Im Jahre 2005: Auf dem Camino Francés von León nach Santiago
Herkunftspfad: Übersichtsseite meiner Pilgerberichte >>
Von León nach Santiago de Compostela
Autor: Rudolf Fischer
Meine Netzadresse: Rudolf.FischerEsperanto.de
Siehe auch einen Bericht über den gesamten Camino Francés aus dem
Jahr 2000
Einleitung
Für diese Pilgerfahrt hatte mich mein Schwiegersohn Marek als Führer gewonnen. Ich war etwas gespannt,
wie sich dieser Abschnitt, wohl der schönste des Camino Francés, seit 2000, als ich mit
meinem jüngsten Sohn Harald unterwegs war, verändert hatte.
Deshalb habe ich, wenn es eben ging, alternative Unterkünfte oder Wegvarianten
ausprobiert. Das Schwergewicht dieses Berichts liegt deshalb auch auf dem Kontrast,
der interessierte Leser sollte auf meine
Erlebnisse von 2000 deshalb nicht verzichten.
Bei
Marek bedanke ich mich für die fantastisch schönen Bilder, die er gemacht hat.
Der Platz erlaubt hier leider nur eine kleine Auswahl.
Das Pilgermaskottchen unten (eine Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist nicht
rein zufällig :-)) markiert besonders wichtige Hinweise für die, die sich auf
denselben Weg machen wollen.
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Einen besonderen Dank sage ich dem
Freundeskreis der Jakobuspilger Paderborn,
der mir nicht nur immer den Pilgerausweis zusendet, sondern auch noch sehr
empfehlenswerte Netzseiten anbietet.
Aus den dortigen vielen Informationen zu
Unterkünften am Camino Francés (Autor: Jochen Schmidtke)
hatte ich mir Auszüge herauskopiert und mitgenommen. Das wurde
meine wichtigste Planungsquelle. Zum Dank stelle ich in diesem Bericht Ergänzungen
und Korrekturen zur Verfügung, die inzwischen eingearbeitet sind.
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Ein Handbuch brauchte ich sonst eigentlich nicht, kannte ja die gesamte Strecke (allerdings ohne einige Varianten). Neulingen empfehle ich mein Standardhandbuch, hier die neuste Auflage:
Michael Kasper(+), Michael Moll: Spanien: Jakobsweg, Camino Francés.
10. Auflage 2007. ISBN 978-3-86686-023-0
Conrad-Stein-Verlag
(Auf den Menüpunkt "Programm" klicken, dann "West-, Süd- & Mitteleuropa"
auswählen.)
Wer aber eher auf Karten den Weg samt Höhenprofilen ganz genau
verfolgen will, der wird auch von folgendem Buch profitieren:
Dietrich Höllhuber: Wandern auf dem Spanischen Jakobsweg
ISBN 3-7701-5428-2. 2.Aufl. 2002
Reihe DUMONT aktiv,
DuMont-Buchverlag Köln
Gibt in der Regel die schöneren Varianten an (aber nicht den
Weg über Samos).
Im Vergleich zu den Handbüchern von Michael Kasper
gibt es sehr nützliche Kartenabbildungen (nicht nur Skizzen).
Mit ihrer Hilfe kann man genau feststellen, wo man ist.
Außerdem sind Höhenprofile beigefügt.
Anfahrt
16. August 2005, Dienstag: Flug nach Madrid, Übernachtung
Schon im November 2004 hatten wir Flüge von Köln-Bonn nach Madrid und zurück
bei der Fluggesellschaft Germanwings gebucht. Das war das Billigste: pro Kopf und
Richtung schlappe 40,00 EUR. Die Flugzeiten waren
nicht die besten (klar, bei dem Preis): Planmäßiger Abflug um 17h30. Ankunft um 19h55.
Also recht spät, so dass wir nicht mehr am selben Tag nach León fahren konnten.
Wir buchten also übers Netz in Madrid eine preisgünstige
Unterkunft (ca. 33,00 EUR + 5,00 EUR Vermittlungsgebühr für ein einfaches Doppelzimmer).
In Köln wimmelte es von ausländischen Jugendgruppen wegen des
Weltjugendtreffens. Der Nahverkehr war aber vorbildlich organisiert. Wir erreichten
ohne Schwierigkeiten mit Bahn und S-Bahn den Flughafen. Germanwings ließ
mehrfach durchblicken, dass man bei Billigflügen keine Ansprüche stellen kann.
Der Abflug verzögerte sich um etwa 1 Stunde. Das war schlecht, denn dadurch kamen
wir noch später in Madrid an. Unterwegs gab es natürlich auch keine kostenlose
Bordverpflegung, aber darauf hatte ich mich eingestellt.
Diesmal mit Isomatte im Rucksack
In unseren Rucksäcken
hatten wir die Isomatten und auch den Pilgerstock unterbringen können.
Ich nahm diesmal wieder einen Teleskopstock mit, den man zusammenschieben kann.
Das mit der Isomatte klappte so gut, dass ich sie fast die ganze übrige Zeit im
Rucksack transportierte, also nicht wie sonst senkrecht oder waagrecht hinten
auf den Rucksack geschnallt. Besonders in den Städten (Türen, Busse) war das
wesentlich komfortabler. Allerdings waren unsere Rucksäcke (Marek machte es
nämlich genauso) dadurch sehr groß, so dass die Leute immer dachten, dass wir
da riesige Lasten schleppten. Nein, bei mir waren es wieder nur 8,2 kg + Wasser
+ einige Vorräte.
Mit der U-Bahn durch Madrid
In dem gigantischen Flughafenkomplex von Madrid suchten wir die U-Bahn.
Man muss im Gebäude bleiben. Es ist ganz gut ausgeschildert, aber mehrere hundert
Meter weit. Wir zogen Einzelfahrscheine zu 1 EUR aus dem Automaten. Auf Handzetteln
war noch der alte Preis (1,15 EUR) angegeben. Es gibt auch Zehnerkarten zu 5,80 EUR.
Dafür kann man das riesige U-Bahn-Netz beliebig weit für eine Fahrt benutzen,
sehr preiswert und relativ schnell. Die Linie 8 vom Flughafen aus ist wohl
verlängert worden (mein Stadtplan zeigt das noch nicht), jedenfalls kamen wir
dank der guten Ausschilderung und einem sofort ergatterten neusten
Faltblatt bis zur Station Nuevos Ministerios, wo wir in die Linie 6, eine Ringbahn,
umstiegen. Diese fuhr direkt zu unserem Zielbahnhof
O´ Donnell, wo wir gegen 22h00 ankamen. Orientierungsschwierigkeiten
(Dunkelheit und kaum ein Straßenschild), da man aus dem Stadtplan nicht ersehen kann,
aus welchem Mauseloch der jeweiligen Station man ans (nicht vorhandene)
Tageslicht gekommen ist. Bald war aber alles klar.
Unterkunft im Studentenzimmer
Zu Fuß zu unserer Unterkunft. Eine Art früheres Vorstadtviertel mit
ehemals besseren mehrstöckigen Häusern, jetzt etwas betagt, aber noch gut
erhalten, viel Grün. Niemand öffnet auf unser Schellen. Tja, wir hatten uns für
"ca. 21h00" angemeldet. Aber ich konnte Marek beruhigen, dass wir zwar viel
später, aber für spanische Verhältnisse nicht zu spät dran waren. Außerdem ist
22h30 in Spanien (trotz Dunkelheit), was bei uns früher Nachmittag ist.
Zum Glück führt ein Nachbar seinen Hund aus und zeigt uns, dass wir beim
Haus gegenüber schellen sollen. (Ein entsprechender Hinweis an der Haustür
wäre nicht schlecht gewesen.) Beide Häuser haben äußerlich übrigens keinerlei
Zeichen, dass dort Übernachtungszimmer vermietet werden. Es stellt sich zusätzlich
heraus, dass mindestens das linke Nachbarhaus noch dazugehört. Außerdem ist
das Ganze eigentlich eine Studentenunterkunft, und wir beziehen ein einfaches
Doppelzimmer, in dem sonst zwei Studenten wohnen.
Eine freundliche junge Dame zeigt uns alles, kassiert und ist wieder weg.
Toilette und Dusche auf dem Flur, sogar zwei Duschen. Alles sauber und ordentlich.
Für den Preis sind wir sehr zufrieden und schlafen bald.
17. August 2005, Mittwoch: Mit dem Bus nach León
Morgens kann man sich Frühstück in der kleinen Küche machen. Ist im Preis inbegriffen!
I.W. Kekse und Kaffee mit Milch nach Belieben. Die Mikrowelle ist nicht mein Ding. Ehe ich
eingreifen kann, läuft der heiße Kaffee innen das Sichtfenster runter. Peinlich!
Zwei Studenten erscheinen, reagieren aber mundfaul auf meinen Gruß.
Im Busbahnhof Süd
8h35 laufen wir zur U-Bahn-Station. 9h10 haben wir die Station Méndez
Alvaro erreicht, die unterirdisch mit dem Busbahnhof-Süd (Estación Autobus
Sur) verbunden ist. Allerdings
wieder ein Weg von ca. 500 m. Zum ALSA-Schalter, um Busfahrscheine nach León
zu kaufen. Wir bekommen die letzten beiden Plätze in dem Bus, der in wenigen
Minuten abfährt. Fahrpreis 18,86 EUR. Ich hatte den Fahrplan schon zu Hause aus dem
Netz besorgt. Es gab heute noch genügend weitere Busse nach León. Aber
wir wollten ja auch nicht zu spät bei der Herberge dort aufkreuzen. -
Im Wetterbericht sagten sie Regen an. Davon haben wir vorerst nichts gesehen.
Busfahrt nach León
In dem üblichen bequemen Bus, obwohl wir auf der letzten Rückbank sitzen,
geht es nach León. Unterwegs eine schöne Hügelkette, dann Steppe und reinste
Halbwüste. Das sieht alles ganz schlimm aus. Nur entlang von Flussläufen Pinienwälder.
Stunden später erreichen wir Mansilla de las Mulas und damit den
Camino Francés. Ab jetzt kenne ich alles. Wir sehen viele
Pilger neben der Fernstraße laufen. Der Bus fährt zum Schluss eine neue
Schnellstraße nach León hinein.
Ich verliere die Orientierung, habe aber ja einen Stadtplan dabei.
Ca. 14h00 treffen wir pünktlich am Busbahnhof von León ein.
Als erstes kaufe ich Busfahrkarten für
den Frühbus von Santiago nach Madrid in ca. 3 Wochen. Wir haben Plätze 4 und 5.
Fahrpreis 36,84 EUR pro Person. An den ALSA-Schaltern komme ich immer prima
klar. Von dem Kundendienst sollte sich die Deutsche Bahn mal
eine Scheibe abschneiden.
Bei blauem Himmel zur Herberge
Von wegen Regen! Es ist heiß. - Der Busbahnhof liegt am Fluss, aber müssen
wir nun nach links oder nach rechts? Ich vermute, wo wir auf der Karte sind, liege
aber ganz falsch. Trotzdem stimmt die Richtung (links), was ich merke, als wir
schon nach kurzer Zeit auf eine große Brücke stoßen, die über den Fluss rechts in die
Altstadt geht und die ich kenne. Avenida de Palencia:
Jetzt weiß ich, wo wir auf der Karte sind.
Das Gebäude des Busbahnhofs ist ebenfalls auf meinem Stadtplan
eingezeichnet, aber nicht beschriftet. Deshalb konnte ich es nicht finden.
(Im meinem alten Handbuch von Michael Kasper ist
der Busbahnhof korrekt eingezeichnet, aber da ich nur eine Ausgabe von 1999
habe, traute ich dem nicht so ganz.)
Wir laufen über die Brücke, aber dann nicht geradeaus in Richtung Altstadt,
denn das ist ein Umweg, sondern halbrechts. Mit Hilfe des Stadtplans geht es ziemlich lange
durch die Avenida de República Argentina
direkt auf einen kleinen Park zu, dann durch zwei Sträßchen zur Pilgerherberge bei
den Benediktinerinnen. 15h00 sind wir da. (Von 8h00 bis 11h00 hat die
Herberge geschlossen, also nicht mehr wie früher am Nachmittag.)
Im Refugio der Benediktinerinnen
Diese Unterkunft kenne ich, habe sie in schlechter Erinnerung (zu eng, zu stickig).
Aber Marek soll die Innenstadt greifbar nahe haben, um alles zu besichtigen, und ich will
ihm gleich vorführen, wie das als Pilger in den Herbergen ist. Das gelingt prima. ;-)
Wir bekommen zwei Betten, aber es sind "Restbetten", hinten an der Wand und
beide oben, das Unbequemste, das der volle Schlafsaal bietet. Aber so wollten wir
es ja. Die bereits Eingetroffenen haben allen Platz belegt, ich kann kaum meinen
Rucksack abstellen. Es herrscht bei dem Massenbetrieb eine anonyme Atmosphäre.
Später schreien sich sogar zwei Pilger an (Spanisch und Deutsch, keiner versteht den
anderen), es geht um die Belegung eines Bettes.
Unser Saal hat 37 Betten und ist
für Männer reserviert. Nebenan gibt es einen ebenso großen Schlafsaal für Paare.
Für beide Säle nur zwei Bäder. Ich verzichte auf das Schlangestehen an den Duschen.
Im Souterrain sind weitere Schlafsäle, wohl ebenso groß.
Teurer anfliegen oder einen zweiten Tag für die Anreise
Für das Abendessen finde ich kein Lokal mit günstigem Angebot. Das kleine
Restaurant am Anfang der Gasse hat oder ist geschlossen. Am späten Nachmittag geht
ein Gewitterschauer nieder. Marek und ich kaufen ein und essen im Hof der
Herberge zu Abend, auf einer Bank neben Baumaterial. Wo sonst die Tische und
Bänke standen, ist nämlich jetzt eine Baustelle. Die kleine Küche ist immer dauerbelegt,
da hat man keine Chance zu sitzen.
Bis spät in den Abend kommen noch
Pilger. Eine Gruppe Jugendlicher schläft am Ende auf Matratzen in der Toreinfahrt.
Wenigstens haben sie ein Dach über dem Kopf. Ja, wer am gleichen Tag anreist,
hat schlechte Karten. Um einen Tag zu sparen, könnte man mit der Iberia direkt
bis León fliegen, aber das ist entsprechend teurer.
Akklimatisierung ans nächtliche Massenquartier
Nach einem Schlummertrunk in einer Bar jenseits des Platzes entere ich mein
Bett und versuche zu schlafen. Marek gibt mir Ohrenstöpsel, die ich ausprobiere.
Tatsächlich, das Quietschen der Bettfedern ist nicht mehr zu hören. Nachts muss ich
wie üblich raus und turne wie ein Affe aus dem Bett hinunter. Es geht schon irgendwie.
Auf der Toilette fragt mich ein Jugendlicher, ob er mir helfen kann. Er denkt, mir
sei schlecht. Finde ich nett von ihm. Die Nacht ist schlimm, und Marek hat jetzt einen
richtigen Eindruck, wie das ist mit dem Gewimmel auf dem Hauptweg. Er schläft
auch mit Ohrenstöpseln, und das kann man nur empfehlen.
Zum Schluss noch einen Auszug aus der Speisekarte der Café/Bar Gala de Oro:
Puré de verduras / Püree von grün
Maccarones con salsa campestre / Nudel tunke wildwachsend
Tallarines a la carbonara / Bandnudels verbrennen
Guten Appetit! :-))
Der Pilgerweg
18. August 2005, Donnerstag: Von León nach Hospital de Órbigo, 36 km (36 km)
Ab 5h30 Gewiggel. Ich habe sogar geträumt, zu schnarchen und die anderen zu stören.
Ein Albtraum, zumal er sicher auch Wirklichkeit war.
6h00 raus. Trotzdem keine Chance, sich waschen zu können. Ich stehe Schlange, nur um
aufs Klo zu kommen. Frühstück am Brunnen auf dem Platz vor der nahen
Kirche. Dort hatte man wenigstens Ellenbogenfreiheit. Das Wetter ist gottseilob weiter trocken.
Weg bis Virgen del Camino nicht so schlimm
7h00 abrücken. Marek schwingt froh seinen Stock, auch er freut sich, dass wir dem
Massenbetrieb entfliehen können und (scheinbar) allein unterwegs sind.
Wir gehen nicht den Pilgerweg,
sondern direkt zum Parador am Altstadtrand, wo der Pilgerweg über eine
Fußgängerbrücke führt. Danach durch die Vorstädte.
Über diese Strecke wird viel gejammert,
ich finde sie nicht so schlimm, kenne da ganz andere Beispiele (z.B. die Vorstädte
von Gijón). Wir passieren eine Gruppe niederländischer Pfadfinder. Ach, bei ihnen
ist der junge Mann, der mir nachts helfen wollte.
Als die Ausfallstraße nach recht abbiegt, geht es geradeaus
auf eine Fußgängerbrücke, die eine Bahnstrecke überquert. Kurz darauf kreuzt
man die Fernstraße, kürzt diesmal aber einen großen Schwenk nach links ab, kommt so an den
Bodegas vorbei, die ich 2000 erwähnt habe. Dann wieder die Fernstraße
und Virgen del Camino. In der Kirche ist eine Messe, so kann ich nur ein
kurzes Gebet sprechen. Ich komme mit zwei Pilgerinnen ins Gespräch: Petra aus
Deutschland und ihre Freundin aus Tirol. Vor uns liegt ja die Verzweigung. Die
beiden wollen sich lieber an die Fernstraße halten, wie Harald und ich 2000 das auch
gemacht haben. Diesmal will ich aber die alternative Strecke ausprobieren.
Es geht ein Stück links an der N120 entlang. Dann kommt die Abzweigung, aber
auf dem Asphalt sind wirre Hinweise in Gelb: Reklame für Bares und die Richtung
halblinks nach Villar de Mazarife deutlich durchgestrichen. Hier war ich
als "Führer" gleich mit meinem Latein am Ende.
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Wer die Alternative laufen will:
An der genannten Abzweigung trotz durchgestrichener gelber Pfeile
halblinks nach Villar de Mazarife abbiegen.
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Zur Vorsicht weiter geradeaus,
entschied ich. Nach ca. 500 m zweigte links eine kleine Asphaltstraße ab. Ein Schild
wies auf Fresno del Camino (glaube ich mich zu erinnern), und da wollten
wir hin. Es musste dieselbe Straße sein, die man ohnehin erreicht, wenn man vorher
halblinks abbiegt (und die durchgestrichenen Pfeile ignoriert). Wohl gab es hier
kein Zeichen. Trotzdem, was sollte schon passieren, wenn der Zielort einer
derjenigen war, die wir durchqueren mussten? - Ein Katalane bleibt stehen, hört
sich meine Argumente an, möchte auch lieber nach Villar de Mazarife, aber traut
meinem Entschluss nicht, geht langsam weiter geradeaus.
Marek vertraut mir, und wir biegen nach links auf die Asphaltstraße ab. Schon nach
500 m kommt ein Fußpfad von links: das muss der Pilgerweg sein. Und Leute (keine
Pilger) laufen dort auch, also muss er begehbar sein. Kurz darauf die im Handbuch
angekündigte Autobahnunterführung. Na also, alles im Lot! In Fresno del
Camino richten wir Mareks Rückengurte. Da kommt der Katalane daher.
Er ist umgekehrt, hat sich doch entschlossen, meinem Ratschlag zu folgen, und ist
nun gut zufrieden. Die nahe Fernstraße sei schrecklich gewesen.
Weiter über eine kleine Landstraße nach Oncina de la Valdoncina.
Hier habe ich einen kleinen Rastplatz am Dorfausgang in Erinnerung, wo wir
eine Trinkpause machten. Die nächsten Kilometer sind einsam.
Es muss hier irgendwo gewesen sein, wo eine Pilgerin belästigt wurde, ein sehr
seltener Vorgang. Ich hörte davon in Palas de Rei. Ein Mann ist nackt aus
einem Auto gestiegen und hat sich der Pilgerin in unzweideutiger Absicht genähert.
Diese hat ihn mit Schreien und Schimpfen in die Flucht geschlagen, sich das Autokennzeichen
gemerkt und die Polizei verständigt.
Dieser Einzelfall - der letzte, von dem ich hörte, liegt 5 Jahre zurück - sollte nicht hochgespielt werden. Aber es ist schon besser, wenn sich Frauen, die unbedingt
allein pilgern wollen, auch auf diese extreme Möglichkeit einstellen. Verrückte gibt
es überall.
Nicht im Handbuch: eine Bar und ein Schlenker
Der nächste Ort, wo wir den Katalanen
wieder einholten, könnte Chozas de Abajo gewesen sein. Er suchte nach einer Bar, und die fand sich auch an der nächsten
Einmündung auf eine größere Ortsdurchfahrtstraße. Es war einfach die Casa de cultura,
in der ich mir eine Cola einverleibte. Draußen saß eine deutschsprachige Pilgerin, die
aber absolut jeden Kontakt abblockte. Nochmal: Auf dem Camino Francés geht's trotz
- oder wegen? - des Trubels anonym zu.
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Wichtiger ist, dass der Pilgerweg hier einen ganz unvermuteten Schlenker
machte (wohlgemerkt, wenn das in diesem Ort war), von dem im Handbuch von M.K.
nichts zu lesen ist. Es ging nämlich nicht die größere Straße geradeaus weiter, sondern
im Gegenteil zurück (spitzwinklig rechts, von der Richtung aus gesehen, die man
gekommen war; links, wenn man aus der Casa tritt).
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Erst einige hundert Meter weiter
kommt eine Abzweigung nach links auf eine schnurgerade Landstraße, die
nun viele Kilometer geradeaus führt. Dieses ebene Gebiet mit viel niedrigem Grün
nennt sich Páramo.
Ich merkte schon, dass mein Schwiegersohn Marek mein Tempo locker durchhielt
und die Kilometer herunterspulte, als ob er nie etwas anderes gemacht habe. Zu Hause
waren wir nur einmal einen Trainingsmarsch (mit Gepäck) von 15 km gelaufen ... Heute trafen
wir so schon um 12h30 bei strahlendem Sonnenschein und viel Hitze in Villar de
Mazarife ein.
Die Unterkünfte in Villar de Mazarife
Gleich am Ortsanfang liegt rechts die erste Herberge (wohl "San Antonio de Padua"),
sehr neu, privat. Einige Pilger saßen schon in der Sonne, winkten uns, dort ebenfalls
einzukehren. Das war uns zu früh. Im Ortskern dann ein Hinweis auf die bekannte
"alte" Privatherberge, die uns nach den Informationen unserer Unterlagen aus Paderborn
nicht lockte. Es wurde aber noch eine dritte Herberge "Tio Pepe" angekündigt, zu
der man nach links abzweigen musste. Dort drehte unser Freund, der Katalane, der
uns inzwischen wieder eingeholt hatte, ab. Wir gingen an einem Lebensmittelladen
vorbei bis zu einem kleinen Park rechts und machten Mittagspause. Einige wenige
Pilger ließen sich ebenfalls dort blicken. Bald kam auch der Katalane wieder und
erzählte, er sei doch nicht bei Tio Pepe geblieben. 5 EUR kostet dort die Übernachtung.
Das war nicht zu viel, aber ihm grauste es, den Rest des Tages in diesem verschlafenen
Nest mit Nichtstun zu verbringen.
Wir unterliegen einer Versuchung
Uns grauste es bei dem Gedanken auch. Marek und ich schauten uns an.
