten wir doch den Sattel erreicht und umrundeten den Hausberg nach rechts. Oben blies zu unserer Freude ein kühler Wind, aber die Straße stieg immer noch an. Nach weiteren 2 km waren wir am Ortsrand, es war schon nach 18h00.
18h38 waren wir eingetroffen. Ich hatte schon Bedenken gehabt, dass das reservierte Zimmer vergeben worden war, weil ich unsere Ankunft für 18h00 avisiert hatte. Nun, ich musste hier feststellen, was auch die übrigen Dörfer und Städte bis Sevilla betraf: Es gab hier zu dieser Jahreszeit noch kaum Touristen, und wir waren in der Pension die einzigen Gäste. Das Doppelzimmer kostete 35 EUR, mit eigenem Bad. Links im Hof hingen Wäscheleinen; da flatterte bald einiges von unserer Kleidung im heftigen Wind.
Wir erkundeten die Stadt, die immerhin 2.500 Einwohner hat. Im nahen Supermarkt konnten wir erst am Montagmorgen um 9h00 etwas bekommen. Das Touristenbüro hatte idiotische Öffnungszeiten: Nur freitags von 16h00-18h00, samstags von 12h00-14h00 und 16h00-18h00, sonntags von 11h30-13h30. Sonst geschlossen. Von der Stadt aus gab es einen sagenhaft schönen Blick auf die Küste und natürlich den Felsen von Gibraltar. Auch verwiesen Schilder auf einen Gibraltar-Wanderweg. Wenn man von diesem Unterlagen bekommen könnte, wäre das natürlich sehr nützlich für Pilger, die wie wir von Gibraltar liefen. Aber ich bezweifele, dass der Weg auch unterwegs hinreichend ausgezeichnet ist. Wir folgten ihm im Ort etwas bergab und gaben sofort auf, als wir an der ersten Kreuzung standen, wo jeder Hinweis fehlte, wie es weiterging.
Das Abendessen fiel auch flach. Wir fanden nur eine geeignete Bar, aber hoffnungslos überfüllt mit Einheimischen, außerdem nur ein Café, das aber nichts zu essen anbot. Ein paar Jugendliche, darunter ein paar kesse Mädchen, sprachen uns neckend an; sie kamen wohl vor Langeweile um und waren neugierig, welche Zausel sich da in ihr Kaff verirrt hatten.
So zogen wir uns, ohne zu Abend gegessen zu haben, auf unser Zimmer zurück. Zum Glück war die Tankstelle noch geöffnet, dass ich mir noch einen Schlummertrunk besorgen konnte. Die Wäsche war auch längst trocken. Inzwischen waren Wolken aufgezogen, und nachts tobte ein richtiger Sturm. Konnte sein, dass das Wetter schlechter wurde, aber das traf dann doch nicht ein.
Die Berge liegen (noch) in den Wolken. Es ist relativ kalt, aber es sieht nicht nach Regen aus. Durch Gaucín im Zickzack, nicht einfach zu finden. Man darf nur nicht abwärts. Es gibt einige Wegweiser, und notfalls sollte man fragen, wo es zur Fernstraße in Richtung Ronda geht. (Man hätte auch an der Kreuzung unweit der Pension schon links eine Umgehungsstraße gehen können, aber dann sieht man nichts von der Stadt.) Es geht weiter bergauf, rechts liegt eine imposante Burg. Kurz hinter der Bebauungsgrenze holen wir einen älteren Wanderer ein. Der verweist mich auf einen Wanderweg, der teils die historische Wegeführung markiert und deshalb i.W. parallel verläuft. Guter Tipp! Wenige 100 m später Wanderzeichen (gelb-weiß) links ab. Es geht nur 3-4 m steil die Böschung hoch, dann sind wir auf einem ganz passablen Pfad, der oberhalb der Straße entlangzieht. Ca. 2 km weiter kommen wir wieder auf die Fernstraße. Gegenüber ist ein Wegweiser, dass es dort weitergeht, aber schon 100 m später stehen wir an einer Gabelung und finden trotz allen Suchens keine Markierung, welcher der beiden Wege der richtige ist. Nun, ich will ja jedes Risiko vermeiden. Also, betrübt zur Fernstraße zurück und an dieser entlang.
Dann geht es bei frischem Wind (zwischendurch ziehe ich sogar den Pullover wieder an) viele Kilometer abwärts, bis wir im Tal den Bahnhof erreichen. Die Straße macht eine enge Rechtsschleife um ihn herum, dann geht es steil hoch. Auf dem Asphalt eine totgefahrene Schlange. Wolken, hohe Luftfeuchtigkeit, einmal ein paar Tropfen Regen, als wir am Straßenrand pausieren.
