Campieren auf dem Jakobsweg?
Es spricht einiges dafür und eigentlich wenig dagegen, auf den Jakobsweg ein Zelt mitzunehmen, um auf Campingplätzen, neben Herbergen oder auch wild zu campieren. Selbstverständlich müssen dazu einige Voraussetzungen erfüllt sein; diese können den nachstehenden Hinweisen entnommen werden. Zugegeben, es braucht etwas Mut, weit entfernt von Siedlungen in der Einsamkeit draussen zu campieren, wo es vielleicht Schlangen, unangenehme Insekten und – im Süden Galiciens – wildlebende Wölfe gibt. Aber wem der Mut fehlt, der/die geht ja ohnehin nicht auf den Jakobsweg, nicht wahr?
Wir haben Erfahrungen mit dem Campieren auf dem Camino del Norte (entlang der spanischen Nordküste) und auf der Via de la Plata (Sevilla – Santiago de Compostela). Diese zwei Wege sind nicht so üppig mit Beherbergungsmöglichkeiten ausgestattet wie der Hauptweg (d.h. in Frankreich die Strecke Le Puy – Roncesvalles sowie in Spanien der Camino Francés). Entlang der Nordküste Spaniens, oft direkt am Meer, gibt es zahlreiche schöne, saubere Campingplätze; auf der Via de la Plata campierten wir wild. Auf dem Hauptweg ist das Campieren eine Option im Hochsommer, wenn die Herbergen überfüllt sind.
Unser Zweierzelt wiegt 3.5 kg (inkl. Bodenfolie). Seine Grösse bietet einen gewissen Komfort (Länge mal Breite, Stehhöhe, u.a. können – sehr wichtig! – Rucksäcke und Schuhe unter Dach genommen werden), und es lässt sich zum Tragen ohne weiteres auf zwei Personen verteilen. Es gibt bestimmt kleinere, leichtere Zelte, aber unseres ist solide und hält auch einen Sturm aus. Im trockenen Zustand kann es im Rucksack verstaut werden. Für Einzelwanderer gibt es praktische Einerzelte von ca. 1.5 kg Gewicht.
Folgendes spricht für das Campieren auf dem Jakobsweg:
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Maximale Freiheit und Unabhängigkeit. Keine Probleme wegen geschlossener bzw. überfüllter Herbergen bzw. Hotels. Ein Plätzchen für ein kleines Zelt findet sich immer und überall.
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Stressfreies Wandern. Keine Hetze, um noch ein Bett zu ergattern, hingegen Beschaulichkeit, Zeit für beliebig häufige und lange Pausen, für Gespräche mit Einheimischen, für Besichtigungen unterwegs, etc.
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Den persönlichen Bedürfnissen angepasste Tagesstrecken und – v.a. auf der Via de la Plata – Ausgleich zwischen unterschiedlich langen (teilweise überlangen) Etappen zwischen den Beherbergungsmöglichkeiten. Dank des Zeltes muss man sich weder körperlich überfordern noch nach kurzen Etappen stundenlang langweilen. Vielmehr kann man Strecken von regelmässiger Länge gehen, und je nach Lust und Laune passt man die Tagesdistanz spontan den momentanen Verhältnissen und Befindlichkeiten an.
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Sonnenuntergänge in der freien Natur, prächtige Sternenhimmel ohne Fremdlicht, Ruhe vor (anderen) Schnarchern und sonstigem Zivilisationslärm, viel interessante Natur sowie nachts spannende Naturgeräusche von Vögeln, Fröschen, Insekten, etc.
Dagegen spricht folgendes:
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Selbst ein kleines, leichtes Zelt bedeutet zusätzliches Gewicht, welches man nicht so ohne weiteres anderswo einsparen kann. Man überschreitet unter Umständen das empfohlene Rucksackgewicht (was aber nur eine Frage der Kondition bzw. Gewöhnung ist).
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Wer unterwegs, d.h. fernab von Ortschaften, zeltet, muss eventuell zusätzliche Lebensmittel, vor allem aber mehr Wasser als sonst mittragen. Vor allem auf der Via de la Plata, wo man sehr oft während des ganzen Tages kein Wasser findet, fällt dies buchstäblich ins Gewicht, wenn man noch vor der nächsten „Wasserstelle“ campiert.
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Wenn man wild campiert, fehlt die abendliche Dusche (man behilft sich dann mit Erfrischungs-Feuchttüchlein), und es gibt keine Möglichkeit, Wäsche zu waschen. Das Campieren fern aller Infrastruktur kommt deshalb im Allgemeinen wohl eher nur jeden zweiten Abend in Frage.
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Ferner fehlen die abendlichen Gespräche mit anderen Pilgern, in der Herberge, beim Essen, bei einem Glas in der Bar.
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Man liegt nicht ganz so weich wie in einem Bett oder auf einer Matratze.
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Nachts, v.a. gegen Morgen, kann es empfindlich kalt werden. Auf der Meseta im Frühjahr und Herbst, wenn es tagsüber sommerlich warm ist, sinkt die Temperatur nachts auf wenige Grad über Null ab.
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Nach einem strengen Wandertag das Zelt bei Regen aufzustellen und/oder am anderen Morgen im Regen und mit klammen Fingern zusammenzupacken, ist nur etwas für robustere Gemüter. Auch ohne Regen ist das Zelt am Morgen meistens feucht. Es lässt sich dann nicht mehr im Rucksack verstauen, und es muss innert 24 Stunden getrocknet werden (das kann während einer etwas längeren Pause geschehen).
Einige Regeln und Tipps für das wilde Campieren:
In den meisten Ländern ist wildes Campieren gesetzlich verboten. Aber: Hier soll mal die Frage gestellt werden, was denn der Gesetzgeber unter „wildem Campieren“ versteht: jegliches Campieren, selbst mit kleinstem Zelt und nur für die Dauer einer Nacht und mit grösstmöglicher Rücksichtnahme auf Landschaft und Landwirtschaft? Oder vielleicht doch eher den wochenlangen Aufenthalt mit grossen Zelten, Autos und entsprechenden Landschaftszerstörungen?
Ist der Landeigentümer in der Nähe, fragt man ihn selbstverständlich um Erlaubnis. Was aber auf den riesigen, weitläufigen Landgütern entlang der Via de la Plata? Für dieses Problem haben wir leider keine Lösung…
Man campiert mit Vorteil nicht auf Viehweiden; es könnten sich dort Herden aufhalten, auch wenn man sie anfänglich weder sieht noch hört (auf den riesigen Gütern entlang der Via de la Plata bemerkt man die Herde vielleicht erst, wenn die Tiere über die Zeltschnüre stolpern).
Man wählt den Ort sorgfältig, so dass man mit dem Zelt nichts zerstört. Man entfacht auf keinen Fall Feuer. Man hinterlässt den Ort in tadelloser Sauberkeit. Die Abfälle werden mitgenommen und nicht vergraben. Die unabdingbaren „Geschäfte“ erledigt man an unauffälligen Orten und bedeckt die Häufchen gut mit Steinen, Gras oder Laub.
Autoren:
Hanspeter und Gertrud Schwarz
CH-8607 Aathal / Schweiz Januar 2006
Wer direkt Kontakt mit den Autoren aufnehmen will, schreibe an
Rudolf Fischer (Rudolf.Fischer bei Esperanto.de)
Letzte Änderung: 24.01.2006