"Wie weit ist es noch bis Hospital de Órbigo?" fragte er. Zu Hause hatte ich lange mit
dem Kopf gewackelt, ob man nicht gleich am ersten Tag ... aber das war mir doch
zu vermessen vorgekommen. Und unklug, man denke an seine Füße! Andererseits:
Marek war heute wie ein alter Hase gelaufen, und vor weiteren 14 km hatte er keine
Angst. Ich wusste aber aus Erfahrung, dass einen so eine (wenn auch kürzere) zweite
Hälfte - in glühender Sonne! - kaputt machen kann. Dann, kurz entschlossen: Doch,
wir gehen mit unserem katalanischen Freund weiter.
Endlos geradeaus, der Katalane plaudert, zeigt uns einige Pflanzen (Dill) und
erzählt was dazu. Ich verstehe höchstens die Hälfte. Als wir eine Trinkpause einlegen,
zieht er davon.
Begegnung mit Pilgerfreunden R.
Vor Villavante holen wir langsam ein Pilgerehepaar ein.
Es sind Deutsche. Gemeinsam schwenken wir scharfrechts in den Ort und machen
an einem kleinen Platz mit Wasserkran Pause. Sie wundern sich über unsere großen
Rucksäcke. Ich kläre sie über die Isomatten darin auf. Ein angenehmer Tag heute,
erzählen sie, warm, aber nicht zu heiß. Bis León hätten sie wochenlang brütende
Hitze gehabt. Na, uns reichten die Temperaturen heute durchaus.
Inzwischen haben diese Pilgerfreunde meine Berichte im Netz gesehen, sich
gemeldet und mir sogar ein Bild geschickt. Auch konnten Sie mir noch einige Tipps
mitteilen, die ich gern einarbeite. Vielen Dank, Bernd und Ursula R.!
Zur Orientierung in Hospital de Órbigo
Ohne Schwierigkeiten kommen wir an die Autobahn vor Hospital de Órbigo,
erreichen kurz darauf die N120, überqueren diese und laufen auf die Stadt zu.
Bald sind wir auf der berühmten Brücke. Am jenseitigen Ufer geht es rechts zum
städtischen Refugio. Wir laufen aber weiter geradeaus, kommen an der
Herberge "Karl Leisner" (rechts) vorbei und erreichen kurz darauf in derselben
Straße (links) die private Herberge "San Miguel", die ich testen will. Locker haben wir die
36 km bis hierhin weggesteckt, gleich am ersten Tag eine Doppeletappe gemacht
und damit unseren Zeitplan umgeworfen.
Beschreibung der Herberge "San Miguel"
Die Albergue "San Miguel" hat zwei Schlafräume mit 22 bzw. 18 Betten. Als
wir um 16h30 ankamen, waren im ersten Schlafsaal unten schon alle Betten
belegt, aber im zweiten konnten wir uns die besten aussuchen. 6 EUR für die
Unterkunft. Frühstück 3 EUR. (Wir nahmen es nicht, aber es ist zu empfehlen.)
Sehr gute Einrichtungen: 3 Toiletten, 3 Duschen, einige Waschbecken.
Waschmaschine und Trockner (je 3 EUR).
Gemütliche Pilgeratmosphäre. Großer Innenflur. Eine Ecke, in der man sich
künstlerisch als Maler betätigen kann. Große Küche, in der morgens zur
Selbstbedienung alles rumsteht, Kaffee, Milch, Tee, sogar Käse, Fruchtsaft ...
Jede Menge Steckdosen, so dass ich mir Kaffee machen konnte. Es hat niemand
etwas dagegen, wenn man Mitgebrachtes auspackt. Kühlschrank mit Getränken,
die man kaufen kann. Großer Innenhof. Alles mit sehr viel Holzverkleidung und
sehr gut durchdacht. Das Beste ist aber, dass man nicht kontrolliert wird, man
kann sich loslassen, wie man will. Und vorne an der Anmeldung ist immer jemand
ansprechbar. Von 5h00 - 8h30 kann man morgens abrücken. Abends wird um
22h30 geschlossen. Diese Unterkunft ist sehr zu empfehlen!
Zur Bettensituation in Hospital de Órbigo
Inzwischen gibt es im Ort ein Überangebot an Pilgerbetten. Wir schauten kurz
in die Pfarrherberge "Karl Leisner": großer malerischer Innenhof. Auch alles sehr
pilgergemäß, aber mit deutlichen Abnutzungsspuren. Im Ort trafen wir beim
Einkaufen unseren katalanischen Freund, der in dem kostenlosen Gemeinderefugio am Fluss
ganz allein war. Er kapierte gar nicht, warum wir unbedingt 6 EUR hatten loswerden wollen.
Das Pilgerehepaar R., das wir natürlich ebenfalls wiedersahen, pries die Pfarrherberge.
Überall blieb wohl genug Platz, obwohl in unserer Unterkunft noch sehr viele Radfahrer
einkehrten.
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Plausch nach dem Einkauf (Bild: B.R.)
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Empfehlung zum Abendessen
Abends zum Essen (von der Herberge aus gesehen) vor der Brücke nach rechts.
Es ist ein "Mesón Perrona" ausgewiesen, aber wir gingen in das Restaurant
"Los Angeles". Auch dort waren wir fast die einzigen Gäste. Menü 7 EUR, von
19h00 bis 23h00. Fischsuppe, Fleisch mit Pommes, Eis. Halbe Flasche Wein, weil
Marek keinen Alkohol trinkt. Er bekam Wasser, war kein Problem. Empfehlenswert.
Satt und zufrieden zurück zur Herberge. In unserem Schlafsaal blieben einige
Betten frei. Obwohl unsere Fenster zur Straße hinausgingen, haben wir gut geschlafen.
19. August 2005, Freitag: Von Hospital de Órbigo nach Astorga, 16 km (52 km)
6h30 raus, die Radfahrer schlafen noch, aber die meisten Fußpilger sind schon weg.
Frühstück in der Küche. Der Herbergsvater überzeugt sich, dass alles da ist, holt notfalls
nach. Aber wir haben ja eigene Vorräte. 8h07 los. An der Abzweigung kurz darauf
gehen erstaunlich viele geradeaus, den etwas längeren und viel schlechteren Weg.
Wir gehen natürlich rechts ab nach Villares de Órbigo. Unterwegs hat Marek
Probleme mit dem Rucksack und mit seiner Hose. Er kündigt an, von Astorga aus
einige Kilo, vor allem Bücher/Reiseführer, nach Santiago vorauszusenden.
Bar unterwegs in Santibáñez de Valdeiglesias
Der Weg ist wirklich schön. In Santibáñez de Valdeiglesias
biegt man an der Kirche rechts ab, und da liegt gleich eine Bar. Ich genehmigte mir einen
Kaffee, die Bar war voller Pilger. Unterwegs machten wir noch einmal eine
längere Pause, wir hatten ja Zeit. 11h20 erreichten wir das Kreuz oberhalb von Astorga.
Der Weg in die Stadt ist besser als in meiner Erinnerung. Ich hatte den Feldweg hinter
San Justo de la Vega vergessen und erwartet, dass es die ganze Zeit auf
Asphalt entlanggeht. Dann erreichten wir gegen 12h30
die Schnellstraße vor
Astorga. Ich habe wieder einen Stadtplan zur Hand, der uns jetzt zugute kommt.
Sachen vorausschicken: kein Problem
Wir gehen direkt zum Postamt. Marek kramt seine entbehrlichen Sachen zusammen.
Ein freundlicher Postbeamter packt alles zusammen in genormte Päckchen.
Versand nach Hause ca. 20 EUR. Äh, dann doch lieber nach Santiago. Ca. 5 EUR, schon besser.
"Hier schicken wohl öfter Pilger etwas voraus?" frage ich den Beamten.
"Fast jeder" nickt der, für ihn gehört das zum Alltag. Marek bekommt eine Quittung.
In Spanien ist alles gut organisiert.
Eine tolle private Unterkunft
In der Stadt laufen wir zur privaten Herberge "San Javier", die der Paderborner
Pilgerführer empfiehlt. Ein wahrer Volltreffer! Die Leute freuen sich über jeden, der kommt.
Übernachtung 6 EUR. Wir bekommen ein Doppelstockbett im 1. Stock. Es sind 16 Betten
im Zimmer, recht eng gestellt, aber da muss man sich ja nicht lange aufhalten.
Es bleibt auch einiges frei, so dass man Platz für seine Sachen hat. Nebenan ist noch
ein 16-Bett-Zimmer und ein weiteres, kleineres. Ein Stockwerk höher sind noch mehr
Schlafräume. 9 sehr gute Duschen, außerdem ein Zimmer nur mit Waschbecken,
8 Toiletten. Ich bin entzückt über eine Steintreppe, die von einem Balkon hinunter
in den Innenhof führt. Getränkeautomaten. Tische und Stühle. An den Innenhof anschließend
ein weiterer großer Platz mit Brunnen, Waschanlage, Wäscheleinen. Im Erdgeschoss eine offene
Küche, daneben breite Stufen, auf denen man sich zwangslos lagern kann, im
Halbkreis um ein Herdfeuer, das man jetzt im Sommer natürlich nicht braucht. Kühlschrank.
Den ganzen Nachmittag ruhen sich hier Leute drinnen und draußen aus, lesen,
klönen, urgemütlich. Hier kommt man auch ins Gespräch. Eine echte Pilgeratmosphäre.
Ruckzuck, habe ich meine Wäsche gewaschen und auf der Leine. Draußen knallt
die Sonne.
Albergue de Peregrinos San Javier, Calle Portería, 6, E-24700 Astorga
Tel. 987 618 532, Netzpost: alberguesanjavier@hotmail.com
Bischofspalast in Astorga
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Abendessen 08/15, aber früh und günstig
Nachmittags besuche ich das Museo Romana. Marek ist auf eigene Faust
unterwegs. Er will auch oft abends nicht mit zum Essen. So gehe ich allein
zur Bar Júcar in der Straße Húsar Tiburcio. (Von der Herberge aus links zur
Hauptstraße, wo der Pilgerweg nach rechts geht. Dann die 4. Straße links, wo auf der Ecke
eine kleine Grünanlage ist.) Es gibt schon ab 19h00 Abendessen, habe ich mich vorher
erkundigt. Der Wirt schmunzelt, als ich Punkt 19h00 aufkreuze.
Bin wieder der einzige Gast, der etwas isst, sitze deshalb auch in der normalen Gaststube
anstatt im Esssaal. Beste Bedienung.
Menü (etwa 7 EUR): Ensalada mixta, Fleisch mit Pommes, Eis. Also das Übliche.
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20. August 2005, Samstag: Von Astorga nach Foncebadón, 27 km (79 km)
6h00 raus, ich habe gut geschlafen. Die Versorgungseinheiten (so nenne ich immer
Waschräume, Duschen und Toiletten) sind nicht überlaufen.
Bei uns im Zimmer war eine ungarische Familie, samt Oma, die mit dick verbundenem
Bein nur noch humpeln kann. Zu meiner Überraschung überholen wir sie später.
Sie humpelt, geht wortwörtlich am Stock, aber sie läuft mit zusammengebissenen
Zähnen weiter. Ein erwachsener Sohn bleibt geduldig bei ihr.
Wieder schönes Wetter
7h40 kommen wir los. Zu meiner Freude ist schönes Wetter. Gerade auf dieser
landschaftlich einmaligen Etappe ist das wichtig, denn nur so kann man das herrliche
Bergpanorama ringsum genießen. 1998 war alles in Wolken und Nebel.
Bald unterqueren wir die Autobahn. Auf dieser werden wir auf dem Rückweg
nach Madrid zurückfahren. Kurz in eine alte Kapelle links am Wege geschaut.
Eine Frau hält Wache, winkt uns freundlich herein. Morgengebet. Vor und und hinter
uns Pilger, soweit das Auge reicht. Das wird heute nicht so einfach mit dem Übernachten
werden, denn ich steure entschlossen das neue Refugio in Foncebadón an,
dessen 18 Plätze + 7 Matratzen sicher nicht reichen werden.
Notfalls werde ich anbieten, einfach in der Kapelle auf dem Fußboden zu schlafen.
Ich kam mir bei diesem Gedanken sehr erfahren und flexibel vor, ahnte nicht, dass
der Kapellenfußboden jede Nacht schon für die 7 Matratzen diente ... =:-O
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Seit 2006 hat sich die Lage in Foncebadón schon wieder entschärft. Es gibt eine neue
Pilgerherberge "Monte Irago" mit ca. 60 Betten gegenüber dem
"Mesón Medieval". Die ersten Berichte lauten sehr positiv. Es gibt sogar eine
Mini-Tienda mit bescheidenen Einkaufsmöglichkeiten.
Pilgerfreund Michael Marx schreibt im November 2007 außerdem:
"In Foncebadon gibt es eine relativ neue kirchliche Herberge im
oberen Teil
des Ortes, gleich anschließend an die Kirche. Heißt "Domus Dei". Es
wird ein
gemeinsames Abendessen gekocht. Freiwillige Spende erbeten ." - Danke für den Hinweis!
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Der Schwenker durch Castrillo de los Polvazares
Am Ortsausgang von Murias de Rechivaldo schwenkte ich entschlossen nach rechts,
auf eine der beiden Herbergen zu. Aber wir wollten nur die Landstraße nach
Castrillo de los Polvazares erreichen. Links neben der
Asphaltstraße führte eine
ganz annehmbare Piste direkt auf den Ort zu; kurz vorher musste man noch einmal
nach rechts wechseln. In diesem bekannten Touristenort hatten Harald und ich den
Weg quer zur Pilgerroute nicht gefunden. Schuld ist ein undeutlicher gelber Pfeil,
der schon bald an einem Kreuz nach links weist: ignorieren! (Im Handbuch ist
ein Pfeil an einem Kreuz als Signal zum Linksabbiegen angekündigt, aber dieses
erste Kreuz ist damit nicht gemeint.)
Wir besichtigten in Ruhe das schöne Städtchen, indem wir einfach
die Hauptstraße geradeaus entlangliefen (mit Kurzabstecher zur Kirche links).
Endlich gab es eine deutliche
Y-Verzweigung, und dort wies ein gelber Pfeil, diesmal am richtigen Kreuz,
nach halblinks. 2000 waren wir einfach zu früh nach links abgebogen.
Die Pfeile führten
uns sicher weiter: Zunächst am Ortsrand links auf eine Landstraße, dann in einer
Linkskurve halbrechts ab auf eine Piste, dort gleich wieder links. So kam man praktisch
ohne Umweg kurz vor Santa Catalina de Somoza wieder auf den Pilgerweg.
Diese Variante kann ich nur empfehlen.
Durch Santa Catalina und El Ganso
In Santa Catalina wimmelte es von Pilgern, die vor den Bares saßen und die
Vorüberziehenden musterten. Wir suchten uns abseits oberhalb der Landstraße
eine ruhige Bank mit Aussicht auf das Gebirge und nahmen ein
zweites Frühstück ein. Später im nächsten Ort El Ganso gleich nochmal Pause
in der linken Bar von den beiden benachbarten. Die winzige Toilette war erstaunlich
gut und sauber. Ich holte mir eine Empanada und ließ Marek probieren. Auf einmal kamen
Petra und ihre Begleiterin, die wir in Virgen del Camino getroffen hatten.
Wir erkannten uns gegenseitig sofort wieder und blieben noch eine Weile
zusammen sitzen.
Wieder unterwegs, fällt mir auf, dass der Pilgerweg
nicht mehr die ganze Zeit über die Landstraße
führt. Man hat für die Pilger einen Pfad parallel zur Straße, rücksichtslos
durch Gebüsch und Wald gebahnt. Die arme Natur!
Durch Rabanal del Camino
13h00 kommen wir an den Stadtrand von Rabanal del Camino, biegen halbrechts ab.
In der Nähe des Ladens links liegt auch die Posada "El Tesin",
aber gleich daneben ein einfaches Refugio mit Doppelstockbetten, ab 14h00 geöffnet.
Der Betreuer möchte uns gern dabehalten, aber wir wollen ja weiter.
Posada "El Tesin", Tel. 652 277 268 und 918 717 407, Doppelzimer 40 EUR
Albergue "El Tesin", Tel. 650 952 721 und 696 819 060, Übernachtung 5 EUR
Oben im Ort wird die "englische" Herberge belagert. Ich schlüpfe in die
Kirche, singe ein Lied. Gerade will ich mit dem zweiten beginnen, da strömen geräuschvoll
viele Pilger herein. Na, dann nicht.
Ein neues Kloster für geistliche Einkehr
Zu Rabanal del Camino ist noch Folgendes nachzutragen: Petra
erzählte mir in Palas de Rei, dass sie dort mehrere Tage in einem neuen kleinen
Benediktinerkloster verbracht hat, in dem nur zwei Mönche leben.
(Es ist ein Haus gegenüber der Kirche.)
Man findet dort nur Aufnahme, wenn man
dort eine geistliche Auszeit sucht, also nicht nur einmal übernachten, sondern
mindestens drei (höchstens zehn) Tage bleiben und an den
Gottesdiensten teilnehmen will. Auch gibt es auf
Wunsch geistlichen Zuspruch, Beichtgelegenheit, usw. Man hat eine
Kochmöglichkeit und zahlt für den Aufenthalt eine Spende. Petra äußerte sich sehr
zufrieden. Die zwei Mönche sind Spanier, aber einer von ihnen spricht auch sehr gut Deutsch.
Ansturm in Foncebadón
Den folgenden Weg nach Foncebadón hatte ich
auch etwas anders in Erinnerung, dachte, man liefe bald wieder auf der Straße.
Es ging aber meist über relativ breite und bequeme Pisten.
14h30 in Foncebadón. Wir laufen durch den Ort, kommen am "Mesón Medieval"
und einem Hostal vorbei (beides rechts), bis wir offenbar am Refugio sind.
Gerade fahren die Frauen vor, die die Herberge
betreuen, wir kommen zur Öffnungszeit genau richtig. Aber ein Blick umher: ganze
Völkerstämme lagern ringsum und begehren Quartier. Ich zähle kurz ab, keine Chance.
Na, da ich habe ja noch den Trumpf mit dem Fußboden der Kapelle im Ärmel (dachte ich).
Vor uns werden Ausweise einkassiert: ... und 18, so, die bekommen Betten. Dann
noch ca. 18 von uns. Immerhin nehmen sie die Ausweise an, müssen also was haben.
Man führt uns in die benachbarte Kapelle. Mir klappt der Unterkiefer herunter:
Hier ist das Matratzenlager. Die ersten 7 bekommen Matratzen, wir übrigen 11 nur
Isomatten und Decken. Ja, Junge, du wolltest es ja nicht anders. Zum Glück lehne
ich gleich innerlich die Schnapsidee ab, nach Manjarín weiterzulaufen.
Der alte Mann und die Matratze
Ich greife nun den Ereignissen vor. Abends durften wir die Bänke in der Kapelle
an die Seite schieben. Als Licht blieben nur die Altarkerzen. Es gibt keine Fenster,
Frischluft kommt durch die Tür. Es ist schon eine besondere Atmosphäre, die ich
dann doch ganz spannend fand. Zu den glücklichen Matratzenbesitzern gehörten
ein süddeutsches Ehepaar und zwei weitere Deutsche, Mutter und Tochter.
Ich hole mir noch eine Isomatte, lege meine darauf, richte mich sorgfältig ein.
Alle Kleinutensilien, die ich nachts brauche (Uhr, Brille, Taschentuch, Nasentropfen,
Wasserflasche, Taschenlampe, Ohrenstöpsel) in Reichweite, merke mir im Dunkeln mit Probegriffen, wo alles genau ist.
Das ist meine abendliche Routine, wenn es kein Licht gibt.
Die vier Deutschen rutschen auf ihren Matratzen zusammen und bieten mir einen
besser gepolsterten Liegeplatz an. Sehr nett, aber ich will das nicht, liege gerade so
gut und eingerichtet. Aber Marek nimmt das Angebot gern an.
Wir liegen so gegen 22h00
alle gerade flach, da kommen die drei Helferinnen herein. Ich muss ziemlich
alt und gebrechlich wirken, jedenfalls reißen sie die Augen auf, als sie mich da
auf dem Fußboden liegen sehen. Nein, zetern sie los, so geht das ja nicht.
Sie herrschen Marek und die vier Deutschen an, gefälligst zusammenzurücken,
damit ich noch Platz habe. Mann, ist mir das peinlich!
Ich will das doch nicht, ich protestiere. Sie argumentieren zuerst lautstark,
weisen, gestikulieren, ich schüttele den Kopf. Als ich dann auch auf
theatralisches Flehen nicht reagiere,
merke ich, dass sie mich gleich hinüberschleifen werden, wie mich die Polizei in
Ahaus von den Gleisen holte. Es geht einfach gegen ihre Ehre, einen alten Mann
auf dem Boden liegen zu lassen, notfalls wird der mit Gewalt zu seinem Besten
gezwungen. Ich kann gerade noch meine nächtlichen Siebensachen zusammenraffen.
Inzwischen sind die anderen fünf vor Schreck so zusammengerückt, dass ich fast
eine ganze Matratze für mich allein habe. Man stelle sich vor: fast eine ganze Matratze
für mich allein, so ein unerhörter Luxus! :-)) Ich denke an meinen Vater, der immer
erzählt, wie sie als Kriegsgefangene eine Zeitlang so eng in Betten untergebracht waren, dass
man sich nur gemeinsam umdrehen konnte. (Kein Witz!) - Ich bedanke mich auf diesem
Wege nochmal bei meinen vier Landsleuten, die dieses Spiel geduldig mitgemacht haben.
Ab 23h45 ist es ruhig in der Kapelle, und ich schlafe sehr gut. Von draußen kommt
frische, eiskalte Luft herein. Nachts muss ich wie üblich raus, aber kein Gedanke, ins
dunkle Refugio zu schleichen. Ich halte es einfach in die Ruinen gegenüber. Es ist
grauenhaft kalt, wahrscheinlich um den Gefrierpunkt. Aber mein Schlafsack mit einer
Decke darüber reicht aus.
Hostal und Mittelalterkneipe in Foncebadón
Nachzuholen ist nun noch einiges über das lokale Hostal und die Mittelalterkneipe.
Im Hostal "El Covento" kostet das Doppelzimmer 66 EUR, nicht eben wenig. Aber es
gab genug Touristen, die in Foncebadón Station machten. Am Hostal draußen ein
Getränkeautomat. Frühstück ab 7h00 (oder früher, sagte der Wirt). Nebenan eine
urige Mittelalterkneipe "Mesón Medieval",
in der wir 6 Deutschsprachigen (bevor wir auch noch Matratzenkameraden wurden)
zusammen zu Abend aßen.
Die Wirtin, eine attraktive Frau etwa Anfang 40, war ebenfalls Deutsche und sorgte
für uns auf das freundlichste. Alles war mittelalterlich eingerichtet, bis hin zur
Toilettentürbeschilderung. Dort wollte mich eine Dame aus der Herrentoilette werfen,
weil das Schild an der Tür einen Mann im Rock
zeigte, den sie als Frau gedeutet hatte. Der Wirt hinter der Theke sah aus wie aus
einem Fantasieroman, der im Mittelalter spielt, entsprungen. Seine Bassstimme
passte prima dazu. Wir aßen ein Pilgermenü zu 9 EUR: Hirschgulasch (sehr große
Portion), Wein+Wasser, Eis als Nachtisch und natürlich Brot. Nicht das billigste
Essen, aber dafür, dass es etwas Besonderes war, doch preiswert. (Am Mittag war
die Kneipe gerammelt voll mit Ausflüglern gewesen.)