Draußen fallen wieder ein paar Tropfen. Hans stellt sich mit dem Gepäck unter, ich mache mich auf die Quartiersuche. Ein alter Mann, den ich ohne große Hoffnung nach Carlota frage, brabbelt etwas von "esquina" (Ecke) und zeigt auf eine Gasse. Ich gehe zweifelnd die Gasse hoch, erreiche einen kleinen Platz, schaue suchend umher. Hier soll also was an der Ecke sein. Tatsächlich: "Apartamentes" steht da an einem Haus rechts. Unten ist eine Bar. Die Frau drinnen ruft gleich nach der Chefin Carlota. Die ist sehr freundlich und heißt Pilger willkommen. Aber sie hat nur große Ferienappartments, mit Küche, Wohnzimmer und allem Pi-pa-po. Sie würde sie uns ja gern vermieten, doch können wir Pilger dafür 40 EUR auf den Tisch legen? - O ja, wir können. Sie freut sich, macht ein unverhofftes Nebengeschäft. Jetzt können Hans und ich uns diagonal in getrennte Zimmer legen, soviel Platz haben wir. (An der Hauptstraße sah ich beim Einkaufen noch ein anderes Hostal, aber das sah geschlossen aus. Supermarkt in Richtung Ortsausgang links.)
In der Bar unten ist es gemütlich. Ein Deutscher, der in Cortes wohnt ("Schriftsteller und Philosoph"), fragt uns aus. Er fühlt sich in dieser Stadt sehr wohl. Zu Abend essen kann man allerdings nur in einer Bar "El Santo", die weit entfernt ist. Dazu geht man die Hauptstraße zurück, wie man gekommen ist, bis zu einem Gesundheitszentrum; weiter als die Abzweigung, bei der wir hochgekommen waren. Dann liegt die Bar rechts. - Draußen regnet es jetzt heftig.
Als das Wetter besser wird, erkunden wir ab 16h00 die Stadt, laufen schon bis zu der Bar "El Santo", weil wir wissen wollen, ob und wann es abends etwas gibt. Doch, wir können dort essen. Ob sie auch einen Stempel haben (Carlota hat angeblich keinen)? Der junge Wirt sucht in allen Ecken, dann sogar im Nebenzimmer, mir wird's schon peinlich. Endlich findet er den Stempel auf einem Schrank. Die Adresse der Bar "El Santo" ist "Los Rosales, 21". Unweit liegt auch ein fast fertiggestelltes Informationszentrum über die Umgebung. (Lustig ist, dass wir viele Kilometer weiter Schilder mit Hinweisen auf dieses Zentrum sehen, das doch noch gar nicht geöffnet ist. Aber Touristen anlocken kann man damit schon jetzt :-))
20h30 Abendessen. Zwei Tellergerichte, einschließlich 2 Pils, für uns beide zusammen 12 EUR, das sind Preise im Vergleich zur Küste! Wir geben 1 EUR Trinkgeld; der Wirt freut sich und läutet kräftig eine Glocke hinter der Theke. Das soll andere Gäste animieren, es uns gleichzutun. Eine prima Idee, der ich sonst nirgendwo begegnet bin. In unserem Gasthaus zurück, sitzen wir noch bis 22h30 in der Bar und schwatzen mit Carlota und mit einigen Gästen. Carlota kann auch Englisch und etwas Deutsch. Am anderen Morgen verabschiedet sie sich von uns und bittet uns, die Jakobsfigur in der Kathedrale von Santiago für sie zu umarmen. Ich mache das normalerweise von mir aus nicht, aber für sie habe ich es getreulich getan, denn so einen Pilgerauftrag kann man nicht ablehnen.
Auf einer Wiese eine Gruppe von merkwürdigen braunen "Figuren", die sich urplötzlich gemeinsam in die Luft hoben: Geier, und das gleich im Dutzend! (Da musste irgendein Tier verendet sein.) Wir liefen links an einem gewaltigen Gebirgsstock entlang. Überall alles grünend und blühend, die Sonne schien, aber (noch) nicht heiß. Wir sangen und jubilierten, was für ein Tag, was für eine Landschaft!
Am Ende des Tales kam links ein gewaltiger kahler Felsen in Sicht, laut Landkarte der Peñon del Berrueco (899 m). Etwas davor zweigte eine breite Piste rechts ab. Laut unseren Militärkarten musste das eine erhebliche Abkürzung nach Ubrique sein, aber sie war natürlich mit Draht versperrt (den man leicht hätte öffnen und schließen können). Da wir keine Garantie hatten, wo der Weg hinführte und ob Grundbesitzer (und ihre Hunde) unsere Annäherung begrüßen würden, verzichteten wir auf diese Möglichkeit und liefen in einem sehr langen Rechtsbogen um das Felsmassiv herum. Über uns kreisten weiter Geier.
Auf einer fast kahlen Hochfläche erreichten wir eine Kreuzung; links kam laut Karte eine kleine Bergstraße, die von Gaucín aus nach Norden verlief, hoch. Das wäre sicher auch eine sehr schöne Strecke gewesen, aber zu weit für eine Etappe. - Ein Wassertankwagen kam uns entgegen, verlor aber so viel von seiner Fracht, dass wir überlegten, ob er in Wirklichkeit die Straße sprengen sollte. Rechts kamen immer wieder malerische Felsen in Sicht. Endlich senkte sich die Straße abwärts, bis zu einer Abzweigung, wo die A375 nach Westen weiterging, während wir auf der A373 blieben, die sich (rechtwinklig nach rechts abzweigend) nach Norden auf Ubrique zu wandte. Hier war die Bebauung wieder dichter, der Naturpark lag hinter uns.
Rechts am Weg tauchten Wanderwegkennzeichnungen (weiß-gelb) auf, aber sie kürzten zunächst nur einige Kurven ab, später dann Serpentinen, so dass wir ihnen vorsichtig folgten. Ging der Wanderweg nach Ubrique? - Das war tatsächlich der Fall. In einer scharfen Rechtskurve verließen wir die Straße endgültig und folgten dem Wanderweg, der uns gleich durch ein paar Weidetore führte, geradeaus. Ich war noch etwas unsicher, ob das wohl gutging, denn die Kennzeichnung war wie immer recht spärlich. Doch man lief schnurgeradeaus, überquerte ein Sträßchen und kam schließlich vor Ubrique an einer kleinen Landstraße heraus.
Schon hatten wir die Bebauungsgrenze erreicht und stießen dann auf die größere Straße, die von Cortes de la Frontera kam. Ein Wegweiser sagte "17 Kilometer". Ich konsultierte verblüfft die Karte. Zwar hatten wir ahnen können, wo rechts aus dem Gebirge die Abkürzung vor dem großen Felsmassiv zwischen Bauernhäusern herunterkommen musste, aber die konnte das Schild nicht meinen. Richtig war "27 Kilometer", aber wen regt das in Spanien schon auf?
Man schickte uns aber über die Brücke und dann nach rechts in die Avenida de España, die örtliche Fußgänger-Prachtstraße mit Geschäften aller Art. Ubrique ist für seine Ledererzeugnisse berühmt und lockt dadurch viele Touristen an. Wir liefen die Straße entlang, begafft von Touristen und Einheimischen, die die Straßencafés bevölkerten. Endlich erreichten wir eine T-Kreuzung und sahen rechts weiter entfernt Fahnen flattern, da musste zumindest ein öffentliches Gebäude sein. Wir fanden tatsächlich rechts das Oficina de Turismo, geschlossen! Ohne Stadtplan konnte ich aber die Hostal-Adressen aus dem Netz nicht finden.
Die nächstgelegene Unterkunft war nur wenige Häuser entfernt in der Bar "El Cepo". Dort bestritt man aber energisch, Betten zu haben. Merkwürdig! Zurück und in die Altstadt. Hier lag eine
Es ging die ganze Zeit mehr oder minder steil hoch. Da liefen wir eben langsam. Kühe brüllten links und rechts, sonst nur Natur. Später machte ein kleines Schild auf ein Brückchen aufmerksam, über das die Straße durch eine sumpfige Niederung führte. Man kann die Römer für ihre Straßenbauleistungen nur bewundern. Bis Benacoaz war die Straße nur an ein-zwei Stellen im Laufe der Jahrhunderte abgesackt. Das war noch Wertarbeit.
Links oben sah man hin und wieder ein Fahrzeug auf der Landstraße. Endlich rechts ein halb verfallener Bauernhof, und der Bewohner kam uns mit einem Arm voll geschnittenen Grases entgegen, erwiderte unseren Gruß freundlich. Die Armut sah man ihm deutlich an. Dann kam Benacoaz, das ziemlich versteckt im Gebirge liegt, in Sicht. Zum Schluss nochmal eine uralte Brücke. Danach erreichten wir gegen 9h30 die Landstraße. Von dieser Seite war nicht zu sehen, dass dieser unscheinbare Feldweg in seiner Verlängerung die Römerstraße war. Wer also von Benacoaz aus gehen will, muss ganz schön suchen.
Als nächstes wollten wir den Bergweg aus meinem Wanderhandbuch nach Grazalema laufen. Die Beschreibung war allerdings für die umgekehrte Richtung verfasst. Es ging die Hauptstraße zurück bis zum Ortsende, dort links am Hotel "San Antón" vorbei. Man passiert einige Bauernhäuser und Viehweiden. Schwarze Schweine liefen herbei und bettelten um irgendeinen Leckerbissen. Dann öffnete sich ein Bergtal nach rechts, eingefasst in zwei Höhenzüge. Wo war unser Weg?
Er verlief über den steinigen Sattel geradeaus, ging also nicht halbrechts durchs Tal, wie ich auf den ersten Blick vemutet hatte. Man durchquert dieses also, an Mauern entlang. Es gibt einige Wegekennzeichen, meist Pfeile in verschiedenen Farben. Dann geht es den steinigen Abhang hinauf, oben eine Serpentine nach rechts, bis man auf der Höhe eine felsige Hochfläche erreicht. Das Ganze ist nicht einfach zu laufen, aber doch ganz gut zu finden. Man folgt einem Pfad noch etwas höher, auf Gras zwischen Felsen hindurch. Drei Rindviecher kommen uns entgegen. Hoppla, die letzten beiden sind Bullen. Aber sie folgen nur der Kuh vor ihnen, wir interessieren sie nicht.