Später erfahren wir, dass auch im Refugio für alle gekocht worden ist, aber die
Nachrichten kommen nicht zu uns bis zur Kapelle. Außerdem erklären die
Helferinnen alles nur auf Spanisch und das sehr schnell. Wenn jemand bittet, können sie aber
auch unverständliches Englisch ;-) Na, machte ja nichts. Der Platz im Refugio war auf 18
Leute ausgelegt, und mit uns "Kapellenschläfern" wäre es auch zum Essen
für alle fürchterlich eng geworden. - Im Übrigen gab es (damals) in Foncebadón keinerlei
Einkaufsmöglichkeit.
Der Säbeltanz des Tempelritters
Mein Notizbuch vermerkt noch lakonisch: "Manjarín, Jasmin, 37 Leute".
Dahinter steckt die Antwort auf die Frage, wo denn alle die armen Schweine blieben,
die noch nach uns ab 14h30 den ganzen Tag mehr oder minder fertig hier ankamen.
Sie wurden einfach weitergeschickt, und die meisten wussten ja, dass noch irgendwo
"Manjarín" folgte. Das Mädchen Jasmin hat mir in Ponferrada erzählt, wie es ihr
als einem dieser armen Schlucker gegangen ist. Manjarín hat bekanntlich kaum Platz
und so gut wie keine Einrichtungen. Dort landeten an diesem Tag 37 Versprengte,
die nicht mehr weiterkonnten; Acebo ist zu weit, den Pass hätten sie nicht
mehr geschafft. Man schärfte ihnen ein, nur den Abtritt draußen zu benutzen, aber
laut Jasmin verzogen sich die meisten doch lieber heimlich in die Büsche. Irgendwie lagen
nachts alle im Hauptgebäude und in den Nebengebäuden mit Decken und Schlafsäcken
kreuz und quer durcheinander. Es sei eine schlimme Nacht gewesen. Na, dagegen war
unsere Kapelle ja das reinste Ritz! - Also, nichts gegen Manjarín:
bei so einem Ansturm wären auch andere kleine Refugios untergegangen.
Der Gipfel sei gewesen, als der gute Tomás, der das Leben der Tempelritter
weiterführen möchte und den inzwischen aber die Jahre eingeholt haben, frühmorgens,
vor Schwäche (und Restalkohol) recht schwankend, die aufgehende Sonne mit einem
Säbeltanz begrüßt habe. Da hätte mancher die Backen aufgeblasen, um nicht
herauszuplatzen. Soweit der Klatsch im Pilgertelegraf.
21. August 2005, Sonntag: Von Foncebadón nach Ponferrada, 27 km (106 km)
Bis 6h15 gut geschlafen. Dann stehen praktisch alle gleichzeitig auf. Gestern sind die
letzten sehr spät gekommen, haben ihre Sachen im Dunkeln über unsere auf die
Bänke gelegt. Jetzt am Morgen - immer noch dunkel - hebt im Schein von
Taschenlampen und der Kerzen am Altar ein Suchen an. Aber erstaunlich diszipliniert,
kein Chaos, kein Schimpfen. Auch der letzte vermisste Gegenstand findet sich
irgendwo, nachdem die meisten Sachen von ihrem Besitzer eingesammelt worden
sind. Waschen fällt
bei dem Getümmel in dem kleinen Bad des Refugios aus, aus dem gleichen Grund das
angebotene gemeinsame Frühstück. Lieber ins Hostal "El Convento", wo uns um 6h55
ein alter, sehr freundlicher Mann bedient. Man kann sogar etwas diskret eigene Vorräte
verzehren. Aber das Angenehmste ist der Gang auf die tadellose Toilette: Platz,
Ruhe und Papier! (Das Pilgerleben hat schon seine speziellen Höhepunkte.)
Cruz de Hierro, Manjarín, Acebo
7h32 brechen wir auf, wieder bestes Wetter. Was haben wir für ein Glück!
Ich hatte wieder in Erinnerung, dass es lange über die Landstraße geht, aber es
sind nun schöne Bergpfade und Pisten. Am Cruz de Hierro singe ich vor
der Kapelle ein dankbares Morgenlied. Bald danach Manjarín. Wir schauen
nur kurz rein, kein Glockenläuten zur Begrüßung. Zwei Männer in Templerkostümen
schauen nach dem Rechten, während die Pilger herumwimmeln. Hier gibt es keine
Beschaulichkeit mehr, keine private Begrüßung.
Pause für ein zweites Frühstück
auf einer Bergwiese. 11h00 erreichen wir Acebo. Auf dem letzten Stück
dahin ist der Pilgerweg verlegt worden. Es geht nicht mehr abrupt sehr steil hinunter,
sondern der Weg macht noch einen großen Schwenk nach links, um dann auf
einer Piste wesentlich sanfter ins Dorf zu führen.
Ein möglicher Abstecher
Ohne Aufenthalt durch Acebo. Am Ortsende zweigt eine kleine
Asphaltstraße nach links ab. Dazu erzählte mir ein Pilgerfreund später: Er ist auf
Empfehlung diesem Sträßchen gefolgt und kam in ein Dorf (dessen Namen er nicht
mehr wusste), wo es ein privates "Refugio" gab. Es war das Haus einer
Künstlerin, die gern Pilger bei sich unterbringt (Übernachtung 6 EUR). Es kämen aber
nur einige wenige pro Jahr, und der Grund dafür ist auch klar, denn anderntags muss man
denselben Weg wieder zurück. Wer also einen Tag erübrigen kann, um eine wunderschöne
Bergwelt, ein bequemes Quartier und die Gesellschaft der Künstlerin zu genießen,
dem kann man das empfehlen.
Natur in Not
Die gewaltigen Maronenbäume vor Riego de Ambrós sind leider zum
Teil vertrocknet. Im Ort kommt man direkt an dem äußerlich ansprechenden Refugio vorbei.
Die Natur hat überall gelitten, es ist zu trocken. Der herrliche Lavendelduft, den ich
von 1998 und 2000 in Erinnerung habe, ist nicht mehr zu spüren.
Mittagessen in Molinaseca
Schon 12h40 sind wir an der Brücke vor Molinaseca. Hier steht eine
Gruppe von deutschen Radfahrern (keine Pilger), die im "El Convento" übernachtet haben.
Man erkennt uns und staunt, wie weit wir heute zu Fuß schon gekommen sind.
Wir lassen uns draußen vor dem Hostal "El Palacio" nieder, erst in der Sonne,
da wird's zu warm, dann im Schatten, da ist es doch sehr kühl. Ich habe
Schwierigkeiten, die Bedienung auf uns aufmerksam zu machen. Als offensichtliche
Einmalgäste sind wir nicht so wichtig. Das hat aber auch seine Vorteile, wie sich
nachher herausstellt. Zunächst bekommen wir aber das angebotenen Pilgermenü für
7,50 EUR: Fischsuppe (sehr lecker), Merluza mit Pommes (geht so), Vanilleeis.
Kein Problem, Wein und Wasser zu bestellen. Da uns wie gesagt der Ober
nicht weiter beachtet, lasse ich eine halbe Flasche Wein in einer meiner beiden Feldflaschen
verschwinden.
Zur Herberge von Ponferrada
Ca. 14h00 weiter. An der mir wohlbekannten Herberge von Molinaseca
vorbei. Dort scheint noch kaum jemand zu sein. Aber ich will ja das Refugio in
Ponferrada kennen lernen und testen.
Es ist noch ein gutes Stück Weg, bis wir über die alte Brücke
in die Stadt hineinkommen. Der Pilgerweg biegt links ab, aber zum Refugio geht es
geradeaus, später rechts auf einen Ring (Avenida del Castillo) und von dem aus nochmals halbrechts (Calle de la Loma).
Es ist gut ausgeschildert. Das Refugio ist ein großes, relativ neues Gebäude, wie
man sagt, die Stiftung eines reichen Schweizers. Der hat 4-Betten-Zimmer vorgesehen,
die aber für den täglichen Pilgeransturm im Sommer nicht ausreichen. Unsere
deutschen Pilgerfreundinnen (Mutter und Tochter) sind gegen 14h00 eingetroffen,
erzählen sie, und haben noch Platz in einem dieser kleinen Zimmer bekommen.
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Tipp zur Unterkunft in Ponferrada:
Bis 14h00 eintreffen. Fragen, ob es noch Platz in den
4-Bett-Zimmern gibt, bevor man bezahlt. Falls nein, lieber in eine
Privatunterkunft oder weiterziehen.
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Nun, wir reihen uns in die Schlange der Wartenden ein. Eine Helferin bietet
kostenlos kalten Tee zum Empfang an, das wird allgemein gelobt.
Man kassiert pro Nase 3 EUR (Spende, es darf natürlich mehr sein).
Dann weist uns ein alter Mann unsere Schlafplätze an.
Massenquartier im Keller
Durch die Benutzung zweier riesiger Kellerräume - ohne Fenster! - hat man
die Bettenzahl vervielfacht. Ich zähle in dem ersten, einem bunkerartigen Gewölbe, 54 Betten
in 4 Reihen, nebenan nochmal dasselbe. Bei unserem Eintreffen ist etwa die
Hälfte belegt. Wir bekommen zwei Betten an der Wand, beide unten. Das war
sogar noch Glück. Die Doppelbetten stehen so eng, dass nicht einmal ein Rucksack
Platz hat. Man muss sich seitlich aufs Lager quetschen. Etwas später werden uns
gegenüber zwei deutsche Radfahrer auf oberen Betten untergebracht (die unteren
sind inzwischen alle weg). Sie klettern hoch, schauen ungläubig umher. Dann
wälzt sich der eine vor Lachen auf der Matratze, sowas hatten sie sich nicht
träumen lassen, nahmen es aber von der lustigen Seite.
Luft gibt es nur durch die Tür, die nachts wenigstens mit einem Keil offen gehalten
wird. Die Enge ist schlimmer als in León, aber für eine Nacht geht das alles.
Nur muss man sich psychisch darauf einstellen - oder ganz früh, evtl. von Acebo
aus, eintreffen. Das Übrige der Herberge ist vorbildlich: Gute Wasch- und
Duschanlagen (leider überfüllt), ein großer zentraler Aufenthaltsraum mit
Automaten. Draußen viele Sitzgelegenheiten und - direkter Zugang zur nahen kleinen
Kirche (Iglesia del Carmen).
An der Wand der zentralen Halle ein Stadtplan
von Ponferrada, auf dem der Pilgerweg
- man glaubt es nicht - total falsch eingezeichnet ist. Heute geht es nicht mehr
den Camino de Santiago, später: Avenida de Santiago zum Tor hinaus.
Das war vielleicht früher einmal. - Dieser Fehler irritierte mich, da ich überlegte,
ob der Weg seit 2000 verlegt worden war. Er war es nicht, die Karte war veraltet.
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Die rekonstruierte Templerburg
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Eine Kirche um die Ecke
Vor der Herberge kommt man mit vielen ins Gespräch. Hier erzählt mir Jasmin
von Manjarín. Zu meiner Freude gibt es abends um 20h00 einen Gottesdienst
(steht auf einem Zettel an der Kirchentür). Außer mir sind an Pilgern nur einige Italiener und zwei
Franzosen anwesend. Der Priester fragt alle Fremden, woher sie kommen. Später
muss jeder in der Messe urplötzlich das Vaterunser in seiner Muttersprache
vorbeten (pro Sprache jeweils einer). Ich schwitze etwas, bekomme es aber hin.
(Ich kenne diese paradoxe Situation vom Vorbeten zu Hause her: Bewusst
ein Gebet vor vielen Leuten zitieren, fällt schwer, auch wenn man es viele tausend
Mal mit anderen zusammen gebetet hat. Der Verstand ist einem da im Weg. Genauso
geht es mir mit dem Krawatte-Binden: "Automatisch" kein Problem, aber wenn ich jeden
Handgriff bewusst durchführen will, kann ich es nicht mehr. Soweit zu Automatismen.)
Ich bekomme Konkurrenz
Nachts merke ich, dass ich einen Oberschnarcher direkt rechts neben mir habe. Er
sägt, dass es durch den Keller dröhnt. Gesegnet seien die Ohrenstöpsel. Ich bin
offenbar nicht die einzige "Geißel des Camino" ;-) Es wurden übrigens alle Betten
belegt, über uns landeten zwei Radfahrer. Die Luft war bei dieser Menschenmasse natürlich
zum Schneiden.
22. August 2005, Montag: Von Ponferrada nach Villafranca de Bierzo, 22 km (128 km)
6h00 stehen fast alle auf. Fast! Das Licht wird angemacht, dann wieder ausgemacht!
Das geht noch ein paarmal so, begleitet von einem erregten Wortwechsel. Endlich bleibt
es an. Ich finde sogar im Waschraum und oben in dem zentralen Aufenthaltsraum etwas
Platz. Allerdings kann ich mir keinen Kaffee machen.
Die bekannte Strecke stadtauswärts
7h07 brechen wir noch fast im
Dunkeln auf. Das Wetter ist wieder perfekt: trocken, warm, aber nicht zu heiß. Wir
folgen den Pfeilen durch die Innenstadt. Auch ohne meinen Stadtplan kenne ich mich
inzwischen gut aus. Gestern war genug Zeit, alles gründlich zu erkunden und zu
besichtigen. Die Templerburg war allerdings verschlossen. Der Weg aus der Stadt heraus
ist der mir bekannte. Erst jetzt bekomme ich Gewissheit, dass auf dem Stadtplan in der
Herberge eine veraltete Route eingezeichnet war.
An einer Kirche vorbei verlässt man das Einzugsgebiet von Ponferrada endlich
und läuft lange eine Piste immer geradeaus. Hier waren früher viele Störche rechts in
den Flussauen zu sehen, in diesem Jahr nichts.
Bar in Fuentes Nuevas
Kurz vor Fuentes Nuevas überholen wir eine kleine blonde Italienerin
mit ihrem Freund. Sie watschelt, als ob sie jeden Moment umkippen würde. Ich
grüße freundlich, und alle die Male später, wenn wir irgendwo auf die beiden treffen,
ruft sie: "Guten Tag!", um ihre Deutschkenntnisse unter Beweis zu stellen. Im
Ort liegt rechts eine Bar, in der Harald und ich schon 2000 Station gemacht haben.
Ringsum lagern wieder Pilger. Ich genehmige mir einen Kaffee.
Weinberge hinter Camponaraya
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Durch Camponaraya, über die Autobahn und durch ein Weinanbaugebiet.
Die Früchte verleiten zum Naschen. Wir holen die deutschen Pilgerinnen (Mutter und
Tochter) ein. Da kommt ein Weinbauer daher. Er lädt uns ein, sich von den blauen
Trauben zu bedienen. Wir nehmen zögernd ein paar. Nein, nein! Nicht die halb
verdorbenen am Pistenrand! Er geht ins Feld, pflückt mehrere Hände voll der
schönsten Trauben und schenkt sie uns. Wir bedanken uns sehr und genießen
die Früchte.
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Cacabelos, Rast am Flussufer, in Sichtweite einiger heruntergekommener
Gestalten. Auf einmal erscheint Polizei, schaut prüfend umher, zieht wieder ab.
An der Herberge vorbei geht's weiter.
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Neuer Wegverlauf hinter Cacabelos
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Auf dem folgenden Abschnitt ist die Route
verändert. Man läuft nicht mehr 4 km die Fernstraße, sonder nur noch 2 km, bis Pieros.
Dahinter geht es schon rechts ab, später im Linksbogen durch ein weiteres Dorf.
Erst da merke ich, dass dieser Weg neu ist. Es geht noch einige Höhenrücken auf und ab,
das strengt ganz schön an. Endlich bin ich sicher, dass hinter der nächsten Welle
Villafranca del Bierzo liegt.
Villafranca del Bierzo: In Jatos Herberge "Ave Fénix"
So ist es, aber man sieht es nicht. Da ich die städtische Herberge schon kenne
und auch schon auf dem Zeltplatz übernachtet habe, bleibt diesmal das Refugio
"Ave Fénix" von
Jato. Ich bin gespannt. 13h15 sind wir da, werden freudig begrüßt. Eine hübsche junge
Dame geleitet uns zum Empfangstisch. 6 EUR die Übernachtung. Man kann kein Abendessen
mehr bekommen! (Nur noch etwas Salat und Tomaten.) Kaffee und Getränke gibt es laufend zu
kaufen, ebenfalls Knabbersachen. Ich gehe in den Hof, inspiziere die Anlage. Sie ist
nach und nach im Halbrund entstanden, das meiste als Holzkonstruktion.
Verwinkelt und nicht das Schickste, aber recht urig und gemütlich. Wir erhalten
zwei Betten in einem kleineren Schlafraum für Über-40-Jährige, eine super Idee.
15 Betten, von denen nur 10 belegt werden. Die Herberge liegt exponiert hoch,
der Wind pfeift durch Ritzen an den Fenstern und an der Tür, nichts für
Anti-Frischluft-Fanatiker. Vom Hof aus gibt es auch noch einen eigenen
Schnarcherraum. Hm, danach bin ich nicht gefragt worden. Zwei große Bäder, in
einem noch Stehklos, sonst ganz passabel. Man kann im weiteren Hof Wäsche waschen,
und Leinen zum Aufhängen gibt es genug. Waschautomat. Internet gegen Spende.
Obwohl die Besitzer offensichtlich das Geld brauchen, wird die Herberge nicht
bis zum letzten Platz vollgeknallt. Einigen wird sogar eine andere Unterkunft empfohlen. -
Irgendwann wird auch die benachbarte Kirche geöffnet. Ich bemerke es fast
zu spät. Singen kann ich deshalb nicht,
weil Minuten später die Öffnungszeit schon wieder endet, aber es langt zu einem
ruhigen Gebet.
Supermarkt, Zeltlager
Nachmittags erkunden Marek und ich die Stadt. Ich finde diesmal einen Supermarkt,
der etwas näher liegt. Man muss aber auf jeden Fall bis zum Marktplatz nach unten,
dann in die linke Straße geradeaus. Ich gehe auch wieder die rechte Straße
geradeaus, dann die erste rechts hoch und die nächste links: so erreiche ich das
Zeltlager, für das anscheinend überhaupt keine Reklame gemacht wird. Es ist
aber in Betrieb, ich spreche kurz mit den jungen Diensthabenden. Sie haben
nichts zu tun, dabei ist die Unterkunft in den Zelten weiterhin kostenlos.
Pilgerleben in Jatos Herberge
Am Marktplatz bieten mehrere Bares Menüs zu 9 EUR an. Ich habe aber abends
keine Lust mehr, so weit hinunterzugehen. Außerdem herrscht abends im Hof von
Jatos Herberge munteres Pilgertreiben. Man isst gemütlich, was man hat,
plaudert und nimmt seinen Schlummertrunk ein. Die kleine blonde Italienerin ruft
wieder "Guten Tag", als sie mich sieht, winkt mich heran, und wir
unterhalten uns kurz in einem Gemisch aus Spanisch und Englisch. Sie scheint
die Füße nicht ernsthaft beschädigt zu haben. Blasen haben natürlich viele.
Die Nacht verläuft sehr ruhig.
23. August 2005, Dienstag: Von Villafranca de Bierzo nach La Portela, 18 km (146 km)
6h00 wird es laut. Wir dösen noch etwas im Schutz der Ohrenstöpsel. So merken wir
gar nicht, dass bis auf zwei französische Ehepaare alle im Zimmer schon aufgestanden sind,
bevor wir uns erheben. Gemütliches Frühstück aus eigenen Vorräten, nur den Kaffee
habe ich mir gekauft. (Große Portion 0,50 EUR) 8h12 brechen wir auf.
Der Umweg über Pradela
Ich hatte Marek gewarnt: Heute wird's anstrengend, denn ich will wieder den Weg
an der lauten Autobahn vorbei durchs Tal vermeiden, und so steigen wir in Richtung
Pradela hoch. Marek hält sich wieder tapfer, ist aber heilfroh, als wir die
schlimmste Steigung hinter uns haben. Die ganze Zeit Ausblicke ins Tal, leider auch
auf die Verwüstungen, die die Autobahn angerichtet hat. Zu allem Überfluss hat der
Hang links von uns gebrannt. Bagger haben eine Brandschneise quer durch den
Wald gewühlt und dadurch für eine weitere tote Zone gesorgt.
Wir stoßen auf zwei blondgelockte Valencianer, die einzigen Pilger auf diesem
Schwenk. Das ist verständlich. 1998 hatten wir uns von Villafranca aus
durchs Tal bis zum Cebreiro hochgeschleppt, mit letzter Kraft, obwohl wir nur
Tagesrucksäcke trugen. Vor Erschöpfung blieb fast kein Blick für die tolle Landschaft
auf diesem Aufstieg. Aus diesem Grund hatten Harald und ich schon 2000 die Strecke
geteilt. Das kostet zwar einen Tag, dafür kann man aber auch diesen Schwenk über
Pradela machen, der sich bei gutem Wetter wegen der erwähnten tollen Ausblicke
wirklich lohnt.
Etwa 2 km vor Pradela kommt ein Punkt mit einer besonders schönen
Aussicht. Danach folgt mitten im Maronenwald eine Y-Verzweigung, wo wir keine
Zeichen gesehen haben. Wir hielten uns links, was evtl. falsch war, denn wir kamen
ca. 1 km vor Pradela auf der kleinen Landstraße heraus, die gleich nach links wieder
ins Tal führte. Ich meine mich zu erinnern, dass wir uns 2000 dem Ort mehr
genähert haben. Er liegt in einer kleinen Talfalte geschützt und gut versteckt.
Das Handbuch spricht (wohl bei der Y-Verzweigung) von "geradeaus",
mir sah es eher nach "halbrechts" aus. In jedem Fall kann man sich nicht verlaufen.
Auf dem Weg ins Tal hinunter verlässt man die kleine Asphaltstraße rechtsab und läuft in
einem großen Linksbogen auf einer Piste weit zurück in die falsche Richtung, was
ganz schön irritiert. Es geht aber nicht anders, ein direkter Weg wäre viel zu steil.
Oberhalb von Trabadelo stößt man wieder auf die Asphaltstraße, die
von links kommt; weit oben sieht man den erwähnten schönen Aussichtspunkt.
Hier weisen Pfeile nach links, zu einem weiteren Schwenk in den Ort hinunter, aber
wie 2000 verzichtete ich dankend und folgte stattdessen der Asphaltstraße nach
rechts in Richtung Cebreiro. Es dauert eine ganze Weile, bevor man die Talstraße
erreicht.
Im Tal geht es auf einem neuerdings per Leitplanke abgetrennten Pilgerweg links
an der neuen Nationalstraße entlang. Was nervte, waren Radfahrer, die einen an die
Seite scheuchten, weil sie meinten, auch den Pilgerweg und nicht die Straße benutzen
zu müssen. Es folgte nun rechts die Raststätte, wo man uns 2000 nicht bedient hatte.
Immerhin kann man dort telefonieren und auf die Toilette. Ich wartete aber auf die
Gaststätte "El Peregrino", die kurz darauf auf der linken Seite, am Anfang des Dorfes
La Portela folgt.
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Neue private Albergue "El Peregrino" in "La Portela"
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12h15 trafen wir dort ein. Siehe da, wir wurden wieder nicht nur freundlich
in der Gaststätte empfangen, sondern sie hatte sich inzwischen zu einer Albergue
gemausert. Ein Schild an der Straße weist darauf hin. Kaum hatte ich grundsätzliches
Interesse bekundet, schleifte uns der Wirt durch die ganze Einrichtung. Ich kam aus
dem Staunen nicht heraus. Unten kommt zunächst ein kleiner Raum mit
Internetanschluss (Stunde 2,00 EUR), dann ein Aufenthaltsraum mit Fernsehen.