Milchpause. Etwas später erreichen wir einen steilen Abhang, der vor uns in ein Wiesental hinabgeht. Jenseits liegt ein noch höheres Felsmassiv, davor eine Mauer, links ein Sattel. Der Wanderpfad geht quer durch das kleine Tal, parallel zu dem Felsmassiv, nach Norden. Aus dem Gewirr von Büschen und Felsen gegenüber löst sich gerade eine geführte Gruppe von Wanderern, ich zähle 22. Ganz schön was los hier. Die Leute gehen meist von Grazalema bzw. vom Pass Puerto del Boyar auf diese Tour in Richtung Benacoaz. Wir laufen also umgekehrt. Als Ziel wird eine Felsschlucht Salto de Cabrero ("Sprung des Ziegenhirten") angepriesen. Auch wir wollen einen Abstecher dahin machen.
Also in das Wiesental hinunter und noch vor der Wanderergruppe nach links zur Mauer. Man überquert sie und folgt einem schmalen Pfad über den erwähnten Sattel. Danach geht es ziemlich steil einige hundert Meter durch ein Felsgewirr hinunter bis an die Kante einer tiefen Schlucht. Diese setzt sich hinter dem Felsmassiv nach rechts oben fort und endet in einer riesigen Kerbe, wie von einem Riesen geschlagen. Das ist der Salto de Cabrero. (Vom Pass aus ist diese markante Felskerbe von der anderen Seite her schon von weitem zu sehen und lockt daher zu einem Besuch.) Nun, der Blick war schon beeindruckend, aber ich hätte auch ohne ihn in Ruhe sterben können, und mit dem Aufwand, von der Mauer aus runter- und wieder raufzuklettern, war er teuer erkauft.
Zu unserem Erstaunen kam die Wanderergruppe nicht hinter uns her, sondern war wohl nach Benacoaz weitergegangen. Als wir wieder die Mauer erreicht hatten, stand oben rechts am Talkesselrand ein Rucksackpaar, das zu uns rüberblickte. Sie wollten wohl zum Salto und hatten den Abzweig unten im Kessel verfehlt, waren schon wieder den Abhang hoch. Als sie uns sahen, zogen sie die richtigen Schlüsse und fingen eilig an, wieder in den Talkessel herunterzuklettern.
Wir wandten uns nun nach links, woher die Wanderergruppe gekommen war. Der Pfad wand sich durch Felsen, nicht immer leicht zu finden, und stieg dabei zu meinem Erstaunen stetig an. Ich hatte erwartet, dass wir in einem Bergtal absteigen würden; statt dessen stiegen wir zum Pass Puerto del Boyar hoch, denn der liegt immerhin bei 1.103 m, viel höher als unser Zielort Grazalema (830 m). So musste ich mich in Geduld fassen, dass es doch noch viele Kilometer durch die wunderbare Landschaft ging, bis wir die ersten Zeichen der Zivilisation wiedersahen. Wir waren uns aber bewusst, dass diese Etappe heute vielleicht die landschaftlich schönste unserer ganzen Pilgertour sein würde. Eine solch majestätische Bergwelt sahen wir jedenfalls bis Santiago nicht wieder.
Auf dem Weg begegneten uns ziemlich viele Leute. Das war andererseits gut, denn so musste man nicht befürchten, sich zu verirren oder nach einem Unfall in der Einsamkeit liegen zu bleiben. Endlich erreichten wir eine Finca, durch deren Ziegenwiese der Pfad verlief. Danach führte eine Piste zur Landstraße, die schon seit einiger Zeit vor uns zu sehen war. Sie verlief vor dem größten Bergmassiv der Gegend; ihr höchster Gipfel ist der Pinar mit 1.654 m, das ist Hochgebirge.
Vor Grazalema gab es einen Parkplatz mit Aussichtsplattform auf die roten Dächer der ansonsten (wie konnte es anders sein) "weißen" Stadt. Ein deutsches Touristenpaar sprach uns an. Leider wussten sie nichts zu Übernachtungsmöglichkeiten, weil sie in einem anderen Ort ihr Quartier hatten. Sie machten aber ein sehr schönes Foto von Hans und mir, das später in der Lokalpresse zu Hause erschien. Also gegen 15h15 in die Stadt runter und wie gewohnt ins Zentrum. Wo ist das Oficina de Turismo? Ein Junge zeigt auf einen Vorort, der gegenüber am Berghang liegt. Das glaube ich denn doch lieber nicht. Dann bleibt Hans wie üblich beim Gepäck, im Schatten eines kleinen Parks zurück, während ich mich auf Quartiersuche mache. Ich habe hier am Ort nur eine einzige Adresse, das erscheint mir zu wenig. Am zentralen Platz frage ich eine ältere Dame und einen älteren Mann nach dem Tourismusbüro. Völlig untypisch für Spanien erhalte ich in beiden Fällen eine grobe Abfuhr. Lieber in einen Laden: dort zeigt man mir, dass das Oficina de Turismo gleich gegenüber liegt. Geschlossen. Warten bis 17h00.
Danach klappt alles sehr schnell. Die Dame im Touristenbüro verweist mich auf meine Frage nach einem "alojamiento muy económico" (preisgünstige Unterkunft) gleich an das
Abendessen in den Gassen hinter der Kirche. Dort gibt es ein billiges Restaurant neben dem anderen, die gute Tellergerichte servieren. Auf dem Rückweg sehe ich, wie eine Gruppe von japanischen Rucksacktouristen in unserem Hostal absteigt. Auch sonst waren nicht wenige Gäste da. Gut, dass wir relativ früh eingetroffen waren.
Ein Handbuch hatte Schauergeschichten über diese Straße verbreitet. "Abenteuerliche Höhenstraße, keine Absicherung zum Abgrund hin", Blödsinn! Am Rand gab es die üblichen gemauerten Blöcke, mit Lücken dazwischen, damit Regenwasser ablaufen kann. Nur ganz selten lag einer von ihnen im Abgrund. Wir hatten keine Probleme, selbst dann nicht, als uns ein Reisebus entgegenkam. Außerdem ging es zunächst nur mäßig hoch, denn der höchste Punkt (der Pass) lag bei schlappen 1.157 m, also nicht viel höher als der Puerto del Boyar (1.103 m).
10h30 hatten wir die Passhöhe Puerto de las Palomas schon erreicht. Ein Schild zeigte eine falsche Höhenangabe: 1.357 m anstatt 1.157 m. Man hätte noch auf den nahen Gipfel steigen können, da wäre man 1.331 m hoch gewesen. Wir gingen zu einem Aussichtspunkt hoch, tranken unsere Milch und genossen das Panorama. Auf der anderen Seite war das Gebirge zu Ende, und unten sah man die Schleifen endloser Serpentinen. In der Ferne grüßte oberhalb eines Stausees eine kleine Burg. Hinter ihr - nicht sichtbar - lag die malerische Stadt Zahara de la Sierra, gut versteckt. Die beste Aussicht auf die Serpentinen hat man, wenn man einige 100 m bis zur nächsten Kehre läuft. Das taten auch einige Touristen, die nur der Aussicht wegen hier hochgekommen waren. Ich weiß ohnehin nicht, wofür die Straße sonst gut sein soll. Von Grazalema kann man dieses Bergmassiv leicht umfahren, kommt am Stausee, allerdings nicht an Zahara vorbei.
16h30 haben wir endlich die A382, die Fernstraße nach Sevilla, erreicht.
Der Brunnen sprudelt nicht schlecht. Ein Mann kühlt Säcke mit Muscheln. Von dort geht es rechts ins Zentrum, es ist schon nahe. Wir erreichen den zentralen Platz mit der Ortskirche. Dutzende von Rentnern hängen herum und haben nichts anderes zu tun, als uns anzugaffen. Peinlich. Ein Oficina de Turismo scheint es nicht zu geben. Ich mache mich auf die Suche nach einem Hostal, während Hans wie üblich beim Gepäck bleibt.
Nun lasse ich mich von einem Schild dummerweise rechts in eine Straße schicken. Dort ist links das Hostal "Sierra de Lija", aber geschlossen. Man soll eine Telefonnummer anrufen. Ein Maler, der im Gebäude daneben arbeitet, will mir angeblich helfen, ruft mit seinem Mobiltelefon einen Freund an, der ein Zimmer vermietet. Zu meinem Schreck muss ich mit diesem selbst sprechen. Der Freund hat nur "deutscher Tourist" gehört und hat für mich ein "einmaliges Angebot", ein Zimmer für 90 EUR die Nacht. Ich verzichte dankend. Auf einmal kennt der Mobiltelefonbesitzer noch ein Hostal. Es liegt oben am Platz. Hätte mich das Schild nicht abgelenkt, hätte ich es gleich dahinter selbst entdeckt. Sowas Dummes! Es ist das
Ausnahmsweise war die Kirche mal geöffnet, so dass Hans und ich sogar singen konnten. Der Pfarrer lauschte von hinten. - Abendessen in der Bar Ganijo (von der Bar Alameda links den Platz entlang, dann liegt die Bar Ganijo rechts). Es gab preiswerte Tellergerichte, und sie hatten auch gut zu tun.
Algodonales liegt noch am Rand der Berge und bietet eine prächtige Aussicht. Von der Fernstraße aus waren sowohl Zahara als auch der Pass mit den Serpentinen noch lange zu erkennen. Der Weg nach Sevilla ist ein schrittweiser Abschied von der schönen Landschaft.