Geradeaus folgt ein riesiger Raum zum Wäschewaschen, mit allen Einrichtungen.
Davor eine kleine Terrasse oberhalb des Flüsschens, das durch das Tal rauscht.
Vor dem Aufenthaltsraum geht es links eine Treppe hoch. Diese ist auch durch
einen separaten Eingang direkt zu erreichen. Oben gibt es einen Flur mit
4-Betten-Zimmern und jeweils eigenem Bad! (Etwa 7 Räume, die genaue Zahl
habe ich nicht notiert.) Übernachtung 6 EUR. Kurzentschlossen sagte ich zum Wirt:
"Wir bleiben hier." Wir nahmen dann das erste Zimmer geradeaus, das das
vorgeschrieben "Behindertenzimmer" war. Es war etwas größer als die übrigen.
Raffiniert die Raumausnutzung in dem kleinen Bad:
links abgeschlossene Dusche, geradeaus Waschbecken, rechts
abgeschlossene Toilette. Und alles neu, 2004 errichtet. Also, das ist die Lösung, wie man
sich den Weg zum Cebreiro aufs Angenehmste aufteilen kann.
Alternativen sind Vega de Valcarce (dazu unten mehr) und Ruitelán,
führen aber zu zwei ungleich langen Etappen.
Impressionen beim Herumhängen
Der Nachteil von La Portela ist, dass man nun in einem winzigen Dorf, das von der neuen
Nationalstraße und der Autobahn in die Zange genommen wird, sehr lange
herumlungern muss. Nun, das nahmen wir bewusst in Kauf. Zwischendurch stattete
ich der kleinen, sehr schön renovierten Kirche (ab 16h00 geöffnet)
einen Besuch ab. Während Marek
sich auf dem benachbarten Spielplatz in die Sonne legte, saß ich im Übrigen
vor der Albergue, ließ mir den einen oder anderen halben Liter Bier schmecken und
sah dem Zug der Pilger zu. Die Bedienung war nachmittags lausig: Dienst hatte
die halb erwachsene Tochter des Wirtsehepaares, und die ließ deutlich durchblicken, dass
sie zu Höherem geboren war, als die blöden Gäste zu bedienen. Nur mit Mühe gelang es mir,
ihr die Bierchen abzuschmeicheln, aber gar ein Lächeln: nein, das war vergebene Liebesmüh.
Außer Fuß- und Radpilgern kamen auch Pilger zu Pferd vorbei, einmal drei mit
Packpferd, einmal
ein einzelner. Die armen Tiere machten einen ziemlich erschöpften Eindruck.
Der Gastwirt hat sogar an der Straße eine Tränke angelegt. - Dann fiel mir auf, dass die
Polizei wie wild herumpatroullierte. Man suchte einen Strolch, der die Gegend unsicher
machte. Zum Glück passte die Beschreibung nicht auf mich. :-)
Wenig Verkehrslärm
Man sollte meinen, dass es im Hause ziemlich laut sein musste, wo die
Nationalstraße nur 30 m gegenüber und die Autobahn in Höhenlage ca. 150 m hinter
dem Haus vorüberführten. Das war aber nicht der Fall. Unser Zimmer ging nach
hinten raus. Die Autobahn hat eine Lärmschutzwand, und so übertönte das Rauschen
des Flüsschens angenehm einschläfernd den fernen Verkehrslärm. Also auch von
daher kein Problem.
Abendessen im "El Peregrino"
Außer uns kam nur noch ein spanisches Pilgerehepaar und bezog natürlich ein
eigenes Zimmer. Abends machte die Wirtin ein einfaches Abendessen. Die Spanier
bekamen Caldo Gallego, einen schönen Kohl-Eintopf mit Kartoffeln und
Fleisch. Wir selbst nahmen ein Tellergericht: Spaghetti Marineira für 4,00 EUR.
Es gab kein Menü. Ich fragte dann noch nach der Frühstückszeit, merkte aber,
dass der Wirt lieber länger schlafen wollte. War auch kein Problem. Es gab eine
Steckdose neben dem Waschbecken auf unserem Zimmer. Man hätte auch in dem
großen Waschraum frühstücken können, denn dort standen Tische und
Stühle; oder in dem Aufenthaltsraum, oder - wenn es nicht zu kalt war - auf der Terrasse.
Jedenfalls kann man die Herberge jederzeit durch die erwähnte Nebentür verlassen.
Gut durchdacht! - Die Nacht war herrlich!
24. August 2005, Mittwoch: Von Portela nach O Cebreiro, 15 km (161 km)
Erst 6h50 wurden wir wach, auch ohne Ohrenstöpsel. Ach wie war das schön: in aller
Ruhe duschen, frühstücken, packen. 8h05 machten wir uns auf den Weg.
Es war kühl, aber nicht ausgesprochen kalt, wieder mal bestes Wanderwetter.
Zu Unterkünften in Vega de Valcarce
Da wir nicht hatten einkaufen können, waren unsere Rucksäcke besonders
leicht. Mit strammen Schritten liefen wir durch die Dörfer. Es gab viel Reklame für die
folgenden Herbergen, besonders für die private Albergue Aparecida do Brasil, die
rechts am Anfang des langgestreckten Dorfes Vega de Valcarce liegt.
Wir sprachen mit Leuten, die dort übernachtet haben. Insgesamt ist die Herberge
nicht schlecht, aber sie liegt weit vom Zentrum des Ortes entfernt (Bares, Läden).
Man ist so auf Vollverpflegung im Haus angewiesen, und da läppern sich die Ausgaben
zusammen. Im Zentrum gibt es noch die städtische Herberge. Es scheint dieselbe
zu sein, aus der Harald und ich 2000 geflohen waren (so dreckig und heruntergekommen
war alles), aber laut späteren Pilgerberichten ist sie wohl renoviert worden.
Zum Cebreiro hoch
Bis Ruitelán hat die Autobahn alles im Tal zerstört, dann schwenkt sie endlich
ab, später auch die Nationalstraße. Links auf der Höhe thront eine Burgruine, hatte
ich schon vergessen. Endlich geht es das alte, evtl. noch aus der Römerzeit stammende
Pflaster nach La Faba hoch. Marek steckt alles wieder ohne große Schwierigkeiten
weg. Als wir hinter einer Kehre (mit Wieseneinfahrt) auf den ersten Bauernhof rechts
stoßen, weiß ich, dass der Ort nur noch 200 m entfernt ist. 10h15, wir sind da.
Rechts ein Brunnen.
Drei Spanierinnen, die wir noch ein paarmal sehen werden, bitten mich, ob ich ihre
Trinkflasche aufbekomme. Es ist meine gute Tat des Tages. Etwas weiter, 100 m
rechts vom Pilgerweg, eine kleine, ganz neue Bar. Niemand drin. Ich spähe hinein, da
macht doch eine alte Frau auf. Etwas sterile Atmosphäre. Hier irgendwo muss auch
das bekannte Refugio sein.
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Hinter La Faba
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Grenze nach Galicien
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Wir ziehen weiter, langsam und genüsslich. Die Berge
und Hänge liegen im Sonnenschein, der aber immer wieder von Wolken unterbrochen
wird. So war es geplant: diesen wunderbaren Aufstieg muss man genießen können.
Am Grenzstein nach Galicien das traditionelle Foto. Das Bild macht ein Landsmann
von Marek, ein junger Tscheche. Endlich kann mein Schwiegersohn auch mal seine
Muttersprache sprechen. 11h45 haben wir den Ort O Cebreiro erreicht.
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Doch nicht so "zivile Preise"
Hier hatte ich in der "Hospedería San Giraldo de Aurillac" neben der Kirche
telefonisch ein Zimmer reservieren wollen, aber die im Pilgerführer von Paderborn
angegebene Nummer 982 369 025 ist nur der Faxanschluss. Es soll
"wunderschöne Zimmer mit Bad zu zivilen Preisen" geben. Also erst einmal
dorthin, bevor alles ausgebucht ist. Am Empfang ist niemand, keine Schelle.
Ich versuche es später noch einmal. Aha, rechts um die Ecke erscheint ein Mädchen.
Sie weiß nicht, ob Zimmer frei sind, es ist zu früh am Tag, überall wird noch geputzt.
Aber den Preis für ein Doppelzimmer weiß sie: 50 EUR. - Nein, das ist nicht das,
was ich unter "zivilen Preisen" verstehe. Bis 40 EUR wäre in Ordnung gewesen.
Also doch zum Refugio, das ich nicht in bester Erinnerung habe (sehr enge Zimmer,
überfüllte Einrichtungen, Schimmelbefall).
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Eine Palloza aus keltischer Zeit
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Positive Überraschung im Refugio von O Cebreiro
13h00 ist Einlass. Wir sind Nr. 6 und 7, kommen mit dem ersten Schwung Pilger
ins Haus und werden nicht in die engen Zimmer links geführt wie beim letzten Mal,
sondern es geht in
einen von zwei sehr großen, geschickt gegliederten Souterrainräumen,
in dem Nischen 4-Bett-Zimmer
simulieren. Wir nehmen einen Doppelstock ganz hinten rechts. Da sind wir am
Fenster, haben eine Nische für uns und außerdem noch abschließbare Fächer unseren
Betten gegenüber. Zusätzlich ist das Bad in unmittelbarer Nähe:
mehrere abschließbare Duschen und
Toiletten sowie zusätzliche Waschbecken. Alles ganz passabel, viel besser als
2000. Ich bin sehr angenehm überrascht. Vor allem ist genug Platz da für alle.
An den Wänden gibt es noch Schimmelspuren, aber nichts Arges.
Im Flur oben entdecke ich ein Schild "Washing maching" an der Wand. Tja, das ist wohl
"European" ... Die Herberge läuft bis abends wie üblich voll, so dass oben die Matratzen
den Boden bedecken, aber uns unten im Souterrain ficht das nicht an.
Tipp zum Mittag- bzw. Abendessen
Zum Mittagessen (ab 13h00) ins "Mesón ..." (habe vergessen den Namen zu notieren)
vor der Herberge. Zwei freundliche und flotte junge Mädchen bedienen. Menü 8,50 EUR:
Ensalada mixta, Schmorfleisch mit Kartoffeln, Flan. Marek nimmt 3 kleine Forellen als
Hauptgang. Die Preise in den anderen Etablissements sind wegen des Touristenansturms
heftig. Auch der einzige Lebensmittelladen hat horrende Preise.
Ein kleiner Ausflug
Ich habe leichtsinnigerweise zu Mittag die ganze Flasche Rotwein allein geleert
und bin doch ziemlich angeschlagen. Mit Marek klettere ich auf den Aussichtspunkt
am Kreuz oberhalb der Herberge, wir setzen uns ins Gras.
Der Rundblick auf die herrliche Landschaft berührt einen innerlich.
Voll des guten Weines erkläre ich Marek noch einmal ernsthaft Gott und die
Welt und falle bauz! hintenüber zu einem längeren Mittagsschlaf.
Wieder wach (Marek hat geduldig bei mir ausgeharrt), muss ich was gegen meinen
Brummschädel unternehmen: Ich steige allein auf die gegenüberliegende Höhe mit
den Sendemasten, denn dort war ich noch nie. Auf halbem Wege liegt rechts ein
geheimnisvolles Grundstück mit hier ungewöhnlichem, dichten Wald, umgeben
von einer übermannshohen Mauer, die bei ihrer Höhe und Länge enorme
Baukosten verschlungen haben muss. Welcher
Besitz mag sich dort verbergen? Man kann ohne Schwierigkeiten eine seitliche
Pforte überwinden, aber ich bin doch zu vernünftig, um auf fremdem Privatbesitz
herumzustrolchen. Der Gedanke an frei laufende Hunde reicht schon, um mich zurückzuhalten.
Das Ziel meines Ausflugs ist etwas enttäuschend. Es gibt einen Blick nur in eine Richtung
(zurück), der nicht viel Neues offenbart. Aber mein Kopf ist wieder klar! :-)
25. August 2005, Donnerstag: Von O´ Cebreiro nach Triacastela, 21 km (182 km)
Wie üblich, rücken die ersten schon um 5h45 ab, 6h00 sind wir fast allein. Es gibt zu
meiner Überraschung sogar noch Toilettenpapier, ein weiterer Hinweis, dass die
Versorgungseinrichtungen (im Souterrain!) nicht überlastet waren. Auch in der Küche ist
Platz. Ich kann mir in aller Ruhe einen Kaffee machen. 8h00 fertig.
Der erste Regentag
Wir schauen aus
der Tür: Es regnet! Na, da haben wir aber bisher Glück gehabt, vor allem die letzten
Tage in den Bergen und noch gestern mit schönster Aussicht nach Westen und Osten.
Der Weg ist zu Anfang neu ausgezeichnet: Was 2000 noch als Tipp gehandelt werden
konnte, ist jetzt der normale Verlauf: Man geht den untersten der Wege von der
Herberge in Richtung Wald, früher wurde man ja über die Straße geführt. Auch dieser
Weg kommt nach einem landschaftlich schönen Abschnitt an der Schotterpiste heraus,
die nach rechts unten zur Landstraße führt. In Liñares, dem ersten
winzigen Dorf, Bar und Einkaufsmöglichkeit, für uns zu früh.
Pilger und Pilgerdenkmal
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Passhöhe San Roque mit Pilgerdenkmal. Marek posiert, ich fotografiere.
Eine leichte Piste parallel zur Straße. Brombeeren. Ein Engländer überholt uns.
Hospital da Condesa: Wir kommen am Refugio vorbei. Dort brechen gerade
die letzten auf. Padornelo, eines der unzähligen Dörfchen heute. Sie sehen
alle gleich aus und bleiben nicht in Erinnerung, vor allem, wenn man gar nicht
genau weiß, wo man ist, da meistens die Ortsschilder fehlen. Lediglich das Handbuch
hilft zuweilen weiter.
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Hinter diesem Ort auf einmal abrupt links der steile Aufstieg
zum Alto do Poio, mit 1.337 m immerhin 44 m höher als der Cebreiro-Pass,
aber weit unter dem Rabanal (1.532 m). Hier holt uns der Engländer, der
in Hospital da Condesa Pause gemacht hatte, wieder ein und stiefelt
mit seinen langen Beinen betont lässig an uns vorbei die Höhe hinauf.
Widerlich! Das war doch sonst meine Rolle!
Ca. 10h00 Oben an der Straße hatte ich schon die Einkehr ins Wirtshaus
eingeplant. Wir ließen die Regenumhänge zum Trocknen draußen unter dem Vordach.
Innen war wie üblich alles voller Pilger. Mit dem Engländer tauschten wir einige
flapsige Scherze aus. Kaffee 1 EUR, in Ordnung.
Später ließ der Regen nach, während wir bis zu unserem Ziel sehr viel an Höhe
verloren, da wir das Gebirge verließen. Ab Fonfría folgt eine Reihe von ortsschildlosen kleinen Dörfern, mit kotigen und matschigen Straßen,
aber zuweilen sogar mit einer Unterkunft. Zunächst nach ca. 2-3 km
Biduedo (oder "Viduedo"), das wohl mit dem im Handbuch genannten "Vilar"
identisch ist. Dahinter: 3 km bis Filloval und 1,5 km weiter bis As Pasantes, an
dem Tunnel zu erkennen, den man vorher durchquert; 1,5 km bis Ramil und
direkt dahinter die Herberge von Triacastela.
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Galicien im August
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Unterkünfte in winzigen Dörfchen
Jedenfalls kam man hier, wie gesagt,
mehrere Male an neueren Unterkünften vorbei, wo auch einige Pilger hängen
blieben. Mir grauste es aber bei der Vorstellung, hier begraben zu sein. Im Paderborner
Führer empfiehlt ein Pilger die Casa Nuñez in Fonfría, weil man
da auch essen kann. Nun ja.
Ständig stießen wir auf andere Pilger, in As Pasantes kamen wir an den
niederländischen Pfadfindern vorbei. Jedenfalls liefen wir ohne Schwierigkeiten
bis Triacastela, wo wir schon 13h00 eintrafen. Ich wollte hier wieder eine
neue private Unterkunft ausprobieren, jedenfalls nicht das Refugio mit den
Pendeltüren, die ich in unangenehmer Erinnerung hatte. Der Regen hatte ganz
nachgelassen, am Himmel aber noch große dunkle Wolken. Ein Pilgerfreund erzählte
später, er habe direkt unten am Fluss sein Zelt aufgeschlagen und am Busen der
Natur geschlummert. Nötig war das nicht, denn es gibt im Ort jede Menge guter und
billiger Unterkünfte.
Ein Werber kommt uns in Höhe der Kirche entgegen und will uns ins "Aitzenea"
locken. Das liegt an der Fernstraße, macht mit einem Fahrrad an der Wand Reklame,
für mich abschreckend. Wir bleiben geradeaus auf der Dorfstraße,
passieren das
Restaurant Rio, von dessen Speisekarte ich 2000 eine zwerchfellerschütternde
deutsche Übersetzung abschrieb und gehen
auf der Rúa Camilo José Cela bis zur Bank Caixa Galicia, die
auf der rechten Straßenseite liegt. Daneben ist die private Unterkunft Berce do Camino.
Albergue "Berce do Camino"
Hinein. Niemand am Empfang. Aber links um die Ecke sitzt ein Mädchen
gelangweilt vor einem Computer und macht Hausaufgaben. Nur widerwillig nimmt
die Dame von uns Notiz, wie die Tochter des Hauses in La Portela.
7 EUR die Übernachtung, in Ordnung, aber ich will erst die Zimmer sehen. Seit dem
Reinfall in Zafra im Frühjahr bin ich vorsichtig geworden. Sie reißt die Augen
auf, Gäste gibt's! Sie führt uns dann doch durch einen Aufenthaltsraum mit Kochnische,
Kühlschrank, usw. in einen Flur, von dem zwei Schlafzimmer und zwei Bäder abgehen.
8 bzw. 6 Betten in großen Zimmern, im zweiten außer zwei Doppelstockbetten sogar zwei
Einzelbetten, die aber schon belegt sind. Ein Blick in die Bäder: alles neu und vom feinsten!
Wir tragen uns am Empfang ein, die junge Dame rauscht ab, wir sind wieder Luft
für sie.
Abgesehen von dieser unfreundlichen Bedienung ist dieses Haus erstklassig.
Weitere Zimmer im 1. Stock. Dort auch schöne Dachterrasse mit Wäscheleinen.
Benutzen der Waschmaschine 3 EUR, Trockner 4 EUR. Abends lässt das Mädchen
den Computer an, so dass Marek und ich kostenlos nach Hause schreiben können.
Einzige Reklamation: Der Rahmen des Bettes über mir ist gesplittert, so dass ich
Angst habe, Marek fällt mir auf den Kopf. Er zieht daraufhin ins Nachbarbett,
in unserem Zimmer kommt sowieso niemand mehr unter. Unsere beiden spanischen
Zimmerkameraden aus Asturien sind rücksichtsvoll und angenehm.
Mittagessen und Einkauf
Zum Einkaufen gibt es zwei Supermärkte an der parallelen Fernstraße, einer
davon dem erwähnten Aitzenea gegenüber. Unweit des Restaurants "Rio"
die Hospedaje O´Novo, wo Harald und ich 2000 geschlafen haben. Macht
keinen sehr einladenden Eindruck. Gegenüber dem "Rio" (ich will einfach
Alternativen testen) die Parillada Xacobeo, wo wir zu Mittag
essen. Menü 7,50 EUR: Paella, Churrasco, Eistorte; große Auswahl,
flotte Bedienung, große Portionen in einem gut besuchten Speisesaal. Empfehlenswert.
Richtige und falsche Pilger
Abends 19h00 zur Pilgermesse. Der Pfarrer
Augusto Losada López
war mir schon von einem belehrenden Aushang an der Kirche von 2000 in Erinnerung.
Nun, er ist inzwischen im Netz zu erreichen, also kein Muffel gegen das Moderne.
Das kleine Mittelschiff der Kirche ist recht voll,
ca. 20 Pilger aus Spanien, Italien, Frankreich und
Deutschland. Nur zwei Deutsche, die Pilgerschwester
darf eine Lesung vorbeten, aber was für eine! Soweit ich das Spanisch
des Pfarrers verstehe,
gibt's gleich, nachdem die verschiedenen Nationen ausgemacht sind, eine einleitende
Andacht mit Predigt, in der er die verfallende Moral auf dem Pilgerweg beklagt.
Er teilt die Pilger in verschiedene Klassen ein: Leistungssportler, Abenteuerlustige
und natürlich Fromme. Letztere werden aber immer weniger.
An der passenden Stelle der Messe eine zweite Predigt derselben Art. Man merkt,
wie er seine Lebensphilosophie ausbreitet, da hört er sich immer wieder gern.
Ich reagiere innerlich regelrecht aggressiv, denn die anwesenden Pilger scheinen
mir nicht die richtigen Adressaten für Ermahnungen dieser Art zu sein.
Aber vielleicht war meine Reaktion übertrieben.
Wenn man seine Texte im Netz liest, sind sie wohl fromm und nicht nach meinem
Geschmack, aber geschimpft wird darin nicht. Evtl. habe ich einfach zu wenig
verstanden.
22h00 liegen wir mit Ohrenstöpseln im Bett. Noch eine Reklamation: die
Schaumstoffmatratzen sind übel durchgelegen.
26. August 2005, Freitag: Von Triacastela nach Samos, 11 km (193 km)
In der Nacht habe ich die Ohrenstöpsel entfernt, stecke sie um 5h45 aber wieder in
meine Lauscher, da die Asturier munter werden. Beim nächsten Wachwerden
ist schon heller Tag. Ein Blick auf die Uhr: 7h45! Die Asturier sind natürlich schon weg.
Wann wird man hier wohl rausgeschmissen? Ich inspiziere das Haus: in dem
andern Schlafsaal noch ein paar Nachzügler, sonst alles leer, die
Haustür offen. Das Wetter: Wolken bis auf den Boden, aber kein Regen. Bei der
heutigen Kurzetappe haben wir ja viel Zeit. Frühstück um 8h45 mit Kaffee.
9h32 Abrücken. Zur Vorsicht mit Regenumhängen, aber das ist nicht nötig.
Vamos a Samos
Die ersten Kilometer links auf einem Streifen neben der Landstraße entlang.
Hin und wieder ein Lastwagen, sonst praktisch kein Verkehr. Rechts und links
Bergkulisse mit Klippen. Hinter dem Dorf San Cristobol beginnt ein
herrlicher Fußweg auf halber Höhe das Flusstal entlang. Die Straße ist auf der
anderen Seite des Tales und stört etwas durch Lastwagenlärm, sonst paradiesisch.
Auf halbem Wege quert man das Tal in einem Linksbogen, geht kurz oben zur
Straße hoch und biegt gleich wieder halbrechts auf Fußwege ab. Mehrere winzige
Dörfer, zwei renovierte Kapellen (geschlossen). Einmal am Wege ein uriges
Hüttchen aus Steinplatten, war das mal ein Schäferhäuschen?
Kloster Samos
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Es wird doch wieder etwas feucht, wir ziehen die Umhänge wieder
über. Brombeeren gibt es zu naschen. Ein zahnloser alter Mann schwabbelt
auf uns ein, ich verstehe kein Wort. Oberhalb des Klosters kommen wir heraus,
es liegt steil unter uns im Tal am Fluss. In einem großen Rechtsbogen geht
es, schon Mauern entlang, hinunter. Wir erreichen die Rückseite des Klosters.
Vor uns Wasserläufe mit Enten. Wir wenden uns nach links zur Straße, hätten
das Kloster aber auch rechts umrunden können.
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Mittagessen und eine uralte Kapelle
An der Hauptdurchfahrtsstraße, direkt am Kloster, eine kleine Tankstelle.
Links daneben der Eingang zur Pilgerherberge. 12h30 treffen wir ein. An der
Tür ein Schild: "14h30 geöffnet". Wir gehen in die einzige Dorfstraße schräg
gegenüber. Auf der Ecke eine Bar. Aber ein Einheimischer weist uns auf die
Taberna O´Gayo Parillada hin, wo man gut zu essen bekäme. Marek
will kein Mittagessen, aber ich. Etwa 13h00, der Speisesaal ist gut besucht für
diesen abgelegenen Ort. Menü 8 EUR: Nudelsuppe, Forellen, Eistorte.
Wir treffen uns an der uralten Kapelle wieder, die einige hundert Meter weiter
hinter einer Linkskurve liegt. Daneben steht eine tausendjährige Zypresse.
Man darf die kleine, fast schmucklose Kapelle unter den wachsamen Augen einer
jungen Dame besichtigen. Die hat einen lauen Lenz. Marek und ich sitzen später
oberhalb der Kapelle im Gras und genießen die Sonne. Da keine Besucher
mehr kommen, macht sich's auch die junge Dame unten im Gras unter Bäumen
gemütlich.
Die Klosterherberge in Samos
Pünktlich 14h30 am Tor der Herberge. Außer uns sind noch 3-4 andere da,
darunter ein Ehepaar, wahrscheinlich Engländer. Zwei ältere Männer, die das
Refugio betreuen - eher Angestellte als Mönche, vermute ich - winken uns
herein. Ein riesengroßer Raum, ein Gewölbe, mit 68 Betten, vor denen aber Platz
ist. Kein Aufenthaltsraum, nur zwei kleine Tische, 4 Stühle. Links ein weiterer
großer Raum mit Duschen, Waschbecken und Toiletten, nicht nach
Geschlechtern getrennt. Da die Pilger heute nach und nach eintreffen, gibt es
kein Gedränge.
Ich habe günstige Betten für uns ausgeguckt und will gleich belegen, da
winken uns die Männer streng heran. Schlange stehen und anmelden, und die
Betten gibt's der Reihe nach rigide zugeteilt. Wir gucken blöd. Wollen wir die
Erklärungen auf Spanisch? Nein, wehren die Engländer ab. Gut, für die Ausländer
auf Englisch (das übliche, kaum zu verstehende). Nun protestiere ich. Der
Engländer merkt sich, dass ich kein Englisch verstehe. Ich lasse ihn in dem
Glauben. - Wir bekommen die schlechtesten Betten, direkt neben der Tür zum
Badezimmer, wo alles vorbeiläuft. Auch keine Kopfkissen, die es sonst
praktisch in allen Herbergen gibt.
Ich schlucke etwas. Dann müssen wir noch
mit einer Pilgerin tauschen, um überhaupt denselben Doppelstock beziehen zu können.
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Zur Übernachtung in Samos:
Bei dieser Herberge sollte man zusehen, dass man nicht
unter den ersten 12-18 ist, die Betten
zugewiesen (!) bekommen, denn die sind in der ungünstigsten
Ecke des Schlafsaales.
Es bleiben nämlich in der Regel Betten frei. Wenn man also doch
Betten am Fenster (nachts zu helle Straßenbeleuchtung)
oder an der Badtür (viel Herumgelaufe, kein Platz fürs Gepäck) erwischt,
kann man
abends einfach umziehen, sobald die beiden Angestellten verschwinden.
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So ein blödsinniges System, wie in Burgos. Der Engländer schnappt sich einen
der wenigen Stühle und vertieft sich in eine Lektüre. Der Rest der Welt kümmert
ihn nicht mehr, seine Frau packt aus, macht die Betten und wäscht gleich die gesamte
Kleidung.
Wäsche waschen, einkaufen
In den Waschbecken kann man Wäsche waschen. Aber die zugehörigen
Leinen sind in dem kleinen Park, dem Kloster gegenüber. Man muss dazu die
Fernstraße überqueren, und die wenigen Autos heizen ganz schön um die Kurven.
Zum Einkaufen muss man ziemlich weit in Richtung Sarria die Straße
hoch; dann liegt ein Geschäft auf der linken Seite. Unterwegs kommt man
an dem Eingang zur großen Kirche vorbei. Am Nachmittag schauten wir dort noch
in den kleinen Touristenladen. Ein Pater und die
Verkäuferin schwatzten etwas mit mir. Als der Pater hörte, dass ich auch
Esperanto spreche, war er ganz begeistert. Er konnte selbst ein paar Wörter
und schwallte die Angestellte zu, wie schön es doch wäre, wenn alle Menschen
Esperanto könnten und es keine Verständigungsschwierigkeiten gäbe.
Ich musste einige Wörter und Sätze sagen, und sie freuten sich, wie viel
dem Spanischen doch recht ähnlich war.
Visperas und Messe
Bis 16h00 sind in der Herberge 42 Betten belegt, danach kommen nur noch 2 Pilger um
20h30.
19h30 besuche ich die Visperas. Es gibt noch relativ viele Mönche, ca.
20, und sie singen ganz ordentlich. 20h00 Messe. Wie gewöhnlich nehmen nur
wenige Pilger teil, aber viele Einheimische. Ich bin froh, in dieser schönen
Klosterkirche eine Messe genießen zu dürfen. Später noch ein ruhiges Bierchen in
dem Park gegenüber dem Kloster. Ich will einen kleinen Karton entsorgen, der
die Gegend verschandelt, da finde ich in ihm doch glatt noch zwei unberührte
Bierdosen. Ich hatte aber genug getrunken und verschenkte sie.
Gestörte Nachtruhe
Als es dunkel wird und wir schon in den Betten sind, merke ich, dass wir auch
noch neben den Fenstern liegen, so dass das Licht der Straßenlaternen störend
hereinscheint. Nachts kriege ich so halb mit,
dass einige Schläfer sich in die dunkle Ecke gegenüber im Saal verziehen. Kann
ich verstehen.
Wer den Bericht über diese Etappe hauptsächlich wegen der Herberge gelesen
hat, sollte den Nachtrag vom folgenden Morgen beachten.
27. August 2005, Samstag: Von Samos nach Sarria, 16 km (209 km)
Mit Ohrenstöpseln bis 6h00 geschlafen. Überall tobt schon das Chaos. Ein junger
Pilger mir gegenüber trifft den Nagel auf den Kopf: "Sag mal, spinnt ihr alle? Wir
sind doch nicht auf der Flucht!" Ich grinse.
Das vergeht mir aber ganz schnell, als
der Engländer auf mich zeigt und gestikuliert, dass er mich am liebsten erschießen
möchte. Oha, ich muss wohl schlimm geschnarcht haben. Jetzt weiß ich auf einmal
auch, warum die Pilger neben mir nachts die Betten geräumt haben. Nicht wegen dem
hellen Fenster ... Ich zeige auf meine Ohrenstöpsel (weiß nicht, was das auf
Englisch heißt); ich war doch wie üblich nicht der einzige, der schnarchte.
Noch im Dunkeln rausgeschmissen
6h30 soll Pilgersegen in der Kirche sein. Dazu musste man sich gestern schon in
eine Liste eintragen, niemand tat es. Wie soll man das schaffen? Um 6h45 kommen
die beiden Angestellten von gestern rein, fangen doch glatt an, die wenigen Stühle
auf die noch weniger zahlreichen Tische zu stellen,
wollen uns schon zur Herberge raus haben.
Das ist ja wohl der Höhepunkt der Gastlichkeit hier!
Sobald ich mich angezogen und gewaschen habe, schaue ich die beiden Männer
grimmig an und nehme zwei Stühle von dem einen Tisch wieder herunter.
Man kann kaum
frühstücken, an Kaffeemachen ist nicht zu denken. 7h30 stolpern wir aus der Herberge,
es ist draußen noch stockdunkel. Da bin ich doch ganz schön sauer.
Nach Sarria wieder ein schöner Weg
An der Hauptstraße in Richtung Sarria sind aber schon zwei Bares geöffnet und
lauern auf Pilgerkunden, die es auch reichlich gibt. Ich genieße den Kaffee.
Dann rücken wir ab, ca. 2,5 km auf einem breiten Seitenstreifen, es wird langsam hell.
Dann kommt rechts eine Abzweigung und wieder wunderschöne Wege das Tal
entlang, wie gestern. Der Himmel ist bedeckt, aber es ist ausreichend warm, kein Regen.
Das Handbuch lässt die Radfahrer auf der Landstraße. Ich meine ausnahmsweise, dass
man diese breiten Wege auch mit dem Fahrrad befahren könnte, freue mich aber,
dass es niemand macht.
Man durchquert wieder mehrere winzige Dörfer. Hinter dem Dorf Sivil
irreführende Pfeile! Nicht ablenken lassen: Man folgt einfach weiter der kleinen
Asphaltstraße hoch, über die Höhe zu einem letzten Dorf vor der Landstraße.
Gegen 10h00 kommen wir dort durch, entdecken eine Bar, in der Pilger sitzen, brauchen
aber keine Pause. Die letzten 3 km geht es auf einem breiten Pilgerweg rechts neben
der Landstraße entlang. Unverständlich, warum das Handbuch von "verwirrenden
Wegen mit ständigen Richtungswechseln" spricht. Auch ist die Route auf der
Übersicht zumindest im letzten Teil falsch eingezeichnet.
Bedingungen für die "Compostela" erschwert
Wir kommen sehr früh nach Sarria rein und entdecken rechts ein
Informationszentrum für Pilger. Dort gibt es einen Stadtplan und bereitwillig
Auskunft über billige Unterkünfte mit Preisangabe. Außer dem (zu kleinen) Refugio
gibt es jede Menge private Herbergen zu 6-8 EUR. Aber dann eine Mitteilung, die mich
ungläubig die Augen aufreißen lässt:
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Ab Sarria muss man sich jeden Tag mindestens zwei Stempel
holen, um die "Compostela" zu bekommen, einen von der Unterkunft und einen
unterwegs. Damit, so erklärte man mir später auf meine Rückfrage im Pilgerbüro in
Santiago, soll den "Buspilgern" das Mogeln erschwert werden. - Es wird immer
verrückter!
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11h30 haben wir schon die Herberge erreicht. Dort steht noch kein Rucksack, aber
überall wimmeln Pilger umher. Ich habe eine private Unterkunft Los Blasones
laut dem Paderborner Pilgerführer ins Auge gefasst. Nun haben wir Pech. Zunächst
ist die Adresse falsch: nicht Rúa Mayor 32, sonder 31, auf der gegenüberliegenden
Seite. Auch kann man mir in der Bar "López" nicht weiterhelfen. Wir haben zwar
jetzt das Haus gefunden, aber es ist verschlossen. Um 12h00 werde geöffnet, meinten
sie in der Bar.
Wer was Neues ausprobiert, fällt auch mal rein
Wir warten auf dem kleinen Rathausplatz ca. 100 m links. Etwas weiter
liegt die Herberge Don Álvaro, Rúa Mayor 10, die einen sehr guten Eindruck
macht. Als sich bis 12h15 in Los Blasones immer noch nichts rührt, will ich
an der belebten Kreuzung (hier muss man höllisch aufpassen), wo das Don Álvaro
liegt, nicht in diese Herberge (die im Paderborner Führer gut beschrieben ist), sondern
links ab in die Rúa Conde de Lemos zur Nr. 23, wo eine weitere private Unterkunft
mit dem klangvollen Namen Albergue dos oito marabedís (Tel. 629 461 770)
liegt. "Marabedís" müssen irgendwelche Kugeln sein, denn die zeigt die hübsche
Visitenkarte, die ich wohl in Triacastela mitgenommen hatte.
Ein großes
Schild weist uns den Weg. Damit ist die Herrlichkeit aber auch erschöpft. Schon vorab:
Diese Unterkunft empfehle ich nicht.
Pilgerfreund H.Sch. hat mir inzwischen mitgeteilt, dass "marabedís"
mittelalterliche Münzen waren. Danke für die Aufklärung!
Ein nichtssagendes, mehrstöckiges Haus. Eine misstrauische Frau öffnet uns,
zeigt uns im zweiten Stock ein karges Zimmer. 18 EUR. Nein, danke. Wo sind die Pilgerbetten?
Die sind im Keller. Recht neu eingerichtet. Großer zentraler Raum im Souterrain,
Balkon, Wäscheleinen. Waschmaschine, Trockner. Küchenzeile (am Herd steht wie
an der Waschmaschine: "Nicht anrühren", aber nur der Backofen ist defekt).
Ein alter Mann am Krückstock humpelt hinter uns her und hält eine nicht erbetene,
vernuschelte Predigt über Wassersparen. Zwei Badezimmer mit Duschen und
Toiletten, klein, aber sauber, und alles funktioniert.
3 Zimmer: 2x 6 Betten (Doppelstock) und
1x 3 (1 Doppelstock und ein einfaches). Ich bestehe auf dem 3-Bett-Zimmer, aber
da nörgelt die Wirtin, dann bekämen wir aber noch einen señor dazu.
"Wenn einer kommt ..." ergänzte ich still. Endlich lassen sie von uns ab.
Die Übernachtung soll 6 EUR kosten, das ist in Ordnung.
Marek macht ein unzufriedenes Gesicht. Was ich übersehen habe: die drei
Zimmer sind nach oben offen, man hat nur ein Pseudoseparee. Ich muss zugeben, das
Don Álvaro wäre wohl besser gewesen. Auch bekommen wir keinen Hausschlüssel.
Wir müssen immer schellen, und dann kommt jedes Mal der alte Mann die
Treppe heruntergehumpelt und mustert einen misstrauisch. Wohl fühlt man sich
hier nicht.
Stadtbummel
Zum Mittagessen gehe ich in die Bar, in der ich damals auch mit Harald gewesen bin.
Es gibt zwei an der Hauptstraße, nun habe ich mir den Namen der richtigen nicht
notiert. "Richtig" wegen der Nostalgie, aber es ist dort auch preiswerter, mit netten
Wirtsleuten. Im Los Blasones ist endlich jemand. Sie heißt Tita, grinst mich
fröhlich an und streichelt meine Hand. Als Deutscher denkt man leicht, was wunder
für eine Eroberung man da gemacht hat, aber in Spanien bedeutet das nur:
"Na, du bist ja ein ganz ulkiger Zausel." Wir bedauern beide, dass Marek und ich
hier nicht abgestiegen sind. Tita streicht einiges im Paderborner Führer durch:
Die Telefonnummer ist nun 600 512 565. Die private Herberge in der Rúa Nova
ist inzwischen geschlossen. Die 2. Adresse von "Los Blasones" (Rúa das Amenerizas 13)
ist schon lange veraltet; ich vergewissere mich, dass es nicht etwa eine andere
Unterkunft gleichen Namens ist. Als ich später noch einmal auf der Straße vorübergehe,
sehe ich Tita innen wieder lebhaft winken.
Stadtbummel. Vor der Bar gegenüber dem Refugio winkt mir schon wieder eine
Frau zu. Ich muss erst genau hinschauen, ob ich wirklich gemeint bin. Dann
erkenne ich sie: es ist Petra, die wir in El Ganso zuletzt gesehen hatten und die
in Rabanal del Camino zurückgeblieben war. Ich schwatze etwas mit ihr. Ich
glaube, sie war im Don Álvaro und ganz zufrieden.
16h30 treffen in unserer Unterkunft 3 spanische Pilger, eine Familie, ein.
Unsere Wirtin schärft uns ein, in der Stadt weitere Leute auf ihr einmaliges
Etablissement aufmerksam zu machen. Ja, damit sie uns noch jemanden auf unser
Zimmer einweisen kann! Wir sind doch nicht blöd. Ich hätte diese wie die Richterskala
nach oben offenen Zimmer sowieso niemandem angedient.
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Festungsturm in Sarria
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Die meisten Betten bleiben leer
Zum Einkaufen in die Unterstadt. Marek kauft sich einen
Strohhut, der gegen die Sonne schützen soll. Er hatte gedacht, ohne Hut auskommen
zu können. Es ist gar nicht so einfach, aus dem unteren Geschäftsviertel wieder in
die Altstadt nach oben zu finden, es gibt kaum eine Querverbindung. Da ist der
Stadtplan von großem Nutzen.
Unsere Mitbewohner, die spanische Familie, sind in Ordnung. Natürlich ist
niemand mehr gekommen.
Wir essen abends zusammen an dem kleinen Tisch. Früh geht's
in die Betten, wie es sich für Pilger gehört.
28. August 2005, Sonntag: Von Sarria nach Portomarín, 22 km (231 km)
6h00 geht der Wecker nebenan. Ich habe ganz gut geschlafen. Langsam raus,
die andern rücken schon ab.
Zum berühmten Kilometerstein 100
Frühstück. 7h41 aus dem Haus, einfach die Haustür
zuziehen, einen Schlüssel hatten wir ja nicht. Ich glaube, die Strecke fast
auswendig zu kennen, werde aber gleich am Ortsausgang von Sarria von einem
Zickzack-Schwenk überrascht. Den habe ich nicht in Erinnerung. Dann kommt
aber der Weg an der Bahnstrecke entlang, den ich vom Zug aus 2003 meiner Frau
gezeigt habe. Einige Kilometer weiter ist die kleine Bar am Kilometerstein 100.
Wir machen kurz Pause. Die Toilette ist sauber und auch sonst in Ordnung.
Knorrige Eichen am Wege
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Von dem Pilger, der seine Muschel verlor
Weiter. Regenwolken, aber nicht sehr kalt. Überall sind Pilger unterwegs.
Zwischendurch ziehe ich mal den Regenumhang über. Dann kommt mir zu
Bewusstsein, dass irgendein Hintergrundgeräusch fehlt: Meine Muschel klappert
nicht gegen das kleine Pilgerkreuz aus Holz und den Fingerrosenkranz, den ich seit
Jahren beim Pilgern trage. Der Schreck ist groß: Ich habe Muschel,
Kreuz und Rosenkranz in der Unterkunft gelassen. Am wandseitigen Bettpfosten aufgehängt.
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Bevor
wir gingen, habe ich noch sorgfältig auf das Bett und darunter geschaut, aber
nicht hochgeguckt. Ich kämpfe den Schmerz des Verlustes nieder: Es waren
nur Erinnerungsstücke, nichts Wertvolles. Den Gedanken an Umkehr verwerfe
ich sofort. Evtl. kann man ja mit Zug oder Bus von Portomarín aus zurück. Gab
es da überhaupt einen Bahnhof? Ich meine mich zu erinnern, ja (das war
falsch). Ein Pilger, der seine Insignien verliert ... Wäre ich etwas abergläubisch,
müsste ich jetzt die Panik bekommen. Als ob Gott mich des Pilgerns nicht mehr
würdig ansähe ... Ich horche in mich hinein. Sicher, ich bin zum x-ten Mal
unterwegs, das einmalige Gefühl des ersten Erlebens ist längst verblasst.
Meine Handlungen sind auf glatten Ablauf und reibungslose Versorgung
abgestimmt. Einzig, dass ich doch regelmäßig und gern die Kirchen besuche,
spricht noch für den echten Pilger. Marek schaut mich fragend an, er
würde mit umkehren. "Nichts da," sage ich, "wir laufen ganz normal weiter."
Wildwest in Ferreiros
Zum Streudorf Ferreiros berichtet
Pilgerfreund Michael Marx über Unterkunft und Verpflegung:
"Renovierte und gepflegte städtische Herberge; Küche vorhanden, jedoch kein Geschirr
und Besteck, nur ein Wassertopf. Warmes Essen gibt es in einem von fast allen Pilgern wegen seiner
strategisch günstigen Lage besuchten Restaurant Mesón Casa Cruceiro.
Allerdings ist es dort immer sehr voll und niemand weiß, dass es nur
ca. 100 m weiter - direkt am Camino nach Portomarin neben einer romanischen
Kirche -ein weiteres, sehr empfehlenswertes Restaurant O Mirallos
gibt. (Das stellt man erst am nächsten Morgen fest, wenn man daran vorbeiläuft. )
Da es sich in einer Talsenke befindet, kann man es - ebenso wie die
Kirche - erst erkennen, wenn man fast davor steht.
Leider gibt es keinerlei Hinweisschilder zu diesem Restaurant;
diese lässt der Besitzer des Mesón nach guter Wildwest-Manier immer
gleich entfernen." - Danke für die Hinweise!
"Der Schnarcher!"
Marek holt sich (wohl im Mesón Casa Cruceiro)
einen Stempel, sonst halten wir uns nicht lange auf. Wir überholen die
Engländerin, die auf einer Wiese nach Pflanzen sucht, wie es aussieht.
Etwas weiter gelangen wir an eine Hochfläche, an die ich mich erinnere: es
ist nicht mehr weit bis Portomarín, das vor uns in einem eingeschnittenen
Flusstal liegt, trotz hoher Uferlage für uns nicht sichtbar. Links am Weg steht
der Engländer und ruft gleich ohne Begrüßung "The snorer" (der Schnarcher)
und zeigt auf mich. Ich blecke abweisend die Zähne, Marek ist empört über
dieses Benehmen. Ich muss zugeben, dass ich mich getroffen fühle.
"Der soll Ohrenstöpsel verwenden wie wir auch!" meutere ich, aber, weil
ich nicht weiß, was "Ohrenstöpsel" auf Englisch heißt, nur innerlich.
Das wohlbekannte Unbehagen darüber, andere mit meinem Schnarchen zu belasten,
das ich auf meinen ersten Pilgertouren empfand und das zu überwinden ich als
meine Aufgabe erkannt hatte, stellte sich wieder ein.
Kein Zug, kein Bus
In einem großen Linksbogen geht es ins Flusstal hinunter.
Bald laufen wir über die Brücke. Das Wasser steht rekordmäßig niedrig. So
manche Ruine des früheren Portomarín ist aus den Fluten aufgetaucht.
Links gegenüber am Ufer soll ein großes gelbes Haus eine neue private
Herberge sein, schlecht auszumachen. Hinter der Brücke laufen wir auf einen
Torbogen zu, durch den es eine Treppe hinauf in den Ort geht. Ich spreche
einen Mann wegen der Verkehrsverbindungen an: Nein, kein Bahnhof. Heute
auch kein Bus nach Sarria, weil Sonntag ist. - Da bin ich doch etwas enttäuscht,
hatte mir noch etwas Hoffnung gemacht, Kreuz und Muschel wiederzubeschaffen.
Oben ca. 100 m hinter der Treppe weisen gleich zwei Schilder links auf
private Pilgerunterkünfte hin. Ich merke mir das. Inzwischen ist die Sonne
herausgekommen und knallt gleich wieder. Wir laufen im Schatten der hohen
Häuser zielstrebig ans entgegengesetzte Ortsende, um die Pilgerherberge zu
erreichen. Die habe ich nicht in bester Erinnerung. 12h51 sind wir da.
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Die Herberge in Portomarín wurde im Juni 2004 völlig neu errichtet und ist jetzt
tadellos und sehr zu empfehlen.
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Ich reibe mir die Augen. Da wo die Herberge war, steht jetzt ein sehr
modernes großes Gebäude. Jugendliche hängen davor rum. Wir müssen hier
richtig sein. Am Haus ein Schild: Diese Pilgerherberge wurde im Juni 2004
völlig neu gebaut. Na, das ist eine Überraschung! Auch im Paderborner
Pilgerführer steht davon noch nichts.