Wir überquerten die Fernstraße und liefen ein Asphaltsträßchen (das ist die alte Straße) hinunter bis zur alten, halb baufälligen Flussbrücke, die wir überquerten. Hinter der Brücke gibt es eine Dreifachverzweigung. Richtig ist: ganz links den steilen Waldweg hoch. Ihm folgt man lange. Er schlängelt sich durch den Wald hoch und lässt die Fernstraße zunächst in Hörweite rechts liegen. Dann geht es weit nach links, wobei man alle Abzweigungen ignoriert. Nach ca. 2 km nicht einem Pfad geradeaus hinab in eine Wiesensenke folgen, sondern rechts steil hoch. Links kommt ein breites Tal in Sicht, in dem ganz hinten immer noch Zahara zu sehen ist. Einfach immer dem Hauptweg folgen, in einem Rechtsbogen um eine Anhöhe herum. Der Weg wird auf dem höchsten Punkt sehr schmal, so dass ich schon Bedenken bekam. Endlich kommt man oberhalb des Tales heraus.
Man sollte diesen Weg genießen. Viele hundert Kilometer lang trifft man danach auf keinen Wald mehr, erst an der Grenze zu Kastilien wieder. (Mit "Wald" meine ich dabei eben nicht die lichten Kork- und Steineichenwälder der Extremadura, sondern das, was wir zu Hause unter "Wald" verstehen: Nadel- und Laubbäume dicht beieinander, mit viel Unterholz usw.)
Von links kommt eine kleine Asphaltstraße (aus Richtung Algodonales, aber das wäre ein weiter Umweg gewesen), auf die man nach einiger Zeit von rechts dazukommt. Auf ihr geht es bis zur Fernstraße weiter. An einer Bushaltestelle machten wir Milchpause. Gegenüber ging eine Piste rechts ab über das Gelände eines Cortijo (Gutshof). Ein LKW-Fahrer hielt gerade vor dem verschlossenen Tor und lieferte etwas an. Ich fragte, ob wir nicht über das Gebiet des Gutes laufen dürften, denn laut den Militärkarten ging das, und man sah auch oben am Hang einen Weg, parallel zur Fernstraße. Aber der Fahrer meinte, das sei eben verboten. Schilder teilten einem das auch mit. Ja, schade! Hier könnten natürlich regionale Pilgervereinigungen eine Übereinkunft erzielen und viel tollere Wege nach Sevilla ausweisen. Aber solange es diese Vereinigungen nicht gibt, muss der, der auf Nummer Sicher gehen will, wie wir die Fernstraße entlang.
Dann 8 km Fernstraße bis zur Abzweigung nach Montellano bei Km 58. Die rechten Kilometersteine zählen die Entfernung (nach Sevilla) runter. Öde. Rechts und links auf den niedrigen Bodenwellen spärlicher Bewuchs. Wie in der Meseta. Nach einem sehr langen schnurgeraden Stück kommt eine Kurve durch die Hügel und dahinter links eine Fernfahrerraststätte. Es ist 15h00, inzwischen brüllheiß. Nach einer Trinkpause die letzten Kilometer. Links liegt eine Burg auf der Höhe. Man ist noch lange nicht da, sondern läuft und läuft auf die längst sichtbare Stadt zu. Eine Umleitung verweist Lastwagen nach rechts. Wir gehen weiter geradeaus, erreichen einen einsamen Bürgersteig rechts. Dort steht ein Ziegenhirte mit seiner Herde. Er ist wieder mal fasziniert von meinem Knotenstock, prüft ihn auf sein Gewicht, seine Festigkeit. Toll, sagt er, besser als meiner.
Ich benutze die Gelegenheit und frage den Hirten, wo die beiden Pensionen liegen, deren Adressen ich habe. Nun, erst geradeaus bis zu einer großen Kreuzung mit Schild Las Cabezas de San Juan nach links; hier geht es anderntags geradeaus. An dieser Kreuzung rechtsab und immer geradeaus ins Zentrum. - Hinter der Rechtsabzweigung kommen wir an einen schönen palmenbestandenen Platz; Rentner stehen vor einer Bar und bewundern uns, weisen zur Pension nach geradeaus, wobei man den Platz rechts liegen lässt. Ich merke mir schon Lebensmittelläden, wo man einkaufen kann. Am Ende der Straße liegt wieder ein Platz; links auf der Ecke ist die
Das Abendessen wurde ein Problem. Erst ergebnislose Suche nach einer Bar, die Essen serviert. Schließlich nimmt uns ein Einheimischer am Ärmel und führt uns - zu unserem Platz mit den beiden geschlossenen Restaurants (auch das Deli bot nichts an, es war eben keine Saison). Da guckte unser Führer dumm. Dann fiel ihm gottlob noch was ein: Etwas weiter im Zentrum in einer Seitenstraße Calle Los Escalores, 27, links von der Hauptstraße, hatte eine Bar wenigstens Tapas. Wir durften aus dem Angebot bestellen und bekamen sie frisch gemacht. Das war lecker! Wir hatten aber Mühe, nach den dritten Tapas die Wirtin in ihrem Kochrausch zu bremsen, so dass wir "nur" noch die vierten und die fünften bekamen. Mit Getränken 10 EUR für uns beide zusammen, das war doch sehr günstig.