Innen niemand am Empfang. Selbstbedienung. Herbergsbuch und Stempel
liegen am Eingang auf einem Tischchen. Dahinter ein großer Aufenthaltsraum mit
Küchenzeile. Geradeaus nach Geschlechtern getrennte Toiletten und Duschen.
Das ist auch gut so, denn die Duschkabinen haben keine Türen. Oben sind
zwei weitere Toiletten, insgesamt im Haus je 3 pro Geschlecht, etwas knapp.
Im Obergeschoss zwei große Schlafsäle mit je 38 Betten.
Außerdem 2 kleinere Zimmer (je 6 Betten), aber die bleiben verschlossen.
Es sind noch kaum
Pilger da, da um diese Zeit noch alle weiterlaufen. Wir begrüßen die Familie
aus unserer Unterkunft in Sarria; sie sind stolz, eher eingetroffen zu sein.
In dem schlauchartigen Schlafsaal haben sie und ein paar andere sich ganz
hinten eingerichtet. Die Doppelstockbetten stehen in zwei Reihen rechts und
links an der Wand. Die besten Betten sind für mich die gleich links hinter
der Tür. Dort ist nicht nur etwas mehr Platz auf dem Fußboden, sondern
dort hängen sogar noch Haken. Unbegreiflicherweise sind diese beiden Betten
noch frei. (Die gegenüber werden darunter leiden, dass das Licht vom Flur
auf sie fällt, wenn die Tür nachts geöffnet wird, während wir von dem
gedämpften Licht noch profitieren.) Ich fühle mich gleich heimisch. Das ist
ja wie die beste private Unterkunft.
Die hilfsbereite Herbergsmutter
Wir gehen duschen und Wäsche waschen; hinterm Haus sind Waschbecken
und auch (wenige) Wäscheleinen. Sogar Seife liegt bereit. Nebenan ist der
kleine gemütliche Park, in dem Harald und ich nachmittags auf unseren Matten
geschlafen haben. Die Dependance der Herberge gegenüber, im Gebäude
der Schule Colexio Virxe da Luz, schien zunächst geschlossen,
aber später wurden dort alle Radfahrer
eingewiesen, hehehe. Einige rümpften empört die Nase.
Etwas später sitzt am Empfang eine Frau, die ich gleich anspreche.
Sie ist dieselbe, die 2000 unsere Wäsche wusch, gegen einen kleinen
Obolus, und das tut sie noch heute, sagt sie. Ich beglückwünsche sie zu der
tollen Herberge. Dann schildere ich mein Problem mit dem verlorenen Kreuz
und der Muschel. Die Telefonnummer von der Albergue dos oito
marabedís habe ich. Die Herbergsmutter kann diese aber nicht erreichen,
ruft deshalb ihre Kollegin in Sarria an. Diese ruft nach einiger Zeit zurück:
Unsere dämliche Zimmerwirtin, die alte Frau, behauptet, es habe sich nichts
gefunden. Wahrscheinlich hat sie gar nicht kapiert, worum es geht. Ich
resigniere, ein Taxi ist wirklich zu teuer. Ich bedanke mich vielmals bei der
Herbergsmutter, die sogar hinnahm, dass wir kein Mobiltelefon hatten. Sowas
ist für Spanier eigentlich undenkbar.
Beschreibung dreier Privatunterkünfte
Der Tag ist noch jung, die Sonne lacht draußen. Marek geht auf eigene
Faust los, die Umgebung der Stadt zu erkunden. Ich benutze die Zeit, um zu
"schnüffeln", denn da kann ich noch einiges für den Paderborner Pilgerführer
in Erfahrung bringen.
Zunächst zum
Hotel "O Mirador", am südwestlichen
Ortsausgang an der Hauptstraße gelegen. Dorthin hatte das Schild
gezeigt, das ich gesehen hatte. Ein paar Vokabeln nachgeschlagen, dann
konnte ich im Obergeschoss des Hotels, wegen der Hanglage von
der Hauptstraße aus ebenerdig betretbar, ohne Mühe vorbringen,
ich schriebe einen Bericht für deutsche Pilger
und möchte deshalb die Unterkunft besichtigen. War ja alles nicht gelogen.
Eine Reihe von Touristen oder Gästen saß vor den Fenstern mit herrlicher
Aussicht auf den Stausee, der Name "O Mirador" (Der Aussichtsplatz)
passte wirklich. Der Kellner, evtl. der Besitzer, zeigte mir sehr zuvorkommend
die Pilgerzimmer im Souterrain. Gerade trafen zwei Däninnen ein und nahmen
das einzige Doppelzimmer (2 Betten übereinander) mit Bad zu je 11 EUR pro
Nase. Daneben gab es noch 4-Bett-Zimmer zu 9 EUR mit Aussicht und
weitere für 8 EUR ganz ohne Fenster, o nein! Insgesamt 22 Betten.
Internetz-Benutzung gratis. Tel. 982 545 323
Ich bedanke mich, bin nicht überzeugt. Gut, das Doppelzimmer ist für
ein Paar sicher eine gute Lösung, aber auch nicht ganz billig. - Eine Parallelstraße
tiefer die zweite Unterkunft, auf die das zweite Schild verwiesen hatte,
das gelbe Gebäude.
Albergue Ferramenteiro,
Rúa Chantada, 3. Tel. 982 545 362, Fax 982 545 361. - Zwei nette junge
Damen langweilen sich im Empfang. Ich sage mein Sprüchlein auf, erhalte sofort
einen Prospekt mit allen Angaben, die man braucht. Links der Hauptraum hat
die Ausmaße einer Turnhalle. 110 Betten (1,90 m x 0,90 m) stehen dort, die meisten in
Vierergruppen zu je 2 Dopppelstock. Große abgetrennte Küche und Essraum.
2 große Bäder mit Duschen und Toiletten, nach Geschlechtern getrennt.
Ferner Abstellmöglichkeiten für Fahrräder und am Ende des Gebäudes eine
großzügige Wäschewaschanlage. Insgesamt alles sehr gut durchdacht,
für Pilger perfekt, auch nicht zu teuer (8 EUR einschl. Bettbezug) - und
aus meiner Sicht eine gigantische Fehlinvestition. Jetzt ist doch Hochsaison,
aber - so erzählt mir Petra später - an diesem Tag kommen hier ganze 8 Pilger
unter. Das langte vielleicht gerade für den Verdienst der beiden Damen
am Empfang. Ach so: und man kann außerdem seine digitalen Fotos auf CD
speichern (descarga de fotografías digitales). Marek, der pro Tag viele,
viele Fotos macht, verbringt manches Mal seine Zeit in einer größeren Stadt,
um einen entsprechenden Laden zu finden ...
Ich gehe später noch zu einer privaten Unterkunft
eine Straße unterhalb der Herberge (vom Eingang der Herberge aus
links, die nächste Seitenstraße rechts runter und unten wieder links):
Albergue Virge da Luz, Rúa do Miño, 1. 7 Betten in
3 Zimmern (2+2+3) für 10 EUR pro Kopf. Der Besitzer lauert vor der Haustür
auf Gäste und gibt mir bereitwillig Auskunft. Aber hineingeschaut habe ich
nicht.
Insgesamt: Bei der tollen Herberge, die allerdings bis zum Abend
gesteckt voll wurde, zum Nulltarif werden sich die übrigen Privatunterkünfte
kaum halten können. Das Ferramenteiro scheint mir die beste zu sein.
Wenn die Herberge voll ist, würde ich versuchen, dort unterzukommen.
Pilgers ruhiger Nachmittag
Ich suche noch eine Gaststätte mit preiswertem Menü und finde auch eine
am westlichen Orstkernrand (7 EUR meiner Erinnerung nach), aber abends
habe ich keine Lust, allein dorthin zu gehen. An der Hauptstraße setze
ich mich als fast einziger Gast im Schatten vor einer Bar an die Straße und ziehe mir
bei der Hitze genüsslich einen halben Liter rein. Es wimmelt von Pilgern und
Touristen. Am Spätnachmittag großer Auflauf. Vor der Kirche ist eine Tribüne
errichtet worden, und dort gibt es Folklore mit Tänzen und den unvermeidlichen
Sackpfeifen. Die örtliche Gruppe wird viel beklatscht, dabei sind die zwei
anderen aus den Nachbarorten (man sieht es an den Fahnen mit den
Ortsnamen) schmissiger (und die Mädchen auch noch hübscher).
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Sonntägliche Folklore-Darbietung
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Die Supermärkte hatten trotz Sonntag geöffnet. So gehe ich nach dem
Folklorefest mit meinen Einkäufen zur Herberge zurück und treffe dort auch
Marek wieder, der eher die weitere Umgebung erkundet hat. Beim Fest habe
ich ihn aber auch kurz von ferne gesehen.
Wir essen im Aufenthaltsraum von unseren Vorräten zu Abend. Da
treten die Engländer hinzu. Marek kauft sich den Mann: "Fanden Sie das
eigentlich höflich," sagt er streng, "meinen Kameraden unterwegs gleich
als Schnarcher abzustempeln?" Der Engländer - vielleicht ist es ja auch ein
US-Amerikaner oder ein Kanadier - gibt zu, dass das nicht toll war,
entschuldigt sich aber auch nicht. Statt dessen wirft er sich in die Brust
und - mit einem Seitenblick auf mich, der ich wieder grinse, als ob ich nichts
verstehe - hält er Marek einen Vortrag über die Gefahren des Schnarchens,
und dass ich mich unbedingt in ärztliche Behandlung begeben müsse.
Seine Frau assistiert: "Mein Mann ist nämlich Arzt.", in einem Tonfall,
als sei er incognito St. Jakob persönlich. Sollen wir jetzt
erschüttert auf die Knie fallen? Es fällt ihnen nicht einmal auf, dass Marek
nichts übersetzt, obwohl jeder zweite Satz des englischen Doktors mit "Tell your
comrade ..." anfängt. Ich bin normalerweise nicht auf den Mund gefallen und
habe bei Bedarf eine sehr spitze Zunge, aber auf Englisch bin ich einem
Muttersprachler hoffnungslos unterlegen und schweige deshalb. Aber
meine Gedanken kann man sich vorstellen.
Vor der Herberge lungern immer noch die Jugendlichen herum. Sie
winken mir zu, ich spreche sie an. Die Herbergsmutter hat ihnen die Aufnahme
verweigert, weil einer von ihnen noch minderjährig ist und keine schriftliche
Erlaubnis des Vaters dabei hat, pilgern zu dürfen. Zur Polizei zu gehen, wie
ich ihnen riet, sei auch nicht ratsam. Um also den Minderjährigen zu
schützen, gibt man ihm keine Unterkunft und lässt ihn im Park pennen.
Wo ist da die Logik? Sie pflichten mir bei und bieten mir einen Schluck
Rotwein an, weil ich ein echter Kumpel zu sein scheine. Einen Moment spiele
ich mit dem Gedanken, ihnen eine Unterkunft im Ferramenteiro zu spendieren,
aber 56 EUR für 7 Leute sind mir dann doch zu viel. Nun, ich habe auch schon mal im
Park gepennt.
Abends ist es in der Herberge noch lange laut. Das Licht in den Fluren lässt
sich nicht ausschalten. Wer dort auf dem Boden liegt, hat schlechte Karten.
Irgendwann geht die Beleuchtung dann doch aus. Ich bin herzlich müde und schlafe gut.
29. August 2005, Montag: Von Portomarín nach Palas de Rei, 25 km (256 km)
Morgens stehen wir wie gewöhnlich fast als Letzte auf, es ist 6h05.
In den Waschräumen ist nichts
los, aber um so mehr auf den zu wenigen Toiletten.
Das alte Problem mit dem Licht in neuen Herbergen
Auf dem Flur ist Gewimmel, da dort
viele Pilger packen. In den Schlafräumen ist es nämlich noch dunkel, und ich finde
nicht heraus, wie man das Licht anmachen kann. Die Leute schleppen im Dunkeln
alles auf den erleuchteten Flur. Frühstück um 6h30 in dem Raum unten, der zugleich
Küche und Aufenthaltsraum ist. Man kann Kaffee machen, aber - verrückt -
auch hier gibt es (noch)
kein Licht, nur das, das von den Straßenlaternen von draußen hereinscheint.
Gegen 6h45 geht das Licht an, automatisch?
Eine Bar in Hospital da Cruz
Erst 7h48 los, als es auch draußen hell ist. Durch den Ort zur Hauptstraße
und dann hinunter zur eisernen Fußgängerbrücke, die einen Stauseearm
überquert. Sie ist schon reichlich angerostet. In sehr schnellem Tempo ziehen wir
an unzähligen Leuten vorbei. Heute ist viel Geschlängel um die C535.
Es ist alles sehr leicht zu laufen, viele kleine Asphaltstraßen, teilweise in
landschaftlich sehr schöner Umgebung.
Kurz vor der Herberge von Hospital da Cruz liegt links
eine Bar, in der ich einen Kaffee trinke. Marek wartet wie gewöhnlich draußen,
aber ich bringe ihm einen Stempel mit. Danach kommt die Herberge, und man
überquert eine große Landstraßenkreuzung.
Dahinter wieder kleine Asphaltstraßen mit ländlicher, hügeliger Gegend.
Ich erkenne das Tal wieder, in dem ich 2000 die
Kuh zurückgetrieben habe. Jenseits kommt der Ort Eirexe, den wir
12h00 erreichen. Bei dem Tempo, das wir heute vorgelegt haben, sind wir
schon weit. Am Ortsausgang Mittagpause auf einem kleinen Rastplatz. 1998
hatte unsere Gruppe am Ortseingang gerastet. Ich erinnere mich, dass uns die
Autofahrer vom Dienst damals mit einem Begrüßungsschluck auf dem Tablett
entgegenkamen. Das war ein Luxus!
Ein Pilgerinformationszentrum vor Palas de Rei
Bald geht es weiter. Wir erreichen die N547, und dann geht es schräg links
nach Rosario, das fast nahtlos in Palas de Rei übergeht,
wie ich noch weiß. Sportanlagen links, rechts Holzhäuser einer Ferienanlage.
Links außerdem ein Pilgerinformationszentrum, in dem ich mir einen
Straßenplan einstecke. Dahinter gleich die Einmündung von rechts, wo ich
2002 mit meiner Frau von Lugo kam. Ab hier laufe ich die Strecke zum vierten
Mal. Der Rest bis Santiago wird für mich doch arg langweilig.
Auf dem Weg an der Kirche vorbei zur Herberge, die Serpentinen der
Hauptstraße nach unten abkürzend, kommen wir an zwei Bares vorbei.
Ich merke mir die Bodega '99, weiß aber nicht mehr genau, ob wir dort
oder in der Nachbarbar (ein schönes Wort!) 2002 so gut gegessen haben.
13h30 betreten wir die Herberge. Die kleine pummelige Betreuerin erkenne ich
wieder. Ihr Helfer trägt uns ins Herbergsbuch ein und winkt dann in Richtung
Zimmer. Aha, diesmal sucht man sich also selbst Betten, das ist neu. An dem
großen Aufenthaltsraum ein Schild: Hier ist es nicht erlaubt, sich auf dem
Boden einzurichten. Auch neu. Ich merke später: Es gibt inzwischen genügend
viele private Pilgerunterkünfte, wohin man zu spät Kommende weiterschickt.
Wer vor 14h00 kommt, kriegt noch Betten
Ich wiesele die Treppe hoch. Im ersten 10-Bett-Zimmer Gewühl. Geradeaus
ein kleineres Zmmer, da hängen sie auch schon raus. Aber ich weiß ja, dass
oben noch eine weitere Etage ist. Da wir diesmal ja keine Betten angewiesen
bekommen, können wir uns aussuchen, was wir wollen. Also noch eine Treppe
hoch, und da ist das zweite 10-Bett-Zimmer, noch völlig leer. Super. Wir
nehmen die beiden Betten am Ende des Zimmers, haben dann noch die Wand
rechts davon zum Abstellen. Außerdem Schrankfächer, eine Fensternische mit
Tischchen und Bank davor, insgesamt sehr viel Platz. Und ein eigenes Bad.
Bevor weitere Pilger dieses Zimmer finden, huschen Marek und ich unter die
Duschen, die wie schon 2002 geschildert ohne Vorhänge sind. Die Duschen waren allerdings kalt. Evtl. musste man einen
Boiler einschalten, oder das heiße Wasser war bereits verbraucht. Aber wir sind
längst fertig, als die nächsten Pilger diesen ruhigen Schlafsaal hier oben finden
und sich neben uns einrichten.
Einige Mitpilger
So z.B. eine Familie mit einem etwa 12jährigen Sohn, der mir dauernd Löcher in
den Bauch fragt, als er merkt, dass ich etwas Spanisch kann. Er kapiert aber
nicht, wann ich an meine Grenzen stoße. Direkt neben uns der "Schwätzer",
den wir gestern unterwegs zum ersten Mal getroffen haben und der einem
mit schwärmerischen Ausbrüchen auf die Nerven geht. Einer der wenigen
100-km-Pilger, die wir dieses Jahr treffen; er glaubt, damit die Pioniertat
zu unternehmen, die ihn wieder mit der Natur versöhnen wird. Naja ...
Aber heute hält er einigermaßen den Mund.
In das Tischchen hat einer "hospitalera - hobbit" gekritzelt. Das finde ich
gemein. Gut, die Hospitalera ist nicht von beeindruckender Statur (ich ja auch
nicht), aber doch herzensgut und seit Jahren im Einsatz. Sie hat meiner
Frau und mir 2002 das Behindertenzimmer aufgeschlossen; jetzt ist es natürlich
versperrt, wie ich probiert habe.
Wäschewaschen, Mittagessen
Wir richten uns sehr zufrieden ein. Dieser Rhythmus, wie wir ihn
durchziehen, ist wohl in der Hochsaison der beste. Ich wäre aber auch in eine
Privatunterkunft gegangen. Wir waschen unsere Wäsche im Erdgeschoss
neben dem Aufenthaltsraum. Die Leinen snd knapp, und in dem winzigen
Hof hängt kaum was in der Sonne. Ich bin froh, dass wir eigene Wäscheleinen
mitgenommen haben.
Zum Mittagessen in die genannte Bodega '99. Es ist wohl die
Bar, die ich in guter Erinnerung habe. Ein spindeldürres Mädchen mit einem
Tuch um den Kopf bedient uns freundlich. Die Ärmste muss wohl krank sein,
ich tippe auf Leukämie. Der Chef sorgt für die Getränke und kassiert anschließend.
Menü 6,90 EUR: Ensalada mixta, Merluza oder Hähnchen, Eis. Keine große
Auswahl, aber preiswert und gut.
Gegen 16h00 ist die Herberge voll. Es landet niemand auf dem Boden, denn
die Pilger werden entweder ins Notquartier in den Sportanlagen geschickt
(soll nicht empfehlenswert sein) oder in die umliegenden Privatquartiere.
Da ich wieder mal jede Menge Zeit habe, sammele ich Informationen über diese
Unterkünfte.
Zwei Privatherbergen
Die nächste Unterkunft ist die private Herberge "Buen camino", Rúa do
Peregrino, 3.
Das ist einfach vor der Herberge
über die Hauptstraße geradeaus am Rathaus vorbei den Ort weiter hinunter,
dann auf der
linken Seite, also keine 150 m entfernt. Übernachtung 8 EUR pro Person.
Sie haben sehr guten Zulauf.
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Aber ich finde auch einen Hinweis auf eine noch günstigere
neue private Albergue
O Cabalo Verde, Travesía do
mercado, 2. Tel. 982 374 152, 628 743 404.
Mehrbettenzimmer 6 EUR,
Einzelzimmer 10 EUR, Doppelzimmer 8 EUR (alles pro Person).
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Marek und ich suchen diese aus Langeweile, nicht einfach
zu finden. Man muss von der Herberge aus (wenn man aus dem Tor tritt)
rechts die Hauptstraße Av. de Compostela ein ganzes Stück hoch. Dabei
kommt man an mehreren Supermärkten vorbei. Wo die Hauptstraße
in einer Serpentine rechts abschwenkt (Supermarkt oberhalb des
Platzes) zur Av. de Ourense, geht es auf der Av. de Lugo
weiter geradeaus.
Vor der Café-Bar Toural
geht es rechts ein unscheinbares Gässchen hinein. Das ist die
Travesía do mercado (nicht auf
meinem einfachen Stadtplan mit Namen eingezeichnet!).
Sofort rechts dann die
Unterkunft. Zu unserem Erstaunen ist alles offen, aber niemand da.
Man kann ungehindert das ganze Haus betreten. In zwei Stockwerken gibt
es Zweibettzimmer (die auch als Einbettzimmer belegt werden dürfen),
darüber ganz unterm Dach Massenlager. Dachterrasse mit Stühlen und Wäscheleinen.
Alles ganz ordentlich, wenn auch nicht mit neuen Möbeln, aber für Pilger sehr
gut. Bäder und Toiletten in Ordnung. Unten im Flur trägt man sich einfach
in eine Übersicht ein (und kann so auch ein Zweibettzimmer allein belegen)
und wartet, bis abends jemand zum Kassieren kommt. Bislang scheint nur
1 Zimmer belegt zu sein.
Pilgertelegraf und eine gute Tat
Nachmittags kommt Petra, als die Herberge längst voll ist. Ich bringe sie
zum Cabalo Verde, wo sie ein Einzelzimmer belegt. Sie findet die
Unterkunft bestens, tut mir am Marktplatz eine Cola aus. Weitere Pilger
kommen hinzu, wir tauschen viele Neuigkeiten aus ("Pilgertelegraf"). Ich
entdecke, dass es am nahen Kiosk sogar Bier gibt. Aber am Spätnachmittag
wird es erheblich kühler, ein kalter Wind kommt auf, wir flüchten.
Noch später sehe ich eine Gruppe von 4 Jugendlichen vor dem Buen
Camino unschlüssig herumlungern. Deutsche? Jawohl! - Keine Bleibe?
Hm, 8 EUR finden sie happig. - Wie wäre es mit 6 EUR? Das wäre prima.
Ich schleppe sie ebenfalls zum Cabalo Verde ab, wo sie sich überglücklich
unterm Dach einrichten. Später erzählte man mir, dass alles in Ordnung
gegangen sei: abends kam eine Frau zum Kassieren, keine negativen
Überraschungen. Kann man also empfehlen, wenn die Herberge voll ist
oder man für sich sein will.
Abends ist es in der Herberge noch lange laut. Erst gegen 23h00 gehen die
Leute so langsam in die Federn. Man merkt, dass viele Pilger hier nicht von sehr
weit kommen. Nachts schlimmes Geschnarche. Um 3h00 stecke ich mir die
Stöpsel in die Ohren und schlafe danach ganz gut.
30. August 2005, Dienstag: Von Palas de Rei nach Melide, 14 km (270 km)
Da wir am ersten Tag unserer Tour gleich eine Doppeletappe gelaufen waren,
hatten wir jetzt sehr viel Zeit und konnten die Strecke nach Arzúa in
zwei Kurzetappen aufteilen. 6h16 aufstehen. Morgens langes Frühstück bis
8h00. Ich mache mir Kaffee. Wir sind fast allein, alles schon weg. Mir fällt
ein älterer Japaner auf.
Früh- morgens im Wald
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Schöne Privatquartiere, aber einsam
Dann ziehen wir los. Die Landschaft ist immer noch erstaunlich schön.
Nach 3 km kommen wir nach San Xulián, wo es eine private
Herberge O' Abrigadoiro gibt. Aber pro Person 20 EUR
einschließlich Abendessen und Frühstück. Erneut das Problem, dass man sich
im Übrigen in diesem Winzkaff zu Tode langweilen würde (siehe meine
Beschreibung vor Triacastela). Einige Kilometer weiter, in Mato Casanova
eine weitere Unterkunft, Arcos. Alles sieht von außen gut aus,
aber es wäre nichts für mich. - In der Ferne steigen Rauchwolken auf. Auch zu
Hause stand viel von Waldbränden in Spanien und Portugal in der Zeitung.
Werden wir Probleme bekommen? (Nein)
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Bares wie Pilze aus dem Boden geschossen
Gegen 11h00 kommen wir an die N547. Im alten Handbuch steht nichts von
einer Bar, aber hier gibt es gleich drei. Die erste um die Ecke lädt besonders
deutsche Pilger ein, der Wirt kann tatsächlich einigermaßen Deutsch. Überall
machen Pilger Pause. Wir stoßen auch auf Petra, die sich bis Furelos
uns anschließt. Der Pfarrer in der Kirche dort ist in diesem Jahr gar nicht auf
Englisch erpicht, sondern redet durchaus Spanisch mit mir. Merkwürdig.
Wir lassen Petra in einer Bar zurück und laufen weiter.
Rucksacktransporte
12h00 sind wir schon in Melide, kommen an einer Pulperia vorbei,
wo die Tintenfische wie am Fließband verarbeitet werden. 12h15 an der Herberge.
Etwa 7 Pilger warten schon, darunter die Familie, deren Sohn mir gleich wieder
Fragen stellt. Welche berühmten Deutschen es gibt (nerv!).
Von Goethe hat er noch nie gehört, einzig Hitler ist ihm ein Begriff. Ich ärgere
mich etwas. Aber sicher kennen auch Deutsche eher Franco als Cervantes.
Ein Taxi fährt vor und lädt - oha - Rucksäcke aus. Mir ist ohnehin aufgefallen,
dass entlang des Camino Francés mit Rucksacktransport viel Geld gemacht wird.
Früher gab es nur Jato, der das Gepäck den Cebreiro hoch brachte ... Ein alter
Mann spricht die Pilger an. Ach, es ist derselbe wie 2002, der seine
Fremdsprachenkenntnisse demonstrieren will.
Mittagessen im Restaurant Sony
13h00 schließt die Hospitalera pünktlich auf. Wir nehmen diesmal ein
Zimmer im Erdgeschoss rechts, einen Doppelstock am Fenster. Gegenüber
das Bett oben scheint belegt. Erst abends stellt sich heraus, dass ein anderer
Pilger einfach wegen der Nähe zum Fenster dort Sachen zum Trocknen
hingelegt hat. Darunter richtet sich irgendwann am Nachmittag Petra ein.
13h30 gehe ich zum Mittagessen. Restaurant Sony an der
benachbarten Fernstraße. Man geht am besten an der Herberge weiter geradeaus,
bis man die Fernstraße erreicht, und läuft dann ein Stück spitzwinklig zurück,
muss dann die Straße noch überqueren. Menü 8 EUR: Gemüsereis (kalt),
Fischstücke, Tarta de Santiago. 1/2 Flasche Wein. Ich frage den Kellner,
warum er mir alles auf Französisch sagt, obwohl ich doch auf Spanisch bestellt
habe. Ja, jeder will eben seine Fremdsprachenkenntnisse vorweisen. -
Neben dem Sony ist noch ein anderes
Lokal mit Menü zu 7 EUR, aber geschlossen.
Kein Statist benötigt
Am Nachmittag ist es heiß. Auf dem Vorplatz an der Kirche sind Dreharbeiten
zu einer historischen Reportage über das Melide der ausgehenden Fünfzigerjahre.
Unterbrochen von einem Schluck Bier schaue ich wohl 2 Stunden zu. Die Filmleute
sind zu uns ganz freundlich. Leider brauchen sie keinen urigen älteren Pilger als
Statisten ;-) Spätnachmittags kommt ein frischer Wind auf. Die Wäsche, die ich
vors Fenster gehängt habe, ist ruckzuck trocken.
Pilgertelegraf: Exzesse in San Bol
16h30 gibt's in der Herberge immer noch einzelne freie Betten, aber es
treffen auch bis in die Nacht weitere Pilger ein. Am Ende liegen die Aufenthaltsräume
und die Flure voller Schlafsäcke. Mit Urs, einem deutschen Studenten, gehe ich abends
noch auf einen Schlummertrunk. Pilgertelegraf: Er war mehrere Tage in San Bol
(Meseta, vor Hontanas, siehe meinen Bericht von 2000). Der Deutsche aus
Iserlohn ist nicht mehr dort, angeblich hat ein Franzose die Aufsicht. Die
aber sehr lasch sei. Inzwischen wird San Bol als Geheimtipp
für erlebnishungrige Jugendliche gehandelt. Jede Nacht Quemadapartys.
Das hatte mir auch Jasmin in Ponferrada erzählt.
Urs selbst wollte am Tage nicht nur den Rausch ausschlafen, sondern etwas
Sinnvolles machen und hat deshalb geholfen,
einen neuen Wasserzulauf von der Quelle
her anzulegen. Andere Pilger, die ihn eingeholt hatten, berichteten später, die Arbeit
werde fortgesetzt. - Welche merkwürdigen Blüten treibt der Pilgertourismus dort?
Nach unserer Rückkehr gegen 22h25 komme ich
ohne Probleme im Dunkeln in den Schlafsack. Um Petra gegenüber nicht zu
schocken, träufele
ich mir noch ein Medikament in die Nase, damit ich nicht ganz so schlimm schnarche.
31. August 2005, Mittwoch: Von Melide nach Arzúa, 14 km (284 km)
6h16 mit leichten Kopfschmerzen wachgeworden. Es ist nicht die Nachwirkung
des Schlummertrunks, der gar nicht so heftig war: Wetterwechsel. Draußen ist
der Himmel bedeckt.
Frühstück mit Japaner
Etwa die Hälfte der Pilger ist aufgebrochen, aber jetzt mehrt
sich doch auch die Zahl derjenigen, die es langsam angehen lassen. Die Küche ist
bis auf den älteren Japaner leer. Ich bin froh,
Kaffee machen zu können, und plaudere so gut es geht mit dem Japaner auf
Touristenenglisch.
Traditionelles Foto auf der Steinbrücke
8h30 ziehen wir langsam los. Obwohl wir kein scharfes Tempo machen (Warum
auch bei dieser erneuten Kurzetappe?), rauschen die Kilometer vorüber. Nach
2 km die berühmte alte Steinbrücke aus riesigen Quadern. Hier wird immer ein
Bild gemacht: 1998 mit mir darauf, 2000 mit Harald, 2002 mit meiner Frau, heuer
mit Schwiegersohn. Auch Boente weckt viele Erinnerungen. Mit zwei
der Frauen aus unserer damaligen Gruppe von 1998, Konni und Sandra, werden meine
Frau und ich 2006 den Camino Primitivo gehen, planen aber, erst in Arzúa auf
den Camino Francés zu stoßen.
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Die Brücke hinter Melide
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Am Refugio von Ribadiso
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11h15 in Ribadiso. Man kann den Bachrand am Refugio auch bei geschlossener
Pforte erreichen. Kein Herbergsvater scheucht uns diesmal auf.
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Kurz darauf
überholt uns eine Gruppe Jugendlicher mit Galicien-Fahne und rotem Stern.
Marek fragt mich, woher die wohl sind. Ich vermute, eine Gruppe der jungen
Kommunisten Galiciens. "Auf dem Pilgerweg?" Er staunt. Hm, da hat er wirklich
Recht. Aber im tiefkatholischen Spanien ist alles möglich. Man vergleiche die
Geschichten von Don Camillo und Peppone aus Italien. Später erfahren wir,
dass es tatsächlich junge Kommunisten aus Santiago sind.
Am Ende der geraden
Strecke hinter dem Refugio von Ribadiso muss man nicht nach links dem Rechtsbogen
folgen, sondern kann geradeaus die Straßenböschung hoch, bis man die
Asphaltstraße nach Arzúa hinein erreicht. So kürzt man etwa 300 m ab.
Die folgende Strecke Arzúa - Santiago de Compostela
im Juli 2006 mit neusten Ergänzungen.
12h15 sind wir in der Stadt. Wo man von der Hauptstraße (N547, Rúa Lugo)
halblinks in
Richtung Herberge abzweigt (die schmale Straße heißt Cima do Lugar),
ist neuerdings ein Kiosk mit Informationen.
Vor der Herberge lagern schon viele Pilger, darunter die Jugendgruppe. 13h00
wird geöffnet.
An der Eingangstür der Herberge wieder eine Deutschperle aus Spanien:
"Die, daß sie im Schutz von Ribadiso geschlafen haben, können nicht
diesbezüglich schlafen!"
Das ist kein Fluch gegen die, die bei der Konkurrenz untergekommen sind,
sondern soll heißen:
Wer in Ribadiso übernachtet hat, wird in Arzúa (ja nur 3 km
entfernt) nicht aufgenommen. :-))
Wie man auf die Schlafsäle verteilt wird
Die Herbergsmutter führt, wie ich schon weiß, die Älteren in
den "Altenschlafsaal" oben links. Bei Marek und mir stutzt sie, Marek ist
offenbar noch jünger. So kommen wir zu meinem Missvergnügen in den
rechten Schlafsaal, mitten unter die Jugendlichen. Aber: Als Kompromiss
scheucht sie einen Jugendlichen nach oben, der etwas mault, so dass Marek
und ich unten nebeneinander schlafen. Ich muss aber schon jetzt vorwegschicken,
dass sich die Jugendlichen wider Erwarten sehr diszipliniert und ruhig
verhielten. Ihr Anführer hatte sie gut im Griff.
Als ich meinem Obermann die Kopfecke am Bett für seine Sachen
reserviere und ihn freundlich darauf hinweise, ist er ganz versöhnt. Ab da grüßen
uns alle freundlich. Die 4 deutschen Jugendlichen, denen ich in Palas de Rei
Quartier besorgt habe, bekommen Betten an der Tür. Sie sind mir immer noch
dankbar für die Hilfe.
Mittagessen
Bei den Bares hat sich einiges geändert. Gegenüber der Herberge in der
Bar Arcano gibt es
fast nichts mehr, nur noch Einheitsmenü ohne Auswahl. Mit etwas Suchen
finden Marek und ich das Restaurant Teodora, neben dem Tourismuskiosk
an der Hauptstraße (Rúa Lugo). Es ist rappelvoll.
Einige gut gekleidete Spanier sind etwas eschoffiert, dass hier
auch Arbeiter im Blaumann und abgerissene Pilger essen dürfen. Doch die
Bedienung empfängt alle freundlich und aufmerksam. Menü 8 EUR: Reis mit
Tintenfisch, Fleisch mit Kartoffeln, Tarta de Santiago. (Im Juli 2006 kostete das Menü
schon 10 EUR!)
Waschmöglichkeiten im Hof
Die Duschen in der Herberge lassen mich wieder staunen. Im Bad für Herren
sind es zwei Brausen, entgegengesetzt angebracht, aber die linke falsch
eingesetzt, so dass sie den Vorraum mit unter Wasser setzt, das durchs ganze
Bad fließt. Draußen im Hof eine große Anlage zum Wäschewaschen (auch
Maschinen) und sehr viele Wäscheleinen. Ich lerne dort zwei nette
Österreicherinnen kennen, die von Astorga kommen und mir Schokolade
anbieten. Sie liegen im selben Schlafsaal wie wir.
Unerwartete Prozession
Abends ist Messe in der Pfarrkirche. Das lasse ich mir nicht nehmen.
Die Kirche ist zu meinem Erstaunen brechend voll, vor allen Dingen ungewöhnlich
viele Männer, selbst in mittlerem Alter. Es stellt sich heraus, dass Patronatsfest
ist. Draußen lärmen mehrere Schulklassen Kinder samt Lehrern, so dass der
Gottesdienst empfindlich gestört wird. Keinen Spanier kümmert's. Am Ende
rücken starke Männer nach vorn, nehmen die Statue des Lokalheiligen mit
einem Tragegestell auf und ab geht die Prozession durch die Altstadt. Aber
nicht mit frommen Gesängen, sondern mit lautem Alltagsklatsch. Ich ziehe ein
Stück mit, seile mich dann aber nach einer Weile ab, als wir an der Straße zur
Herberge vorbeikommen.
Deutsch-japanische Freundschaft
Abendessen im Hof, da der kleine Aufenthaltsraum überfüllt ist und in der
"Küche", die nie mehr als solche benutzt wird, die üblichen Mattenlager sind.
(Eine Familie mit mehreren kleinen maulenden Kindern beneide ich nicht.)
Ich treffe auf den Japaner, der mir in gebrochenem Englisch seine
Begeisterung für deutsche Kultur mitteilt. Er kann einige deutsche Wörter aus
vertonten Liedern. Beethoven ist sein Idol. Als Jugendlicher habe er dessen
Musik gehört und sei zu Tränen gerührt gewesen. Jetzt geht er den Pilgerweg,
da er das schon in vielen Ländern gemacht hat, registriert die unterschiedlichen
Sitten und das Verhalten der Leute.
Ich gebe ihm einige Komplimente über Japan zurück.
Der Rückgang in der Bar gegenüber
Abends nehme ich in der Bar Arcano einen einsamen Schlummertrunk.
Hier ist wirklich nichts mehr los. Vor zwei Jahren haben sich hier die Pilger noch
gerammelt, und es gab den ganzen Tag über ein gutes Menü. Möchte wissen,
woher dieser Wechsel kommt. - Die Nacht verläuft ruhig.
01. September 2005, Donnerstag: Von Arzúa nach Monte do Gozo, 35 km (319 km)
Da meine Frau und ich 2003 vom Camino del Norte in Arzúa den Hauptweg erreicht
haben, gehe ich den Rest des Weges jetzt zum fünften Mal. Marek und ich wollen,
wie ich das 2002 und 2003 schon gemacht hatte,
heute gleich bis zum Monte do Gozo durchlaufen.
Zentrale Planung: Um den 1.9. in Santiago
Eigentlich bin ich einen Tag "zu spät", da ich schon drei Mal am 1.9. in Santiago
eingetroffen bin, in diesem Jahr also 1 Tag später. Das ist alles kein Zufall, denn
ich lege meine Pilgertouren immer so, dass ich hinter der Spanierwelle herlaufe,
die Santiago noch bis Ende August erreichen muss, weil dann die Ferien zu
Ende sind. Danach richtet sich meine ganze Zeitplanung. - Wir werden heute
fast alle inzwischen Bekannten verlieren, denn kaum jemand läuft über
Pedrouzo hinaus. Ich wollte statt dort aber lieber in Melide unterkommen,
weil die Herberge besser ist.
Same procedure as every year
6h20 raus. Kaffee im Bad zubereitet. 8h00 rücken wir ab. Über die mir so
vertraute Strecke, die ich schon mehrfach geschildert habe, ist kaum was Neues
zu sagen. In Calle gibt es am Dorfeingang eine neue Bar, aber die
bekannte, etwas weiter, macht einen besseren Eindruck. Traditionelle Pause
dort sowie Mittag 11h30 - 12h00 am Rastplatz von Santa Irene.
Vorher ist der Pilgerweg etwas verlegt worden: Man kreuzt nicht mehr die
Fernstraße, sondern bleibt vor Santa Irene auf der rechten Seite der
Straße, wo ein neuer Pfad angelegt wurde. Schlecht für die private Herberge
im Dorf Santa Irene, das ja links der Straße liegt und somit nicht mehr
durchquert wird.
Marek läuft
unverdrossen wie ein Uhrwerk, ein Pilgernaturtalent. Das schöne Haus in
Rúa ist endlich fertig, aber noch immer nicht bezogen. Zur
Abwechslung bleiben wir in Pedrouzo auf dem Pilgerweg, gehen
also nicht auf der Hauptstraße durch den Ort, da wir nichts einkaufen müssen.
Zwischen Flughafen und Labacolla schneidet eine neue Autobahn
den Pilgerweg, aber kein Problem: die Piste geht weiter geradeaus. In
Labacolla 14h30 Pause vor der Kirche. 15h15 sind wir bereits
am Monte do Gozo. Ich kann in der kleinen Kapelle singen.
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Am Flughafen von Santiago
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Auf dem "Berg der Freude"
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Dann zum Pilgerdenkmal (nicht mit dem Papstdenkmal verwechseln! Wieder ein traditionelles Foto ...),
endlich zu den riesigen Blöcken der Pilgerunterkünfte runter.
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Zwei nette Radfahrer
Der Empfang ist diesmal in einer der letzten Bauzeilen links (statt
wie bisher rechts). Wie üblich verteilen sie die Pilger klug auf die Zimmer.
Erst wird jedes mit ein bis zwei Pilgern belegt, danach kommen gleichmäßig
viele hinzu, so dass die Belegung überall gleich stark ist. Wir haben am Ende
noch 2 portugiesische Radfahrer und 1 Spanier auf dem Zimmer. Meine
Begeisterung für Radfahrer hält sich ja in Grenzen, aber unter den beiden
Portugiesen ist der eine ausgesprochen extrovertiert und verwickelt mich
in anstrengende Gespräche. Er verwendet ein mit spanischen Brocken
versetztes Portugiesisch, so dass ich meine verschütteten Kenntnisse
von 1994-96, wo ich jeweils einige Wochen in Brasilien war,
wieder ausgraben muss, und ein mit
wenigen portugiesischen Wörtern garniertes Touristenspanisch spreche.
Gottlob (aus meiner Sicht) ist das Englisch der beiden so grauenhaft,
dass das keine bessere Verständigungsmöglichkeit bietet.
19h30 zum Einkaufen. Das ist eine rechte Enttäuschung.
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Schlechtere Versorgungseinrichtungen: Der einzige
Lebensmittelladen
ist nicht mit Selbstbedienung und hat auch sonst wenig, das uns fehlte. Der
Kaffee-Automat im Kiosk funktioniert nicht.
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Geschwelge beim Abendessen
Die Portugiesen schleifen uns
kurzerhand die ganze Straße wieder hoch, um Essen zu gehen. Nein, unten
im Restaurant sei es zu teuer (8 EUR). Es war ja egal. Also, bis hoch zum
Papstdenkmal zurück, dann an der nächsten Kreuzung (wo man von rechts
gekommen ist), links ab zur Nationalstraße. Dort ist rechts die Bar
Labrador. Wir nehmen bis 20h00 einen Schluck Bier. Dann gibt es
ein Menü für 6 EUR: Ensalada mixta, Kotelett, Tarta de Santiago (ich mag
diesen Kuchen mit Marzipangeschmack so gern). Außer uns ist nur
noch ein Pilgerpaar anwesend, ich glaube, Urs mit einer Pilgerin, die
keine Spanierin war. Da Marek keinen Rotwein trinkt, bleibt uns die
Flasche zu dritt, und wir werden alle redselig, schwatzen - Europa lässt
grüßen - in drei bis vier Sprachen durcheinander. Der unterhaltsame
Portugiese - er ist wirklich unterhaltsam - stellt sich als Firmenchef
heraus, sein Kamerad ist ein Kunde von ihm, den er kurzerhand überzeugt
hatte, mit dem Rad nach Santiago zu fahren. Als sie hören, dass ich
fließend Esperanto spreche, interessiert sie das sehr.
Ich halte meinen Werbevortrag vom Typ Standard IIIb (für Ausländer im
Ausland, deren Sprache ich nicht gut kann ;-)). Beim Rotwein schwören wir,
dass Esperanto auch die sprachliche Lösung für unsere jetzige Situation wäre.
Unser Freund (er hatte einen schwierigen Namen unidentifizierbarer
Herkunft) ist so in Fahrt, dass er die Bedienung anfleht, uns mehr Wein
zu bringen. So schaffen wir auch die zweite Flasche, ohne aus der Rolle
zu fallen. Ich kann schon was vertragen. Am Ende war diese zweite
Flasche sogar im Preis inbegriffen, beeindruckend. Nun, man kann sich ja
mit einem guten Trinkgeld bedanken.
Erst um 23h00 sind wir im Bett. Die Nachtruhe ist nur leidlich, denn unsere
portugiesischen Freunde müssen um 4h00 raus, um den Fernbus nach Hause
zu bekommen.
02. September 2005, Freitag: Von Monte do Gozo nach Santiago de Compostela, 4 km (323 km)
Bis 7h30 schlafen wir noch weiter. Dann gibt es sogar Kaffee auf dem Zimmer,
denn wir haben eine Steckdose.
Man nennt mich einen Fanatiker
Kurz vor 9h00 kommen wir fertig aus dem Bau
und stoßen auf ein deutsches Pilgerehepaar, das mich erkennt. Der Mann
redet mich mit Namen an, erwähnt kurz, welche Strecke sie gepilgert sind und
wundert sich, dass ich nach der Mammutstrecke im Frühjahr schon wieder
unterwegs bin. "Na, ich bin nicht so fanatisch wie Sie", meint er zum
Schluss. Au, das saß! Als Fanatiker will ich ja nun wirklich nicht gelten.
Ich verabschiede mich etwas unvermittelt.
In Santiago
Pilgerunterkunft "Acuario"
Wir stoßen auf Urs und ziehen mit ihm in die Stadt. Plaudernd verpasse ich doch
glatt das Informationsbüro am Stadtrand, habe es auch nicht gesehen.
Macht nichts, einen aktuellen Stadtplan bekomme ich auch im Zentrum.
Etwas später passieren wir eine große private Herberge Acuario, die
als Alternative zum Seminario Menor gilt. 10h10 sind wir an der
Kathedrale.
Tipp: Ich empfehle weiterhin eine Übernachtung in der
Bar La Campana, wo ich jedes Mal absteige, wenn
ich in Santiago bin.
Herzliche Grüße an Doña Josefina von "el aléman con
la barba" bestellen!
Mit dem sparsamen Marek hatte ich ein Problem: Er will nicht in mein
übliches Quartier "La Campana", sondern ins billigere Seminario. Kompromiss:
Heute dort, die Nacht vor der Rückfahrt im "La Campana".
An der Kathedrale werden
wir mehrfach von Zimmerwerbern angesprochen. Ich stecke eine Adresse ein.
Kaum ist die Frau weg, tritt eine zweite auf uns zu: "Gehen sie nicht zu der," zischelt sie,
"die haben doch ein Problem" und sagt irgendwas wie "Hatiffnatten".
Cucarachas (Schaben) sind es nicht, das hätte ich verstanden, ich
vermute aber Ähnliches. Ein junges Mädchen drückt uns ebenfalls eine Karte
in die Hand. Oha, Rúa do Vilar, das ist ja beim Pilgerbüro um die Ecke.
Im Pilgerbüro: Tatsächlich zwei Stempel pro Tag
Doch zunächst die Pilgerurkunde. Man bestätigt mir, dass man ab Sarria
jeden Tag zwei Stempel braucht. Ich wundere mich sehr, aber Marek hat sie ja.
Ich selbst brauche keine Urkunde mehr. Der junge Mann fragt mich,
ob ich in der Pilgermesse vorbeten möchte. Ist ja sehr schmeichelhaft, aber
wir müssen noch zum Seminario, dann wird alles eine Hetze. Ich lehne also
dankend ab.
11h10 sind wir am Seminario Menor. Zu meiner Überraschung bekommen
wir Betten zugeteilt, aber - was für ein Glück - hinten rechts, wo es ohnehin
am ruhigsten ist. Dann stelle ich fest, dass der Durchgang hinten zu den
besseren Bädern verschlossen ist. Und von den 4 Toiletten vorn ist eine
defekt. Ich will ins "La Campana"! (Sprung zu unseren Erlebnissen im
Seminario Menor am gleichen Abend
hier.)