Hier fehlt plötzlich ein Stück Asphalt am Rand. Pflanzen, die darübergewachsen sind, verbergen das. Urplötzlich geht mein linker Fuß deshalb einige Zentimeter tiefer, knickt um, und ich falle in Sekundenbruchteilen aufs Gesicht. Hans läuft erschrocken auf mich zu und versucht instinktiv, mich hochzuziehen, den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Ich wehre ab, bin etwas unter Schock, horche auf Schmerzbotschaften aus meinem Körper. "Blutet nicht sehr" sagt Hans und zeigt auf meine rechte Schläfe. Die ist noch knapp an der abgebrochenen Asphaltkante hergestreift... 1-2 cm mehr nach rechts, und ich wäre übel aufgeschlagen. Das rechte Knie schrinnt. Ich streife das Hosenbein hoch: das ganze Knie ist blau, aus mehreren Schürfwunden sickert Blut. Die Hose hat am Knie zwei kleine Risse und eine Klinke. Ich wundere mich, wie sich Blutergüsse am Knie so schnell ausbreiten können, bis ich merke, dass das Blau am Knie nur von der Hose abgefärbt ist. Gottseidank! Der rechte Bügel meiner Brille (aus Titan!) ist verbogen, sonst nichts kaputt. Aber mein linker Knöchel schmerzt, den habe ich mir verstaucht. Jetzt versuche ich selbst aufzustehen. Tut etwas weh, geht aber.
Ich nehme den Stock an die linke Seite und humpele vorsichtig über die Straße. Es geht besser, als ich erwartet habe. Ich kann den linken Knöchel vorsichtig belasten, es tut nicht allzu weh. Gebrochen habe ich mir garantiert nichts, aber ich denke an Kapsel(an)riss oder sowas. Nach wenigen 100 m wird der Schmerz geringer, ich staune immer mehr. Als wir 15h30 den Stadtrand erreichen, sollten wir eigentlich stolz sein, aber ich mache mir jetzt Sorgen, ob die Verstauchung ernsthaft ist.
Wir laufen in die große und wohlhabene Stadt, folgen Schildern Centro und Oficina de Turismo, bis der Stadtkern links sein muss. Dort biegen wir ab, kommen zu einem Platz. Etwas weiter ist links das Rathaus. Aber von dem Touristenbüro nichts zu sehen, das Rathaus (am Samstag!) verschlossen. Ich spreche Leute an, aber keiner kennt sich aus. Dann meint jemand, er könne uns den Weg zum Oficina de Turismo zeigen, aber das sei sowieso geschlossen. Wir sollten lieber zur Polizei gehen. Der Tipp war gut, da könnte man ja auch den benötigten Stadtplan bekommen wie in Ubrique.
Hans lässt sich an dem Platz unter den Bäumen nieder. Ich suche die Polizeistation, finde sie nicht. Ich habe Adressen von drei Hostales, aber wie gelange ich dahin? Mir kommen ein paar gutgekleidete Jugendliche entgegen, die ich um Hilfe bitte. Alles umringt mich. Ich lese die Adressen vor. "Halt," ruft ein Mädchen, "das Hostal La Plata kenne ich. Das liegt gleich dort drüben." Sie beschreibt mir den Weg.
Ich bedanke mich und eile die Straße vom Platz aus weiter geradeaus, an der kleinen Stadtfestung vorbei zu einem Kreisverkehr. Gegenüber etwas rechts, und dann links in die Via Marciala, und ein paar Häuser weiter ist schon links das Hostal. Der Rest ist Routine. Eine Frau schließt auf, zeigt mir ein Zimmer. 25 EUR, na prima. Sie will keine Vorauszahlung und rückt auch keinen Stempel raus. Das macht nämlich allein ihr Mann, und der hält Siesta.
Hans und ich trennen uns um 7h45, denn er läuft natürlich, egal, was passiert. Ich habe am Kreisverkehr auch ein Schild zum Busbahnhof gesehen und humpele in die Richtung. Zur Vorsicht frage ich unterwegs noch einmal. "Ja, wo wollen Sie denn hin?" fragt der Angesprochene zurück. - "Nach Sevilla". - "Ja, das ist dann der falsche Busbahnhof. Von dem fahren nur Busse nach Süden. Gehen Sie lieber zum Bahnhof, der ist auch ganz nah." - Er beschreibt mir den Weg, und ich finde den Bahnhof ohne Mühe. Da habe ich ja Glück gehabt. Eine größere Stadt wie Utrera hat eben mehr als einen Busbahnhof.
Also mit der RENFE für 2,25 EUR nach Sevilla. Wo soll ich wohl aussteigen? Ich spreche ein junges Paar an. Es empfiehlt den Stadtbahnhof San Bernardo. Zu meiner Freude finde ich den auf der Stadtplanskizze des Handbuchs. Ruckzuck, kaum 20 Minuten, bin ich angekommen.
Aus dem Bahnhof heraus, muss ich mich orientieren. Das ist schwer. Ich frage das Pärchen nochmal, wo's zur Innenstadt geht, und sie zeigen mir die Richtung. Kurz darauf komme ich an einen kleinen Park, wo ich meinen armen Fuß sich erholen lasse. Die Handbuchskizze gibt nicht her, wo ich bin. Etwas weiter ein großer Boulevard quer. Ich komme zu dem richtigen Schluss, dass ich hier links abbiegen muss, um auf dieser breiten Straße das Stadtzentrum zu erreichen. Das war richtig. Ich tauche in die Altstadt ein. Mann, ist die verwinkelt! Die Kathedrale, eben noch zu sehen, ist in den Häuserschluchten nicht mehr zu sehen. Später stelle ich fest, dass ich im Judenviertel gelandet war, das durch seine winkligen Gassen berühmt ist. Hier gibt's auch jede Menge bezahlbare Unterkünfte. Ich frage in einem Hostal: 45 EUR das Doppelzimmer. Naja, nicht billig, aber bezahlbar. Trotzdem wende ich mich ab, da ich ja schon eine Adresse von Hans habe, wo er vor drei Jahren billig übernachtet hat. Die Wirtin grinst hinter mir her; ich lese auf ihrem Gesicht: "Wusste ich doch gleich, dass der das nicht zahlen kann."
Kurz und gut, sie bietet ein Zimmer an, spartanisch eingerichtet (aber ein Fernseher). Die Frau vermietet natürlich schwarz. Da wir nicht einmal Bettwäsche brauchen, 20 EUR pro Nacht. Naja. Ich schlage aber zu. Auf der Etage sind noch ein paar junge Leute, die Männer wohl Marokkaner oder Tunesier, der Musik nach zu schließen. Ich zahle im Voraus, verlasse mich auf Hans.
Um 13h00 besuche ich eine Messe in der Kathedrale. Vergeblich frage ich anschließend ein-zwei Ordner, wo man den Stempel bekommt. Von einem Pilgerausweis haben sie noch nie was gehört. Ein Mädchen spricht mich auf Englisch an. Ihre Freundin und sie sind auch Pilger, sind von Jerez de la Frontera schon nach hier gelaufen, haben jetzt aber die Füße verbunden. Schmerzen im Mittelfuß. Sie fragen mich über die Via aus und was man gegen die Schmerzen tun könnte. "Einfach weiterlaufen" ist meine Antwort. Sie laufen in Sandalen. Ich vermute, dass die Binde die Hauptursache für die Schmerzen ist, so paradox das klingt. Später stelle ich bei mir selbst fest, dass die Knöchelwickel Schmerzen im Mittelfuß verursacht, weil der jetzt den Druck übernehmen muss, der dem Knöchel erspart bleibt. Richtig, nachdem ich ca. 14 Tage später die Wickel weglasse, sind die Mittelfußschmerzen sehr schnell verschwunden.
Danach zum Oficina de Turismo, um wenigstens dort die Pilgerausweise abstempeln zu lassen, denn ich befürchte, in der Kathedrale keinen Stempel zu bekommen. Das Oficina de Turismo findet man wie folgt: Vom südlichen Haupteingang aus wendet man sich auf der Av. de la Constitución links zu dem großen Platz. Rechts liegt das Hauptpostamt, gegenüber, am Platz, parken die Kutschen, die die Touristen durch die Altstadt fahren. An den Kutschen vorbei den Platz auf der linken Seite der Straße entlang stößt man an der Einmündung der Straße Miguel Mañara auf das Oficina de Turismo. Es ist so unauffällig, dass ich 10 m davon entfernt nochmal einen Passanten nach ihm gefragt habe. Die Adresse ist Av. de la Constitución, 21 B.
Drinnen bekomme ich nach leisem Protest - "Den Stempel gibt's doch in der Kathedrale" - das Gewünschte, auch für Hans, dessen Pilgerausweis ich immer in meiner Umhängetasche mitführe (weil er keine hat).
Zurück zur Unterkunft. Hans kommt pünktlich um 17h00 an, etwas erschöpft, aber zufrieden, dass er diese Etappe hinter sich hat. Die "Pionierarbeit", nämlich die Strecke von Gibraltar bis Sevilla zu erkunden, ist damit von uns getan.
Wie üblich, erkunden wir zu Fuß das Viertel Triana, das einiges zu bieten hat, weil es noch etwas von seiner ursprünglichen Selbstständigkeit bewahrt hat. Auch gehen wir ein Stück die Calle San Jorge, auf der der Pilgerweg verläuft, hinunter und treffen einen deutschen Pilger, der sich gerade auf den Weg macht. Abends gehen wir zum Essen in ein China-Restaurant.
Den ganzen Tag hatte ich die Frage im Hinterkopf: Würde ich übermorgen weiterlaufen können? Das war an diesem Tag noch völlig unklar. Da mein Bericht aber weitergeht, wie man aus der Übersicht sehen kann, weiß der aufmerksame Leser schon die Antwort ;-)
Letzte Änderungen: 12.02.2018