Pilgermesse mit Botafumeiro und Casa Manolo
12h00 Pilgermesse. Mein Notizbuch sagt "Botafumeiro", obwohl ich mich
nicht erinnern kann. Muss wohl nicht mehr so beeindruckend gewesen sein.
13h00 in der
Casa Manolo, meinem Stammlokal.
Menü 6,50 EUR: Arroz a la marinera
(Reis mit Meeresfrüchten), lengua (Seezunge, für mich der lukullische
Höhepunkt hier), Joghurt. Dazu einen halben Liter "Bock" (ja, so sagen sie
selbst) für 1,80 EUR.
Marek möchte noch einen Tag länger hier bleiben, weil er alles besichtigen
will. Ist in Ordnung. Ich richte mich nach ihm. Dann sind wir eben nur eine Nacht in
Finisterre. Überflüssigerweise laufen wir zum Busbahnhof, um Karten für die
Fahrt zum Kap zu kaufen: Die gibt es nur im Bus mit derselben Ermäßigung
bei Hin- und Rückfahrt. Die Fahrscheine für die Fahrt nach Madrid habe ich ja
schon in León gekauft. Zurück in die Altstadt. Stadtplan und Fahrplan nach
Finisterre im Touristenbüro. Ich habe auf einmal das Kärtchen von heute Morgen
in der Hand, mit der Unterkunft in der Rúa do Vilar, in der wir uns
gerade befinden. Ich will auf keinen Fall die nächste Nacht wieder im Seminario
verbringen.
Die Pension San Jaime in der Rúa do Vilar
Marek sagt, vielleicht ist's da ja noch billiger als das "La Campana", und ich bin
nicht abgeneigt, etwas Neues auszuprobieren. Also gehen wir zu der
Pension "San Jaime", Rúa do Vilar, 12, 2. Stock (Tel. 981 583 134), läuten aber zuerst aus Versehen bei der Konkurrenz, ein Stockwerk tiefer. (Wer denkt denn auch, dass
hier zwei Pensionen im selben Haus sind? Ist auf der Türschelle draußen kaum
zu erkennen.)
Wir kommen im 1. Stock an der falschen Pension vorbei. Dort steht an der Tür:
"Wer sich unberechtigt im Treppenhaus aufhält,
wird ohne Federlesens angezeigt und von der Polizei abgeführt." Herzlich
willkommen! Eine Etage höher empfängt uns eine alte Dame mit sorgenvollem
Gesicht: Alles schon belegt. Sie rennt schon zu einem Telefon, will uns
was anderes bei ihren Bekannten besorgen.
"Halt, halt!" rufe ich, "es ist doch für morgen!". Ach so, dann ist ja alles klar,
morgen ist was frei. Doppelzimmer 24 EUR, etwas billiger als in meiner
Stammbar. Na, gut! Wir schauen dann doch noch in "meiner"
Bar "La Campana"
rein, wo sie ihren Augen nicht trauen, dass ich schon wieder anrücke. Wir
reservieren für die Nacht von Montag auf Dienstag ein Doppelzimmer (26 EUR).
So bringt man Spanier dazu, einem einen Wunsch
zu erfüllen
Im Seminario sind abends um 20h00 etwa 60 der rund 70 Betten belegt.
Der Waschraum und die Toiletten sind in einem unbeschreiblichen Zustand,
überall verlaufen kreuz und quer Wäscheleinen. Die hintere Tür ist immer
noch abgeschlossen. In den zwei Betten davor liegt ein älteres italienisches
Pilgerpaar. Der Mann hat mit seinem Pilgerstab eine provisorische Wäscheleine
vor der Tür her gespannt und schaut mich abwehrend an, als ich an der Klinke
rappele. Er denkt natürlich, eine ruhige Ecke zu haben, wo niemand vorbeilaufen
kann. Mir platzt der Kragen. Ich gehe runter zum Empfang und sage mit meinem
freundlichen Ton, bei dem im Hintergrund Eisen klirrt, was man sich dabei denkt,
nur 3 Toiletten für gut 60 Pilger bereitzustellen, wo es doch hinten im Flur die
schönsten Bäder gibt. Der junge Mann hinter dem Tresen schaut mich verblüfft an,
dass ich das weiß. Seine Reaktion ist ganz spanisch: "Man werde überlegen, was
man da tun könne." Ich nicke freundlich und bitte um ein "Wunder". Damit kann
er meinen Wunsch erfüllen ohne zugeben zu müssen, dass er berechtigt und
ohne Weiteres erfüllbar ist; das wäre gegen seine Ehre. Aber mit einem "Wunder"
kann man natürlich Ehre einlegen. Es kommt genauso, wie ich es voraussehe.
Nach etwa zehn Anstandsminuten kommt jemand wichtig in den Schlafsaal
gestapft, geht auf die besagte Tür zu und schließt auf. Dann höre ich an den
Schritten, dass er herumsucht, wahrscheinlich mich. Ich tauche aus meiner
Schlafsaalecke auf. Es ist der junge Mann vom Empfang: "Bitte sehr, ich habe
aufgeschlossen" wedelt er mir mit den Händen zu. "Fantastisch, muchas
gracias", ich tue freudig überrascht über das "Wunder".
Dann schnappe ich mir mein Duschzeug und laufe wieder zu den
Italienern, teile unterwegs noch zwei Österreichern mit, dass jetzt die Luxusbäder
geöffnet sind. Der Italiener hat seine Wäscheleine abgebaut und überlegt, ob ich
ihn schikanieren will. "Bessere Bäder" erkläre ich ihm, er versteht "mejores" nicht.
Seine Frau sagt's ihm auf Italienisch. Er schaut erst verblüfft, nickt dann erfreut.
Danach lasse ich mich gemütlich in dem schönen Badezimmer los (Duschkabinen
mit Vorraum!). Als ich zurückgehe, kommt mir der Italiener mit Rasierzeug
und Handtuch entgegen. Ich kann
noch sehen, wie er beim Anblick all des Luxus aufstrahlt.
Kein Auftritt von "La Tuna" an der Kathedrale
Am Abend warten wir leider vergebens auf die Studentenkapelle "La Tuna".
Ein Spanier sagt uns, dass sie zurzeit nicht auftreten. - Nachts wird das Bett
neben mir wieder geräumt. Es sind ja noch einige Betten frei geblieben. Es haben
aber auch einige andere geschnarcht.
03. September 2005, Samstag: Santiago
Mit Stöpseln in den Ohren fast bis 8h00 geschlafen. Die Badezimmer haben wir
für uns.
Frühstücken im Badezimmer nicht verboten
Wir frühstücken in dem Raum mit den Waschbecken, weil es da auch
eine Steckdose gibt, um Kaffee zu kochen. In den Schlafräumen ist ja essen verboten,
obwohl es keinen Aufenthaltsraum oder so etwas gibt. Aber im Waschraum ist
essen ja nicht verboten :-)) Der Italiener kommt rein und grüßt höflich auf
Italienisch. Sonst bleiben wir allein.
Ein Museum, das ich noch nicht kenne
Um 10h00 stellen wir unsere Rucksäcke in der Hospedaje San Jaime ab.
Man sagt uns, dass die Zimmer um 12h00 bereit sind. Ein Bad ist auf dem Flur, aber
die Gäste dürfen auch das zweite, private benutzen, wenn das erste besetzt
ist. 13h00 essen wir wieder im Casa Manolo. Kommt man genau zur Öffnungszeit,
ist man mit dem ersten Schwung Gäste dabei. Danach ist Andrang.
18h00 besuchen wir noch das Museum der galicischen Volkes, das ich auch
noch nicht kenne. Lohnt sich wirklich, Eintritt frei.
Eine der vielen typischen Pilgergeschichten
Gegen 21h00 will ich noch ein Bier trinken, während Marek sich schon
weggepackt hat. Er hat anscheinend etwas die Grippe. Unten auf der Straße
sehe ich einen jungen Pilger, könnte Deutscher sein. Er stapft etwas
schwankend und unsicher
die Straße entlang. Jetzt kommt eine typische Pilgergeschichte. Ich wende mich
schon ab und will mein Bier, da sagt mir eine innere Stimme: "Du musst ihm helfen."
Ich laufe ihm langsam nach, komme mir etwas blöd vor. Bin ich nicht vielleicht
einfach nur aufdringlich oder habe ich einen Helferkomplex?
Am Ende der Straße ist eine Bäckerei. Mein "Schützling" kauft sich
ein Kuchenteilchen, beißt hungrig hinein. Jetzt gebe ich mir doch
einen Ruck, spreche ihn an. "Alemán?" frage ich. Er versteht
mich nicht, fragt auf Englisch, was ich will. Ja, was? Ich sage dann verlegen,
dass ich selbst Pilger bin, Deutscher, ob ich ihm helfen kann? - Nein, er will
zu einer Pilgerunterkunft, Acuario oder so. Ich wollte mich ja
nicht aufdrängen, aber
der lief ja total falsch. Ich erkläre ihm, dass er am Acuario schon fast zwei
Kilometer vorbei ist, wenn er den normalen Pilgerweg reingekommen ist. Von
woher überhaupt? - Von Melide. - Ich glaube, ich habe was im Ohr. Von Melide?
Das sind über 50 Kilometer! - Ja, hat er heute gemacht, grinst er stolz,
aber jetzt ist er fertig. Hat keinen
Stadtplan, eine völlg falsche Vorstellung, wo er ist und wo er das Acuario suchen soll. Hat Hunger, Durst und taumelt eigentlich nur noch. Der braucht
dringend heute Nacht eine Unterkunft, in der er sich ausruhen kann.
So blond wie er ist, könnte er wirklich Deutscher sein, aber er ist Pole und
kann kein Wort Deutsch oder Spanisch. Nicht einmal "Alemán" versteht er.
Also Englisch. Ich nehme ihn in Schlepp. Vor unserer Pension lasse ich ihn warten
und hole einen unserer Stadtpläne runter. Dann lade ich ihn
neben der Kathedrale (er schaut begeistert auf sie) zu einer Portion Pommes und
einem Bier ein. Anschließend bringe ich ihn zum Altstadtrand, zeige ihm auf
der Karte, wo er ist; geradeaus ist das Kloster links vom Seminario schon sichtbar. Das
Acuario wird so spät niemanden mehr nehmen, aber das Seminario ist
noch geöffnet. Er trollt sich dankend mit dem Stadtplan in der Hand.
Ich habe jetzt auch mein Bier gehabt
und kann zu Marek zurück. Dem geht es ziemlich schlecht, aber in der Nacht
schwitzt und schläft er sich wieder einigermaßen gesund.
Nach Finisterre
04. September 2005, Sonntag: Mit dem Bus nach Finisterre
7h00 stehen wir auf. Marek ist noch schwach, kann aber fahren, sagt er.
Hostal Rivas im Sommer etwas teurer, Hospedaje López
Zum Busbahnhof. Bussteig 8-10, Firma ARRIVA. Fahrpreis pro Person
18,45 EUR hin und zurück (2 EUR Rückfahrrabatt abgezogen). Fahrtzeit gut
2 Stunden, die Baustelle unterwegs in den Bergen macht Fortschritte. Das
Wetter ist einigermaßen. Zwar regnet es zwischendurch, als wir über die höchste
Stelle fahren, aber in Fisterra ist es trocken. Gleich zum Hostal Rivas
oben an der Hauptstraße. Sie wollen 30 EUR für das Doppelzimmer, also mehr als
im Frühjahr. Ich handele auf 25 EUR runter, indem ich auf das Frühstück verzichte.
Petra, die uns begleitet hat, geht lieber in die Hospedaje López und erzählt
später, dass es dort auch sehr ordentlich sei. Die Adresse ist Carrasceira, 4,
Tel. 981 740 449, 15 Zimmer.
Am Leuchtturm
14h41 treffen Marek und ich zu Fuß am Leuchtturm ein. Das Wetter ist
bedeckt, man sieht von der fernen Küste nicht viel, aber wenigstens kein
Regen und auch kein Nebel. Vor dem Leuchtturm wird ein großes Hotel gebaut,
und die Baustelle verschandelt alles. Zurück. Marek erkundet das Städtchen,
ich mache Siesta. 17h00 fängt es an zu regnen, hört aber bald wieder auf.
Ich wandere zum Oststrand und suche nach einer Jakobsmuschel, finde aber
nichts. Auf dem Rückweg kaufe ich zwei Stück für 1 EUR bei einer alten Dame
in einer Bar am Wege.
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Das Leuchtturmgebäude
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Essen gehen wieder nicht unproblematisch
Zu Abend zu essen ist in Fisterra schwierig, wenn es preiswert und gut sein
soll. Auf den Speisekarten finde ich wieder tolle Übersetzungsvorschläge, z.B.
im Café-Restaurant O Tearrón am Hafen: Ensaladilla Rusa (russischer
Salat) als "Sammelsurium". Na, da kann sich ja hinterher keiner beschweren.
"Brocten" statt "Braten" scheint wohl ein Abschreibefehler zu sein.
Ich gehe in eine Bar am Hafen, die draußen Tapas und Menü (Fleisch) für 7,20 EUR,
Menü (Fisch) für 8,00 EUR
anpreist. Das Schild schien mir schon halb verwittert. Innen gibt es nur etwas
laut Karte. Menü für 9 EUR, kein Nachtisch.
Da nehme ich lieber Kotelett mit Pommes für 4,20 EUR, aber Brot 0,75 EUR extra.
1/2 Liter Bier 3,00 EUR! Am Nebentisch ein deutsches Pilgerpaar, auch nicht
zufrieden. Erst ein zweiter halber Liter und ein Plausch mit den Landsleuten stellt
meine gute Laune wieder her.
05. September 2005, Montag: Mit dem Bus zurück nach Santiago
Frühstück auf dem Zimmer.
Die Rettung eines Schwertfischbabys
Fast ist es schon Ritual: Morgens die Rucksäcke im Hostal lassen, dann erst
zum Weststrand mit seiner hohen Brandung, danach noch zum Oststrand, um
zu schwimmen. Genauso machen Marek und ich es.
Der Weststrand von Fisterra
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Marek ist von der Natur am
Weststrand begeistert. Wir sitzen im Sand der Dünen und lassen das schöne
Bild auf uns einwirken. Das Wetter ist passabel. Auf einmal sehe ich etwas
in der Sonne blitzen. Es muss ein Fischchen sein, das im Flachwasser
gestrandet ist. Ich kann natürlich keine Kreatur leiden sehen, also hin und
nachgeschaut. Zu meinem Erstaunen ist es ein etwa 20 cm langes Tierchen,
sehr schlank, wie ein Aal und mit einem langen, spitzen Auslauf an der
Schnauze. Ein Schwertfischbaby? Um es nicht zu verletzen, fasse ich es
mit meinem Taschentuch, laufe über eine Sandrinne, bis ich etwa 10 cm tiefes
Wasser erreiche und lasse den Fisch hineingleiten. Er schlägt einmal
mit dem Schwanz, was ihn in noch tieferes Wasser befördert. Dann blitzt
es ein letztes Mal auf, und er schießt in Richtung offenes Meer davon. Ich
schaue ihm befriedigt nach.
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Wieder im September im Atlantischen Ozean
12h30, die Sonne brennt, nichts wie zum Oststrand!
Wir finden eine Abkürzung durch die Dünen zu Häusern in Richtung
Fernstraße, überqueren diese und gelangen so direkt zum Oststrand. Jetzt
scheint die Sonne doch noch ganz schön heiß.
An einer Bootsruine schlüpfe ich aus den Klamotten, die
Badehose habe ich schon drunter. Kaum bin ich im Wasser, tut Marek mir es nach.
Wir bleiben eine ganze Weile im Wasser, weil es wirklich herrlich ist, und das
Meer ruhig wie eine Badewanne. Auf dem Rückweg findet Marek eine kleine
und eine größere Jakobsmuschel, ich wieder nichts. Nun hatte er seine
"selbst gefundene", brauchte meine gekaufte nicht. Ich meine mich zu erinnern,
dass hier vor Jahren die Jakobsmuscheln dicht an dicht lagen, aber 2003
und in diesem Jahr war das nicht mehr so. Muscheln (und Fische) werden
übrigens generell knapp hier, man sieht es an den astronomischen Preisen:
eine Portion Muscheln bis zu 26 EUR.
Übernachtung in der Bar "La Campana"
Als wir mit dem Bus zurückfahren, wird das Wetter schon wieder schlechter,
aber in Santiago ist es weiterhin gut. Dominik aus Dresden hat sich uns angeschlossen,
weil er noch eine Unterkunft sucht. In "meiner" Bar "La Campana" freut man
sich, dass ich noch einen mehr anschleppe. Marek und ich zahlen 26 EUR für
das Doppelzimmer, Dominik nur 15 EUR für das beste Einzelzimmer, das mit
dem breiten Bett, mit Blick auf die Ecke der Kathedrale. Für dieses Zimmer habe
ich schon mehr bezahlt, die Preise sind immer ein bisschen variabel. Dominik
ist freudig überrascht und bedankt sich bei mir für den Tipp. Abends geht er mit in
die Casa Manolo, das er auch noch nicht kennt. Ich lerne auch noch
etwas dazu: Abends gibt's keinen arroz al la marinera. Naja, ich muss ja auch
mal etwas anderes essen.
Rückfahrt
06. September 2005, Dienstag: Mit dem Bus nach Madrid, abends Rückflug
Das wird ein langer Tag. 4h00 geht mein Armbanduhrwecker. 5h16 schleichen wir
uns aus dem Haus, haben am Abend vorher bezahlt und uns von Dominik
verabschiedet.
Rückfahrt nach Madrid
6h05 setzt sich unser Bus nach Madrid fast pünktlich in Bewegung.
Da wir so früh gebucht haben, sitzen wir ganz vorn. Diesmal halte ich
vorsichtshalber meinen Pullover bereit, falls die Klimaanlage wieder Kälte
verbreitet, aber das ist überflüssig.
Es geht wieder erst nordwestlich nach La Coruña, dann nach Lugo
im Osten. Es ist bis dahin dieselbe Strecke, die ich mit Hans im Frühjahr auch
gefahren bin. Danach geht es aber nach Südosten über die neue
Autobahn, die nördlich vom Cebreiro durch die Berge geht und dann
von Villafranca del Bierzo bis Ambasmestas das Tal verwüstet, durch
das sich der Pilgerweg schlängelt.
Über eine weite Strecke sehen wir den Weg, den wir zu Fuß gekommen sind,
und fahren u.a. direkt an La Portela vorbei. Marek kann bald nicht mehr hören,
wie ich dauernd sage: "Da, siehst du da oben, da sind wir aus dem Wald gekommen."
usw. Weiter in Richtung Ponferrada; etwas später
1/4 Stunde Pause, kaum dass man einen Kaffee erstehen kann.
Dann macht die Autobahn einen großen Bogen nach Norden,
um die Montes de León zu überwinden; der Pilgerweg über den Rabanal ist
wesentlich kürzer. Wir kreuzen ihn vor Astorga, lassen die Stadt aber links liegen und
halten jetzt direkt auf Madrid zu. Mich wundert, dass Lugo und Ponferrada
(nach La Coruña) die einzigen Städte sind, in denen der Bus hält.
Touristenbummel am Nachmittag
Ca. 14h00 kommen wir in Madrid an. Wir haben noch Zeit genug, etwas von
der Innenstadt zu sehen. Mit Hilfe einer 10er-Karte der Metro spielen wir also noch
den Nachmittag die Touristen. Madrid ist nicht die schönste Stadt, hat aber recht
ansprechende Parks.
Rückflug nach Köln-Bonn
Am frühen Abend fahren wir zum Flugplatz. An der Endstation der Metro
schenke ich einem etwas abgerissenen Jugendlichen, der gerade am Automaten
eine Fahrkarte kaufen will, den Rest unserer 10er-Karte. Er schaut erst
misstrauisch, dann kapiert er und bedankt sich erfreut.
Wir sind schon durch die Kontrollen und im Wartebereich, als eine Verspätung
für unser Flugzeug durchgegeben wird. Die vorgesehene Abflugzeit war
20h40. Marek verschwindet auf die Toilette.
Urplötzlich laufen alle Leute in eine Richtung weg, jemand ruft mir zu, wir
müssten zu einem anderen Tor. Der Bildschirm zeigt es nicht an, aber der ist
nur für diesen Warteraum an diesem Tor. Ich komme nicht auf die Idee,
auf einen anderen Bildschirm zu schauen, der etwas weiter die Übersicht aller
Flüge anzeigt. Marek bleibt verschwunden, und ich weiß nicht, wann und wo
unser Flugzeug nun startet. Ich spreche einen Mann in Uniform
an, ob er mir helfen kann, evtl. Marek ausrufen zu lassen. Der Angesprochene
hat ein Abzeichen des Flughafens Madrid umhängen und fragt mich doch
glatt, ob ich nicht alles auf Englisch wiederholen könne, er sei Italiener und
verstünde kein Spanisch. "Ja, wo sind wir denn hier?" rufe ich, seine
Begleiter grinsen. Ich habe keine Lust, Englisch zu radebrechen und lasse ihn
stehen, gehe zu den Toiletten und suche Marek. Der steht dort in aller Ruhe
und schaut sich seine Digitalaufnahmen aus der Kamera an.
Eine kurze Erklärung, er hat die Idee mit dem Bildschirm, der alle Flüge anzeigt,
dann laufen wir zu dem richtigen Tor. Es war noch nicht
zu spät. Der Rückflug verläuft problemlos. Ich versorge mich mit Vorräten aus
meiner Umhängetasche. Im Flughafen Köln-Bonn, den wir nur mit
wenig Verspätung (00h10 statt 23h50) erreichen, ist mein Rucksack unter den
ersten Gepäckstücken, aber Mareks kommt gar nicht. Wir wollen schon reklamieren,
da ist er auf einmal doch auf dem Band, dazu noch ein einzelner Koffer.
Wahrscheinlich sind beide Gepäckstücke vorher auf einem falschen Band gewesen.
Marek verabschiedet sich rasch von mir, denn er kann evtl. noch einen Zug
nach Duisburg erwischen.
07. September 2005, Mittwoch, 6h30: zu Hause
Ich dagegen habe noch sehr viel Zeit, da ich an einen festen Zug gebunden
bin, der erst um 1h30 fährt.
Durch das Flughafenlabyrinth
Es stellt sich als sehr kompliziert heraus, den
Bahnsteig zu finden, denn der ausgewiesene Weg ist durch Handwerker
versperrt, die jetzt, mitten in der Nacht, den Fußboden renovieren. Erst mit
Hilfe eines Angestellten finde ich über ein anderes Stockwerk den Weg. Wie
hat Marek das nur in Hast gefunden? Ich wäre völlig durcheinander, hätte ich
nicht so viel Zeit, bis ich, immer noch über eine Stunde zu früh,
am richtigen Ausgang bin.
Den Rest der Zeit verbringe ich wartend in dem Café davor.
Nach einem Tag und einer Nacht endlich zu Hause
Die weitere
Rückfahrt verläuft ereignislos. Von Münster aus nehme ich den Frühzug
in unsere Heimatgemeinde. 6h05 klettere ich am Bahnhof aus dem Zug und
laufe forschen Schritts in den Ort, 6h30 schelle ich an der Haustür. Meine
Frau hat mich schon erwartet. Frühstücken, erzählen, und dann erst einmal
den versäumten Schlaf nachholen ...
Letzte Änderungen: 06.07.2022